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Zu den "Synagogen im
Kreis Gießen"
Watzenborn-Steinberg mit
Garbenteich (Stadt
Pohlheim, Kreis Gießen)
und Steinbach (Gemeinde Fernwald, Kreis Gießen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Watzenborn-Steinberg bestand eine jüdische
Gemeinde bis Mitte der 1920er-Jahre. Danach gehörten die in
Watzenborn-Steinberg lebenden jüdischen Einwohner zur Gemeinde in Leihgestern.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1830 32 jüdische Einwohner (davon 9 in Watzenborn, 11 in Steinberg und
12 in Garbenteich), 1861 34 jüdische Einwohner (3,0 % von insgesamt 1.139 Einwohnern), 1880
31 (2,1 % von 1.421), 1910 19 (0,9 % von 2.149). Die jüdischen Haushaltsvorsteher waren als Händler /
Kaufleute tätig.
Nach Arnsberg s. Lit. gehörten
auch die in Steinbach (heute Gemeinde
Fernwald) zur jüdischen Gemeinde Watzenborn-Steinberg (1828 40 jüdische
Einwohner, 1830 36, 1845 52, 1861 93, 1895 42, 1905 41; dem Webmaster liegen dazu jedoch keine weiteren
Informationen vor; nach Altaras 1994.2007 bestand hier bis um 1900 eine eigene
Gemeinde).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Religionsschule), ein rituelles Bad und ein Friedhof. Der
Unterricht der jüdischen Kinder wurde zunächst durch eigene, dann durch auswärtige
Lehrer oder "Wanderlehrer" erteilt. 1860 wird bei einer Lehrerkonferenz
in Gießen Lehrer Würzburger aus Garbenteich genannt). 1904
schlossen sich mehrere Gemeinden der Umgebung zusammen, um gemeinsam einen
"Wanderlehrer" anstellen zu können (mit Sitz in Wieseck,
siehe Bericht unten). Die
Gemeinde gehörte zum orthodoxen Provinzialrabbinat in
Gießen.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Leopold Katz (geb.
21.12.1894 in Watzenborn, gef. 1.11.1914),
Moritz Katz (geb. 7.2.1885 in Watzenborn, gef. 21.8.1915) und Adolf Nunnental
(geb. 10.3.1885 in Watzenborn, gef. 29.9.1915).
Um 1924 gab es noch fünf jüdische Familien mit zusammen 21 Personen in
Watzenborn (1,0 % von insgesamt 2.044 Einwohnern). Gemeindevorsteher waren Jos.
Süß, Abraham Grünebaum und Max Katz. Die damals in Watzenborn und Steinberg
lebenden jüdischen Personen gehörten inzwischen der jüdischen Gemeinde im
benachbarten Leihgestern an. Th. Adler
aus Watzenborn war in der Synagoge in Leihgestern auch als Vorbeter, sowie in
der Gemeinde als Schochet tätig.
1933 lebten noch 23 jüdische Personen in Watzenborn-Steinberg (in
fünf Familien: Familie Isidor Katz, Kreuzplatz 3; Familie Max Katz, Gießener
Straße 1; Familie Elise Nunenthal geb. David, Bahnhofstraße 36), Familie Abraham
Grünebaum, Fahrtgasse 18; Familie Emma Adler geb. Süß, Klossengasse 2)). In
den folgenden Jahren ist ein Teil von ihnen auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert (fünf Personen in die USA,
eine Person nach England; drei Personen 1940-41 nach Frankfurt am Main). Die
letzten zehn jüdischen Einwohner (sieben Frauen, drei Männer: Mitglieder der
Familien Grünebaum, Katz und Nunenthal) wurden 1942 von Watzenborn-Steinberg
aus deportiert. Die nach Frankfurt verzogene Emma Adler wurde ihren Kindern
Lydia und Siegfried 1941 von Frankfurt nach Riga deportiert. Die in
"Mischehe" lebende Emilie Feuster aus Garbenteich wurde noch im
Februar 1945 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, hat die schlimmen Wochen
im dortigen Lager überlebt und konnte Ende Mai 1945 in ihre Heimat
zurückgebracht werden.
Hinweis: eingestellt ist die 1962 vom Gemeindevorstand Watzenborn-Steinberg
für den International Tracing Service (Internationaler Suchdienst) in Arolsen
erstellte Liste der aus Watzenborn-Steinberg deportierten jüdischen Personen:
Liste aus Watzenborn-Steinberg (pdf-Datei mit 13 Namen.
Von den in Watzenborn geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emma Adler geb. Süß (1894), Siegfried Kurt Adler
(1922), Lydia Sonja Adler (1927), Gerda Dreifuß (1904), Max Dreifuß (1906),
Abraham Grünebaum (1876), Regine Grünebaum geb. Katz (1863), Susanna
Grünebaum geb. Süß (1875), Melitta Kahn geb. Dreyfuß (1895), Betti
(Betty) Katz geb. Wertheim (1892), Hilda Helene Katz geb. Ransenberg (1895), Irene Katz
(1928), Isidor Katz (1887), Jettchen Katz geb. Simon (1862), Markus Katz
(1882), Max Katz (1895), Sabine Marx geb. Dreifuß (1871), Elise
Nunenthal geb. David (1885), Frida Käte Nunenthal (1913), Johanna Süß geb.
Stern (1862), Meyer Süß (1873).
Auf einem 1963 errichteten Gedenkstein im jüdischen Friedhof Watzenborn
stehen die Namen von 13 der in obiger Liste genannten Personen unter dem Text:
"Dem ehrenden Gedenken unserer jüdischen Mitbürger - es folgen die
Namen - Opfer von Terror
und Willkür 1933-1945. Zur ewigen Mahnung" (die oben kursiv markierten
Namen stehen nicht auf dem Gedenkstein, da sie zwar aus Watzenborn stammen,
aber 1933 beziehungsweise danach an anderen Orten lebten).
Auch am Rathaus der Stadt Pohlheim in Watzenborn-Steinberg steht ein Gedenkstein
für die Opfer des Nationalsozialismus. Gleichfalls sind an fünf Standorten
sog. "Stolpersteine" für die in der NS-Zeit ermordeten
jüdischen Einwohner verlegt (Foto links: "Stolpersteine" am Gebäude
Klossengasse 2).
Informationen über www.stolpersteine-pohlheim.de
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Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Zur Anstellung eines gemeinsamen Wanderlehrers mit Sitz
in Wieseck schließen sich mehrere jüdische Gemeinden zusammen (1904)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. April 1904: "Gießen, 21. April (1904). Als Ergebnis
des Eintretens der hessischen Regierung für Anstellung nur seminaristisch
gebildeter Religionslehrer in den israelitischen Gemeinden ist eine
Vereinigung der jüdischen Kultusgemeinden von Wieseck,
Großen-Linden (statt
Gießen-Linden), Langgöns, Leihgestern,
Holzheim, Grüningen und
Watzenborn-Steinberg (statt -Steinbach)
zustande gekommen, um einen Wanderlehrer mit dem Sitze in Wieseck
anzustellen, zu dessen Gehalt die Regierung vorerst einen kleinen Zuschuss
leistet. Wenn die Einrichtung sich bewährt, ist die feste Anstellung des
Lehrers in Aussicht genommen. Man hört, dass auch in den anderen
oberhessischen Kreisen Verhandlungen schweben, die die Frage der
israelitischen Religionslehrer in gleicher Weise regeln
sollen." |
Zur Geschichte der Synagoge
Ein gemieteter Betraum war seit 1846 vorhanden.
Zwar konnten auf Grund der geringen Zahl der jüdischen Einwohner in der
Folgezeit nicht immer regelmäßig Gottesdienste abgehalten werden, dennoch
hatten sich die Gemeindemitglieder verpflichtet, die Gebühren für ihre Plätze
regelmäßig zu bezahlen. Auch der im September 1855 zugezogene Meyer Dreifuß
verpflichtete sich der Israelitischen Gemeinde gegenüber, 10 Gulden sofort und
jedes weitere Jahr den Betrag von 3 Gulden zu zahlen, um einen Platz in der
Synagoge und alle Rechte eines Gemeindemitgliedes zu erwerben.
In den 1880er-Jahren plante die jüdische Gemeinde den Bau einer Synagoge. Dazu
erwarb die Gemeinde in der Klossengasse ein etwa 110 qm großes Grundstück. Im März
1891 konnte Zimmermeister Schneidmüller dem Gemeindevorsteher den Plan für
eine kleine Synagoge auf einer beinahe quadratischen Grundfläche von etwa 50 qm
vorlegen. Wenig später wurde das Gebäude erstellt, jedoch entgegen dem Plan
von Schneidmüller nicht mit einem Satteldach, sondern mit einem Walmdach
ausgeführt. Acht Segmentbogenfenster, an jeder Seite zwei, gaben dem Gebäude
ein besonderes Gepräge. Der Eingang war von Westen her.
Über 40 Jahre war die Synagoge in der Klossengasse Mittelpunkt des religiösen
Gemeindelebens der in Watzenborn-Steinberg lebenden jüdischen
Familien.
Am 7. September 1938 - zwei Monate vor dem
Novemberpogrom 1938 - verkaufte Max Katz als letzter Vorsteher der jüdischen
Gemeinde das Synagogengebäude mit Grundstück an die Ortsgemeinde für 300 RM.
Der Gemeinderat stimmte dem Ankauf am 16. September 1938 zu. Das Gebäude sollte
alsbald von der SA genutzt werden. Dennoch wurde die Inneneinrichtung des
Gebäudes beim Novemberpogrom 1938 demoliert. Im Januar 1939 wurde das Gebäude
vom Gemeinderat an die SA-Dienststelle verschenkt. Wenig später erfolgt der Umbau zur neuen Dienststelle der örtlichen SA (Sturm
13/116). Diese zog im Februar 1939 in das bisherige Synagogengebäude
ein.
1945 entstanden aus den bisherigen Diensträumen der SA Wohnräume, die
von der Ortsgemeinde vermietet wurden. Der damalige Bürgermeister Burk
begründete in einem Brief vom 30. Juli 1948 den Kauf der Synagoge zehn Jahre
zuvor mit der angeblichen Rettung der Synagoge vor ihrer Zerstörung. Im Zusammenhang mit dem
Restitutionsverfahren der Jüdischen Vermögensverwaltung JRSO 1949 hatte die
Ortsgemeinde 1.220 DM an die JRSO nachzuzahlen; der Wert des Hauses war zuvor
auf 2.600 DM geschätzt wurden. Wenig später wurde von ihr das Gebäude
an einen Privatmann verkauft, der es 1954 zu einem Wohnhaus umbaute. Bei
diesem Umbau wurde das Gebäude unterkellert, aufgestockt, erhielt einen Anbau
an der Nordseite und ein Satteldach. Dadurch ist das Aussehen der ehemaligen
Synagoge völlig verloren gegangen. Nach 1976 wurde das Wohnhaus
modernisiert. Neue Fenster beseitigten die letzte äußere Erinnerung an die
ehemalige Synagoge, da zur Straßenseite hin im Erdgeschoss nun auch die beiden
Fenster durch ein einziges breiteres Fenster ersetzt wurden.
Adresse/Standort der Synagoge: Klossengasse
12
Fotos / Abbildungen / Pläne
(Quelle: Foto oben Mitte und Rekonstruktionszeichnungen:
Altaras 1994 S. 75 sowie 2007 S. 212-213; Foto oben rechts siehe Presseartikel
vom Januar 2011 unten)
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Januar 2010:
Rundgang zu den Verlegestellen der
"Stolpersteine" in Watzenborn-Steinberg am
Holocaustgedenktag |
Artikel in der "Gießener
Allgemeinen" vom 28. Januar 2010 (Artikel):
"Bewegender Rundgang in Watzenborn-Steinberg
Pohlheim (gbp). Bewegender Rundgang in Watzenborn-Steinberg: Trotz klirrender Kälte hatten sich am Mittwoch über 40 Menschen eingefunden, um anlässlich des Holocaustgedenktages an den fünf Verlegeorten der Stolpersteine in dem Pohlheimer Stadtteil der ermordeten jüdischen Familien zu gedenken, die an diesen Orten in dem Stadtteil gelebt hatten...". |
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Januar 2011:
Rundgang zu den Verlegestellen der
"Stolpersteine" in Watzenborn-Steinberg am
Holocaustgedenktag |
Artikel im "Gießener Anzeiger" vom 26. Januar 2011 (Artikel):
"Pohlheim. Das Grauen darf nicht vergessen werden
WATZENBORN-STEINBERG. Morgen Begehung der Stolpersteine-Verlegestellen - Es wird an die Geschichte der Familie Adler erinnert.
(mbe). Anlässlich des Holocaustgedenktages lädt die Initiative Stolpersteine Pohlheim alle interessierten Bürger für den morgigen Donnerstag ab 17 Uhr zur Begehung der Verlegestellen der Stolpersteine ein. An den jeweiligen Verlegeorten erzählen Steinpaten die Geschichten der ermordeten Pohlheimer Familien. Das wird speziell die Geschichte der Familie Adler sein.
Beginn und Treffen ist ab 16.30 Uhr vor der Bahnhofstraße 36 in Watzenborn-Steinberg. Die Verlegung der Stolpersteine in Watzenborn-Steinberg fand am 21. Oktober 2009 statt..."
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Januar 2012:
Rundgang zu den Verlegestellen der
"Stolpersteine" in Watzenborn-Steinberg am
Holocaustgedenktag |
Artikel in der "Gießener
Allgemeinen" vom 28. Januar 2012: "Holocaust-Gedenktag:
Schicksal der Familie Katz.
Pohlheim (gbp). Stolpersteine gegen das Vergessen: Mehr als 30
Watzenborn-Steinberger und auswärtige Gäste machten sich aus Anlass des
Holocaust-Gedenktages am Freitag in Watzenborn-Steinberg auf den Weg zu
den 20 Erinnerungsplaketten..."
Link
zum Artikel |
Weiterer Artikel ebd.: "Wie Werner
Katz die Schrecken der Nazizeit erlebte.
Pohlheim (gbp/pm). Am Holocaust-Gedenktag stand das Schicksal der
Familie Katz im Mittelpunkt des 'Stolperstein'-Rundgangs in
Watzenborn-Steinberg. Im folgenden schreibt Stephen W. Kates, der einst Werner
Katz hieß und dessen Eltern im Vernichtungslager in Treblinka von den
Nazis ermordet worden waren..."
Link
zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 345-346. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 196 (Foto des Gedenksteines auf dem Friedhof) |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 (kein Artikel zu Watzenborn-Steinberg) |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 74-75. |
| dies.: Neubearbeitung der beiden genannten Bücher. 2007.
S. 212-213. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 46-47. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 190-191. |
|
Hanno Müller (unter Mitarbeit von Monica Kingreen): Juden in
Pohlheim - Garbenteich 1789-1945, Grüningen 1763-1942, Holzheim
1784-1942, Watzenborn-Steinberg 1758-1942. Hrsg. von der
Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung Lich. Lich 2015. 208 S. 226 Abb. Zu beziehen
über den Autor Hanno Müller Tel. 06404-5768. Website http://www.fambu-oberhessen.de/
Vgl. Artikel
in der Giessener Allgemeinen vom 24.3.2015. |
n.e.
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