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im Elsass"
Hirsingue
(Hirsingen,
Dep. Haut-Rhin / Alsace / Oberelsass)
Jüdische Geschichte / Synagogue / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Hirsingen bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1940. Ihre Entstehung geht in die Zeiten des 17./18 Jahrhunderts
zurück. 1784 wurden 20 jüdische Familien (mit zusammen 95 Personen) am
Ort gezählt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1846 127 jüdische Einwohner, 1861 94, 1910 etwa 80, 1914 74.
Zu schweren Ausschreitungen am Ort (antijüdische Unruhen im Sundgau) kam es 1848.
Dabei wurden die Synagoge schwer beschädigt und zahlreiche jüdische Wohnungen
geplündert.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Altkirch beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war
im 19. Jahrhundert zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter
und Schochet tätig war. Als Kantor (Vorsänger) werden genannt: um 1886/1914 Herr
Weil (1914 genannt als "Kantor und Fabrikbeamter").
Die Gemeinde gehörte (seit 1844) zum Rabbinat Altkirch.
In Spendensammlungen der jüdischen Gemeinde in der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts, deren Ergebnisse in jüdischen Periodika mitgeteilt wurden, werden
unter anderen genannt (alle Mitteilungen in der Zeitschrift "Der Israelit" nach
1871): Jacques Schwob (Jacob Schwab), Meyer Weill,
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1892/94 Herr Bloch.
1936 wurden noch 28 jüdische Einwohner gezählt. Diejenigen von ihnen,
die in den folgenden Jahren nicht emigriert sind, wurden unter der deutschen
Besatzung 1940 nach Südfrankreich deportiert.
Von den in Hirsingue geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Mathilde Cerf geb.
Levy (1885), Justin Hubschwerlin (1915), Marguerite Meyer (1886), Rose Meyer
(1874), Juliah Meyer geb. Schwob (1888), Henriette Picard (1886), Armand Schwob
(1902), Alexandre Weill (1876), Julie Weill geb. Meyer (1870).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
In jüdischen Periodika des 19./20.
Jahrhunderts wurden außer dem Bericht zur Synagogeneinweihung (siehe
unten) noch keine weiteren Bericht zur jüdischen Geschichte in Hirsingue
gefunden. |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Der Krieg bedroht auch viele Orte mit jüdischen
Gemeinden im Oberelsass (1914)
Anmerkung: Die angegebene Zahl der jüdischen Gemeindeglieder bezieht sich
auf etwa 1890.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. September 1914: "Hagenau, 10. September (1914).
Die schweren Kämpfe im Oberelsaß, die in letzter Zeit zwischen den
Franzosen und Deutschen ausgefochten wurden, erinnern uns daran, dass die
dortige Gegend ziemlich stark von Juden bewohnt ist, die jetzt nicht nur
zum großen Teil gezwungen waren, Heim und Herd zu verlassen, sondern
neben der schweren seelischen Not auch viel durch die Zerstörung von Hab
und Gut zu dulden haben. Es wohnen in dem vielgenannten Altkirch
289 jüdische Seelen, Hirsingen 74, Dammerkirch (Dannemarie)
15, Hagenbach 26, Bergheim
110, Grussenheim 314, Neubreisach
102, Blotzheim 62, Bollweiler
120, Ensisheim 27, Regisheim
154, Dürmenach 205, Hegenheim
169, Hüningen 50, Kolmar
1105, Dornach 202, Mülhausen
2271, Niederhagental 145, Niedersept
124, Pfastatt 73, Markirch
147, Rappoltsweiler 134, Habsheim
73, Rixheim 69, Sennheim
151, Wattweiler (Wattwiller) 37, St.
Ludwig 60, Kembs 50, Sierenz
113, Uffheim 120, Gebweiler
305, Sulz 182, Thann
163, Winzenheim 421 Juden. Die
meisten Familien, besonders in der Mülhauser Gegend, haben sich flüchten
müssen, viele davon haben sich während dieser schweren Zeit in der
Schweiz niedergelassen.". |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine ältere Synagoge wurde bei den Unruhen 1848 schwer beschädigt. Sie
wurde in der Folgezeit mehrfach repariert (u.a. 1858). Nach dem Bau der neuen
Synagoge wurde das Gebäude 1920 verkauft. Das Gebäude ist erhalten.
1912/13 wurde eine neue Synagoge erbaut. Sie konnte am 24.
September 1913 durch Rabbiner Simon Auscher aus
Altkirch eingeweiht werden, worüber
zahlreiche
Berichte vorliegen:
Einweihung der Synagoge (1913)
Artikel
in "Das jüdische Blatt" vom 19. September 1913: "Hirsingen.
Am nächsten Mittwoch, den 24. dieses Monats, nachmittags halb drei Uhr, soll
die Einweihung der neuen Synagoge stattfinden. In anzuerkennender
Weise hat der Vorstand Einladungen dazu an alle Gemeinden ergehen lassen,
die zum Bau beigesteuert haben. Unsere ganze Gemeinde rüstet sich, diesen
denkwürdigen Tag so feierlich wie möglich auszugestalten, und sind die
Vorbereitungen zur würdigen Ausführung des Festes in vollem Gang. Besonders
begrüßt wurde die Zusage des Synagogenchores Altkirch an der Feier
mitzuwirken, wofür demselben schon im Voraus herzliche Dankbarkeit
zugesichert sei." |
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Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Oktober 1913:
"Unter großen Festlichkeiten der Gesamtbevölkerung wurde am 24.
September in Hirsingen (Oberelsass) eine neue Synagoge eingeweiht. Herr
Rabbiner Dr. Auscher - Altkirch hielt
die Weiherede. |
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Artikel
in "Das jüdische Blatt" vom 2. Oktober 1913: "Synagogeneinweihung in
Hirsingen.
War das ein Jubel! Aus nah und fern waren die Festgäste erschienen. Im
hellen Sonnenschein eines wunderschönen Herbsttages flatterten die Fahnen an
den Häusern der Feststraße, welche die Dorfgemeinde hatte herrichten lassen.
Um 2 Uhr, beim Eintreffen des Zuges Altkirch—Mülhausen, fand sich der
Vorstand vollzählig am Bahnhof ein zur Begrüßung der Gäste. Von da ging es
in das alte Gotteshaus, das zum Abschied noch einmal festlich geziert war.
In stiller Andacht wurde Mincha gebetet, worauf Rabbiner Dr.
Auscher-Altkirch die Abschiedspredigt hielt. Selbst tief ergriffen von der
Größe des Augenblicks, fand der Redner den richtigen Ausdruck für das, was
aller Herzen bewegte, und kaum ein Auge blieb tränenleer, als er in
ergreifenden Worten Abschied nahm namens der Gemeinde von der Stätte, die
über 145 Jahre ihr religiöser Mittelpunkt war.
Nachdem die Seforim ausgehoben und den ältesten Baale-batim zum Tragen
übergeben waren, bildete sich der Festzug, zu welchem das Feuerwehrkorps in
liebenswürdiger Weise Spalier stellte. Den Zug eröffnete eine Musikkapelle,
welcher Ehrenpaare und weißgekleidete Mädchen mit dem Schlüssel der Synagoge
auf seidenem Kissen sowie der Synagogenchor Altkirch folgten.
Den Männern mit den Thorarollen schlossen sich dann die große Zahl der
Ehrengäste und die Mitglieder der Gemeinde an. An der neuen Synagoge
angelangt, überreichte Frl. Suzanne Meyer mit einem sinnigen Prolog den
Schlüssel des Gotteshauses dem Präsidenten des Konsistoriums, der mit
entsprechendem Widmungsvers die Tore öffnete. Bald war die Synagoge bis auf
den letzten Platz gefüllt. Unter den zahlreichen Ehrengästen sahen wir neben
einem Vertreter des Bezirkspräsidiums den Präsidenten der Zweiten Kammer,
Herrn Reichstagsabgeordneten Sanitätsrat Dr. Ricklin, das Mitglied der
Ersten Kammer Baron Sigismund v.Reinach, die Mitglieder des Konsistoriums
Manheimer, Bernheim und Meyer, viele Parnoßim der Nachbargemeinden, auch die
Großgemeinde Basel hatte die Herren vom Vorstande Ginsburger und Bloch-Roos
als Vertreter gesandt. Der katholische Kirchenrat war durch seinen
Präsidenten vertreten, Gemeinderat und Beamtenschaft waren vollzählig
erschienen, unter ihnen Amtsrichter Dr. Geller und Notar Joder.
Als erster Redner nahm Herr Marx Meyer, der Vorsitzende der Kultusgemeinde,
das Wort. Sein Dank galt all denen, die zum Bau beigetragen, insbesondere
der politischen Gemeinde und der Regierung; vor allem aber sei das größte
Verdienst zuzuschreiben am Neubau Herrn Rabbiner Auscher, dessen
unermüdliche Tätigkeit sich die ewige Dankbarkeit der Gemeinde erworben.
Nach ihm entbot Herr Manheimer-Colmar der Gemeinde die Glückwünsche des
Konsistoriums und zollte der Opferfreudigkeit der kleinen Gemeinde lebhafte
Anerkennung.
In einer großangelegten, inhaltsreichen und formvollendeten Festrede des
Rabbiners Dr. Auscher, der zugleich namens des erkrankten Oberrabbiners
Weil-Colmar sprach, fand die Feier ihren Höhepunkt.
Umrahmt wurde dieselbe durch Chorgesänge des Synagogenchores Altkirch, die
ebenso wie die Solopartien der Herren Kantoren Weil-Altkirch und Weil von
hier auf alle einen unvergesslichen Eindruck machten.
Was die Synagoge selbst betrifft, so passt sich die äußere Architektur des
Baues in seinen modernisierten Louis XVI.- Formen der Umgebung an und bringt
trotzdem die Eigenart seiner Bestimmung zum Ausdruck. Eine massige,
achtseitige Kuppel in Mansardform kennzeichnet nebst den großen
Bogenfenstern den Hauptraum, während sich in einem durch geschweifte
Dachendigungen flankierten Querbau das Treppenhaus und Nebenräume
(Beratungszimmer und Schulsaal) davorlagern.
Auf einer breiten Freitreppe gelangen wir durch ein mit Säulen gegliedertes
Hauptportal aus Haustein in die Vorhalle und von hier in den Synagogenraum.
Eine Granittreppe, die sowohl von der Vorhalle als auch direkt vom
Hauptgebäude außen zugängig ist, führt in den ersten Stock zum Schulzimmer
und zur Frauenempore, die in Eisenbeton freischwebend angelegt ist. Der
Hauptraum ist mit einer Rundkuppel überwölbt und wird durch zwei mächtige
Rundfenster mit Glasmalereien — eine Stiftung der Männer-Chewra — erhellt.
In einem chorförmigen, durch große Rundbogen abgeschlossenen Vorbau befindet
sich Almemor und Araun-Hakaudesch; letzterer wird überdacht von einem in
Schmiedeeisen ausgeführten Baldachin mit Sonne und Krone von wahrhaft
künstlerischer Auffassung und bezaubernder Wirkung.
Die Heizvorrichtung ist in die Nebenräume verlegt. Sitz- und
Beleuchtungskörper, voran der große Leuchter, den eine hiesige Familie
gestiftet, passen sich in einfachen Formen dem eleganten Louis XVI.-Stil des
Ganzen an und geben dem Innern einen harmonischen Abschluss. Die
Farbengebung ist in Weiß, Blau, Gelb und Gold gehalten und verleiht so der
Synagoge eine freundlich-helle und doch zugleich dem Zwecke des Raumes
entsprechende ernst-heitere Stimmung.
So wirkt der Bau trotz seines geringen Umfanges geradezu monumental und
macht seinem Erbauer, Herrn Architekt Arthur Roos-Mülhausen, alle Ehre.
Dass alle Kultusgegenstände, wie Porauches, Ez-Chajims usw. zur Feier des
Tages neu gestiftet wurden, wollen wir nicht unerwähnt lassen, wie auch dass
zur bleibenden Erinnerung an diesen Tag die Gemeinde Herrn Rabbiner Dr.
Auscher einen kostbaren Kunstgegenstand überreichte!" |
Nur etwa 25 Jahre war diese neue Synagoge Mittelpunkt des
jüdischen Gemeindelebens am Ort. Im Juli 1940 wurde die Synagoge geschlossen.
1962 wurde das Gebäude verkauft und zu einem bis heute erhaltenen Wohnhaus
umgebaut.
Adresse/Standort der Synagoge: Alte
Synagoge: 32 rue de Lattre-de-Tassigny
Neue Synagoge: 13 rue de la
Synagogue
Fotos
(Quelle der Fotos: M. Rothé - französische
Informationsseite s.u. bzw. aus Rothé/Warschawsky s. Lit. S. 166;
untere Zeile rechts aus der Website
des Ministère de la culture)
Die alte Synagoge |
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Die neue Synagoge |
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Seite aus der Denkmalliste des Ministère de la culture mit
Beschreibung der Synagoge in Hirsingue (französisch, pdf-Datei)
Links und Literatur
Links:
Literatur:
n.e.

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