Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Groß-Gerau (Kreis Groß-Gerau) 
Jüdischer Friedhof  
   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde    
    
Siehe Seite zur Synagoge in Groß-Gerau (interner Link)     
    
    
Zur Geschichte des Friedhofes       
    
Bereits in mittelalterlichen Zeiten (um 1300) gab es bei Groß Gerau einen jüdischen Friedhof. Er lag im Bereich entlang der Berliner Straße zwischen dem Grünen Weg und der Hermann-Löns-Straße.  
    
Ein alter jüdischer Friedhof bestand seit 1632. Er wurde 30 Ellen vor dem Burggraben, an der Galgenpforte angelegt. Dieser Friedhof wurde 1648, 1659 und 1703 erweitert. Der Friedhof wurde 1892 geschlossen. Im November 1936 befahl die Stadtverwaltung der jüdischen Gemeinde, die Gebeine der Verstorbenen auszugraben und in einem Massengrab auf dem Neuen jüdischen Friedhof wieder beizusetzen. Eine Gedenktafel erinnert heute an die erzwungene Umbettung mit der Inschrift: "Ruhestätte jüdischer Mitbürger aus Groß-Gerau, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft widerrechtlich umgebettet wurden", siehe Foto unten).    
    
Ein neuer jüdischer Friedhof wurde 1841 eröffnet. Der jüdische Friedhof wurde von zahlreichen jüdischen Gemeinden in der Umgebung belegt. Laut den Friedhofsstatuten von 1890/92 gehörten dem Friedhofsverband an die jüdischen Gemeinden beziehungsweise jüdische Familien in den folgenden Orten: Arheilgen, Astheim, Bauschheim, Biebesheim, Bischofsheim, Büttelborn, Crumstadt, Dornheim, Erfelden, Geinsheim, Ginsheim, Goddelau, Groß und Klein-Gerau, Gräfenhausen, Griesheim, Königstädten, Leeheim, Mörfelden, Nauheim, Raunheim, Rüsselsheim, Stockstadt, Trebur, Wallerstädten, Weiterstadt, Walldorf, Wolfskehlen und Worfelden.  
   
Zu ersten Friedhofsschändungen kam es im Frühjahr 1887 und im Frühjahr 1909:    

Grossgerau Israelit 23051887fn.jpg (63358 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1887: "Aus der Provinz Starkenburg, 12. Mai (1887). Ein Akt großer Rohheit, welcher die religiöse Duldsamkeit in trübes Licht zu setzen geeignet ist, wurde auf dem israelitischen Friedhofe zu Groß-Gerau verübt. Es wurden nämlich eine Anzahl der schönsten Grabdenkmäler umgeworfen und beschädigt. Es wäre sehr zu wünschen, dass man die Täter, denn Einer kann diese Rohheit allein nicht verübt haben, ausfindig machen und einer gerechten Bestrafung entgegenführen könnte."  
 
Grossgerau Israelit 15041909f.jpg (26079 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. April 1909: "Groß-Gerau, 2. April (1909). Hier haben nach dem 'Kreisblatt' ein 16jähriger Taglöhner und dessen Bruder auf dem israelitischen Friedhof etwa 40 Grabdenkmäler umgeworfen und zum Teil beschädigt. Die Täter sind zur Anzeige gebracht."   
  
Aufstellung des Ehrenmals für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges (1931)  
Gross Gerau Israelit 17121931.jpg (39800 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Dezember 1931: "Mainz. In Groß-Gerau wurde das vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten zum Andenken an 44 jüdische Gefallene errichtete Ehrenmal auf dem Israelitischen Friedhof in Anwesenheit vieler Organisations- und Behördenvertreter des Kreises und der Kreisstadt eingeweiht."   
Anmerkung: auf dem Ehrenmal stehen die Namen von Gefallenen aus Bischofsheim, Crumstadt, Dornheim, Erfelden, Gräfenhausen, Ginsheim, Geinsheim, Groß-Gerau, Griesheim, Gernsheim, Goddelau, Kelsterbach, Leeheim, Mörfelden, Nauheim, Raunheim, Rüsselsheim, Stockstadt, Trebur und Worfelden.  

Der Friedhof wurde bis nach 1938 belegt. 1938 wurde er geschändet; das Ehrenmal für die jüdischen Gefallenen im Ersten Weltkrieg wurde zerstört. Nach 1945 brachte die Stadt zwei Tafeln an, eine zur Erinnerung an die jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkrieges, die andere zum Andenken an die in der NS-Zeit umgekommenen jüdischen Einwohner der Stadt (siehe Fotos unten). Im November 1953 wurde das Ehrenmal für NS-Opfer beschmiert; 1963 wurden 37 Grabsteine von Jugendlichen umgeworfen. Die Friedhofsfläche umfasst 56,68 ar. Etwa 1.200 Gräber sind vorhanden.  
    
Vereinzelt wurde der Friedhof auch nach 1945 belegt (zuletzt 2010).   
    
    
Lage des Friedhofes       
   
Der alte Friedhof lag im Bereich der heutigen Darmstädter- und Berliner Straße. Der neue Friedhof liegt beim Freibad an der Theodor-Heuss-Straße.   

Lage des jüdischen Friedhofes in Groß Gerau auf dem dortigen Stadtplan: links anklicken:
der Link zeigt die Lage des jüdischen Friedhofes an;
  bzw. unter "Einrichtungen" weiterklicken zu "Friedhof, jüd., Groß-Gerau" 

  
  
  
Fotos 
(Fotos: Stefan Haas)  

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Hinweistafel zum Erhalt des Schlüssels 
beim Friedhofsamt der Stadtverwaltung 
Am Marktplatz 1 
 Teilansichten des Friedhofes   
     
Gross Gerau Friedhof 12048.jpg (349467 Byte) Gross Gerau Friedhof 12010.jpg (249882 Byte) Gross Gerau Friedhof 12011.jpg (282604 Byte)
Teilansichten des Friedhofes   
     
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Oben: das in der NS-Zeit zerstörte Gefallenendenkmal der Gemeinde. 
Links davon Hinweistafel: "Dieses Ehrenmal für die im 1. Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten des Landkreises Gross-Gerau, das unter der nationalsozialistischen Herrschaft zerstört wurde, 
wird in diesem Zustand belassen. Den künftigen Generationen zur steten Mahnung". 
Rechts davon Gedenktafel mit der Inschrift: "Die Bürger der Stadt Gross-Gerau ehren das Andenken der jüdischen Mitbürger der Stadt und des Kreises Gross-Gerau, die durch das
 unmenschliche Nazi-Regime 1933-1945 umgekommen sind, und deren letzte Ruhestätte unbekannt ist."   
     
Gross Gerau Friedhof 12012.jpg (102219 Byte) Gross Gerau Friedhof 12053.jpg (281012 Byte) Gross Gerau Friedhof 12015.jpg (144570 Byte) Gross Gerau Friedhof 12016.jpg (160998 Byte)
Grabstein für Settchen Marx aus Nauheim
 (2.7.1860 - 5.12.1919) 
Grabstein für Hilda Pauly 
(25.6.1867 - 2.2.1933) 
Grabstein für Hannchen Wolff geb. Marx 
aus Groß-Gerau (10.5.1849 - 28.1.1937) 
     
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Grabstein für Herz Kiefer aus Dornheim
 (23.12.1859- 25.1.1937) 
Grabstein für Hedwig Cohn geb. Gutenstein 
(30.4.1878 - 9.8.1935) 
Grabstein für Johanna Pappenheimer geb. 
Strauss
aus Dornheim (19.7.1867 - 26.2.1935) 
     
Gross Gerau Friedhof 12020.jpg (162950 Byte) Gross Gerau Friedhof 12021.jpg (223507 Byte) Gross Gerau Friedhof 12022.jpg (132756 Byte)
Grabstein für Max Kahn von Geinsheim 
(8.4.1866 - 22.1.1934) 
Grabstein für Ferdinand Seelig von 
Büttelborn (10.3.1868 - 11.3.1934) 
Grabstein für Maier Löb aus Griesheim 
(18.1.1853 - 7.7.1908) 
     
Gross Gerau Friedhof 12023.jpg (184226 Byte) Gross Gerau Friedhof 12024.jpg (132866 Byte) Gross Gerau Friedhof 12025.jpg (178698 Byte)
Grabstein für Johanette Löwenstein geb. Haas
 (1840 Gau-Bickelheim - 27.5.1914 Köln) 
Grabstein für Gütel Wolf geb. Mayer aus
 Griesheim (27.11.1838 - 20.7.1903)  
Grabstein für Dina Straus aus Trebur 
(2.9.1882 - 24.6.1909) 
     
Gross Gerau Friedhof 12026.jpg (374763 Byte) Gross Gerau Friedhof 12027.jpg (190685 Byte) Gross Gerau Friedhof 12028.jpg (201207 Byte)
Grabstein für Emilie Marx geb. Kramer aus
 Groß-Gerau (21.12.1881 - 10.8.1924) mit
 Gedenkinschriften für Emil Marx (5.1.1873 -
 1942 Auschwitz) und Hedwig Marx 
(21.8.1909 - 1942 Auschwitz)
 Grabstein für Isaak Marxsohn 
(17.12.1865 - 22.9.1918) 
 Königstätten 
Grabstein für Ludwig Kahn 
von Trebur 
(7.3.1861 - 19.9.1913)  
    
     
Gross Gerau Friedhof 12029.jpg (207342 Byte) Gross Gerau Friedhof 12030.jpg (250590 Byte) Gross Gerau Friedhof 12031.jpg (277453 Byte)
Grabstein für Lippmann Levi von Griesheim
 (28.10.1887 - 26.10.1907) 
Grabstein für Bettchen Kahn geb. Schott aus
 Bischofsheim (18.4.1841 - 19.4.1926) 
Grabstein für Wolf Kahn aus Bischofsheim
 (3.10.1844 - 7.12.1921) 
     
Gross Gerau Friedhof 12032.jpg (208070 Byte)Gross Gerau Friedhof 12045.jpg (321277 Byte) Gross Gerau Friedhof 12033.jpg (107385 Byte) Gross Gerau Friedhof 12035.jpg (213240 Byte)
Grabstein für Gustav Kahn aus Gräfenhausen
 (1.3.1858 - 20.11.1921) und Jettchen Kahn
 (10.11.1863 - 6.4.1924) 
Grabstein für Jeanette Marxsohn geb. 
Adler (24.6.1887 Rüsselsheim - 
27.1.1916 Groß-Gerau
Grabstein für Leopold Löwenstein 
(1.1.1835 - 28.3.1904) 
Groß-Gerau 
     
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Grabstein für Falk Oppenheimer aus 
Büttelborn (18.6.1823 - 24.7.1897) 
Grabstein für Bule Levi aus Griesheim
 (5.8.1828 - 21.9.1905) 
Grabstein für Eva Seelig geb. Guckenheim aus
 Büttelborn (4.3.1854 - 14.12.1905) 
     
Gross Gerau Friedhof 12039.jpg (302533 Byte) Gross Gerau Friedhof 12040.jpg (358033 Byte) Gross Gerau Friedhof 12041.jpg (369894 Byte)
Grabstein für Lippmann Levi von Griesheim
 (28.10.1887 - 26.10.1907) 
Grabstein für Jette Schott geb. Goldmann
 (12.7.1825 - 5.1.1908) 
Grabstein für Hirsch Selig
 von Bischofsheim 
     
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Grabstein für Nathan Löw aus Friedberg 
(- 1902)
Grabstein für Bünche Kahn aus Bischofsheim
 (- 20.4.1903) 
Grabstein für Gütel Wolf geb. Mayer aus
 Griesheim (27.11.1838 - 20.7.1903) 
     
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Kindergrabstein für Trude Oppenheimer
 (8.2.1907 - 31.3.1907) 
  
Grabstein für Herz Katz 
aus Egelsbach 
(25.3.1810 - 1.1.1878) 
Grabstein für Siegmund Selig, Sohn 
des Maier Selig aus Bischofsheim
 (22.9.1871 - 6.11.1903) 
     
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Grabstein für Paul Bernhard Wolfstein aus
 Witten-Ruhr (31.8.1885 - 8.12.1918) 
  Grabstein für Bule Marxsohn 
 aus Königstädten (gest. 1881) 
     
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Grabstein für den im Kriegseinsatz gestorbenen 
Fernsprecher Max Sternfeld von Erfelden 
(gest. 12.10.1918 Feldlazarett Metz) 
"Segnende Hände" 
der Kohanim 
   
Mitte und rechts neuere Grabsteine 
(1996 / 2010)  
 Links für Emma Ehmann geb. Marx aus 
Weiterstadt
(24.4.1893 - 24.6.1938) 
   
       
  Gross Gerau Friedhof 12058.jpg (433669 Byte)   
  Gedenkstein für die 1936 zwangsweise
 Umgebetteten aus dem alten Friedhof
 

   
   
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

Mai 2016: Führung über den jüdischen Friedhof durch den "Förderverein Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau"          
Artikel von Sebastian Philipp in "echo-online.de" vom 31. Mai 2016: "Förderverein organisiert geführten Rundgang über den jüdischen Friedhof in Groß-Gerau.
GROSS-GERAU -
Einmal im Jahr lädt der 'Förderverein Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau' zu einem geführten Rundgang auf den jüdischen Friedhof in der Theodor-Heuss-Straße. 1200 Gräber erinnern dort an eine religiöse Gemeinschaft, deren Nachfahren heute in alle Welt verstreut sind. Man muss wirklich genau hinhören. Doch dann ist das Lachen zu hören, das vom angrenzenden Freibad in Groß-Gerau herüberschallt; ein unbeschwertes Lachen, das für das Heute steht. Wer nur wenige Meter weiter dem Gestern begegnen will, muss hinter eine Mauer schauen. Und am Sonntagmittag war es soweit: Mehr als 20 Zuhörer kamen, um einen Teil der Geschichte jüdischen Lebens in der Region kennenzulernen. Eingeladen auf den jüdischen Friedhof hatte der 'Förderverein Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau', wie es einmal im Jahr zur Tradition geworden ist. Ulf Kluck, früher bei der Stadt Groß-Gerau für die Pflege des jüdischen Friedhofs zuständig, ist durchaus froh, dass es nicht so viele Menschen sind wie im vergangenen Jahr. Um die Nähe zu ihnen nicht zu verlieren, wie er sagt.
JÜDISCHE GEMEINDE IN GROß-GERAU. (phil). Der jüdische Friedhof in der Theodor-Heuss-Straße neben dem Schwimmbad war der dritte in Groß-Gerau. Die dokumentierte Existenz einer jüdischen Gemeinde geht bereits auf das 13. Jahrhundert zurück. Ein Friedhof existierte bis 1936 an der Stelle des heutigen Parkdecks der Kreissparkasse in Groß-Gerau. Als damals das dort noch niedergelassene Landratsamt erweitert werden sollte, fand die Zwangsenteignung des Areals statt. Gemeindemitglieder retteten einige Grabsteine und sogar Gebeine auf den Friedhof in der Theodor-Heuss-Straße.
1200 Gräber entstanden bis 1939. Auch wenn der jüdische Friedhof auf das Jahr 1841 zurückgeht, bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hier knapp 1200 Gräber entstanden, während von 1945 bis heute gerade einmal zwei dazu kamen: Gerade diese Diskrepanz und die Leere auf einer Seite vieler Grabsteine belegen einen beschämenden Teil deutscher Geschichte. Denn nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der Diktatur des Nationalsozialismus, der Pogromnacht und Vertreibung der Juden war kein Jude mehr da, der dort seine letzte Ruhe finden konnte oder wollte. Und wo die andere Seite des Grabsteins einmal für den Partner vorgesehen war, war es Realität geworden, dass die Menschen flohen, bevor sie starben oder umgebracht wurden.
'Morgen kommt Moshe Maierfeld hierher', erzählt Ulf Kluck noch vor Beginn des eigentlichen Friedhofrundgangs. Kluck muss nicht lange überlegen, um den jüdischen Namen Maierfeld dem Riedstädter Stadtteil Crumstadt zuzuordnen. Vor ein paar Tagen sei eine Mail bei ihm angekommen – aus New Jersey (USA), wo Maierfeld heute lebt. Jetzt wolle der Mann die Gräber seiner Vorfahren besuchen, unter anderem in Groß-Gerau. Kluck weiß aber auch: Das Interesse an Rundgängen über den jüdischen Friedhof ist nicht immer gleich groß – und stark abhängig von offiziellen Anlässen. 1988, zum 50. Gedenktag an die Reichspogromnacht, war die Resonanz weit überdurchschnittlich, der Förderverein gründete sich, die Synagoge von Erfelden wurde 1989 erworben und sollte in den kommenden Jahren restauriert werden. Während oft Schulklassen Klucks Worten lauschen, sind es an diesem Tag viele Menschen mittleren und höheren Alters, die sich für Geschichte und die Geschichten hinter Namen interessieren. Eine Frau, die gerade vom Bahnhof gekommen ist, nutzt spontan die Gelegenheit, weil das sonst verschlossene Tor zum jüdischen Friedhof überraschend offen steht.
Viele Fragen vom jüngsten Teilnehmer. Jüngster Teilnehmer an diesem Nachmittag: der vierjährige David. Mama und Papa Fahlke verraten, dass sie ganz in der Nähe wohnen und ihr Sohn jeden Tag auf den Friedhof schauen könne und Fragen stelle. Was machen die Menschen da, die den Rasen mähen? Was ist das überhaupt für ein Ort hinter der Mauer? Und wieso stehen manche Grabsteine ganz schief? Wer Kluck fragt, erfährt an diesem Nachmittag viel Wissenswertes. Etwa, dass der Friedhof im jüdischen Glauben nicht ganz die Rolle einnimmt wie im christlichen. Oder dass statt Blumen Steine mitgebracht werden, weil in ihrer Tradition damit an das alte Nomadentum erinnert wird, in dem Steine auf die Grabstelle der Verstorbenen gelegt wurden, damit wilde Tiere den Leichnam nicht ausbuddelten. 'Oft ist es für die Menschen schon emotional', berichtet Kluck kurz vor dem Rundgang von jenen Momenten, in denen Angehörige eine weite Reise auf sich genommen haben, um am Grab ihrer Vorfahren zu stehen. Oder wenn sie sehen müssen, wie eine Gedenktafel an die Opfer des Ersten Weltkriegs von den Tätern des Zweiten wieder zerstört wurde."  
Link zum Artikel 
 
November 2018: Kalender zum jüdischen Friedhof Groß-Gerau erschienen
Artikel von Charlotte Martin in "echo-online.de" vom 9. November 2018: "Groß-Gerau. Beit Olam – Das Haus der Ewigkeit
Hans-Georg Vorndran stellt seinen Kalender mit bewegenden Fotos vom jüdischen Friedhof Groß-Gerau vor. Den Blick auf Details von Inschrift und Symbolik gelenkt.
GROSS-GERAU -
Zwischen hohen, alten Bäumen stehen zwei alte, rote Sandsteingrabmale, die sich sanft einander zuzuneigen scheinen. In der Ferne über sommerlich grünem Buschwerk und Farn, von dem die Steine umwachsen sind, ragt der Wasserturm auf. Das Foto, das der pensionierte Lehrer Hans-Georg Vorndran auf dem Jüdischen Friedhof aufgenommen hat, ist das Deckblatt eines Jahreskalenders 2019. Der Kalender mit zwölf Monatsblättern beschreibt den andächtigen Gang über den Jüdischen Friedhof in der Theodor-Heuss-Straße, der sich als Teil der Erinnerungsarbeit versteht, um lokale Spuren jüdischen Lebens in Groß-Gerau zu erforschen und wachzuhalten.
Alte Grabsteine mit hebräischer Inschrift. Hans-Georg Vorndran, der mit Jürgen Ziegler bereits 1988 eine Broschüre zum Thema 'Juden in Groß-Gerau' veröffentlichte, und seine Recherchen seit 2001 im Internet zugänglich macht (www.erinnerung.org), stellte seinen Jahreskalender jetzt im Stadtmuseum vor: 'Er ist nicht dokumentarisch, sondern atmosphärisch angelegt. Mir ging es darum, den jüdischen Friedhof als Beit Olam, als Haus der Ewigkeit sichtbar zu machen. Ich habe mich auf alte Grabsteine mit hebräischer Inschrift und jüdischer Symbolik konzentriert. Nur das Titelblatt weist mit dem Wasserturm als Wahrzeichen der Stadt darüber hinaus', skizzierte Vorndran die Intention.
INTERNET. Der Jahreskalender 'Beit Olam – Das Haus der Ewigkeit' mit Fotografien von Hans-Georg Vorndran ist unter www.calvendo.de/galerie , Stichwort 'Beit Olam', einzusehen. In Groß-Gerau gibt es ihn in verschiedenen Größen auch in der Buchhandlung Calliebe. (lot)
Der von alten Mauern umgebene, 50 Meter breite und 150 Meter lange Friedhof, war nach zwei weiteren Begräbnisstätten aus dem 13. Jahrhundert und aus der Zeit um 1600 ab 1841 der dritte jüdische Friedhof in der Stadt. Er war Ruhestätte für Juden aus 18 Gemeinden der Umgegend sowie ab 1910 auch für Groß-Gerauer Juden. Hans-Jürgen Vorndran sind bewegende Aufnahmen geglückt. Mal schweift der Blick über das unregelmäßig angelegte Gräberfeld der hohen, rundbogigen Steine, mal wird die Säule eines Kindergrabs in den Blick genommen, das eine geknickte Rose ziert, oder der Fotograf lenkt den Blick auf Details von Inschrift und Symbolik. Da sind die in den Stein gemeißelten, segnenden Hände auf dem Grab eines Rabbiners sowie hebräische Schriftzeichen auf den miteinander verbundenen Grabmalen eines Ehepaars zu sehen. Rabbiner Jehoschua Ahrens von der jüdischen Gemeinde Darmstadt flankierte am Mittwoch die Betrachtung der Kalenderfotografien mit Erläuterung zu Trauer- und Begräbnisritualen jüdisch Gläubiger.'Teils bitten hebräische Grabinschriften um die Einbindung der Seele in die Gemeinschaft des Ewigen Lebens, oft stehen Abkürzungen für die Worte hier ruht oder hier ist begraben, oder es wird mit Bibel- und Liedzitaten von dem Verstorbenen erzählt', legte er dar. Symbole – etwa die segnenden Hände, der siebenarmige Leuchter, der Wasserkrug oder auch der Davidstern – seien oft zu finden. Vor allem aber: 'Jüdische Friedhofe wirken auf uns vielleicht ungepflegt, doch für Juden gibt es schlicht keinen vergleichbaren Friedhofskult.' Der Rabbiner betonte: 'Die Gräber bleiben für immer. Denn die Seele lebt in alle Ewigkeit, nur der Körper ist tot. Es gibt daher auch keinen vergänglichen Blumenschmuck. Stattdessen sehen wie oft kleine Steine, die auf den Grabmalen abgelegt werden, wenn sie einmal jährlich zum jüdischen Neujahrsfest besucht werden.' Der Toten werde im Judentum vor allem durch Nennung ihrer Namen und durch Weitergabe der Namen an nachfolgende Generationen gedacht." 
Link zum Artikel   

    
      

Links und Literatur  

Links:   

bulletWebsite der Stadt Groß-Gerau  
bullet Zur Seite über die Synagoge in Groß-Gerau (interner Link)  
bulletInformationsseite zum jüdischen Friedhof (von hier sind die beiden Fotos 
bullet Weitere Informationsseiten zu den jüdischen Friedhöfen in Groß-Gerau bei erinnerung.org  
bulletFörderverein Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau e.V.     
bulletDie obigen Fotos zum jüdischen Friedhof Groß-Gerau finden sich auch in der Website von Stefan Haas:    
http://www.blitzlichtkabinett.de/lost-places/friedhofs-fotografie/friedhöfe-in-hessen/   

Literatur:  

bullet   

     
      

                   
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Stand: 18. Mai 2020