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Herleshausen mit
den Ortsteilen Breitzbach, Unhausen und Wommen (Werra-Meißner-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Herleshausen bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts
zurück. Um 1640 lassen sich die ersten jüdischen Bewohner am Ort
nachweisen (nach anderen Angaben lebten bereits Ende des 16. Jahrhunderts zwei
jüdische Familien in Herleshausen). Im 18. Jahrhundert lebten durchschnittlich zwei bis drei jüdische
Familien am Ort (1744 drei Familien).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1835 65 jüdische Einwohner, 1861 118 (10,8 % von insgesamt 1.091
Einwohner), 1871 129 (11,6 % von 1.115), 1885 91 (8,9 % von 1.025), 1895 94 (8,5
% von 1.107), 1905 89 (8,3 % von 1.084). Zur jüdischen Gemeinde Herleshausen
gehörten auch die in den umliegenden Dörfern lebenden jüdischen Personen: in Breitzbach
(1744 eine jüdische Familie, 1835 neun jüdische Einwohner, 1861 10), Unhausen
(1744 zwei jüdische Familien, 1835 7 jüdische Einwohner, 1861 5) und in Wommen
(bereits 1564/65 wird ein Jude in Wommen genannt, 1622 Simon und Jackoff mit
Familien, 1744 zwei Familien, 1835/61 jeweils sieben jüdische Einwohner). An jüdischen Familiennamen gab es in Herleshausen insbesondere: Weinstein,
Wolf, Rothschild, Neuhaus, Goldschmidt, Heilbrunn, Ochs, Müller, Nußbaum
u.a.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (Israelitische
Volksschule bis 1922),
ein rituelles Bad (im Keller des Schulgebäudes) und ein
Friedhof (bis 1804 wurden die Toten der
jüdischen Gemeinde in Reichensachsen
beigesetzt). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet
tätig war. Für die Israelitische Volksschule wurde 1867 ein neues Schulhaus
neben der Synagoge erbaut. Als Lehrer sind bekannt: um 1866 Isaak Oppenheimer (Quelle;
war seit 1835 als Lehrer/Vorsänger/Kantor in der Gemeinde tätig und hatte auch
das Amt des Schächters inne),
ab 1883 Baruch Rosenstein (verheiratet seit 1888 mit Betty Müller aus
Herleshausen, wechselte um 1900 nach
Rotenburg/Fulda); ab 1900 Simon Schön
(unterrichtete 1903 bis 1911 jeweils 12 bis 17 Kinder; gest. 1911 und im
jüdischen Friedhof Herleshausen beigesetzt), 1912 bis 1922 Max Moses
(unterrichtete 1922 7 Kinder; Max Moses wechselte 1923 nach Spangenberg, wo er
noch drei Jahre bis zur Auflösung der dortigen Volksschule und dem
anschließenden Wechsel nach Aurich blieb). Nach 1922 wurde in der Person von
Elchanan/Feivel
Alexandrowitz nur noch ein Religionslehrer angestellt (gest. 1931). Die Gemeinde gehörte zum Kreisrabbinat Eschwege
und mit diesem zum Rabbinatsbezirk Niederhessen mit Sitz in Kassel.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der Gemeinde Karl Ochs (geb. 30.10.1890 in
Herleshausen, gef./vermisst 1917).
Um 1925, als zur Gemeinde 52 (?) Personen gehörten (4,4 % von insgesamt 1.195
Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Moritz Neuhaus und Salomon
Müller. Als Lehrer, Kantor und Schochet war Elchanan/Feivel Alexandrowitz (bzw.
Alexandrowitsch) tätig. Er
unterrichtete damals 5 Kinder der Gemeinde in Religion. An jüdischen Vereinen
gab es die Wohltätigkeitsvereine Chewra Kadischa und den Israelitischen
Frauenverein. Letzterer stand 1932 unter Leitung von Berta Wolf. 1932
waren die Gemeindevorsteher Moritz Neuhaus (1. Vors.) und Salomon Müller (2.
Vors.); als Schatzmeister war Bernhard Neuhaus tätig. Im Schuljahr 1931/32
erhielten noch drei Kinder der Gemeinde
Religionsunterricht. Lehrer Alexandrowitz verstarb 1931 (siehe Bericht unten und
weiteren Bericht).
1933 wurden 60 jüdische Gemeindeglieder gezählt. In
den folgenden Jahren ist ein Teil von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Im September 1938 waren
jedoch noch 34 jüdische Personen am Ort. Beim Novemberpogrom 1938 wurde
die Synagoge zerstört (siehe unten).
Von den in Herleshausen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Fanny Abraham geb. Cohn
(1862), Abraham Bachrach (1878), Betty Bachrach geb. Müller (1889), Hermann
Bachrach (1878), Clementine Bud geb. Goldschmidt (1875), Isaak Carlebach (1928),
Joseph (Josef) Carlebach (1885), Rebekka Carlebach geb. Farnstrop (1889), Emma Eichenberg geb.
Müller (1867), Arno (Aron) Goldschmidt (1890), Ida Goldschmidt geb. Neuhaus
(1881), Irene Hirsch (1904), Hilde Berta Hoogstraal geb. Meijer (1905), Jakob
Katz (1857), Arnold Katzenstein (1878), Berta Katzenstein geb. Herbst (1908),
Herbert Katzenstein (1912), Manfred Katzenstein (1935), Meta Katzenstein geb.
Öls (1888), Minna Lazarus geb. Müller (1871), Ferdinand Müller (1869), Hirsch
Müller (1872), Julius Müller (1888), Manfred Müller (1922), Simon Müller
(1878), Fanny Nathan geb. Müller (1880), Adolf Neuhaus (1879), Arthur Neuhaus
(1901), Baruch Neuhaus (1869), Berta Neuhaus (1873), Emilie Neuhaus geb.
Moosberg (1863), Moritz Neuhaus (1861), Rebekka Neuhaus geb. Löw (1873),
Chlothilde Nussbaum (1889), Karl Ochs (1896), Recha Ochs geb. Hirnheimer (1900),
Rosi Ochs (1929), Johanna Rosenbaum (1865), Röschen Rosenthal geb. Wolf (1903),
Sara Schön geb. Schön (1853), Jeanette Spangenthal geb. Goldschmidt (1856),
Albert Isidor Strauß (1895), Marta Weinstock geb. Müller (1893), Berta Wolf
geb. Jacob (1868), Frieda Wolf geb. Ledermann (1866), Julie Wolf geb. Müller
(1874).
Aus Wommen sind umgekommen: Fritz Weinstein (1869, später in Nesselröden
wohnhaft).
Aus Unhausen sind umgekommen: Johanna Nußbaum geb. Wolf (1866,
später in Nesselröden wohnhaft), Minna
Wolf (1869, später in Fulda).
Aus Breitzbach werden keine Namen genannt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
Ausschreibungen der Lehrerstelle wurden in
jüdischen Periodika noch nicht gefunden. |
Zum Tod von Lehrer Simon Schön (1911)
Anmerkung: Lehrer Simon Schön hatte die Leitung der jüdischen Schule am 1.
April 1900 übernommen. Die damalige Schülerzahl sank von 17 im Jahr 1903 auf
neun Kinder im Jahr 1911. Am 24. September 1911, einen Tag vor seinem 54.
Geburtstag, starb Lehrer Schön plötzlich an einem Herzschlag. Er wurde im
jüdischen Friedhof in Herleshausen
beigesetzt.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1911: "Herleshausen,
1. Oktober (1911). Tot aufgefunden in seinem Bette wurde am Morgen des
zweiten Tages von Rosch Haschana (Neujahrsfest) Herr Lehrer Simon Schön
dahier, nachdem er am Abend vorher noch völlig gesund und kräftig
vorgebetet hatte. Am Dienstag wurde der im 54. Lebensjahre Verstorbene
unter außergewöhnlich großer Beteiligung zu Grabe geleitet. Herr
Kreisrabbiner Dr. Cohn - Eschwege schilderte in bewegten Worten dessen
Berufstreue, Ansehen und Wirken in Schule und Gemeinde. Als Vertreter der
Israelitischen Lehrerkonferenz Hessens widmete Herr Lehrer Rosenstein dem
verblichenen Amtsbruder und Nachfolger Worte der Verehrung. Herr Lehrer Wittich dahier, der Vorsitzende des Bezirksvereins, hielt ihm gleichfalls
einen warmen Nachruf. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Max Moses wird zum Lehrer der
Gemeinde gewählt (1912)
Anmerkung: Lehrer Max Moses
wurde Nachfolger von Lehrer Simon Schön. Im Sommer 1917 musste er bis zum
Kriegsende als Soldat an die Front. Zum 1. Januar 1923 wurde er auf senen Wunsch
nach Spangenberg versetzt, weil ab Ostern 1923 nur noch drei jüdische Kinder
beschult werden könnten. Die jüdischen Kinder wechselten danach endgültig
in öffentliche Schulen.
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. März
1912: "Herleshausen. Zum Lehrer der hiesigen Gemeinde wurde M.
Moses aus Vlotho gewählt und regierungsseitig
bestätigt." |
25-jähriges Amtsjubiläum von Lehrer Max Moses (in Aurich
1929, war 1912 bis 1923 Lehrer in Herleshausen)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 5. April 1929: "Aurich, Am 1. April konnte
unser Lehrer und Prediger, Herr M. Moses, sein 25-jähriges
Amtsjubiläum begehen, an dem die ganze Gemeinde regen Anteil nahm. Denn
der Jubilar hat es in seiner kaum vierjährigen hiesigen Tätigkeit verstanden,
durch seine gewissenhafte, hingebungsvolle und erfolgreiche
Lehramtstätigkeit, sein offenes, wahrheitsliebendes und gewinnendes Wesen,
sowie durch seine
aufopfernde seelsorgerische Tätigkeit die größte Wertschätzung
und Achtung nicht nur innerhalb unserer Gemeinde, sondern
auch im öffentlichen Leben unserer Stadt zu erwerben. So konnte es denn
nicht ausbleiben, dass der Jubilar reich mit Ehren bedacht wurde. Fast
jedes Gemeindemitglied suchte ihn zu erfreuen. So konnte es denn nicht
ausbleiben, das der Jubilar reich mit Ehren bedacht wurde. Fast jedes
Gemeindemitglied erfreute ihn durch eine Aufmerksamkeit. Der Synagogenvorstand sowie
die Repräsentanten der Gemeinde hatte sich vollzählig eingefunden und
überreichten ihm nach einer die Verdienste hervorhebenden Ansprache seitens des
Vorsitzenden Herrn Knurr ein wertvolles Geschenk, worauf Herr Moses in
der ihm eigenen Weise in treffenden Worten bewegt dankte. Obgleich der
Magistrat der Stadt in einem warm gehaltenen Schreiben gratulierte, ließ
es sich unser Bürgermeister, Herr Dr. Anklam dennoch nicht nehmen,
persönlich zu erscheinen, um den Jubilar zu beglückwünschen und ihm zu
danken für seine Wirksamkeit und reges Interesse für die Belange unserer
Stadt. Auch die christliche Geistlichkeit gratulierte, wie auch der
Vorstand des Bezirkslehrervereins Aurich namens der Konferenz, an der Herr Moses lebhaften, tätigen Anteil nimmt,
seine
Glückwünsche persönlich aussprach. Herr Moses war Zögling des Kasseler
Lehrerseminars. Auch hat er 14 Jahre in unserem Bezirk gewirkt, und zwar
11 Jahre in Herleshausen und 3 Jahre in Spangenberg.
Beide Stellen gingen aber infolge der geringen Schülerzahl ein, und so
wurde denn Herr Moses am 1. August 1925 nach Aurich berufen, wo er ein
großes Wirkungsfeld gefunden hat." |
50-jähriges Dienstjubiläum und Goldene Hochzeit
von Lehrer und Kantor Feiwel (Felix) Alexandrowitz (1928)
Anmerkung: 1923 wurde Feiwel Alexandrowitz Lehrer und Kantor der jüdischen
Gemeinde Herleshausen. Er war zugleich Schochet in Herleshausen und Umgebung.
1932 starb er im Alter von 76 Jahren in Herleshausen. Fotos von ihm -
auch eines von ihm von der Goldenen Hochzeit 1932 zusammen mit Frau Berta, Sohn
Martin und Tochter Lucie - siehe http://www.vor-dem-holocaust.de/
unter Herleshausen.
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 7. September 1928: "Herleshausen. (Persönliches).
Lehrer und Kantor F. Alexandrowitz konnte letzten Sonntag sein
50-jähriges Dienstjubiläum und gleichzeitig das Fest der Goldenen
Hochzeit begehen. Bis zum Weltkrieg war der Jubilar in den östlichen
Provinzen (Posen, Ost- und Westpreußen) tätig. Der Krieg hat das
Jubel-Ehepaar dreier hoffnungsvoller Söhne beraubt, und auch andere herbe
Schicksalsschläge sind den greisen Leuten, denen an ihrem Ehrentage viele
Sympathiekundgebungen zugingen, nicht erspart geblieben." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. August 1928: "Herleshausen,
27. August (1928). Die goldene Hochzeit begehen am 2. September Felix
Alexandrowitz und Frau in größter Frische. Zugleich begeht der Jubilar
sein 50-jähriges Dienstjubiläum." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung" für Kassel, Kurhessen
und Waldeck"
vom 31. August 1928: Herleshausen. Die Doppelfeier des Kantors
F. Alexandrowitz in unserer jetzt kleinen Gemeinde, die noch bis kurz
vor dem Weltkriege eine öffentliche jüdische Volksschule hatte, gibt uns
Veranlassung, von dem Jubilar etwas zu berichten, zumal ihn ein
eigenartiges Geschick in ein fremdes Land führte. Viele Jahre amtierte er
in einer der größten Gemeinden Westpreußens mehrere Jahrzehnte - in
Tempelburg (heute Czaplinek, in der polnischen Woiwodschaft Westpommern)
- und erfreute sich durch seine hervorragenden Leistungen als Vorbeter
allgemeiner Wertschätzung, wie durch seinen frommen Lebenswandel. Aber in
Tempelburg ist noch kein Kultusbeamter gestorben. Mit beginnendem Alter
wurde sein Vertrag von der Gemeinde nicht erneuert; so etwas war ja im
Osten üblich, und so musste Alexandrowitz seine Stelle in einer kleinen
Nachbargemeinde annehmen. Sein Wohnort wurde polnisches Gebiet, und wieder
musste er den Wanderstab ergreifen und landete in Herleshausen, wo
sein Einkommen sicherlich ein recht bescheidenes ist. Ob das hiesige
Vorsteheramt und der Landesverband ihm das Mindesteinkommen eines Beamten
gewähren ist wohl anzunehmen. Seinen Fähigkeiten nach könnte der
Jubilar eine Stelle in einer Großgemeinde in Ehren bekleiden. Man muss
nur seinen seelenvollen Vortrag und seine klassische Toravorlesung gehört
haben! Und jetzt - im zerfallenen Gotteshaus vor knappes Minjan! Zu allem
noch die Schicksalsschläge, die ihm der Weltkrieg brachte. - Möchte sich
an dem alten Herrn das Psalmenwort erfüllen: 'Der Gerechte, Palmen gleich
blüht er, wie eine Zeder des Libanons schießt er empor. Noch sprossen
sie im Greisenalter, sind saftig und markig.'"
tz. |
Zum Tod von Lehrer, Vorsänger und Schochet
Elchanan Alexandrowitz (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung" für Kassel, Kurhessen
und Waldeck"
vom 13. November 1931: "Herleshausen. Am 27. Oktober
verstarb im Krankenhause zu Eisenach nach kurzer schwerer Krankheit der
hiesige Religionslehrer, Vorsänger und Schochet Elchanan Alexandrowitz
im gesegneten Alter von bald 76 Jahren. Einem schicksalsreichen und
entsagungsvollen Leben hat hier der Tod ein schnelles Ende bereitet. Noch
am Sabbat vorher hatte er in gewohnter Weise sein Kultusamt verwaltet, am
Montag darauf war bereits sein Lebenslauf zu Ende gegangen. Alexandrowitz
entstammte dem fernen Osten, wo er als Kultusbeamter tätig war. Er hatte
keine Seminarbildung, aber er besaß ein umfangreiches hebräisches und
talmudisches Wissen. Der Weltkrieg hat hart in sein schweres Leben
eingegriffen, er verlor vier seiner Söhne und wurde dann mit dem Verluste
der Ostprovinzen noch obendrein existenzlos. In jenen Jahren wurde die
hiesige öffentliche Volksschule wegen geringer Schülerzahl aufgelöst,
und Alexandrowitz wurde dann hier als Religionslehrer, Schochet und Kantor
durch Vermittlung des preußischen Landesverbandes beschäftigt. Es war
nur ein Unterkommen, gewiss nicht eine Existenz. Es muss dem Landesverband
als Verdienst angerechnet werden, dass er wenigstens für ein Existenzminimum
sorgte. Der alte, schwächliche, bescheidene Mann war aber glücklich,
dass er wenigstens wieder eine Heimat gefunden, und nie hat man ihn klagen
hören. Ein Hiobsschicksal, aber auch eine Hiobsseele! 'Größer als die
Hilfe ist die Not ja nicht.' Das war sein unerschütterlicher Glaube. So
war er ein Elchanan, ein gottbegnadeter Mensch, gottbegnadet in seinem
unerschütterlichen Gottvertrauen, gottbegnadet in seinem Familienleben
und auch in seiner Stimme. Sein liederreicher Mund sang sich tief in die
Seelen seiner Gemeinde, die er zu den Sphären heiliger Andacht
emporführte. Die Trauerfeier fand in der Synagoge statt. Herr Kreisrabbiner
Dr. Baßfreund (Eschwege) hielt
die Gedächtnisrede und schilderte in beredten Worten das Leben und Wirken
des Entschlafenen. Herr Lehrer i.R. Rosenstein-Ries entbot namens
der jüdischen Lehrerschaft einen kurzen Abschiedsgroß. Herr Kantor
Bacharach (Eschwege) und der Bruder des Entschlafenen, Herr
Alexandrowitz (Berlin) trugen durch ihre hebräischen Lieder zur
Hebung der Trauerfeier bei. Ein großes Leichengefolge erwies dem
Entschlafenen die letzte Ehre." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Röschen Wolf (1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1902: "Nachruf.
Herleshausen. Vor etwa drei Wochen, am 24. Adar Scheni (= 2.
April 1902) wurde unter zahlreicher Beteiligung der verschiedenen
Konfessionen von Nah und Fern die sterblichen Überreste der rühmlich
bekannten Röschen Wolf dahier zu ihrer letzten Ruhestätte
begleitet. Die Entschlafene erreichte ein Alter von fast 86 Jahren und war
ihr ganzes Leben hindurch fromm und gottesfürchtig, eine treue
Anhängerin und Verehrerin unserer Heiligen Tora. Sie war eine wackere
Frau in des Wortes wahrster Bedeutung. Nicht nur ihren Angehörigen,
sondern auch den übrigen Mitmenschen zeigte sie sich stets liebevoll und
gefällig. Viele Tränen des Kummers hat sie im Stillen getrocknet,
Wohltätigkeit oft und gerne in geräuschloser Verborgenheit geübt.
Ihr Name, sowie ihr Vorbild wird bei den Hinterbliebenen, in unserer
Gemeinde, sowie bei Allen, die sie kannten, stets fortbestehen. Ihre
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. Friede ihrer
Asche!" |
Zum Tod von Viehhändler Max Wolf (1928)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung" für Kassel, Kurhessen
und Waldeck"
vom 28. September 1928: "Herleshausen bei Eisenach. Schwer
betroffen wurde hier die Familie des Viehhändlers Max Wolf.
Nachdem ihr erst vor knapp vier Monaten ein hoffnungsvoller Sohn im Alter
von 23 Jahren durch den Tod entrissen wurde, starb jetzt nach kurzer
schwerer Krankheit infolge eines Unglücksfalles im Alter von 62 Jahren
das Oberhaupt und der Ernährer der Familie. Mit ihm ist ein Mann
dahingegangen, der sich weit über die Grenzen des Ortes hinaus überall
größter Beliebtheit und Wertschätzung erfreute. Nicht nur der hart
betroffenen Familie, auch für die Gemeinde selbst wird dieser schwere
Verlust des verdienstvollen Mannes sei (?) und bleiben. Von nah und fern
waren Freunde und Bekannte herbeigeeilt, um dem Verblichenen am
vergangenen Dienstag die letzte Ehre zu erweisen. Herr Landrabbiner Dr.
Walter kennzeichnete in ergreifenden Worten das Lebensbild des
Verstorbenen. Ein unendlich langer Zug folgte dem Sarge. Den
schwergeprüften Hinterbliebenen, denen man allseits die größte
Anteilnahme entgegenbringt, ist zu wünschen, dass sie nunmehr vor solch
schweren Schicksalsschlägen bewahrt bleiben
möge." |
Hinweis auf den Mediziner Dr. Curt
Meyer (1891 Herleshausen - 1984 in Berlin)
Quelle:
https://www.berliner-krebsgesellschaft.de/ueber-uns/historisches/:
"Senatsrat a. D. Dr. med. Curt Meyer ist Mitbegründer verschiedener
medizinischer Gesellschaften und anderem der Vorläuferorganisation der Berliner
Krebsgesellschaft. Curt Meyer, geboren am 7. März 1891 in Herleshausen
entstammte dem deutsch-jüdischen Bildungsbürgertum. Er studierte wie sein Vater
Medizin und war als Arzt in Gotha und Berlin tätig. Im März 1944 wurde er von
der Gestapo verhaftet und in das KZ Auschwitz deportiert. Als Häftlingsarzt
arbeitete er im Krankenrevier und versorgte dort andere Häftlinge. Im April 1945
wurde er nach Sandbostel gebracht, wo er im Stalag XB mit anderen
Häftlingsärzten einen Sanitätsdienst für die KZ-Häftlinge aufbaute. Im Mai 1945
arbeitete Meyer dann als Arzt im British General Hospital in
Rotenburg-Unterstedt, bis er selbst wegen einer lebensbedrohlichen
Typhuserkrankung behandelt werden musste. Zu allen Zeiten setzte er sich für ein
und dasselbe Ziel ein: die Verbesserung der allgemeinen Krankenfürsorge. Nach
seiner Genesung richtete er als leitender Arzt der Tuberkulose-Fürsorgestelle in
Hannover das Seuchenlazarett Mecklenheide ein. Im April 1946 wurde er zum
Dezernenten für Sozialhygiene im Landesgesundheitsamt Berlin ernannt und
gestaltete seitdem die Krankenfürsorge der Nachkriegsjahre in Berlin maßgeblich
mit.
Gleich nach Amtsantritt wuchs sein Interesse für die Krebserkrankungen. Er
stellte eine Zunahme fest, von der er nicht sagen kann, ob sie eine 'echte' oder
eine altersbedingte ist. Da Meyer gleichzeitig Vorsitzender des
Landesausschusses Berlin für Krebsbekämpfung ist, wird der Kampf gegen den Krebs
zu einer seiner zentralen Aufgaben. "Die Zunahme des Krebses ist offensichtlich
und verlangt eine quantitative und qualitative Verbesserung der
Bekämpfungsmethoden", schreibt er in einem Bericht aus dem Jahr 1952. Mit einer
verbesserten Aufklärung der Bevölkerung und ärztlicher Weiterbildung will er dem
'Kernproblem' zu Leibe rücken: Die Früherfassung des Krebses, so Meyer, erfolge
in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu spät. Zudem erkennt er als einer der
ersten, wie wichtig soziale und psychologische Unterstützung für die
Rehabilitation von Krebskranken ist. Die Beratungsstellen für Krebskranke in den
Gesundheitsämtern gehen auf seine Initiative zurück.
Aus dem Landesausschuss Berlin für Krebsbekämpfung geht am 29. Oktober 1957
schließlich die Berliner Krebsgesellschaft hervor - wenige Tage nach Meyers
Pensionierung. Über zwanzig Jahre führte Meyer die Geschäfte dieser
Gesellschaft, die heute den Namen 'Berliner Krebsgesellschaft' trägt. Für seine
Verdienste als Arzt und Gesundheitspolitiker erhielt er 1957 vom damaligen
Bundespräsidenten Theodor Heuss das Bundesverdienstkreuz erster Klasse, 1981
wurde er zum Träger der Ernst-Reuter-Plakette. 1984 stirbt der
Auschwitzüberlebende im Alter von 93 Jahren in Berlin.
Die Berliner Krebsgesellschaft hält bis heute seinen Namen in Ehren, denn Dr.
Curt Meyer verkörperte wie kein anderer Kontinuität, schöpferische Kraft und
Engagement bei der Krebsbekämpfung. Er hat in Berlin zentrale Weichen gestellt
und damit die heutigen Versorgungsstrukturen geformt. Außerdem verdanken wir ihm
die Existenz unserer Gesellschaft. Die Berliner Krebsgesellschaft vergibt seit
1988 einen Forschungspreis, der den Namen ihres Gründers trägt. Der 'Curt
Meyer-Gedächtnispreis' gehört zu den renommiertesten Auszeichnungen für junge
Krebsforscher in Berlin.
* Meyer, Curt: Die fürsorgerische und organisatorische Krebsbekämpfung in
Berlin 1945 - 1952. Hrsg: Senatsverwaltung für Gesundheitswesen. Berlin."
Hinweis auf den Mediziner Dr.
Fritz Neuhaus (geb. 1895 in Herleshausen- 1974 USA)
(vgl. Abbildung unten des von den Eltern
zu seiner Bar Mizwa gestifteten Toramantel)
Dr. med. Fritz Neuhaus (1895–1974), Frauenarzt, wurde am 7. April
1895 als ältester von vier Söhnen des Kaufmanns Joseph Neuhaus (1869–1941) und
dessen Ehefrau Minna geb. Müller (1868–1936) in Herleshausen geboren. Nach der
Volksschule besuchte er das Karl Friedrich- Gymnasium in Eisenach bis zum Abitur
im Jahre 1914 und studierte darauf Medizin in Heidelberg, München, Leipzig,
Frankfurt und Berlin, wo er 1920 mit einer Arbeit "Über intercranielle Blutungen
bei Neugeborenen" promoviert und 1921 als Kassenarzt zugelassen wurde. Er war in
Moabit und Charlottenburg als Facharzt ansässig. Am 21. März 1927 hatte er mit
Ellen Goldstaub (25. Juli 1905 – 21. März 1998) die Ehe geschlossen, aus der der
Sohn Robert (geb. 28.Dezember 1929 Berlin; lebt als promovierter Augenarzt
Robert Newhouse in New York) hervorging. Die Approbation wurde ihm bereits 1933
entzogen, da ihm die NS-Behörden die Anerkennung als Frontkämpfer verweigerten,
obwohl er während des Weltkrieges als Feldunterarzt tätig gewesen war. Als
Gynäkologe durfte er danach nur noch in jüdischen Einrichtungen arbeiten, so
1938 als Chefarzt der gynäkologischen Abteilung des Jüdischen Krankenhauses im
Wedding. Allerdings wanderte er mit seiner Familie noch im selben Jahr nach New
York aus, wo er wiederum als Gynäkologe arbeitete.
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Eisen-, Kohlen- und Kolonialwarengeschäftes
W. Rothschild Sohn (1881)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juni 1881: "Für
mein Eisen-, Kohlen- und Kolonialwarengeschäft suche für sofort einen
kräftigen Burschen unter günstigen Bedingungen als Lehrling. Bei
einigermaßen Leistungsfähigkeit zahle ich schon etwas Gehalt.
Herleshausen in Thüringen. W. Rothschild
Sohn." |
Anzeige von Max Wolf (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. August 1901:
"Ein 15-jähriges Mädchen sucht in einem religiösen Hause eines
nicht zu entfernten Ortes als
Kindermädchen
vom 1. Oktober oder November ab Stellung. Es wird weniger auf hohen Lohn
als auf strenge, aber doch gute Behandlung reflektiert.
Max Wolf, Herleshausen bei Eisenach." |
Sonstiges
Das Kinderheim von Nora und Hanna
Wolf in Herleshausen in einer Liste der U.O.B.B.-Logen (1928)
vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/B'nai-B'rith-Schwesternverbände
und
https://de.wikipedia.org/wiki/B'nai_B'rith
Artikel in der "Monatsschrift der Berliner Logen UOBB" vom Juli 1928:
"Kinder-Erholungsfürsorge des Schwesternverbandes der U.O.B.B.-Logen.
Die Erholungsfürsorge für unsere Logenkinder hat eingesetzt. In der Vor- und
Nachsaison sind die Preise bedeutend ermäßigt. Sämtliche Meldungen sind
schriftlich an die Vorsitzende der Schwesternvereinigung, an den
Präsidenten der Loge oder an Schwester Else Schwabe, Charlottenburg,
Mommsenstraße 52 zu richten.... Else Schwabe, Vorsitzende.
An folgenden Orten stehen uns Heime zur Verfügung:
...
Herleshausen bei Eisenach: Kinderheim Nora und Hanna Wolf, Juni -
Juli - August..." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst hatte die Gemeinde jeweils einen Betraum
in einem der jüdischen Häuser eingerichtet. Noch bis 1846 fand der
Gottesdienst in einem Privathaus statt; der damalige Besitzer hatte bei der
Annahme der festen Familiennamen für sich und seine Familie den Namen
"Schulhaus" angenommen (Schule = Synagoge). Nachdem in den
1840er-Jahren die Zahl der jüdischen Einwohner stark zugenommen hat, entschloss
sich die Gemeinde zum Bau einer Synagoge.
1896 konnte die Gemeinde das 50-jährige Jubiläum der Synagoge festlich
begehen; an dem Festgottesdienst nahm auch der hessische Landgraf Alexis teil.
Im Frühjahr 1927 musste das Synagogengebäude wegen Baufälligkeit
geschlossen werden.
Die Synagoge wird wegen ihres baufälligen
Zustandes geschlossen (1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Mai 1927:
"Herleshausen, Kreis Eschwege, 8. Mai (1927). Die hiesige Synagoge,
die im Jahre 1848 erbaut worden ist, wurde wegen ihres baufälligen
Zustandes von der Behörde geschlossen." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung" für Kassel, Kurhessen
und Waldeck"
vom 6. Mai 1927: "Herleshausen. Die hiesige Synagoge
wurde wegen ihres baufälligen Zustandes polizeilich geschlossen. Die
Synagoge wurde erst 1848 erbat, ist also noch keine 80 Jahre alt. Die
kleine Gemeinde wird dadurch sehr hart betroffen." |
Die Gemeinde entschloss sich zu einem
umfassenden Umbau beziehungsweise Neubau der Synagoge. Während der Zeit der
Bauarbeiten fanden die Gottesdienste in einem Betsaal im Haus Sackgasse 2 statt.
Am 2. September 1928 konnte die Synagoge festlich wieder eingeweiht werden.
Neueinweihung der Synagoge (1928)
Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 7. September 1928: "In Herleshausen
wurde am 2. September die Synagoge nach einem durchgreifenden Umbau neu
eingeweiht. Die feierliche Handlung wurde durch den Landesrabbiner Dr.
Walter (Kassel) und Kreisrabbiner
Dr. Baßfreund (Eschwege)
vollzogen. In der großen Festversammlung waren auch der Bürgermeister
und Vertreter der Gemeinde sowie der christlichen Kirche
anwesend." |
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Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 14. September 1928: "Herleshausen an der Werra. (Neue
Synagoge). Hier fand die Weihe der von der israelitischen Gemeinde neu
erbauten Synagoge statt." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Oktober 1928: "Herleshausen,
10. September (1928). Die im Jahre 1846 erbaute hiesige Synagoge wurde
wegen Einsturzgefahr vor einem Jahre polizeilich geschlossen. Die
feierliche Einweihung der umgebauten Synagoge unter Teilnahme aller
Bevölkerungskreise fand jetzt statt. Sie wurde vollzogen durch die Herren
Kreis-Rabbiner Dr. Baßfreund - Eschwege, Land-Rabbiner Dr. Walter
- Kassel,
Vertreter des israelitischen Landesverbandes, Löwenthal zu Eschwege,
Kreisvorsteher Werner - Eschwege. Als Vertreter des Landratsamtes hatten
sich Bürgermeister Dr. Stolzenberg - Eschwege, Bürgermeister Feld als
Vertreter der hiesigen Gemeinde, Architekt Steinert von hier als Erbauer
der Synagoge, Pfarrer Münch und andere geladene Gäste eingefunden. Die
Festpredigt hielt Kreisrabbiner Dr. Baßfreund - Eschwege. Umrahmt wurde
die Feier durch Vorträge des Synagogenchors Eschwege unter Leitung des
Kantors Bacharach von dort." |
Nach dem Umbau hatte die Synagoge 78 Plätze
für Männer, 52 für Frauen.
Nur 10 Jahre sollte die neue Synagoge gottesdienstliches Zentrum der jüdischen
Gemeinde Herleshausen sein.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge völlig zerstört. Dabei wurden
die Scheiben eingeworfen, die Bänke zerschlagen, die Brüstungen abgerissen, die
Kronleuchter heruntergeworfen, die Tora-Rollen aus dem Schrein geholt, Teppiche
und Geräte weggetragen. Die Gesangbücher lagen noch mehrere Tage auf der
Lauchröder Straße. Die Ruine
wurde 1939 beseitigt.
Seit 2008 erinnert eine Gedenktafel an
die frühere Synagoge in Herleshausen. Außerdem erinnern am "Judengässchen" eine
Informationstafel sowie je ein "Stolperstein" für die Synagoge und die jüdische
Schule.
Adresse/Standort der Synagoge: Lauchröder
Straße 5/7
Fotos
(Quelle: Arnsberg s.Lit. Bilder S. 90; die Toramäntel sind
abgebildet bei Kollmann/Wiegand s.Lit. S. 54)
Die Synagoge
Herleshausen
nach dem Neubau/Umbau 1928 |
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Blick zur Synagoge
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Innenansicht
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Toramäntel
aus Herleshausen, links von 1865,
rechts "zum Andenken an die Bar
Mizwah" von
Fritz Neuhaus, 18.4.1908; dazu Pressebericht unten
vom Mai 2024. |
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Fotos aus Herleshausen im
Oktober 2019
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 23.10.2019) |
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Das an Stelle des
jüdischen Schul- und Lehrerhauses
stehende Wohnhaus |
Die Synagoge stand etwas
zurückgesetzt
rechts hinter dem Schulhaus |
Blick auf
das Synagogengrundstück
(rechts das Wohnhaus auf dem Schulhausgrundstück) |
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Informationstafel am
"Judengässchen" |
Gedenktafel vor
dem Grundstück der Synagoge |
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"Stolperstein" für
Synagoge
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"Stolperstein" für
jüdische Schule
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"Stolpersteine"
für Kantor Joseph Carlebach
(1885), Rebekka Carlebach geb. Farntrog
(1889) und Isaak Carlebach (1928) |
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Das "neue Haus
Neuhaus"
mit Informationstafel |
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Das Haus der Familie
Ochs Am Anger 2
mit Gedenktafel für Rosi Hanna Ochs (1929) |
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Haus der Familie Neuhaus
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Haus der Familie Neuhaus
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Stolpersteine
für die Familie Neuhaus |
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Haus der jüdischen
Kaufmannsfamilie
Joseph Neuhaus und Minna geb. Müller |
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Erinnerungstafel
an Kurt Neuhaus (1913) |
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Anwesen der Familie Wohl
in der Bahnhofstraße 11 |
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Das Grundstück ist
neu überbaut |
Informationstafel
und Stolpersteine
für Familie Wolf |
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Andernorts entdeckt
im jüdischen Friedhof Dessau
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Grabstein für Karl
Rothschild (geb. 1865
Herleshausen, gest. 1911) |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November 2013:
In Herleshausen werden "Stolpersteine"
verlegt -
Erste Verlegung von "Stolpersteinen" in Herleshausen |
Artikel von Heiko Kleinschmidt in der
"Thüringer Allgemeinen" vom 5. November 2013 (Link
zum Artikel):
"In Herleshausen wird mit den ersten Stolpersteinen der jüdischen Opfer gedacht
Herleshausen (Werra.Meißner-Kreis). Es war in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, als im hessischen Herleshausen die Synagoge vom nationalsozialistischen Terror zerstört wurde.
Auch die jüdischen Einwohner blieben nicht verschont und wurden in die Vernichtungslager deportiert. Daran erinnern nun erstmals Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig aus Köln in dem Ort. So wie auch in Eisenach.
19 Paten fanden sich schnell für die Steine. Eine besondere Aktion starteten die Mädchen und Jungen der Südringgauschule. Dort gab jeder 50 Cent aus seiner Spardose, um gemeinsam einen Stein zu bezahlen.
Am Montag wurden die Steine verlegt. Zahlreiche Bürger kamen zur Gedenkfeier, um der Holocaust-Opfer zu gedenken. Helmut Schmidt, Bürgermeister a. D. und Mitglied im Arbeitskreis
'Stolpersteine', erinnerte an die einstigen Verdienste der jüdischen Mitbürger, die beispielsweise im Ersten Weltkrieg ihr Leben für das Land gaben und kurz darauf erneut Leid erfahren mussten. Und: Die systematischen Entrechtung wurde durchaus auch von den Nachbarn erkannt, nicht selten sogar mitgetragen.
Ausreise nach Palästina rettete das Leben. Aus dem englischen Manchester reiste Bruce Robinson zur Gedenkveranstaltung an. Er gedachte am Hainertor von Herleshausen seiner Verwandten, die dort ein Haus hatten und vertrieben wurden. Seine Mutter Ruth überlebte als einzige.
Ruth Robinson, eine geborene Katzenstein, verbrachte ihre Kindheit bis zum zwölften Lebensjahr im Hainertor 15. Mit acht Stolpersteinen wurde alleine der Opfer dieser Familie gedacht. Durch die frühzeitige Ausreise nach Palästina konnte Ruth Katzenstein ihr Leben retten. Sie erinnert sich gut daran, wie einige Herleshäuser Bürger aktiv bei der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung mithalfen.
Für Bruce Robinson ist es wichtig, dass für die ermordeten Menschen solche Mahnmale gesetzt werden. Er dankte Helmut Schmidt für das 25-jährige Tätigsein, damit das Schicksal der Juden in Herleshausen nicht vergessen wird.
Verlesen wurde ein Schreiben von Susanne Neuhaus Milkes aus dem
kalifornischen Long Beach. Sie dankte für das Verlegen der Stolpersteine
auch im Gedenken an ihre Familie. Dies empfindet sie als 'tiefgreifende Symbolik, Aussagekraft und Beständigkeit', so die Amerikanerin. Sie besuchte 1983 den Ort, um zu sehen, wo ihre Großeltern einst lebten.
Gleich zu Beginn der Gedenkveranstaltung verlasen die Schüler der Südringgauschule alle Namen der Ermordeten und stellten je ein Foto und eine Kerze auf einen Tisch. Es kam eine lange Reihe zusammen.
Aus Eisenach und den thüringischen Nachbargemeinden nahmen u.a. Christiane Leischner vom Bündnis gegen Rechtsextremismus, Gerstungens Bürgermeister
a.D. Manfred Schramm und Kreistagsmitglied Harry Weghenkel (LAD) an der Veranstaltung teil. Der Arbeitskreis
'Stolpersteine' wurde von Reinhold Brunner, Leiter des Eisenacher Stadtarchivs, unterstützt. Heimatforscher und Ortschronisten der Region trugen ebenfalls dazu bei, etwas über den Lebensweg der jüdischen Familien zu erfahren.
Helmut Schmidt ließ in seiner Ansprache nicht unerwähnt, dass es immer wieder Menschen gibt, die das Geschehen während des Nationalsozialismus leugnen. Und während Gunter Demnig die Steine verlegte, wurden an den einzelnen Stationen die Lebensgeschichten der vertriebenen Juden verlesen."
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Hinweis - Kontakt zum Arbeitskreis
"Stolpersteine": über den WERRATALVEREIN, Zweig V.
Südringgau e.V.
AK-Vorsitzender: Helmut Schmidt, Herleshausen E-Mail
helmut[et]schmidt-hlh.de
Spendenkonto - Der Arbeitskreis sammelt Spenden um weitere Stolpersteine
verlegen zu können. Spenden können an folgendes Konto gesendet werden:
Sparkasse Werra-MeißnerIBAN: DE45 5225 0030 0002 0250 96BIC: HELADEF1ESW
VR Bank HerleshausenIBAN: DE23 8206 4088 0000 0224 70BIC: GENODEF1ESA . |
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September 2016:
Vierte Verlegung von
Stolpersteine in Herleshausen |
Artikel von in "lokalo24" vom 19. September
2016: "21 neue Stolpersteine in Herleshausen verlegt. Zum vierten Mal
wurden in Herleshausen Stolpersteine verlegt. Nun waren es 21 neue Steine.
Herleshausen. Zum vierten Mal lud am vergangenen Freitag der
Arbeitskreis 'Stolpersteine' zu einer Verlegung von neuen Stolpersteine nach
Herleshausen ein. 21 weitere Steine von Aktionskünstler Gunter Demnig,
darunter zwei Kopfsteine für die Synagoge und die jüdische Elementarschule,
sollen nun an die Verbrechen an Juden in Herleshausen während der NS-Zeit
erinnern.
79 Stolpersteine im Dorf. 'Insgesamt gibt es dann 79 Steine in
Herleshausen die an hier ansäßige Familien gedenken. Wir sind froh, dass die
Verlegungen immer mit offenen Armen empfangen werden und es so viele
gewillte Spender gibt die uns unterstützen. Dank geht aber auch an die
Menschen, die die Steine putzen', berüßte der Vorsitzende des Arbeitskreis,
Helmut Schmidt, die Gäste aus Nah und Fern die gekommmen waren, darunter
auch Besucher aus Amerika.Untermalt wurde die Eröffnung von jüdischer Musik
durch Pfarrer Martin von Frommannshausen und seinem Saxonett, sowie dem
Musiker Thomas Riehl. Auch Bürgermeister Burkhard Scheld freute sich über
die große Anteilnahme an der Aktion, gedachte aber zeitgleich den Opfern.
'Der Besuch von Papst Franziskus im Konzentrationslager in Ausschwitz hat
gezeigt, dass wir solche Gräueltaten nicht in Vergessenheit geraten lassen
dürfen, um Gleiches zu verhindern', so Scheld. Nicht in Vergessenheit
geraten werden auch Kantor Joseph Carlebach, seine Frau Rebekka und Sohn
Isaak.
In Gedenken an Opfer. Ihnen wurden die ersten drei neuen
Stolpersteine gewidmet. Joseph Carlebach unterrichtete jüdische Schüler in
der Schule und lebte in der jüdischen Elementarschule in der Lauchröder
Straße in Herleshausen. Nachdem er und seine Frau bereits 1938 in Haft
geraten waren, flohen sie nach Frankfurt von wo aus sie 1942 nach
Theresienstadt deportiert und getötet wurden. 'Ihre Heimat war Herleshausen.
Hier hat der Kantor viele Freunde gehabt, setzte sich für die Jugend ein und
auch seine Frau war ein festes Mitglied der Dorfgemeinschaft', erinnern
Mitglieder der Herleshäuser Jugendgruppe 'Second Home' an die Familie
Carleberg. 1928 wurde Sohn Isaak in Herlshausen geboren, ging hier ab 1934
zur Schule. 'Noch heute erinnern sich Mitschüler an Isaak. Er soll seinem
Vater sehr ähnlich gewesen sein. 1938 verließ er die Schule und musste auf
eine jüdische Privatschule nach Bebra gehen', so Isaaks Biografie. Im
Gegensatz zu seinen Eltern, wurde er nicht deportiert, sein Schicksal ist
unbekannt. Versuche des Arbeitskreis weiteres zu erfahren blieben erfolglos.
Dennoch will man auch an das Schicksal von jüdischen Schülern erinnern,
passend dazu übernahm die Lehrerschaft der Südringgauschule die Patenschaft
für den Stein. Neben den Steinen der Familie Carleberg wurde in der
Lauchröder Straße auch ein Schild für Synagoge und das sogenannte
'Judengässchen' angebracht. 'Das gab es offiziell nicht, aber jeder wusste
wo es war', so Schmidt. Gemeinsam zogen die Gästen dann durch Herleshausen,
um die weiteren Stolpersteine zu verlegen." |
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Oktober 2019:
Weitere Stolpersteine werden
verlegt |
Artikel von Elisabeth Bennighof in
"lokalo24" vom 14. Oktober 2019: "Weitere Stolpersteine in Herleshausen
verlegt
Im Gedenken an ehemalige Mitbürger von Herleshausen wurden in der
vergangenen Woche sechs Stolpersteine verlegt.
Herleshausen - Gerade unter dem Eindruck des Anschlages von Halle sagte
Helmut Schmidt vom Arbeitskreis 'Stolpersteine' sei es 'wichtig, sich gegen
Antisemitismus und Fremdenhasse zu wehren und ihn nie wieder zuzulassen.'
Die Stolpersteine erinnern an die vertriebenen oder ermordeten Mitglieder
zweier jüdischer Familien und an Mitbürger, die wegen einer Behinderung im
Rahmen des NS-Euthanasieprogramms getötet wurden. Dana Levanon und Omry
Wolf, die Kinder des vor 85 Jahren in Herleshausen geborenen Martin Wolf,
sind aus Anlass der Verlegung nach Deutschland gekommen. Dana Levanon
erinnerte in ihrer Rede daran, dass die Familie ihres Großvaters in
Herleshausen angesehen war. 'Die Familie Wolf waren angesehene Bürger mit
einem schönen Haus und erfolgreichem Geschäft. Das änderte sich, als sich
der furchtbare Antisemitismus in Deutschland ausbreitete. Und die Mehrheit
der Deutschen- wohl wissend was geschah- ihren jüdischen Freunden und
Nachbarn den Rücken kehrten', sagte Dana Levanon. Die Eltern ihres Vaters
begriffen frühzeitig, dass sie in ihrer Heimat nicht mehr sicher waren und
wanderten 1934 nach Israel aus. 'Wir, Israelis und Deutsche, können und
dürfen diese dunklen Tage nicht vergessen. Wir müssen alles dafür tun, dass
sich solch schreckliche Ereignisse nicht wiederholen. Wir müssen uns
einsetzen für Frieden zwischen allen Nationen und Menschen', appellierte sie
an die Anwesenden und bedankte sich bei den Organisatoren des
Stolperstein-Projektes für ihr Engagement und den herzlichen Empfang."
Link zum Artikel |
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Artikel von Esther Junghans in der
"Werra-Rundschau" vom 19. Oktober 2019: "Stolpersteine für Opfer von
Euthanasie und Verfolgung in Herleshausen verlegt.
In Herleshausen wurden Stolpersteine verlegt und der Opfer von Euthanasie
gedacht.
Herleshausen – In Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen
Verbrechen sind nun weitere Stolpersteine in Herleshausen verlegt worden –
erstmalig auch für Opfer der Euthanasie. Es wurden auch vier Stolpersteine
für die jüdische Familie Wolf verlegt. An der sechsten
Stolperstein-Verlegung nahmen rund 100 Menschen teil – inklusive Angehörige
aus Israel.
... (Bericht über Opfer von 'Euthanasie' wird nicht zitiert)...
Julie, Hermann, Hedwig und Max Martin Wolf: Julie wurde 1874 in
Herleshausen geboren, in 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 15.
März 1943 ermordet. Hermann wurde 1901 geboren. Mit seiner Frau Hedwig und
dem zweijährigen Sohn Max Martin emigrierte er 1933/1934 nach Palästina. Die
Stolpersteine befinden sich vor der Bahnhofsstraße 11 und wurden von
dem heutigen Besitzer des Grundstücks, Jürgen Deubener, Christoph Wetterau
und der Abschlussklasse 2019 der Südringgauschule gespendet. Die Kinder von
Max Martin Wolf, Dana und Omry, wohnten mit ihren Ehepartnern Gil und Sigal
der Verlegung der Steine ihrer Familie bei. Sie leben heute in Kadima,
Israel. Dana Levanon geb. Wolf, hielt eine Rede.
Aaron Adolf, Julius und Martha Müller: Aaron Adolf wurde 1879 geboren
und erhielt vor der Bahnhofsstraße 6 einen Stolperstein. Er wurde im
Oktober 1940 in das Internierungslager nach Gurs deportiert und von dort aus
in 1942 nach Portet sur Garonne gebracht und ermordet. Seine Frau Lydia
wurde in Auschwitz ermordet. Der Stolperstein wurde von Heiko und Iris Wenk
finanziert. Julius Müller erhält einen Stolperstein am gleichen Ort. Den
Stolperstein haben Jens und Markus Müller gespendet.
Martha Müller wurde 1893 geboren und wurde mit ihrer Familie im
Januar 1942 in das Ghetto Riga deportiert. Sie wurde am 1. Oktober 1942
ermordet. Finanziert wurde ihr Stein von Eric Brück.
Dr. Curt Meyer: Dr. Meyer überlebte den Holocaust. Er wurde 1891
geboren und 1944 nach Auschwitz deportiert, wo er als Häftlingsarzt tätig
war. Danach wurde er in das KZ Neuengamme deportiert und arbeitete dort
ebenfalls als Häftlingsarzt. Er überlebte danach das Seuchenlager
Mecklenheide und den Todesmarsch im April 1945 nach Sandbostel.
Clementine Goldschmidt: Clementine Goldschmidt geb. Bud, zog nach
Berlin und wurde 1941 nach Theresienstadt und am 16. Mai 1944 nach Auschwitz
deportiert. Dort wurde sie sofort ermordet. Der Stein wurde von Christoph
Wetterau gespendet.
Jeanette und Aron Goldschmidt: Jeanette Goldschmidt geb. Spangenthal,
erhält einen Stolperstein vor ihrem Geburtshaus in der Lauchröderstraße
7. Sie wurde im September 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb
dort am 6. Februar 1943. Ihr Neffe Aron Goldschmidt wurde 1890
geboren und erhält an der Stelle einen Stolperstein. Seine Deportation
erfolgte 1940 nach Buchenwald, wo er am 12.8.1941 ermordet wurde. Die Steine
wurden von Traudel und Uwe Hartmann gespendet."
Link zum Artikel |
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Mai 2024:
Toramäntel werden aufgefunden
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Artikel von Stefanie Salzmann in "hna.de"
vom 16. Mai 2024: "Verein entdeckt Thoramäntel aus Herleshausen bei Ebay.
Zwei verschollen geglaubte Thoramäntel aus Herleshausen sind im Internet
aufgetaucht und aus einem Trödelladen in Frankfurt wieder zurück gekommen.
Abterode – Es grenzt an ein Wunder und bedeutet für die
Erinnerungskultur an jüdisches Leben im Werra-Meißner-Kreis Besonderes. Zwei
Thoramäntel aus den Jahren 1864 und 1905 aus Herleshausen sind im April
dieses Jahres auf der Internet-Plattform Ebay aufgetaucht und befinden sich
nun im Besitz des Vereins der Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im
Werra-Meißner-Kreis.
Dr. Martin Arnold und Helmut Schmidt vom Verein können ihr Glück noch gar
nicht fassen, denn auch der Zufall und die Geschichte sind außergewöhnlich.
Im April erhielt Arnold eine E-Mail von einer Frau aus der Nähe von
Frankfurt, die die beiden Mäntel bei Ebay entdeckt hatte. Über
Googlerecherche war die Dame, die sich in ihrem Heimatort für die Verlegung
von Stolpersteinen engagiert, auf den Verein im Werra-Meißner-Kreis gestoßen
und hatte von ihrem Fund berichtet. 'Unglaublich, dass solche Dinge auf Ebay
angeboten werden', sagt Martin Arnold. Er schaut sich die Fotos der
Thoramäntel im Netz an und dort sind Abbildungen, die auf die Echtheit der
beiden Stücke schließen lassen. Die beiden Thoramäntel waren 1938 aus der
Herleshäuser Synagoge geraubt worden und wurden zuletzt 1977 auf einem
Dachboden des Schulhauses in Herleshausen gefunden. Von dort sollten sie
nach Jerusalem in die Gedenkstätte Vad Vashem gehen, wo sie aber niemals
ankamen. Seither galten die Thoramäntel als verschollen.
Der Mantel schützt und schmückt das Heiligtum. Die Thora (wörtlich
Lehre, Weisung) umfasst die fünf Bücher Mose, die jeweils in einem Zeitraum
von einem Jahr, in Abschnitte geteilt, wöchentlich in der Synagoge gelesen
werden. Sie ist die Hauptquelle jüdischen Rechts, jüdischer Ethik und der
jüdischen Bräuche. In der Thora steht die Geschichte des Volkes Israel von
der Schöpfung bis zur Ansiedlung in dem Land, das Gott Abraham versprochen
hat. In ihr steht aber auch geschrieben, wie man als Jude leben soll. Dazu
gehören 613 Gesetze und Regeln.
Die Thora selbst aber ist auch der Mittelpunkt jüdischen Lebens und für
Juden ein Heiligtum. Wie Dr. Martin Arnold es beschreibt, wird die Synagoge
um die Thora gebaut, die Thora in einen sie schützenden Mantel gehüllt, sie
wird in einem Thoraschrank aufbewahrt, der in der Synagoge üblicherweise
hinter dem Lesepult steht. Der Mantel schützt die Thora nicht nur, sondern
ist Reliquie und Schutz für die Schriftrolle. Am letzten Tag des jüdischen
Laubhüttenfestes Simchat (Freude an der Thora) werden die geschmückten
Schriftrollen feierlich durch die Synagoge getragen und mit ihnen auch
getanzt. Die Betenden berühren und küssen sie. Mädchen und Jungen begleiten
die Prozession mit selbst gebastelten bunten Fahnen und Wimpeln.
Als Martin Arnold Helmut Schmidt von dem Ebay-Fund berichtet, reagiert der
erst mit Ungläubigkeit, dann sagt er zu Martin Arnold: 'Kauf, kauf, ich
sorge schon dafür, dass wir das Geld zusammenbekommen.' Hauptsache die
wertvollen Stücke verschwinden nicht wieder in dunklen Kanälen. Arnold nimmt
Kontakt zu dem Verkäufer auf, zeigt Nerven, handelt den Preis noch herunter
und macht das Geschäft fix. Arnold fährt selbst nach Frankfurt, um die
beiden Mäntel abzuholen. 'Ich wollte sehen, was das für ein Laden ist und
wer die beiden Mäntel verkauft.'
Im Norden der Großstadt findet er einen Trödelladen voller Kuriositäten. Der
Verkäufer holt aus einer Ecke einen Plastiksack mit den Mänteln, weiß aber
nicht, woher die Mäntel stammen, sein Vater sagt, aus einer
Haushaltsauflösung. Mit den beiden Thoramäntel kehrt Martin Arnold nach
Eschwege zurück, unterwegs sammelt er Eurovisionssieger Nemo auf. Nemo und
Begleiter Imre trampen da gerade nach Malmö (WR berichtete).
Zu den beiden Thoramänteln gehören auch deren Geschichte. Der ältere trägt
unter der Krone die hebräische Inschrift 'Rechal, Tochter des bedeutenden
Rav Rabbi Michal sowie die Jahreszahl 625. 'Hierüber wissen wir leider sehr
wenig, da es ausgerechnet aus den Jahren 1864 und 1865 keine Aufzeichnungen
aus der jüdischen Gemeinde Herleshausens gibt', sagt Martin Arnold. Dafür
ist der zweite und jüngere Thoramantel von 1905 umso aufschlussreicher. Dort
steht geschrieben: 'Josef Neuhaus und seine Frau Mina Neuhaus zu Erinnerung
an die Bar Mizwas ihres Sohnes Fritz, 5665'. Das Paar hatte den wertvollen
Thoramantel damals an die Gemeinde gespendet.
Über die Herleshäuser Familie weiß Helmut Schmidt detailreich Bescheid und
pflegt engen Kontakt zu den noch lebenden Nachkommen in den USA. In den
1930er-Jahren wanderte die Familie in die Niederlande beziehungsweise in die
USA aus. Ein Großteil der Familie ist der Verfolgung durch die
Nationalsozialisten entkommen. 'Die Familie und auch die Thoramäntel haben
überlebt, aber beide haben auch Schaden genommen', sagt Arnold. 'In diesen
Stücken spiegelt sich die Geschichte von Abgründen und Überleben.'"
Link zum Artikel |
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August 2024:
Stolperstein-Biografien für
Herleshausen und Nesselröden sind
online anrufbar |
Artikel von Emily Spanel in hna.de vom 1.
August 2024: "Stolperstein-Biografien für Herleshausen und Nesselröden
online abrufbar.
Über den Stolperstein-Guide sind nun auch die Biografien der Menschen hinter
den Stolpersteinen in Herleshausen und Nesselröden abrufbar. Wir erklären
die Nutzung.
Herleshausen – Stolpersteine erinnern im nachbarschaftlichen Umfeld
an Menschen, die vom NS-Gewaltregime gedemütigt, entrechtet, verfolgt,
vertrieben und schlussendlich ermordet wurden. Insgesamt 125 solche
Stolpersteine sind in den vergangenen zehn Jahren in Herleshausen und
Nesselröden verlegt worden – wohl kaum eine Gemeinde im Kreis lebt eine
derart intensive Erinnerungskultur. Mit dem digitalen Angebot 'Stolpersteine-Guide'
wird das Engagement der Herleshäuser Arbeitsgruppe Stolpersteine nun auf ein
neues Level gehoben: Im Internet sowie per App sind die Geschichten hinter
den Stolpersteinen für jedermann überall abrufbar.
Wie kommt man an die Daten? Für die Web-Version am einfachsten über
die Adresse stolpersteine-guide.de. In der Eingangsmaske gibt man links oben
den Ortsnamen 'Herleshausen' ein – und schon fokussiert sich die rechts
eingeblendete Deutschlandkarte auf den Ort mit einem dichten 'Knäuel' von
Steinen im Ortskern. 'Scrollen Sie diesen Plan per Maus auf die gewünschte
Größe, dann entwirren sich die dargestellten Stein-Symbole und es werden die
einzelnen Verlegestellen sichtbar', erklärt Helmut Schmidt, Vorsitzender des
Arbeitskreises Stolpersteine in Herleshausen. Die gleichnamige App für das
Smartphone steht entweder über den App-Store (iPhone) oder den Google
Play-Store (Android) zum Download bereit.
'Stolpersteine-Guide' entwickelte sich aus Hochschulprojekt. Die
Entwicklung der App 'Stolpersteine-Guide' nahm ihren Anfang als
Hochschulprojekt der Fachhochschule Trier in Kooperation mit der Trierer
Stolpersteininitiative AG Frieden. Der 'Stolpersteine-Guide' ist unter der
Betreuung von Dozent Marcus Haberkorn zusammen mit den Studenten Alexander
Prümm, Peter Nürnberger und Kim-Julian Becker entstanden. Es handelt sich
dabei um eine Plattform, über die Inhalte zu Stolpersteinen bereitgestellt
werden. Das Projekt wird aus Mitteln des sächsischen
Landesdigitalisierungsprogramms für Wissenschaft und Kultur sowie vom
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Als
wachsende Plattform ist der 'Stolpersteine-Guide' offen für alle Initiativen
wie die aus Herleshausen, welche die Erinnerung an die NS-Verbrechen auch
mit modernen Mitteln wachhalten möchten. (esp)
Welche Biografien sind bereits hinterlegt? Es empfiehlt sich,
zunächst im Bereich 'Anger' und 'Lauchröder Straße' zu suchen. Dort findet
man an der Ecke Lauchröder Straße/Querstraße die Müller-Familie. 'Klickt man
die vier Steine von oben links nach unten rechts der Reihe nach an, so wird
man dabei nicht nur die Lage der Steine und die dazu gehörenden Biografien
finden, sondern auch einen 'Medien-Bereich', den man anklicken kann, um die
hinterlegten Fotos vergrößert anschauen zu können', sagt Helmut Schmidt.
Wann werden weitere Geschichten folgen? Als 'Prototypen' finden sich derzeit
in der Lauchröder Straße 2, Am Anger 1 und 3 sowie in der Bahnhofstraße 11
ausführlichere Biografien zu den dort zuletzt verlegten Stolpersteinen. 'Bei
allen anderen haben wir uns vorerst darauf beschränkt, die Opfer und ihre
Schicksale mit 'Visitenkarten' vorzustellen und dazu – soweit vorhanden –
auch einige Bilder mit einzufügen', weiß Helmut Schmidt. Die übrigen 110
Biografien müssen erst noch formuliert und dann sukzessive eingefügt werden.
Wie wird mit den Stolpersteinen in Nesselröden verfahren? Für 'Nesselröden'
hat sich der Arbeitskreis Stolpersteine dazu entschlossen, einen eigenen Ort
im Guide anzulegen. Schließlich gab es dort auch eine selbstständige
jüdische Gemeinde, die – nach Recherchen von Hans Isenberg – ursprünglich
sogar größer war, als die Synagogengemeinde in Herleshausen. Derzeit fehlt
noch die Zugriffsberechtigung; liegt diese vor, werden die vorbereiteten
Daten analog zu Herleshausen eingestellt. (Emily Hartmann)."
Link zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 355-357. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 90. |
| Keine Artikel bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 228-229. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 455. |
| Erich Schwerdtfeger: Die jüdischen Gemeinden in
Herleshausen und Nesselröden. Herleshausen 1989. |
| Karl Kollmann / Thomas Wiegand: Spuren einer
Minderheit. Jüdische Friedhöfe und Synagogen im Werra-Meissner-Kreis.
Hrsg. von der Historischen Gesellschaft des Werralandes. Kassel 1996. S.
92-93 u.ö. |
| Klaus-Peter Friedrich: Zum Lebensweg der jüdischen
Kindergärtnerin Rosel Leschziner geb. Wolf aus Herleshausen. In: Eschweger
Geschichtsblätter 30/2019, S. 164-194.
Online zugänglich (pdf-Datei). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Herleshausen
Hesse-Nassau. Even though Jews were living there in 1640, the community did not
build a synagogue until 1846 and numbered 129 (12 % of the total) in 1871. Nazi
boycott measures ruined Jews in the livestock trade and on Kristallnacht
(9-10 November 1938), the synagogue (enlarged in 1928) was desecrated. Of the
town's 86 permanent or temporary Jewish residents (1933-1942), 28 emigrated; an
equal number perished in the Holocaust.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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