Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Karlsruhe (Stadtkreis)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt im 19./20. Jahrhundert  
 
Hier: Berichte zu den Rabbinern in Karlsruhe 
sowie zu den Lehrern und weiteren Kultusbeamten und zum jüdischen Schulwesen 

Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Karlsruhe wurden in jüdischen Periodika gefunden. 
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.    
     
 
    
Übersicht:

bulletÜbersicht über die Karlsruher Rabbiner von 1718 bis 1939  
-  Rabbiner in der Hauptgemeinde (Synagoge Kronenstraße)    
-  Rabbiner der Israelitischen Religionsgesellschaft (IRG)  
-  Stiftsrabbiner  
bulletBerichte zur Geschichte der Rabbiner in der Hauptgemeinde (Synagoge Kronenstraße)    
-  Zum Tod von Oberlandrabbiner Ascher Löw (1837)  
-  Die Rabbiner Elias Willstätter und Benjamin Willstätter werden in ihren Ämtern als Konferenzrabbiner und Gemeinderabbiner bestätigt (1847) 
-  Witzige Bemerkungen von Oberrabbiner Ascher Löb (1849) 
R
abbiner Dr. Adolf Schwarz veröffentlicht Predigten (1885)    
-  Rabbiner Dr. Adolf Schwarz wurde nach Wien berufen (1892) 
-  Ausschreibung der Stelle des Stadtrabbiners (1893)  
E
inführung von Stadtrabbiner Dr. Meier Appel in sein Amt (1894)  
S
tadtrabbiner Dr. Meier Appel wurde zum Konferenzrabbiner ernannt (1894)  
-  Rabbiner Dr. Julius Zimels wurde zum zweiten Rabbiner gewählt (1904)  
Vortrag von Rabbiner Dr. Meier Appel (1911)  
Rabbiner Dr. Meier Appel wird mit der Friedrich-Luisen-Medaille ausgezeichnet (1912)    
Rabbiner Dr. Julius Zimels wechselt nach Freiburg; Rabbiner Dr. Herrmann Löb kommt nach Karlsruhe (1913)    
-  Predigten von Rabbiner Dr. Meier Appel werden publiziert (1914)   
-  70. Geburtstag von Rabbiner Prof. Dr. Adolf Schwarz (1916) 
-  Auszeichnung für Rabbiner Dr. Viktor Kurrein (1918) 
Z
um Tod der Frau von Rabbiner Dr. Appel - Anna geb. Willstätter (1918)   
-  Zum Tod von Rabbiner Dr. Meier Appel (1919) 
Rabbiner Ulrich Steuer wechselt nach Heidelberg (1936)    
bulletBerichte zur Geschichte der Rabbiner der Israelitischen Religionsgesellschaft (IRG)  
-  Ausschreibung der Stelle des Rabbiners der Israelitischen Religionsgesellschaft (1876)  
-  Sijum-Feier des Talmudvereins im Haus von Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (1889)   
-  25-jähriges Dienstjubiläum von Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (1909)   
-  70. Geburtstag von Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (1922)   
-  Zum Tod von Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (1923)   
-  Beisetzung von Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (1923)   
-  Zum Tod der Witwe von Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (1931)
Theologische Ausführungen über den Namen des Berges Horeb / Sinai  von Rabbiner Dr. Abraham Michalski (1928)  
Zum Tod der Frau von Rabbiner Goitein geb. Löwenfeld (1931)      
-  Beitrag von Rabbiner Dr. Abraham Michalski über "Die Mischnah als Lehrstoff im Religionsunterricht" (1936)   
bulletBerichte zur Geschichte der Stiftsrabbiner  
Zum Tod des aus Karlsruhe stammenden Oberrabbiners R. Jakob Ettlinger (1871)   
Zum 50. Todestag des aus Karlsruhe stammenden Oberrabbiners R. Jakob Ettlinger (1921)     
-  Zum Tod von Rabbiner Aron Ettlinger (1849)   
-  Zum Tod von Stiftsrabbiner Bernhard Naftali Blumgrund (gest. in Hamburg 1905)  
-  Rabbiner Dr. Jakob Kramer wurde als Stiftsrabbiner berufen (1905)  
-  Zum Tod von Stiftsrabbiner und Lehrer an der Schule der israelitischen Religionsgesellschaft Dr. Jakob Kramer (1921, IRG)  
bulletBerichte zur Geschichte der jüdischen Lehrer und weiterer Kultusbeamten  
Für den badischen Mittelrheinkreis wird Lehrer Rosenfeld zur Erhebung der Beiträge der jüdischen Lehrer bestimmt (1841)   
-  Lob auf den neuen Prediger und Religionslehrer Fromm (1851)  
Das "hebräische Sprachbuch" von Hauptlehrer M. Rosenfeld erscheint in dritter Auflage (1859)   
-  Ausschreibung der Stelle des ersten Kantors (1873)   
-  Ausschreibungen der Stelle des zweiten Kantors (1875 / 1889)  
-  Ausschreibung der Stelle des zweiten Kantors (1895)  
-  Zum Tod von Lehrer Samuel Würzburger (Lehrer in der Israelitischen Religionsgeellschaft, 1902)  
-  25-jähriges Amtsjubiläum von Kantor Israel Baruch (Lehrer in der Israelitischen Religionsgesellschaft, 1912)  
-  Todesanzeigen für Kantor Israel Baruch (1932)       
bulletBerichte zur Geschichte des jüdischen Schulwesens in Karlsruhe   
-  Anzeige der Lehr- und Erziehungsanstalt von Dr. H. Plato (1865)   
-  Prüfungen in der Schule der Israelitischen Religionsgesellschaft (1890, IRG)  
E
inweihung des neuen Religionsschulhauses (1891)   

     
     
     
Übersicht über die Karlsruher Rabbiner von 1718 bis 1939 
     
Rabbiner in der Hauptgemeinde (Synagoge Kronenstraße): 
-  1718 bis 1749: Rabbiner Uri Nathan Kahn (geb. in Metz, gest. 1749 in Karlsruhe): war zunächst Lehrer in Pforzheim; versah seit 1717 die Rabbinergeschäfte in der unteren Markgrafschaft.       
-  1750 bis 1769: Rabbiner Nathanael Weil (geb. 1687 in Stühlingen, gest. 1769 in Rastatt); zunächst in Stühlingen aufgewachsen (als er fünf Jahre alt war, wurden sein Vater und sein Bruder ermordet; von der Mutter erzogen); 1760 schickte ihn seine Mutter nach Fürth zum Studium, später wechselte er nach Prag, wo sein Onkel Lippmann Weil (Bruder seines Vaters) tätig war; eine enge Beziehung entstand zu seinem wichtigsten Lehrer, dem Rabbiner Abraham Brod, dem er später nach Metz und Frankfurt am Main folgte; Nathanael Weil wurde Rabbiner in Offenbach; nach dem Tod von Rabbiner Brod 1717 kehrte er nach Prag zurück und war als Privatgelehrter tätig; nach Ausweisung der Prager Juden 1743 wurde er 1745 nach Mühringen als Rabbiner des Schwarzwaldkreises berufen, seit 1750 Rabbiner der beiden badischen Markgrafschaften in Karlsruhe (Oberrabbiner).    
Bouxwiller Synagogue 660.jpg (134918 Byte) -  1770 bis 1805: Rabbiner Tia Weil (Jedidja b. Nathanel; geb. 1721 in Prag. gest. 1805 in Karlsruhe): war Nachkomme einer der ältesten schwäbischen Rabbinerdynastien, die über seinen Vater Nathanael Weil (s.o.) in gerader Linie auf den Nürnberger Oberrabbiner Jakob Weil (15. Jahrhundert) zurückreicht: wuchs in Prag auf und studierte an der Jeschiwa seines Vater Nathanael Weil; nach der Ausweisung der Prager Juden 1743 lebte er in Metz; 1748 kehrte er nach Prag zurück und übernahm die Leitung der Jeschiwa seines Vaters; zeitweise Rabbiner in Votice, Böhmen, wo 1756 sein Sohn Nathan geboren ist (s.u.); nach dem Tod seines Vaters 1769 wurde er dessen Nachfolger als Oberlandesrabbiner der beiden Markgrafschaften.  
siehe Wikipedia-Artikel zu Tia Weil  
(Quelle der Abbildung von Tia Weil: Ausstellung im jüdischen Museum in Bouxwiller)   
-  1805 bis 1808: Rabbinatsverweser: der Sohn von Rabbiner Tia Weil: Rabbiner Nathan Weil (geb. 1756 in Votice, Böhmen, gest. 1829 in Karlsruhe): war zunächst Privatgelehrter in Karlsruhe; seine Wahl auf die Stelle des Rabbiners in Karlsruhe 1808 wurde von der Regierung annulliert; bis zu seinem Tod übte er dann rabbinische Funktionen in der Stadt aus (in den Karlsruher Adressbüchern immer als "Rabbiner" genannt, wohnhaft Kronenstraße 7 [1820, 1826 1828])  
-  1805 bis 1809 Verweser der Stelle des badischen Oberlandesrabbinats: Rabbiner Seligmann Reiss (geb. 1764 vermutlich im Elsass, gest. 1831 in Karlsruhe): war seit ca. 1790 in Karlsruhe als "Kandidat" auf der Suche nach einer Rabbinerstelle; nach 1809 behielt ihn Rabbiner Ascher Löw als Vertreter und Assessor; 1819/20 kurzzeitig Stiftsrabbiner am Elias Wormserschen Lehrhaus.  
-  1809 bis 1837: Rabbiner Ascher Löw (ben Aryeh Löb; geb. 1754 in Minsk, gest. 1837 in Karlsruhe): aufgewachsen in Smilowitz, Volozhin, Minsk, Glogau, Frankfurt/Main und seit 1765 in Metz; war 1783 Landesrabbiner der würzburgischen Ritterschaft in Niederwerrn, 1785 Landesrabbiner des Fürstentums Wallerstein (daher auch Ascher Wallerstein genannt); 1808 badischer Oberlandesrabbiner.     
-  1837 bis 1842: Rabbiner Elias Willstätter (geb. 1796 in Karlsruhe, gest. 1842 in Karlsruhe): lernte in Hanau, Karlsruhe; studierte in Würzburg; war zunächst Talmudlehrer an der Model'schen Stiftung in Karlsruhe; erhielt als Nachfolger von Jakob Ettlinger 1825 die Talmudlehrerstelle an der Wormser'schen Stiftung; seit 1827 Vertreter von Rabbiner Ascher Löw; seit 1835 Stadt- und Bezirksrabbiner in Hanau; 1837 Rabbinatsverweser in Karlsruhe und Bühl.   
-  1842 bis 1875: Rabbiner Benjamin Willstätter (geb. 1813 in Karlsruhe, gest. 1895 in Karlsruhe): studierte in Heidelberg; wurde als Nachfolger seiner älteren Halbbruders Elias Willstätter 1842 Rabbinatsverweser in Karlsruhe; 1847 definitive Anstellung als Karlsruher Stadt- und Bezirksrabbiner.   
-  1875 bis 1893: Rabbiner Dr. Adolf Arye Schwarz (geb. 1846 in Tewel/Ungarn; gest. 1931 in Wien): studierte in Wien und Breslau; 1875 bis 1893 Rabbiner In Karlsruhe; 1914 bis 1930 Präses der ITL Wien, danach im Ruhestand.    
-  1894 bis 1919: Rabbiner Dr. Meier Appel (geb. 1851 in Jesberg, gest. 1919 in Karlsruhe): studierte in Breslau; 1879 Rabbiner in (Bad) Homburg v.d. Höhe, 1886 bis 1893 zweiter Stadtrabbiner in Mannheim und Direktor der Lemle Moses'schen Klausstiftung ebd.; 1894 bis 1919 Rabbiner in Karlsruhe.  
-  1904 bis 1912/13 (stellvertretender Rabbiner): Rabbiner Dr. Julius Zimels (geb. 1872 in Brody, Österr.-Ungarn, gest. 1955 in Israel): studierte in Breslau; 1902 stellvertretender Rabbiner in Chemnitz, 1904 bis 1912/13 stellvertretender Rabbiner und Religionslehrer in Karlsruhe, seit 1912/13 Stadtrabbiner in Freiburg, Konferenzrabbiner des Oberrates der Israeliten in Baden; 1935/36 Ruhestand; 1936 Emigration nach Palästina. 
-  1913 bis 1917: Rabbiner Dr. Herrmann Löb (geb. 1884 in Bruchsal, gest. 1962 in Göteborg): studierte in Breslau und Freiburg; 1909 Rabbinatsassessor (2. Rabbiner) in Freiburg; 1910 Rabbiner und Religionslehrer in Dresden; 1913 Stadtrabbiner in Karlsruhe, 1917 Prediger in Berlin, 1919 Prediger und Rabbiner in Göteborg. 
-  1919 bis 1923: Rabbiner Prof. Dr. Viktor Kurrein (geb. 1881 in Linz, gest. 1974): studierte in Wien; zunächst Rabbiner in Meran und Salzburg; 1919 bis 1923 Rabbiner in Karlsruhe, seit 1923 Rabbiner in Linz; übernahm 1933 bis 1935 provisorisch auch das Rabbinat Amstetten (Niederösterreich); 1938 Emigration nach England.  
-  1919 bis 1924: Rabbiner Dr. Julius Cohn (geb. 1878 in Graudenz, Westpreußen, gest. um 1939/42 in England): studierte in Berlin; 1906 bis 1915 Religionslehrer und Hilfsprediger in Berlin; 1915 bis 1919 Rabbiner in Hoppstädten, 1919 bis 1924 zweiter Stadtrabbiner in Karlsruhe, 1924 bis 1928 Bezirksrabbiner in Stuttgart, 1928 bis 1939 Rabbiner in Ulm, 1939 nach England emigriert).     
-  1925 bis 1939: Rabbiner Dr. Hugo Schiff (geb. 1892 in Hoffenheim, gest. 1986 in Red Bank, Monmouth, NJ/USA): studierte in Heidelberg und Breslau; 1917-18 Feldhilfsrabbiner; 1922 bis 1925 Landesrabbiner in Braunschweig, 1925 Rabbiner in Karlsruhe; nach dem Novemberpogrom 1938 mehrere Wochen im KZ Dachau festgehalten; März 1939 in die USA emigriert; seit 1940 an verschiedenen Stellen als Rabbiner und Dozent an verschiedenen Hochschulen tätig): vgl. Wikipedia-Artikel zu Rabbiner Hugo Schiff.   
-  1932 bis 1934 zweiter Rabbiner: Rabbiner Dr. Hans Andorn (geb. 1903 in Hattingen, Ruhr, umgekommen 1945 im KZ Bergen-Belsen): studierte in Berlin und Gießen; 1932 zweiter Rabbiner in Karlsruhe (Jugendrabbiner), seit Juli 1934 Rabbiner in Nürnberg, 1938 Rabbiner in Den Haag, Übersiedlung nach Zwolle; von dort 1943 deportiert ins KZ Westerbork, 1944 ins KZ Bergen-Belsen.  
-  1934 bis 1936 zweiter Rabbiner: Rabbiner Ulrich B. Steuer (geb. 1912 in Breslau, gest. 1973 in Milwaukee, WI, USA): studierte 1930 bis 1935 in Breslau; Juni 1934 zweiter Rabbiner in Karlsruhe; seit August 1936 Bezirksrabbiner in Heidelberg; September 1938 in die USA emigriert, wo er Rabbiner der Gemeinde "Beth Sholom" in Fredericksburg, VA wurde; nach 1945 Rabbiner in Columbus, OH und verschiedenen anderen Gemeinden in den USA. 
  
Rabbiner der Israelitischen Religionsgesellschaft (IRG):  
-  1869 bis 1874: Rabbiner Gumbel Thalmann (geb. in Neubrunn bei Würzburg, gest. 1880 in Karlsruhe): war Stiftsrabbiner und Privatlehrer in Karlsruhe; versah in den Anfangszeiten der IRG Karlsruhe - zusammen mit Rabbiner Nathanael Weil, s.u. - das noch inoffizielle Rabbinat.  
-  1874 bis 1876: Rabbiner Dr. Herz Naftali Ehrmann (geb. 1849 in Michelstadt, gest. 1918 in Lübeck): lernte in Altona und Mainz, studierte in Berlin; 1874 bis 1879 Rabbiner der Israelitischen Religionsgesellschaft in Karlsruhe; 1879 bis 1886 orthodoxer Rabbiner in Trier; 1886 bis 1903 Rabbiner in Baden/Schweiz.  
-  1876 bis 1882: Rabbiner Dr. Gabor Gedalja Goitein (geb. 1848 in Hőgyész, Ungarn; gest. 1883 in Karlsruhe): lernte an verschiedenen Jeschiwot, studierte in Berlin; 1873/74-1876 Lehrer in Aurich; seit 1876 Rabbiner der IRG Karlsruhe.  
siehe Wikipedia-Artikel zu Rabbiner Dr. Goitein 
-  1883 bis 1923: Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (geb. 1852 in Námeztó; gest. 1923 in Karlsruhe): lernte u.a. in der Jeschiwa in Preßburg, studierte in Berlin; 1884 Rabbiner der IRG Karlsruhe; starb durch einen Unfall in Karlsruhe.  
siehe Wikipedia-Artikel zu Rabbiner Dr. Schiffer 
-  1924 bis 1939: Rabbiner Dr. Abraham Michalski (geb. 1889 in Berlin, gest. 1961 in Tel Aviv): studierte in Berlin und Münster; von 1912 bis 1919 Rabbiner in Westfalen (Recklinghausen), 1919 bis 1923 an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg; seit 1924 Rabbiner der IRG Karlsruhe; nach der Pogromnacht 1938 in das KZ Dachau verschleppt; im Dezember 1939 nach Palästina emigriert; bis 1958 Rabbiner der Gemeinde Adass Jeschurun in Tel Aviv.     
siehe Wikipedia-Artikel zu Dr. Michalski    
  
Stiftsrabbiner:     
1771 stiftete der Hoffaktor Salomon Meyer der jüdischen Gemeinde Karlsruhe eine Summe von 6.000 Gulden und ein Haus am Zirkel mit dem Zweck, darin ein Lehr- und Bethaus einzurichten und arme jüdische Kinder zu unterrichten (Salomon Meyersche Stiftung, später auch Modelsche Stiftung genannt, da die Familie 1809 den Nachnamen Model annahm). In dem Haus konnte ein gelehrter Jude wohnen und jährliche eine Summe von 150 Gulden als Kohn- und Kostgeld erhalten, außerdem noch 40 Gulden für Holz und Licht.  
Eine weitere Stiftung - die 1819 gegründete Stiftung des Elias Wormser - hatte den Zweck, jeweils einen Talmudstudenten mit 200 Gulden und einer Wohnung zu unterstützen. Dafür hatte Elias Wormser sein Haus (seitdem: Elias Wormsersches Lehrhaus) und ein Kapital von 6.000 Gulden hinterlassen.   
-  1771 bis 1791: Rabbiner Pelta Moses Epstein (geb. 1745 in Offenbach, gest. 1821 in Bruchsal): lernte in Frankfurt, Fürth und Prag; erhielt an der Salomon Meyerschen Stiftung die Stelle eines "Talmudlehrers und Unterrabbiners"; seit 1791 Landesrabbiner des Fürstbistums Speyer in Bruchsal. 
siehe Wikipedia-Artikel zu Pelta Moses Epstein  
-  1819/20 bis 1825: Rabbiner Jakob Ettlinger (geb. 1798 in Karlsruhe, gest. 1871 in Altona): Stiftsrabbiner am Elias Wormser'schen Lehrhaus, 1825 Leiter der Lemle Moses'schen Klausstiftung in Mannheim; seit 1836 Oberrabbiner für Schleswig-Holstein mit Sitz in Altona. 
siehe Wikipedia-Artikel zu Jakob Ettlinger   
-  1825 bis 1830: Rabbiner Isaak-Eisik Friedberg (geb. in Schluchtern, gest. 1870 in Bruchsal): war 1830 bis 1855 Bezirksrabbiner in Mosbach, danach bis zu seinem Tod Bezirksrabbiner in Bruchsal. 
-  bis 1849 (?): Rabbiner Aaron Mayer Ettlinger (geb. 1769, gest. 1849 in Karlsruhe): 1809 als "Haus-Rabi bey E. Reutlinger" in Karlsruhe genannt; war Stiftsrabbiner in Karlsruher.    
-  1849 bis 1874: Rabbiner Joseph-Joel Altmann (geb. 1818 in Mosbach, gest. 1874 in Karlsruhe): studierte in Würzburg; 1849 Stiftsrabbiner in Karlsruhe; war Rabbiner der orthodoxen Gruppe in der Karlsruher jüdischen Gemeinde; unterrichtete Rabbinatskandidaten, die in Karlsruhe das Gymnasium besuchten. 
-  bis 1880: Rabbiner Gumbel Thalmann: siehe oben bei den Rabbinern der IRG. 
-  1859 bis 1892: Rabbiner Nathanael Weil (geb. 1818 in Sulzburg, gest. 1892 in Karlsruhe), war ein Urenkel von Oberrabbiner Tia Weil s.u.; lernte in Sulzburg, Müllheim und Reichshoffen im Elsass, studierte in Würzburg; zunächst Prediger und Religionslehrer in Aurich, 1859 Stiftsrabbiner in Karlsruhe. 
-  1895 bis 1905 Rabbiner Dr. Bernhard Naftali Blumgrund (geb. 1864 in Bolescó, Ungarn, gest. 1905 in Hamburg): lernte in Budapest, Pápa und Frankfurt am Main, studierte in Berlin; zunächst Hauslehrer in Stettin; 1895/96 am Rabbinerseminar Berlin; seit November 1895 Rabbiner an der Model'schen Stiftung in Karlsruhe; starb kurz vor der Einführung in sein Amt als Stiftsrabbiner in Hamburg.  
-  1905 bis 1921: Rabbiner Dr. Jacob Kramer (geb. in Szombathely, Ungarn, gest. 1923 in Karlsruhe): studierte in Berlin; war von 1905 bis zu seinem Tod Stiftsrabbiner der Model'schen Stiftung in Karlsruhe.   
-  ca. 1890 bis 1930: Rabbiner Akika E. L. Meyer (geb. 1859 in Bauska, Kurland, gest. 1930 in Karlsruhe): war ab ca. 1880 Lehrer in verschiedenen bayerischen Landgemeinden, ab ca. 1890 in Karlsruhe: Lehrer an der Religionsschule der IRG und stellvertretender Rabbienr in Karlsruhe; 1928 bis 1930 Amtsinhaber des zweiten Stadt-Rabbinats.    
  
  
  
  
Berichte zur Geschichte der Rabbiner in der Hauptgemeinde (Synagoge Kronenstraße)     
Zum Tod von Oberlandrabbiner Ascher Löw (1837)      

Karlsruhe Ascher Loew AZJ 22081837.jpg (99949 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. August 1837: "Karlsruhe, 4. August (Privatmitth.) Am 23. Juli verstarb allhier der Oberrat und Oberlandrabbiner Ascher Löw. 27 Jahre war er das geistliche Oberhaupt der hiesigen Gemeinde und Mitglied des Großherzoglichen Oberrats der Israeliten. Seine vielen Freunde im In- und Ausland werden diese Nachricht mit dem innigsten Gefühl der Teilnahme vernehmen. Das Leichenbegängnis fand auf eine höchst würdevolle Weise statt, und waren die Läden der hiesigen israelitischen Kaufleute bis zum Schlusse des Actus geschlossen. Am Grabe hielt der Sohn des Verblichenen, der Bezirksrabbiner Ascher von Bühl, und der früher dem Verstorbenen substituierte Rabbiner Elias Willstätter passende Reden. Der Verstorben hatte bereits das 83ste Lebensjahr erreicht."   
 
Karlsruhe Ascher Loew AZJ 02091837.jpg (315706 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. September 1837: "Nekrolog.
Am 23sten Juli dieses Jahres starb dahier, nach einer mehrjährigen durch Altersschwäche herbeigeführten Kränklichkeit, in einem Alter von 83 Jahren, der Oberrat und Oberlandrabbiner Ascher Löw, nachdem er 27 Jahre hindurch, als Rabbiner der hiesigen Orts- und der dazugehörigen Bezirksgemeinde, und als geistliches Mitglied des Großherzoglichen Badischen Oberrats der Israeliten, treu und redlich sein Amt verwaltet hatte. Er wurde im Jahr 1754 zu Minsk in Litauen geboren, und kam schon früh, als Knabe, mit seinem Vater (Aryeh Loeb Ben Asher) nach Metz in Frankreich, wohin dieser zur selbigen Zeit als Oberrabbiner berufen wurde. Von der Natur mit einem hellen und scharfsinnigen Geiste glücklich begabt, genoss er frühzeitig den Unterricht seines Vaters, welcher durch sein vielumfassendes und gründliches Wissen im Gebiete der Talmud-Gelehrsamkeit in einem ausgezeichneten Rufe stand, und als der Verfasser zweier Werke, von welchem das eine Schaagat Aryeh rabbinische Abhandlungen über besondere kasuistische Fragen, das andere Ture Eben gelehrte Erörterungen über einzelne Traktate des Talmuds enthält, unter den Talmudgelehrten rühmlichst bekannt ist. In Folge dieser für seine Ausbildung so günstigen Umstände, wurde auch er schon als Jüngling auf diesem weitumfassenden Gebiete einheimisch, und auch sein Ruf verbreitete sich allenthalben, und drang bald auch nach Deutschland. Als sein Vater in den letzten Jahres seines Lebens sein Augenlicht verloren hatte, unterstützte er denselben sehr tätig in seiner Amtsausführung, und während er zu diesem Behufe sich noch in Metz aufhielt, verehelichte er sich mit der Tochter eines reichen, als Talmudgelehrten ebenfalls bekannten Israeliten, in Niederwerrn unweit Schweinfurt, im Unter-Mainkreise des Königreichs Bayern. Erst nach dem Tode seines Vaters verließ er Metz und wurde im Jahr 1783 als Rabbiner in Niederwerrn aufgenommen, und nach 2 Jahren in derselben Eigenschaft in Wallerstein, in Rezatkreise desselben Landes, wo er 25 Jahre hindurch in diesem letztern Beruf wirkte. Bei der im Jahr 1809 erfolgten Organisation des jüdischen Kirchenwesens im Großherzoglichen Baden, erhielt er den Ruf als geistliches Mitglied des Oberrats der Israeliten und Landrabbiner der (damaligen) mittelrheinischen Provinz-Synagoge, und als Ortsrabbiner dahier, welchem er auch, obgleich er zur nämlichen Zeit auch zur Antretung einer anderen Stelle im Konsistorium zu Metz, und sogar zu Paris berufen wurde, im Jahre 1810 folgte. Sein Wissen im Gebiete der Talmudgelehrsamkeit erweiterte sich täglich in dem Maße, dass er darin eine Weltberühmtheit erlangte, und allenthalben als eine sehr achtbare Autorität anerkannt wurde, an die man sich zur Entscheidung schwieriger zu seinem Fache gehörender Fragen, oft aus den entferntesten Gegenden, wandte. Er verband mit einem scharfsinnig und gründlich forschenden Geiste, einem glücklichen ganz ausgezeichneten Gedächtnisse einen unermüdlichen, bewundernswerten Eifer für das ihn fast zum natürlichen Bedürfnisse gewordene Talmudstudium, sodass kein Lebens-Verhältnis, keine Lebens-Prüfung, deren er manche bitter zu bestehen hatte, ihn in seinem Studium stören konnte, seinen hellen Forscherblick zu trüben, seinen unvergleichlichen Treueeifer erhalten zu machen vermocht hätte. Sein Forschen aber war kein blindes, geistloses Forschen und Weiterbauen auf den Grundlagen unhaltbarer Prämissen, wie dies von manchen Talmudgelehrten seiner Zeit betrieben wurde, sondern er wusste diesem Studium eine für den Denker höchst interessante und geistergötzende Seite abzugewinnen, und er brach in dieser Beziehung eine neue Bahn, auf welcher er die scharfsinnigsten und geistreichsten Gebäude talmudischer Gelehrsamkeit mit einer seltenen Kunst und erstaunenswerter Gründlichkeit auszuführen verstand. Und es war darum für seine Schüler, deren er beständig mehrere um sich hatte, und unter deren Zahl mehrere noch lebende und bereits verstorbene im In- und Ausland angestellte Rabbinen und Rabbinats-Kandidaten gehören, nicht sowohl in Rücksicht des materiellen Inhalts seines Unterrichts, als vorzüglich in Rücksicht des formellen und der Art der Mitteilung, zur Belebung und Schärfung der Denkkraft, von höchster Wichtigkeit, seinen Unterricht anzuhören. Aber auch das Gebiet weltlicher Wissenschaften ließ er nicht unberührt, und er war namentlich mit einigen fremden Sprachen nicht unbekannt, und besonders mit der französischen Literatur des vorigen Jahrhunderts sehr vertraut.              
Karlsruhe Ascher Loew AZJ 07091837.jpg (559845 Byte) Obgleich auf diese Weise sein Geist eine etwas philosophische Richtung erhielt, und manche ihm fremdartige Idee in sich aufnahm, so blieb er dennoch ein treuer Anhänger streng-orthodoxer Grundsätze und zeichnete sich durch ein unerschütterliches Festhalten dessen, was er in Gemäßheit dieser Grundsätze festhalten zu müssen glaubte, besonders aus. Übrigens hasste er das Übertriebene in religiösen Grundsätzen und Handlungen, weil er darin die Spuren einer verwerflichen Frömmelei oder Scheinheiligkeit erkannte; und wer diese Spuren an sich trug, schien ihm verdächtig, und seines nähern Umgangs unwürdig. Andererseits war er tolerant gegen jeden Andersdenkenden, insofern er dessen Grundsätze als das Ergebnis redlicher Forschung erachtete; die Sucht, Andersdenkende zurückzustoßen und und zu verfolgen, kannte er nicht, im Gegenteile war ihm der Besuch derselben jederzeit willkommen. Überhaupt verstand er seine Zeit, wusste was die Klugheit gebot und zog seinem Berufe die Grenzlinie, innerhalb welcher er sich bewegen durfte. Gern unterhielt er sich im häuslichen Kreise seiner Freunde, und suchte dadurch dem Bedürfnisse gesellschaftlicher Mitteilung Genüge zu leisten, auf welche er sonst hätte verzichten müssen, weil er seine Wohnung höchst selten verließ, und so dem öffentlichen Kreise der Gesellschaft entzogen wurde. In diesen Privatgesprächen, welche er durch seine oft sehr muntere Laune zu würzen wusste, entwickelte er bisweilen so viel Scharfsinn und Weisheit, dass auch diese für den denkende Geist von nicht geringem Interesse waren. Die angestrengte Geistestätigkeit seiner Jugendzeit blieb übrigens nicht ohne nachteilige Folgen für sein Alter, und namentlich waren die vielen seinem Studium gewidmeten schlaflosen Nächste von höchst nachteiligem Einflusse für das Licht seiner Augen, welches in den späteren Jahren seines Lebens, durch oft wiederkehrende krankhafte Zufälle, allmählich schwächer wurde, und in den letzten Jahren endlich ganz schwand. Er konnte in den späteren Jahren seines Lebens wegen seines vorgerückten Alters und der in Folge desselben herbeigeführten Kränklichkeit, seinem Amte nicht mehr kräftig vorstehen, weswegen ihm schon im Jahre 1827, auf sein eigenes Ansuchen, von der Großherzoglichen Badischen Regierung, ein Substitut ernannt wurde, welchem er in den letzten zwei Jahren wegen oft wiederkehrender sehr bedenklicher Krankheitszufälle seine Amtsführung ganz überlassen musste.
Sein Geist lieb zwar mit wenigen Unterbrechungen, bis in den letzten Monaten seines Lebens frisch und klar, und fast ununterbrochen, wenn auch im Stillen, tätig, jedoch war seit mehreren Jahren die jugendliche Schöpferkraft von ihm gewichen, und seine Geistestätigkeit war lediglich noch eine reproduzierte, die freilich, bei einem so reichen Materiale, immer noch eine ansehnliche Ausbeute talmudischen Wissens zu liefern im Stande war. Seine zwei Jahre anhaltende Kränklichkeit hatte sich zuletzt in einen mehrmonatlichen, mit sehr schmerzhaften Leiden verbundenen Krankheitszustand verwandelt, dass selbst seine Angehörigen die Stunde seiner Erlösung als eine wünschenswerte ansahen. Der Verewigte selbst sah ihr mit frommer Ergebung entgegen, bis sie ihn am 23. Juli dieses Jahres morgens 5 Uhr zu einem höheren Sein abberief. Seine gelehrten Abhandlungen über einzelne Abschnitte des Talmud, sowie rabbinische Synagogen-Vorträge enthaltenden Manuskripte werden vielleicht demnächst von einem vermöglichen Israeliten in Wilna, an welchem der Verewigte dieselben vor mehreren Monaten, auf dessen dringendes Ansuchen, gegen ein angemessenes Honorar verabfolgen ließ, zum Drucke befördert werden. Seine ausgezeichneten Leistungen im Gebiete der Talmud-Gelehrsamkeit fanden bei allen, die sie zu würdigen verstanden, gebührende Anerkennung, welche sich auch noch nach seinem Tode, durch die tiefe Trauer aller die ihn kannten, unverkennbar kund tat.
So ist ein Mann von der Schaubühne der Welt abgetreten, dessen Geist über ein halbes Jahrhundert an dem Horizonte des Wissens so hell leuchtete, und dem in so vielen Rücksichten, und namentlich in Rücksicht seiner talmudischen Kenntnisse, nicht leicht ein anderer seines Faches in unserem deutschen Vaterlande an die Seite zu setzen sein dürfte. Und die allseitige Anerkennung dieser Leistungen wird sein Andenken, als ein monumentum aere perennius, gewiss in der Brust eines jeden, der ihn kannte und zu würdigen wusste, auch fortan frisch erhalten!
'Sanft ruhe sein Körper, und sein Geist labe sich an dem Lichte, das denen zu schauen vergönnt ist, die da selig sind!'
Karlsruhe im August 1837.

Einsender des vorstehenden Nekrologs kann es nicht unterlassen, auch noch über die feierliche und würdevolle Bestattung des Verewigten, sowie über manche andere ihm nach seinem Tode zu Teil gewordene ehrende Anerkennung, einiges kurz zu berichten. Zuvörderst fühlt er sich verpflichtet, des seit fast einem Jahre hier in das Leben getretenen Vereins 'Zur Handhabung der gesetzlichen Ordnung bei Leichenbegängnissen' (Chewrah nos'ei Hamitah = Bruderschaft der Sargträger), mit dankender Anerkennung zu erwähnen, indem es wohl dem Bestehen desselben allein zuzuschreiben sein dürfte, dass es in der hiesigen israelitischen Gemeinde jetzt möglich wird, bei allen Leichenbegängnissen, wie es auch bei dem Leichenbegängnisse des Verewigten auf sehr würdige Weise geschah, eine der Würde und dem Ernste der Sache angemessene, und das Gewissen des Einzelnen auf keine Weise verletzende, Ordnung zu beobachten. Vor Abgang der Leiche versammelten sich, wie gewöhnlich, alle welche die Leiche begleiten wollten, in einem dem Sterbehause nahe gelegenen Lokal. Von dieser Zeit an bis zum Schluss des Bestattungs-Aktes blieben bei diesem Trauerfalle ausnahmsweise die Laden der hiesigen israelitischen Kaufleute geschlossen. Zur festgesetzten Stunde setzte sich der Leichenzug in folgender Ordnung in Bewegung. Vor der Leiche gingen die beiden Diener der längst allhier bestehenden Wohltätigkeits-Gesellschaft (Chewrah Kadischa), schwarz gekleidet und in eckigen Hüten; neben der Leiche gingen die Mitglieder dieser Gesellschaft, ebenfalls in schwarzer Kleidung und in ihren gewöhnlichen Synagogenmänteln, sowie die vor Abgang der Leiche außerdem aus dem Vereine Nos'ei Hamitah (Sargträger) zum Tragen und Abwechseln bestimmten Individuen, in schicklicher Ordnung Kolonnenweise; hinter der Leiche folgten die drei leidtragenden Söhnen des Verstorbenen, der Rabbinats-Substitut im Synagogenornat, einige andere jüdische Geistliche, die Mitglieder des Synagogen-Rats, die Schuljugend mit ihren Lehren, die Mitglieder des Vereins Nos'ei Hamitah (Sargträger), sodann die übrigen Gemeinde-Mitglieder, alle in schwarzer Kleidung, paarweise hintereinander; den Schluss des durch die Beiwohnung fast sämtlicher hiesigen israelitischen Gemeinde-Mitglieder sehr langen Leichenzugs, bildeten zwei Wagen, in welchen auch die von der Großherzoglichen Regierung ernannten christlichen Mitglieder des Oberrats der Israeliten die Leiche begleiteten. Auf dem Friedhof hielt der Sohn des Verewigten, Herr Bezirksrabbiner Ascher von Bühl, und darauf der vormalige Substitut des Verewigten und dermalige Verweser der Stelle desselben, Herr Rabbiner Elias Willstätter, passende Reden. Ebenso wurden sowohl am Beerdigungstage einige Stunden vor der Beerdigungs-Zeit, sowie im Laufe der Trauerwoche, von Rabbinats-Kandidaten und anderen Individuen passende Trauervorträge zur Ehre des Verewigten in dessen Wohnung gehalten. Es lässt sich hiernach von den Amtsbrüdern des Verewigten, auch von den entfernten, erwarten, dass sie gegen denselben diese Pflicht der Pietät, auf die er sich gewiss einen gerechten Anspruch erworben hat, zu erfüllen nicht versäumen, und ihm dieses Denkmal der Verehrung willig weihen werden. 
Karlsruhe im August 1837."   

  
Die Rabbiner Elias Willstätter und Benjamin Willstätter werden in ihren Ämtern als Konferenzrabbiner und Gemeinderabbiner bestätigt (1847)       

Karlsruhe DtrZionsw 13071847.jpg (102316 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 13. Juli 1847: "Karlsruhe. Die seit dem Ableben des hochberühmten Oberlandesrabbinen Ascher Löb, Sohn des (hebräisch) im Jahre 1837 vakante Stelle eines Oberlandesrabbinen des Großherzogtums und Gemeinderabbinen unserer Residenz ist dieser Tage endlich nach 10-jähriger Vakanz definitiv wieder besetzt worden. Nach dem Scheiden Jenes wurden nämlich beide Stellen vereint von dem Konferenzrabbinen E. Willstätter provisorisch verwaltet. Als aber im Jahre 1842 auch dieser Konferenzrabbiner starb, wurden beide Funktionen getrennt, und die des Oberrabbinen, sowie offenen Stelle beim Oberrat provisorisch vom Oberrat Epstein – mehrfach in diesen Blättern als Zielscheibe aller Angriffe der badischen Neologie genannt – verwaltet, die als Gemeinderabbiner der Synagogen-Gemeinde Karlsruhe vom Rabbiner B. Willstätter. Durch großherzogliches Ministerial-Rescript sind jetzt die beiden provisorischen Inhaber definitiv in ihrer Stellung, die somit nicht wieder in einer Person vereint, bestätigt werden. In Bruchsal ist jüngstens ebenfalls der greise würdige Rabbiner E. Präger, aus der Zahl der 116, mit Tode abgegangen und dessen Sohn, M. Präger, schon bei Lebzeiten dem Vater adjungiert, an dessen Stelle getreten."    

  
Witzige Bemerkungen von Oberrabbiner Ascher Löw (1849)      

Karlsruhe DtrZionsw 19011849.jpg (139730 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 19. Januar 1849: "Witzige Bemerkungen des hochseligen Oberrabbiners Ascher Löw zu Karlsruhe
Zu W. lebte ein achtbarer Mann, der aber von seiner Laune beherrscht, nicht immer Sitte und Anstand beachtete. Je nachdem seine Vermögensumstände waren, kleidete er sich ganz fürstlich, oder er ging zerlumpt einher, und ließ sein Kopf- und Barthaar wild wachsen.
In einem solchen Anzuge und höchst unanständigen Äußeren betrat er einst das Zimmer des hochseligen Oberrabbiners Ascher Löw. Mit lächelnder Miene bewillkommte er ihn mit jenem biblischen Verse:
(hebräisch, dem Webmaster ist nicht klar, welcher biblische Vers gemeint ist; Hinweise erbeten)
In demselben Orte lebte auch ein sehr gediegener scharfsinniger Gelehrter, dem aber Fortuna nicht reichlich bedacht, und mitunter ihm gar nicht hold war; ja selbst die Bemühungen unseres seligen Oberrabbiners, demselben eine kleine Unterstützung zu verschaffen, blieben ohne allen Erfolg. Bald aber änderte sich das Geschick unseres Gelehrten. Was man der Gelehrsamkeit verweigerte, das spendete man reichlich der Frömmigkeit. Es hatte sich selbst der Ruf von der Religiosität des Mannes in der Stadt verbreitete. Es ging auch das Gerücht, dass er sich im Genusse so sehr beschränkte, dass er sogar der Fleischspeisen sich enthalte. Einem solchen kernfesten Manne hielt sich jeder für verpflichtet, nach Kräften beizustehen. Unser Gelehrter hatte nun sorgenlos sein tägliches Brot. Als hierauf in einer Gesellschaft jemand sich sich verwundernd über die große Enthaltsamkeit des Mannes äußerte, und wissbegierig fragte, weshalb dieser kein Fleisch esse, antwortet ihm der selige Oberrabbiner: 'Würde er Fleisch essen, so könnte er kein Brot genießen.'"     

   
Rabbiner Dr. Adolf Schwarz veröffentlicht Predigten (1885)        

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. März 1885: 
"Fest-Predigten für die 
Hauptfeiertage des Jahres von 
Dr. Adolf Schwarz, Stadt- und Konferenz-Rabbiner in Karlsruhe. 
301 Seiten. octav, Preis 5 Mark. J. Bielefeld's Verlag in Karlsruhe (Baden)."      

 
Rabbiner Dr. Adolf Schwarz wurde nach Wien berufen (1892)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juni 1892: "Karlsruhe. Rabbiner Dr. A. Schwarz, der 17 Jahre in hiesiger Gemeinde amtierte, Herausgeber der Toseftah und vieler Bände Predigten, ist an das neu zu gründende Rabbinerseminar nach Wien berufen worden und wird Ende dieses Jahres dahin übersiedeln."   

 
Ausschreibung der Stelle des Stadtrabbiners (1893)    

Karlsruhe AZJ 04081893.jpg (78219 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. August 1893:  "Vakanz
Das durch die Übersiedlung unseres bisherigen Rabbiners, Herrn Dr. Adolf Schwarz, nach Wien freigewordene
Stadtrabbinat 
wird hiermit wiederholt zur Bewerbung ausgeschrieben. Die Stelle ist, abgesehen von freier Wohnung und nicht unbedeutenden Kasualien, mit einem Gehalt von 5000 M. Ausgestattet, einschließlich des Honorars für Erteilung des Religionsunterricht an den höheren Schulen. Bewerber, welche akademisch gebildet, anerkannt gute Prediger und Schriftgelehrte sein müssen, wollen sich unter genauer Angabe ihrer bisherigen Tätigkeit und ihrer persönlichen Verhältnisse bis spätestens 15. September d. J. an uns wenden.
Karlsruhe, 1. August 1893. Synagogenrat I. V.: A. Seeligmann."    

    
 Einführung von Stadtrabbiner Dr. Meier Appel in sein Amt (1894)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Mai 1894: "Karlsruhe, 5. Mai (1894). Am 6. vorigen Monats beim Abendgottesdienste wurde Herr Stadtrabbiner Dr. Appel durch den Synagogenrat in sein neues Amt dahier eingeführt. Auf die herzliche Ansprache des stellvertretenden Gemeindevorstandes, Herrn Stadtrats Homburger, erwiderte Herr Dr. Appel mit gleicher Herzlichkeit. Die Antrittsrede des Herrn Dr. Appel beim Sabbatgottesdienste hatte zum Text 2. Samuel 10,12 und erfreute sich ungeteilten Beifalls. Der Redner forderte die Gemeinde zur Mithilfe auf zur Erreichung der Ziele, denen er zustrebe. - Möge das Wirken unseres neuen Rabbiners, dem allerseits großes Vertrauen entgegengebracht wird, ein von Gott gesegnetes sein!"                 

  
Stadtrabbiner Dr. Meier Appel wurde zum Konferenzrabbiner ernannt (1894)       

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Juni 1894: "Stadtrabbiner Dr. Appel in Karlsruhe wurde zum Konferenzrabbiner, d.i. zum Mitglied der Religionskonferenz des Großherzoglichen Oberrats der Israeliten, ernannt."             


Rabbiner Dr. Julius Zimels wurde zum zweiten Rabbiner gewählt (1904)       

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. Juni 1904: "Karlsruhe. Als zweiter Rabbiner der hiesigen israelitischen Gemeinde wurde Dr. Julius Zimels, bisher in Chemnitz, gewählt und von der Regierung bestätigt."        

  
Vortrag von Rabbiner Dr. Meier Appel (1911)       

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. April 1911: "Am 22. vorigen Monats hielt Stadtrabbiner Dr. Appel in Karlsruhe in Baden auf Veranlassung des Vereins für jüdische Geschichte und Literatur im dortigen großen Rathaussaal einen Vortrag über 'Den Sozialismus der Propheten'."        

 
Rabbiner Dr. Meier Appel wird mit der Friedrich-Luisen-Medaille ausgezeichnet (1912)      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 7. Oktober 1912: "Karlsruhe. Rabbiner Dr. Appel erhielt die Friedrich-Luisen-Medaille."          


Rabb
iner Dr. Julius Zimels wechselt nach Freiburg; Dr. Herrmann Löb wird zweiter Rabbiner in Karlsruhe (1913)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. August 1913: "Als Rabbiner für Freiburg und Sulzburg ist Dr. Julius Zimels, bisher in Karlsruhe, ernannt und Herr Dr. H. Löb von Bruchsal ist als zweiter Rabbiner nach Karlsruhe versetzt worden."        

 
Predigten von Rabbiner Dr. Meier Appel werden publiziert (1914)      

Karlsruhe AZJ 28081914.jpg (192730 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. August 1914: "Die Predigten , die Herr Rabbiner Dr. Appel in Karlsruhe in Baden am 4. und 8. August gehalten hat, liegen gedruckt vor (Karlsruhe, A. Bielefeld); der Reinertrag ist für das Rote Kreuz bestimmt. Aus der zweiten Rede seien folgende Sätze hier mitgeteilt:
'Aber wie sagt der Psalmist von den Missetätern? 'Nach ihrer Tat gib ihnen, nach ihrer Bosheit: gib's ihnen, wie sie's machen, vergilt ihr Tun.' Sie haben einen Bund der Heimtücke, der Rachsucht und des Todes geschlossen, auf unserer Seite aber stehen die lichten Mächte der Wahrheit und der Treue, auf unserer Seite steht der starke Geist der Eintracht, der Entschlossenheit, des Todesmutes, der opferwilligsten Vaterlandsliebe. Ist es nicht ein erhebendes Bild, das das deutsche Reichstag uns vor wenigen Tagen geboten hat, der mit Einstimmigkeit das Vorgehen unseres Kaisers gebilligt und allen Anträgen der Reichsregierung zugestimmt hat? Ist es nicht ein wunderbares Bild, das das deutsche Volk der Welt geboten hat, das sich einmütig und entschlossen, ohne Ruhmredigkeit und ohne Geschrei, mit ruhiger Selbstverständlichkeit in den Dienst des Vaterlandes gestellt hat, ist es nicht erhebend zu sehen, wie Männer und Jünglinge freudig zu den Waffen eilen, um ihr Leben fürs Vaterland einzusetzen, wie Frauen und Jungfrauen, ja selbst Kinder sich dazu drängen, um in der Krankenpflege oder sonst einer Weise sich der Allgemeinheit nützlich zu machen? Ja! Die drohende Gefahr hat eine gewaltige sittliche Kraft im deutschen Volke ausgelöst, der Sturm der Zeit hat reinigend auf die sittliche Atmosphäre des deutschen Volkes gewirkt; ja, die Fluten, die auf uns eingestürmt sind, sind für uns ein Bad sittlicher Kräftigung und sittlicher Erneuerung geworden. Darum 'fürchten wir uns nicht, wenn die Erde zittert, wenn die Berge wanken tief im Meer', denn mit uns ist Gott'.
Was wollen wir viele Worte machen? Auf zur Tat! Unsere Kämpfer werden ihre Pflicht erfüllen, denn sie sind beseelt von dem besten Geiste der Manneszucht und des Mutes. Sie werden durch die Todesverachtung, wie durch ihre Gesittung dem deutschen Namen Ehre machen. An die Zurückbleibenden möchte ich die Mahnung richten, die schon Jesaja ausgesprochen hat mit den Worten: In Ruhe und Gelassenheit liegt euer Heil, im Stillehalten und Vertrauen liegt eure Stärke.' Haltet euch fern von jeder übertriebenen Ängstlichkeit, von jeder sinnlosen Aufregung; eine jede Gefahr ist schon halb überwunden, wenn man ihr mit Ruhe und Überlegung entgegentritt. Auch die Sorge um die im Felde stehenden Gatten, Brüder und Söhne darf keine lähmende sein; befehlt eure Lieben in Gottes Hand.'"    
 
Appel Rabbiner 010.jpg (46558 Byte)Links: Rabbiner Dr. Meier Appel mit Ehefrau Anna geb. Willstätter als Rabbiner in Karlsruhe. 
Quelle: Juden in Karlsruhe Hrsg. von Heinz Schmitt 1988 S. 166 

  
 70. Geburtstag von Rabbiner Prof. Dr. Adolf Schwarz (1916)     

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 21. Juli 1916: "Wien. Professor Dr. Adolf Schwarz, 1875 - 1893 Rabbiner in Karlsruhe und seitdem Rektor der damals eröffneten Israelitisch-Theologischen Lehranstalt in Wien, feierte am 15. Juli seinen 70. Geburtstag.
Ein Schüler von Jellinek und Weiß - Wien und Frankel - Breslau folgte er in seiner persönlichen Lebensführung wie in seinen wissenschaftlichen Arbeiten ganz den Bahnen seines Lehrers Frankel. Er arbeitete hauptsächlich auf dem Gebiet der Tosefta und der hermeneutischen Regeln der mündlichen Lehre, jener Regeln, auf denen sich die Folgerungen der Talmudlehrer gründen."    


Auszeichnung für Rabbiner Dr. Viktor Kurrein (1918)       

Karlsruhe AZJ 31051918.jpg (23181 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. Mai 1918: "Rabbiner Dr. Viktor Kurrein in Karlsruhe wurde das österreichische Ehrenzeichen zweiter Klasse vom Roten Kreuz mit der Kriegsdekoration taxfrei verliehen".       

      
Zum Tod der Frau von Rabbiner Dr. Appel - Anna geb. Willstätter (1918)         

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Januar 1919: "Am 31. Dezember starb in Karlsruhe die Gattin des Stadtrabbiners Dr. Appel, Frau Anna Appel geb. Willstätter, nach längerem Leiden im 66. Lebensjahre. Die große Beteiligung bei der Bestattungsfeier sowie die allgemeine, dem Gatten und den Söhnen entgegengebrachte Teilnahme bezeugten, welcher Verehrung und Liebe sich die Verblichene in ihrem Wirkungskreis als Rabbinerin, als Wohltäterin und Helferin aller Bedrückten erfreut hatte."                

 
Zum Tod von Rabbiner Dr. Meier Appel (1919)  

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. Februar 1919: "Karlsruhe. Rabbiner Dr. Meier Appel ist im 68. Lebensjahre verschieden."      
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21. Februar 1919: "Karlsruhe, 14. Februar (1919). Wenige Wochen nach dem Tode seiner Gattin, deren Verlust ihn schmerzlich niederbeugte, ist unser geistliches Oberhaupt, Stadt- und Konferenz-Rabbiner Dr. Appel, von hinnen geschieden. Zu der Bestattungsfeier hatte sich eine zahlreiche Trauerversammlung eingefunden, darunter die Vertreter des Kultusministeriums und der städtischen Behörden unter Führung des Oberbürgermeisters. Die zahlreichen Reden an der Bahre gaben ein treues Bild von der vielseitigen Wirksamkeit des arbeitsfrohen, aufrechten und charakterfesten Mannes auf religiösem, pädagogischem und sozialem Gebiet, von seiner Tätigkeit im Dienste des badischen und deutschen Judentums. Den einleitenden Nachruf hielt Rabbiner Dr. Kurrein (Karlsruhe). Rabbiner Dr. Grzymisch (Bruchsal) zeichnete die Arbeit des Verstorbenen für die berufliche und soziale Hebung des Rabbinerstandes, ergreifende Worte der Würdigung fand Rabbiner Dr. Italiener (Darmstadt). Für den Oberrat der Israeliten, dessen Religionskonferenz der Entschlafene seit 1894 angehört hatte, sprach Geheimrat Mayer, der neben dem religiösen das vaterländische Empfinden des Heimgegangenen hervorhob, für die Israelitische Gemeinde Synodalrat Mayer, für die Familie der ältere Sohn, da der jüngere - Rabbiner in Bingen - durch die feindliche Besetzung verhindert war, dem Vater die Grabrede zu halten. Es folgten die Vertreter der Vereine, denen der Verblichene in leitender Stellung angehört hatte, als Israelitischer Landeswaisenverein, Vereinigung badischer Israeliten, Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, Landesasyl für israelitische Greise, Karl-Friedrich-Loge. Als letzter sprach ein Vertreter der ehemaligen Schüler. Die Gemeinde Karlsruhe hat ein Oberhaupt von warmem religiösen und sozialen Empfinden, von starker rhetorischer und pädagogischer Begabung, der Rabbinerstand einen eifrigen Verfechter seiner Standesinteressen, das Judentum einen begeisterten Verkünder seiner Lehren, die Judenheit einen aufrechten Vorkämpfer für ihre religiösen und politischen Interessen verloren."     
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. März 1919: "Rabbiner Dr. Meier Appel (Karlsruhe in Baden). Wiederum ist einer jener älteren Rabbinergeneration des Breslauer Seminars dahingegangen, aus deren Reihen wir in den letzten Jahren zu manchen zu Grabe tragen mussten. Am 8. Februar ist Dr. Meier Appel, Stadt und Konferenzrabbiner zu Karlsruhe, nach kurzer Krankheit gestorben. Seine vielseitige segensreiche Wirksamkeit im Dienste des Judentums verdient im Rahmen eines kurzen Lebensbildes festgehalten zu werden.   
Meier Appel wurde am 19. September 1851 zu Jesberg als Sohn eines Lehrers geboren. Er besuchte die Lateinschule in Fritzlar und das Gymnasium in Kassel. Als er 16 Jahre alt war, verlor er den Vater. Damit war er auf sich selbst gestellt. Diese frühe Selbständigkeit und das Beispiel der energischen Mutter, die durch Erteilung von Handarbeitsunterricht den Lebensunterhalt für sich und ihre anderen Kinder aufbrachte, bis er selbst auch für sie sorgen konnte, legten mit den Grund zu der selbstsicheren Festigkeit und dem ruhigen Selbstgefühl, mit dem er später durchs Leben schritt. Seine berufliche Ausbildung empfing er auf dem Breslauer Seminar und an den Universitäten Marburg und Breslau. Seine erste Anstellung bekam er 1879 in Homburg vor der Höhe; dann wirkte er von 1886 bis 1894 als Stadtrabbiner in Mannheim, von da an in Karlsruhe. Der 1. April dieses Jahres hätte seine 25-jährige Jubelfeier gebracht. Seit 1894 war er zugleich Mitglied der Religionskonferenz des Oberrats der Israeliten, der obersten Religionsbehörde Badens.   
Wenn so auch sein Lebensweg ständig aufwärts geführt hat, so blieb er doch in seinem Wesen einfach und schlicht, jeder Pose abhold. Er war von wahrer Herzensfrömmigkeit, sein Judentum war ihm nicht Lippenbekenntnis, sondern Herzenssache. Wer ihn als Rabbiner auf der Kanzel, als Lehrer in der Schule hörte, der empfand, dass ihm nicht ererbtes Wissen, sondern erarbeitete innerste Überzeugung geboten wurde. Begeistert verfocht er die Idee der Fortentwicklung des Judentums. Unter Abweisung eines einseitigen individualistischen oder traditionalistischen Standpunktes wollte er Werthollen und Kernhaftes erhalten, Veraltetes und Abgestorbenes beseitigt wissen, gerade um auch in der äußeren Form den wahren Ausdruck innersten religiösen Gefühles zu schaffen. Fest war er davon überzeugt, dass nur die Aufrechterhaltung der religiösen Idee genügend Kraft habe, die Judenheit zusammenzuhalten. Bestimmt und festumrissen trug er seine Ansichten vor und verfocht sie und ihre Konsequenzen, wo und gegen wen es auch sei. Andere Rücksichten als die, die in der Sache selbst begründet waren, kannte er nicht. Charakterlose Streberei, eine sich an alles anpassende Geschmeidigkeit, jegliche Leisetreterei und Hinterhältigkeit waren ihm in tiefster Seele verhasst. Sein Wirken ging weit über den Kreis seiner Gemeinde hinaus. Innerhalb der religiösen Oberbehörde widmete er seine Kräfte der Entwicklung des badischen Judentums. Diese seine Arbeit entzieht sich der Kenntnis einer weiteren Öffentlichkeit; unver-         
Karlsruhe AZJ 14031919a.jpg (231210 Byte)gessen bleiben noch heute seine formschönen und gehaltvollen Reden, die er jeweils bei der Eröffnungsfeier der Synodaltagungen gehalten hat und die ob ihres hohen sittlichen Pathos auch von religiös Andersdenkenden rückhaltlos anerkannt wurden. Mit Eifer beteiligte er sich an den Arbeiten der Berufsverbände der Rabbiner. Beim Allgemeinen wie beim Liberalen Rabbinerverband gehörte er dem Zentralausschuss an. Er besaß auch ein hohes Standesbewusstsein. Bis in seine letzten Tage widmete er besonderes Interesse und tätige Mitarbeit der beruflichen und sozialen Hebung des Rabbinerstandes, insbesondere der Festigung seiner Stellung innerhalb der Gemeindeverwaltung. Aber auch der Kampf für die politischen Interessen der deutschen Judenheit sah ihn in vorderster Reihe. Lange Jahre war er Vorsitzender der 1892 gegründeten Vereinigung badischer Israeliten, die sich später als Landesverband des Zentralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens konstituierte. Mit diesem Zeitpunkt trat er gleichzeitig in den Vorstand des Zentralvereins ein. Sein starkes Rechtsempfinden machte ihm den Kampf für die politische Gleichberichtigung der Juden zur Pflicht. Seine vaterländische Gesinnung ließ ihm den Antisemitismus doppelt schmerzlich empfinden. - Mit starkem Rechtsgefühl verband er ein warmes soziales Empfinden. War es nun die Fürsorge für Waisen oder für arme Sieche und Greise, handelte es sich um Unterstützung Ortsfremder oder um die Förderung der für Einheimische bestimmten Institutionen: überall griff er mit Rat und Tat ein. Die Ämter, die er in den betreffenden Vereinen innehatte, waren nicht nur dekorativer Natur, sondern erforderten ratlose Betätigung. Und gerade das weite Gebiet der Wohlfahrtspflege war es, auf dem ihm in unermüdlicher Mitarbeit seine ihm nur um 6 Wochen im Tod vorausgegangene Gattin (eine Tochter des Rabbiner und Oberrats Benjamin Willstätter (seligen Andenkens in Karlsruhe) zur Seite stand.   
Keineswegs ging er unter in der Tagesarbeit seines Berufes, fortwährend suchte er neue Bildungsmöglichkeiten; er war ein verständnisvoller Freund der bildenden Künste und begeisterter Naturfreund. Wie im öffentlichen Leben, so zeigte er sich am im privater Verkehr. Wen er als treu und gerade - ihm wesensverwandt - erkannt hatte, dem brachte er Vertrauen und herzliche Wärme entgegen; wessen Art und Tun er als unaufrichtig empfand, gegen den kannte er keine Nachsicht.   
Er hat nur ein Alter von 67 Jahren erreicht. Ein heiterer und ruhiger Lebensabend nach einem arbeitsreichen Leben war ihm nicht vergönnt. Die Kriegsjahre mit ihren Aufregungen mannigfacher Natur sind nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Der Tod seiner treuen Lebensgefährtin hat seine Lebenskraft gebrochen. Die Treue - den hervorstechendsten Zug seines Wesens - hat er nun auch im Tode bewahrt.  
Möchte es der jüdischen Gemeinschaft niemals an solch arbeitsfrohen, begeisterungsfähigen und charakterfesten Männern fehlen, wie Meier Appel es gewesen ist. Ehre seinem Andenken!"   

   
Rabbiner Ulrich Steuer wechselt nach Heidelberg (1936)      

Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 27. August 1936: "Rabbiner Ulrich Steuer wurde nach Fortgang von Bezirksrabbiner Dr. Fritz Pinkuß vom Synagogenrat und der Bezirkssynagoge Heidelberg zum Bezirksrabbiner gewählt. Der neu gewählte Bezirksrabbiner, der Absolvent des Jüdisch-Theologischen Seminars zu Breslau ist, hat bisher etwa zweieinhalb Jahre das Amt des zweiten Rabbiners in Karlsruhe bekleidet."         

  
  
  
Berichte zur Geschichte der Rabbiner in der Israelitischen Religionsgesellschaft (IRG)   
Ausschreibung der Stelle des Rabbiners der Israelitischen Religionsgesellschaft (1876)      

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Juni 1876: "Israelitische Religionsgesellschaft Karlsruhe. 
Die Stelle eines Rabbiners unserer Religionsgesellschaft ist erledigt und soll bis zum 1. August dieses Jahres wieder besetzt werden. 
Qualifizierte Bewerber wollen sich unter Anschluss ihrer Zeugnisse an den Unterzeichneten wenden, wo auch Näheres zu erfahren ist. 
Der Vorstand J.H. Ettlinger."        


Sijum-Feier des Talmudvereins im Haus von Rabbiner Dr. Schiffer (1889)        

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Dezember 1889: "Karlsruhe i. Baden. Wem es am verflossenen Dienstag Abend vergönnt war, Zeuge einer Sijum-Feier im Hause unseres hochverehrten Rabbiners, des Herrn Dr. Schiffer - sein Licht leuchte - zu sein, der wird ganz bestimmt unwillkürlich sich die beruhigenden Worte zugerufen haben: Karlsruhe bewährt doch immer noch, oder besser gesagt, immer mehr und mehr seinen alten Ruf als 'Mutterstadt in Israel', einer Stätte, wo Talmud und Tora gepflegt und Gott sei gepriesen auch nach den gewonnenen Lehren gelebt wird.
Die vor circa 8 bis 9 Jahren von Dr. Goitein - er ruhe in Frieden - ins Leben gerufene Chewra Schass (Talmud-Verein) vollendete heute den Traktat Pessachim. An 3 Wochenabenden versammelte sich in der Behausung des Herrn Dr. Schiffer ein großer Teil der Mitglieder des israelitischen Religionsgesellschaft, großenteils Bankiers und Kaufleute, um dem Talmud-Vortrage unseres geliebten Rabbiners beizuwohnen, der sich, trotz überhäufter Berufsarbeiten, sehr angelegen sein lässt und weder Mühe noch Opfer scheut, die Aufmerksamkeit für, und die Liebe zum Gesetzstudium anzuregen und wach zu erhalten.
Vor dem Beginne des von Frau Dr. Schiffer glänzend hergerichteten Sijum-Mahles wurde, wie üblich, die letzte Mischna und die dazu gehörende Gemara vorgetragen und die vorgeschriebenen Gebete verrichtet. Alsdann machte Herr Dr. Schiffer mit Hinweis auf den Jehi Razon, der am Ende eines jeden Traktats gebetet wird und im Anschluss auf unsere alltägliche Gebetsstelle in 'großer Liebe zu lernen und zu lehren und zu beachten und zu tun' ganz besonders darauf aufmerksam, dass nicht das Bedenken die Hauptsache ist, sondern die Tat -  'nicht das Philosophieren über das Religionsgesetz, nein die Ausübung desselben, die herzenswarme und gefühlvolle Tat, ist und bleibt die Hauptsache'. Während des Mahles überboten sich einzelne Mitglieder des Vereins in geistessprudelnden, von wahrer, religiöser Begeisterung eingegebenen Worten der Tora, zu deren getreuen Wiedergabe hier der Raum und mir die Zeit gebricht. Jedoch kann ich es nicht über mich gewinnen, einiges hier unerwähnt zu lassen. - Herr Dr. D. Mannheimer, der leider eine zu kurze Zeit unserem Vereine angehörte, indem er nächste Woche Karlsruhe verlässt, um die Rabbinerstelle in Lauenburg anzutreten, aber es wohl verstanden, selbst in den wenigen Monaten seines Hierseins sich die Herzen der Schuljugend und die unserer Gemeinde zu gewinnen, wies auf unsern Wochenabschnitt hin, der uns durch den Stein, auf welchem unser Stammvater Jakob sein müdes Haupt legte, die Andeutung gibt, dass derselbe der Ewen Schtija und der Sulam (Leiter, 1. Mose 28,12) der Sinai sei. Denn Sulam ist an Zahlenwert dem Sinai gleich und erinnert uns dankerfüllt an unsern verehrten Rabbiner und Gastgeber, Herr Dr. Sinai Schiffer.
Gegen 11 Uhr schloss die Feier, die jedes Mitglied geistig gehoben und in den Vorsatz bestärkte, die Vorträge immer pünktlicher und fleißiger zu besuchen."  


25-jähriges Dienstjubiläum von Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (1909)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar 1909: "Karlsruhe, 4. Januar. Die 'Israelitische Religionsgesellschaft' zu Karlsruhe feierte vorigen Freitagabend (Erew Schabbat Kodesch) ein hohes Fest zu Ehren der 25-jährigen Wirksamkeit ihres geachteten und geliebten Rabbiners, Herrn Dr. S. Schiffer. Wie man zu einem intimen Familienfeste rüstet, so traf man die Vorbereitungen in der Gemeinde, in der sich Haupt und Glieder wie zu einer Familie gehörig fühlen, zur würdigen Begehung des Jubiläums. Seit Monaten flüsterte man es sich zu, seit Wochen freute man sich über die geplanten Überraschungen, und besonders darüber, dass es wirklich eine Überraschung werden sollte, denn nichts ließ den Jubilar die bevorstehende Feier seines Jubiläums vermuten.
Die Vertreter der Gemeinde und ihrer Körperschaften versammelten sich im Hause des Vorstehers M. Altmann und zogen von dort in geschlossener Reihe in die Wohnung des kurz vorher benachrichtigten Jubilars. Namens der Verwaltung brachte der Präses, Herr M. A. Straus die herzlichsten Glückwünsche dar, besonders hervorhebend die öffentliche und private Wirksamkeit des Jubilars, die der Erhaltung und Ausgestaltung sämtlicher Institutionen zugute kommt. Als Ausdruck der Anerkennung und des Dankes der Gemeinde überreichte Herr Straus in einer Mappe eine namhafte Ehrengabe, an der sich außer der gegenwärtigen auch auswärtige frühere Mitglieder beteiligt hatten. Die Religionsschule sandte als Vertreter Schüler und Schülerinnen derselben Klasse, in deren Namen der Abiturient Fr. Wormser, anknüpfend an eine von dem Jubilar gehörte Deutung eines Talmudwortes in verständnisvoller Weise seine und auch der Schüler Verehrung aussprach. Mit dem Gelöbnis zur Treue zu den empfangenen Lehren überreichte derselbe einen praktischen schönen Bücherschrank. Für die Mädchen trug die kleine Else Schäfer unter Überreichung eines Blumenarrangements einen von einem Freunde sinnig verfassten poetischen Gruß vor. Für die Beamten trat alsdann Herr Oberkantor J. Baruch vor, um in seinem und der Herren Kollegen Namen, in einem talmudischen Satz eingekleidet, die herzlichsten Glückwünsche auszusprechen, unter Hervorhebung des guten Einvernehmens zwischen Rabbinat und den übrigen Beamten. Für die altehrwürdige Chewra Kaddischa Gemillut chassodim (Wohltätigkeitsverein) ergriff Herr Kaufmann D. Ettlinger das Wort, um in ergreifenden Worten die Tätigkeit des Rabbis als Lehrer von Wohltätigkeit an den Lebendenden zu feiern. Mit Überreichung eines kostbaren Silberkastens verknüpfte der den Wunsch, dass derselbe nur in frohem Kreise zur Benützung gelange. Der Ehrenpräsident der Chinuch Neorim, Herr Jakob Ettlinger, brachte in begeisterten Worten die Wünsche des unter Leitung des Jubilars sich kräftig entwickelnden Vereins dar und überbrachte einen bequemen kunstvollen Ruhesessel. Auf sämtliche Ansprachen erwiderte der Gefeierte unter Hervorhebung der Bedeutung jeder einzelnen Körperschaft in innigen bewegten Worten für die dargebrachten Huldigungen und Gaben herzlich dankend.
Seinen Höhepunkt erreichte das Fest beim Freitag-Abendgottesdienst. Zur festgesetzten Stunde versammelten sich die Gemeinde-Mitglieder und zahlreiche Freunde des Jubilars in der sinnig und festlich geschmückten Synagoge. Nach Kabbalat Schabbat brachte der verstärkte Synagogenchor das Ma towu in schöner Weise zum Vortrag. Unterdes bestieg Herr Rabbiner Dr. Kramer die Kanzel zur Festrede. In eindrucksvoller Weise schilderte derselbe im Anschluss an den Vers Zur Lebenserhaltung hat mich Gott gesandt (1. Mose 45,5) die Wirksamkeit des Rabbi, die ausschließlich der Erhaltung, der Pflege und Kräftigung des überlieferten Judentums gewidmet ist. Seine sich nie verleugnende Liebe zu jedem Einzelnen, das immer wache Bewusstsein an der Spitze der Gemeinde zu stehen, und seine profunde Gelehrsamkeit, die ihm auch außerhalb seines engeren Kreises eine gewichtige Stimme in jüdischen Fragen verleihen – machen ihn zum Vater und Vorbild. Tief ergriffen erstieg hierauf der Jubilar die Kanzel, um in Anlehnung an Jesaja an die Wohltaten Gottes will ich preisen (Jesaja 63,7) seinen Dankgefühlen Ausdruck zu verleihen. Der Ermahnung, fest zusammenzuhalten und dem von wenigen begeisterten Männern geschaffenen großen Werke, der Gründung unserer Religionsgesellschaft auch künftighin Dauer und Festigkeit zu geben, folgten segnende Worte für die Gemeinde und ganz Israel. Den Schluss der Feier bildete der Chorgesang von Psalm 150. Der beste Beweis für die Feststimmung der Gemeinde war, dass die Mitglieder aus eigener Initiative Jigdal anstimmten."       

 
70. Geburtstag von Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (1922)   
Vgl. Wikipedia-Artikel "Sinai Schiffer"        

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. November 1922: "Rabbiner Dr. Sinai Schiffer - sein Licht leuchte.
Zu seinem 70, Geburtstag am 6. Kislew.
Mit frohem Gefühle und freudiger Anerkennung nehmen wir den 70. Geburtstag des Herrn Rabbiner Dr. Schiffer zum Anlass, die vielfache Wirksamkeit zu verzeichnen, die der Jubilar entwickelt hat. Einer Familie entsprossen, deren Geschlechter mit glänzenden Namen im jüdischen Schrifttum vertreten sind, wurde Sinai Schiffer am 6. Kislew (5)613 = 17. November 1852 in Namesto (Ungarn) geboren. Nach dem frühzeitigen Tode seines Vaters, Verfassers des bekannten Har Sinai, übersiedelte er nach Niepolomice und hierauf nach Berbovce. Hier wurde er schon in zarter Kindheit von seinem Onkel, Rabbiner Emanuel Deutsch, zur Pflege des Tora- und Talmud-Studiums angeleitet und angehalten. Als 17-jähriger besuchte er die Preßburger Jeschiwa und wurde ein hervorragender Schüler des Ktav Sofer. Kurze Zeit wirkte er als Erzieher im Hause der Familie Cohn in Rawitsch und ging hierauf nach Berlin, um sich am Hildesheimer'schen Seminar für den rabbinischen Beruf vorzubereiten. Nach einer glänzend bestandenen Reifeprüfung widmete er sich den philosophischen Studien und wurde in Leipzig zum Doktor phil. promoviert. Im Jahre 1888 wurde er Stiftsrabbiner in Hannover und seit 1. Januar 1884 wirkt er als Rabbiner der Israelitischen Religionsgesellschaft in Karlsruhe. 1886 vermählte er sich mit der Tochter der sehr angesehenen Familie Herzmann aus Zurawno, die immer seine idealen Bestrebungen förderte und fördert. Schon frühzeitig war der methodische Fleiß, der systematische Geist der Forschung, der eindringende Scharfsinn und die tiefen und umfassenden talmudischen Kenntnisse, die Dr. Schiffer verkörpert, in die jüdisch-wissenschaftliche Welt gedrungen und es wird ihm überall Bewunderung und Anerkennung entgegen gebracht.
Von seinen bis nun im Drucke erschienen Werken seien folgende aufgeführt. 1) Moses Montefiore, Biographie, Halberstadt 1881. 2) Adolf Cremieux, Biographie, Halberstadt 1882.    
Karlsruhe Israelit 23111922a.jpg (137535 Byte) 3) Moses Mendelssohn, Biographie, Halberstadt 1888. 4) Das Buch Kohelet nach Auffassung der Weisen des Talmuds und des Midrasch, Leipzig 1888. 5.) Pirke Aboth und ihre Verwertung für den Religionsunterricht, Breslau 1893. 6) Die Ausübung des Mezizo, Herausgegeben von der Freien Vereinigung des orthodoxen Judentums, Frankfurt a. M. 1906. 7) Die Feuerbestattung vom Standpunkt der Halacha, Frankfurt a. M. 1912. 8. Tisporet Hasaken Frankfurt a. M. 1912. 9. BeAninei Smi Refoah, Berlin 1913.
Zahlreich sind die Schaalot uTschuwoth (Fragen und Antworten, Responsen) über die modernen und modernsten Fragen, die aus aller Welt an den Karlsruher Raw gerichtet werden und unter denen sich sehr viele Schaalot (Fragen) von Rektor Dr. David Hoffmann - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - befinden. Nur der unerschwinglichen Kosten wegen ist eine Drucklegung dieses außerordentlich wertvollen Materials anlässlich der Jubelfeier unterblieben.
Alle, die dem vornehmen Geiste im Leben nahe stehen, sind darin einig, dass nur ein geringer Teil der Bedeutung des Jubilars in seinen Schriften niedergelegt sind. Der Kern seines Könnens und Schaffens bleibt seine Wirksamkeit als Raw und Jugendbildner der Religionsgesellschaft Karlsruhe.
In 39-jähriger Tätigkeit hat er diese Gemeinde, die bei seinem Dienstantritt klein und unbedeutend war, zu einer jüdischen Mustergemeinde herangezogen, die ein Bollwerk der süddeutschen Orthodoxie bildet und in der das Talmudstudium in die weitesten Kreise gedrungen ist. Unvergänglich sind seine Verdienste um die 'Freie Vereinigung des orthodoxen Judentums', die Hebung des orthodoxen Judentums, die Hebung der 'Agudas Jisroel' und der orthodoxen Rabbiner-Vereinigung.
Möge der Jubilar mit seinem ganzen reichen Intellekte und seinem großen Herzen noch lange Wirken zur Freude seiner Familie, zum Gedeihen seiner Gemeinde und zum Wohle des gesamten Judentums."    


Zum Tod von Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (1923)        

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. November 1923: "Rabbiner Dr. Sinai Schiffer - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -.  Karlsruhe, 28. Okt.
Einem furchtbaren Schicksal ist unser Rabbiner, Dr. S. Schiffer, im siebzigsten Lebensjahre nach dem unerforschlichen Ratschluss des Höchsten anheim gefallen; auf dem Wege zum Frühgottesdienst infolge nebligen Wetters von einem Straßenbahnwagen zu Boden geworden, hauchte er noch am gleichen Abend seine Seele aus, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Noch am Freitag Nachmittag, kurz vor Eintritt des Sabbatfriedens, haben noch seine irdischen Reste, von einer unübersehbaren Menge geleitet, ihre Ruhestätte gefunden.
Rabbiner Dr. S. Schiffer hat zu den hervorragendsten Talmide Chachomim (Talmudgelehrte) gehört, deren sich die rabbinische Welt Deutschlands erfreuen durfte. Mit Recht pflegte man seinen Namen neben denen Hoffmanns, Feilchenfelds und weniger diesen Männern Ebenbürtiger zu nennen. Schon in jungen Jahren als Studierender aus Ungarn nach Deutschland gekommen, besuchte er das Berliner Rabbinerseminar, promovierte mit einer gründlichen Arbeit über 'Kohelet_ und wirkte dann kurze Zeit als Stiftsrabbiner in Hannover, bis ihn das Vertrauen der Karlsruher Religionsgesellschaft an die Stätte berief, die durch das Andenken des Korban Natanel und seiner Nachfolger geweiht war. Ganz der Wirksamkeit für seine Gemeinde, insbesondere dem Lehren und Lernen hingegeben, in bescheidener Zurückhaltung nur selten und ungern ins öffentliche Leben hinaustretend, hat er zur inneren Stärkung der kleinen, aber für das ganze badische Judentum vorbildlichen Gemeinde Großes beigetragen. Aber weit darüber hinaus leuchtete der Strahl seiner Tora-Weisheit. Zu jedem wichtigen halachischen Zeitproblem hat der Heimgegangene das Wort ergriffen und mit sicherem Takt, an der Hand eines reichen, gründlichen Wissens, dem Maßstab des göttlichen Gesetzes an die immer neuer sich erhebenden Fragen der Gegenwart gelegt. An selbstständigen Abhandlungen in Buchform erschienen so sein Gutachten über Tisporet Hasaken, seine geistesscharfe kritische Besprechung der Meziza-Frage, sein Referat zur Feuerbestattung sowie unzählige Responsen in den verschiedenen halachischen Zeitschriften der letzten Jahrzehnte, zu deren fleißigsten Mitarbeitern er gehörte. Leider war es ihm nicht mehr vergönnt, seine druckfertigen Tschuwot im Druck erscheinen zu sehen; es wäre zu wünschen, dass dies wenigstens jetzt nach seinem Heimgang recht bald nachgeholt werde.
Einem harmonischen, glücklichen Familienleben ist der greise Thoragelehrte entrissen worden; möchte seiner Gattin und seinen Kindern wie der jüdischen Gesamtheit, von der es in diesem Falle mit Fug und Recht heißen muss: Chacham schämet hakol Kerobaw (= 'wenn ein Weiser stirbt, so sind alle seine Verwandten'), der Trost aus Himmelshöhen werden, dessen unser armes Geschlecht so sehr bedarf. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."     

    
Beisetzung von Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (1923)          

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1923: "Karlsruhe, 29. Oktober (1923). Die Beerdigung des Herrn Rabbiner Dr. Schiffer fand am Freitag nachmittag 3 Uhr statt. Wegen der Nähe des Sabbats musste von längeren Hespedim (Trauerreden) abgesehen werden. Kurze Nachrufe hielten die Herren Rabbinatsassessor Meier, M. Altmann vom Vorstande, Kaufmann Ettlinger im Namen der Chewra und im Namen der Familie der Schwiegersohn des Verstorbenen Dr. Lieben aus Prag.
Am Sonntag Nachmittag 4 Uhr fand eine größere Trauerfeier in der Synagoge statt, die vollangefüllt war mit Gemeindemitgliedern und auswärtigen Gästen. Zunächst sprach Herr Rabbinatsassessor Meier Worte der Würdigung, sodann ergriff Herr Rabbiner Dr. Unna, Mannheim, das Wort zu einem ergreifenden Nachrufe im Auftrag des Berliner Rabbinerseminars. Für den Orthodoxen Rabbinervorstand sprach Herr Distriktsrabbiner Dr. R. Breuer, Aschaffenburg, deren Reden nachhaltigen Eindruck hinterließen. Zuletzt sprach noch Herr M. Altmann den Dank der Gemeinde an ihren treuen Führer aus. Mit einem ergreifenden Gebet des Herrn Kantor Baruch schloss die eindrucksvolle Gedenkfeier.
Am Sonntag den 4. November veranstalteten die öffentlichen Kreise der jüdischen Bevölkerung eine Trauerkundgebung in ihrer Synagoge, wobei angesehene Rabbis ergreifende Hespedim (Trauerreden) hielten."   

  
Zum Tod der Witwe von Rabbiner Dr. Sinai Schiffer (1931)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1931: "Karlsruhe, 21. April. Am Sonntag, den 19. April, verschied nach kurzem, schweren, Krankenlager Frau Rabbiner Dr. Schiffer. Mir ihr wurde eine Frau von seltenen Geistesgaben und feinfühligem Empfinden zu Grabe getragen. Vier Jahrzehnte war sie hindurch an der Seite ihres Gatten - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -, des unvergesslichen Rabbiners der israelitischen Religionsgesellschaft in Karlsruhe, Vorbild und Beispiel für die jüdischen Frauen, die mit Vertrauen und Hochschätzung zu ihr aufblickten. Sie war es, die ihrem Gatten mit Verständnis und Taktgefühl in allen Lagen des Lebens treu zur Seite stand. Als älteste Tochter des hochangesehenen Rabbi Chajim Herzmann - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - hatte sie in sonniger Jugend den Keim gelegt zu der Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue, die sie ihr ganzes Leben hindurch auszeichneten. Sie war ängstlich bedacht, nicht um Haaresbreite von der genauesten Erfüllung der Gottesgebote abzuweichen. Ihre größte Freude war es, in geheimer Verschwiegenheit Wohltaten üben zu können, ihr einziger Stolz, dass auch ihre Töchter das Höchstmaß des Wissens mit dem Höchstmaß der Gottesfurcht vereinten. Sie betrachtete es als das größte Glück, gleichgesinnte Schwiegersöhne gefunden zu haben, die in Gottesfurcht und Wissenschaft in gleichem Maße hervorragen. Ihre Enkelchen wussten, dass sie den Großeltern eine Freude machten, wenn sie durch Erfüllung einer Mizwah Gott dienten. Das Streben, für Gott und die Ihren zu wirken, erhielt die Entschlafene jung; alt wurde sie – als durch ein herbes Geschick ihr der Gatte entrissen wurde. Sie betrachtete es als sein teures Vermächtnis, die Erinnerung an ihn wach zu halten bei nah und fern. Der Schmerz und die Trauer unterwühlte ihre Kraft. Auf ihrem Krankenbette übertönte die Leiden die Besorgnis, kein Verbot übertreten zu müssen und die Betrübnis, ihren Lieben Mühen zu verursachen. Groß war das Gefolge, das ihr die letzte Ehre erwies. Herr Rabbiner Dr. Michaelski schilderte im Anschluss einen Vers des Wochenabschnitts das vorbildliche Leben der Verstorbenen; im Namen der Töchter, Schwiegersöhne und Enkel gab der Schwiegersohn, Herr Dr. Willi Weil, dem heißen Dank und der tiefen Wehmut in bewegten Worten Ausdruck und schloss mit dem Wunsche, dass ihr Verdienst den Ihren und ihrer Gemeinde beistehen möge. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."       

    
Theologische Ausführung über den Namen des Berges Horeb / Sinai  von Rabbiner Dr. Abraham Michalski (1928)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Mai 1928:  "Des Berges Namen.    
Von Rabbiner Dr. Michalski in Karlsruhe.
Einen Berg hat Gott sich erkoren, um auf ihm seine Lehre zu künden, nicht einen der hoch ragenden Gipfel, doch einen Berg, der erklommen sein will, um den Menschen zur Gottesnähe zu heben. Berghoch türmen sich die Schwierigkeiten, die der Befolgung des Gotteswortes sich entgegenstellen, einem Berge gleich ragend erscheint einst dem Frommen die Verführung und Verlockung des 'Hervorbringers des Bösen', des Reizes zum Bösen, dem sie widerstanden, Tränen entströmten dann ihren Augen, wenn sie sprechen: 'wie konnten einen so hohen Berg wir erzwingen?! (Sukka 52) doch Gott, der diesen Trieb geschaffen, hat als Heilmittel ihm die Tauroh geschaffen. (Kidduschin 30 und Bawa Batra 16) Am Fuße des Berges bleiben gar viele, denen es unnötig erscheint, ihn zu ersteigen, Ausreden suchend und Ausflüchte machend, um die Gotteslehre nicht halten zu müssen; doch schon die Namen, die der Sinai trägt, die Wahrzeichen ihm sind, widerlegen und entkräften sie alle. (Bamidbar Raba 10) 'Was sollen Gebote wir halten,' so hört man gar manche Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit bemängeln, 'deren Sinn wir nicht begreifen, deren Grund wir nicht verstehen, die nicht geeignet erscheinen, das Glück und den 'Fortschritt zu fördern.' (Har Elohim =) Berg Gottes, des himmlischen Richters, das ist der erste Name des Sinai, der zu erkennen gibt, dass der Staubgeborenen vermessener Wahn sich nicht anmaßen darf, zu Gericht zu sitzen über den himmlischen Richter, dass des Erdgeformten beschränkter Geist, der ein winziger Bruchteil dessen, dem er entstammt, nicht zu fassen, nicht zu ahnen vermag die Weisheit dessen, der im Gotteswort den Bauplan enthüllt, nach dem Er die Schöpfung gebildet.
'Für die Zeiten des grauen Altertums mögen vielleicht,' so sprechen andere, die nicht zurückstehen wollen, hinter denen, die sich einbilden, gebildet zu sein, 'die Gottesgebote bestimmt gewesen sein, doch jetzt sind sie längst veraltet und überholt, sind nicht mehr zeitgemäß, entsprechen nicht mehr dem Zeitgeist, der doch der Herren eigener Geist, in dem die Zeit sich spiegelt.' Ewigkeitswert hat was ein Ewiger geboten, nicht zeitlich bedingt und begrenzt ist das Wort dessen, der die Zeiten überdauert. Er allein vermag es außer Kraft zu setzen, wenn Er die Zeit für gekommen hält, Er, in dessen Augen tausend Jahre gleich dem gestrigen Tag. Baschansberg, das ist des Sinai zweiter Name (vgl. Psalm 68, 16-18.) (hebräisch und deutsch:) 'denn Gott ist dort gekommen,' Er kann auch jederzeit wieder kommen, wenn er es für geboten hält, ein Gesetz aufzugeben, dessen Geltungsdauer nur Er, der Gesetzgeber, kennt. (Vgl. Matnot Kehuna z.St.). 'Der Freigeborene,' so brüsten sich manche in vermessenem Stolz, 'kann und darf doch nicht ein Joch tragen, das an den Willen eines Höheren ihn kettet, zu Sklaven eines Mächtigen ihn verdammt, dass in Bande und Fesseln ihn gelegt, die er sprengen und abstreifen muss.' Höckeriger Berg ist des Sinai dritter Name (sc. Psalm 68,17), 'Berg über Herabhängende, Hochtragende, vor ihnen erwählt, (hebräisch) sie zurückstellend und als unbrauchbar erweisend. Bergesriesen hadern und streiten mit dem niedrigeren Sinai ob seiner Erwählung, himmlische Stimme weist zurück ihren Anspruch, 'warum rechtet ihr, vielrückige Berge, diesen Berg hat Gott zu seinem Wohnsitz erwählt, Er wird auch für immer dort thronen' (Psalm 68, 17). Es ergibt sich daraus, so meint Raw Aschi, (Megilla 29) wer sich überhebt, ist mit Fehler behaftet, (hebräisch) Darf Überhebung es noch wagen, dem Gottesgebot zu trotzen?!
Geheuchelte Bescheidenheit wird anderen zum Vorwand, die mahnende Stimme des Gewissens zu übertönen. 'Kann der Erdenwurm dem unnahbaren Schöpfer in der Höhe mit der Verfolgung seiner Gebote einen Dienst erweisen? Steht Er nicht viel zu hoch um hiervon berührt zu werden? Berg des Verlangens Berg des Verlangens ist des Sinai vierter Name, (hebräisch und deutsch:) denn Gott verlangt danach dort zu wohnen, Muss dieser Wunsch nicht genügen? Ist doch des Menschen Vervollkommnung Inhalt Seines Sehnens!
'Der Lohn des Frommen, die Strafe des Frevlers ist ja nicht wahrnehmbar auf Erden'. Leugnen viele die Gerechtigkeit Gottes, 'was schadet es, wenn man bequem es sich macht.' Berg Horeb 'Horeb' ist des Sinai fünfter Name (hebräisch und deutsch:) auf ihm wird das Schwert gezückt, nicht immer bleibt es in der Scheide, es weiß, den Sünder zu treffen.
'Sollen wir uns absondern von den Völkern', so fragen schließlich manche, 'uns ausschließen und trennen von ihnen durch die Erfüllung von Geboten, die eine Scheidewand errichten zwischen zwei gleich geschaffenen Menschen, zwischen den gleichen Bewohnern der erde, die auch Geschöpfe Gottes sind?' Berg Sinai 'Sinai', das ist des Gottesberges sechster Name, der seine Wirkung und sein Wesen kündet. (hebräisch) durch ihn haben sich die Völker den Hass Gottes zugezogen, auch sie haben die Möglichkeit gehabt, zur Gottesnähe sich emporzuschwingen, sie haben sie voll Trotz und Stolz verworfen,  
Karlsruhe Israelit 24051928h.jpg (53776 Byte) sie wollen, um von Israel nur nicht beschämt zu werden, es seinem Gott entfremden es zu sich hinüberzuziehen, es betören, dass es die Treue seinem Gotte bricht, dass keinen Herold Gott auf Erden habe, der Seinen Namen künde und verehre. Gar stark ist die Versuchung Israels in allen Zeiten und in allen Landen, gar manche sind erlegen ihr und wurden selbst nun Helfer und Genossen denen, die die befehden, hassen und verachten, die Gott die Treue wahren. Doch deren Mut bleibt ungebrochen, die klein an Zahl, an willen stark, die Völker führen zur Erkenntnis Gottes, uns Schwert der Strafe abzuwenden suchen, indem bereitwillig sie Gottes Wunsch willfahren, nicht murren und nicht trotzen und nicht fragen, sondern gehorsam nur dem Ziel entgegen streben dem Sinai im Heiligtum (sc. Psalm 68,18), das stets von Heiligkeit des Sinai umgeben." 

  
Zum Tod der Frau von Rabbiner Goitein: Ida Goitein geb. Löwenfeld (1931)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Oktober 1931: "Frau Rabbiner Goitein - sie ruhe in Frieden.
Mannheim, 27. Okt.
Für all die Vielen, die an unseren heiligen Neujahrsfest-Tagen Frau Dr. Goitein ihre Glückwünsche dargebracht hatten, kam die Trauerkunde, dass sie am 10. Marcheschwan entschlafen sei, fast unerwartet. Denn trotz des hohen Alters – sie hat in dem historischen Jahr 1848 das Licht der Welt erblickt - war sie ihnen allen in unveränderter geistiger Frische entgegengetreten. Hier ist das Wort 'sie ist sanft entschlafen' keine leere Redensart, und ein ungewöhnlich harmonischer Tod beschloss das Leben dieser ungewöhnlichen Frau. Die Tochter Viktor Löwenfelds in Posen, des Lieblingsschülers Rabbi Akiba Egers, war sie Gattin des Rabbiners Gabor Goiteins - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - geworden und war nach dessen kurzer Tätigkeit in Aurich nach Karlsruhe gekommen, wohin ihr Gatte als Rabbiner der erst kurz gegründeten Religionsgesellschaft berufen worden war. Das junge Paar  
Karlsruhe Israelit 29101931a.jpg (276168 Byte) eroberte sich in den wenigen Jahren ihres dortigen gemeinsamen Lebens die Liebe und Achtung der ganzen Gemeinde. Das schwere Schicksal, das durch den frühen Tod des Gatten über die junge Witwe hereinbrach, ein Schicksal, das andere erdrückt hätte, offenbarte erst all die Kräfte, die in der wunderbaren Frau schlummerten. Mit eiserner Energie, mit unerhörter Selbstverleugnung begann sie nun die Aufgabe, ihre Kinder im Sinne ihres verstorbenen Gatten zu gesetzestreuen Juden, zu selbstständigen Menschen zu erziehen. Weit ihrer Zeit voraus, ließ sie ihre Töchter Berufe ergreifen und wurde damit vorbildlich für die Erziehung der Töchter ihres Karlsruher Kreises. Die jungen Menschen, die damals in ihrem Hause verkehrten, in dem sich ernstestes Streben mit Fröhlichkeit verband, wo die Güte Ida Goitein wie eine wärmende Sonne alle umgab, sprechen noch jetzt als reife Männer und Frauen mit tiefer Dankbarkeit von den bleibenden Werten, die sie dort fürs Leben empfangen haben. Die seltene Gabe, allen Menschen und vor allem allem Menschenleid mit tiefem Verständnis, mit heißem Helfenwollen gegenüberzutreten, ist ihr bis ins höchste Alter geblieben. Wie wäre es sonst zu verstehen, dass sie, die als Sechzigjährige nach Mannheim übersiedelte, wo ihre älteste Tochter als Gattin des Rabbiners Dr. Unna lebt, sich nach wenigen Jahren einen neuen, großen Kreis sie liebender und bewundernder Menschen hätte schaffen können! Der große Schmerz, dass ihr einziger Sohn dem Weltkrieg zum Opfer fallen musste, machte ihr Mitfühlen für alle, die sich ihr in seelischer oder materieller Not nahten, nur umso größer. Im Gottvertrauen und fast noch mehr im aufopfernden Wirken und Leben für einzelne und für die Gesamtheit des jüdischen Volkes fand sie Trost. Ihrer tiefen Frömmigkeit, ihrer begeisterten Liebe zu ihrem Volk gelang es, viele Abseitsstehende dem Judentum wieder zuzuführen. Wohl selten war nach dem Tod eines Menschen und eines so unendlich bescheidenen Menschen, dem keine äußere Stellung, dem kein Reichtum Glanz verlieh, eine solche Kundgebung des aufrichtigen Schmerzes, ein Zeichen solcher Liebe und Verehrung einer ganz großen Gemeinde zuteil, wie es dieser Frau zuteil geworden ist. Ihr Andenken wird in unzähligen Herzen weiterleben, und die Spuren ihres Wirkens werden unverwischbar sein.
Die Trauerfeier in Karlsruhe, wo die Dahingeschiedene neben ihrem Gatten auf dem Friedhof der Israelitischen Religionsgesellschaft beigesetzt wurde, gestaltete sich zu einer erhebenden Kundgebung der Verehrung und Liebe. Herr Rabbiner Dr. Michalski schilderte das Wirken der Verstorbenen in der Gemeinde, wo sie ihrem Gatten eine verständnisvolle Mitarbeiterin war. Dann entwarf der Schwiegersohn, Rabbiner Dr. Unna, Mannheim, ein Bild ihrer Persönlichkeit. Er zeigte, wie sich in ihrem Wesen das alte traditionelle Judentum mit den modernen Ideen harmonisch vereinigte, wie sie eine unerschütterliche Energie und Willenskraft, durch welche sie trotz schwerer Schicksalsschläge immer sich selber und ihren Idealen treu blieb, mit einer unerschöpflichen Liebe verband. So wurde sie nicht nur ihren Kindern und einem weiten Kreise von Freunden und Verehrern Führerin und Leiterin, sie war auch auf dem Gebiete der Wohltätigkeit und des sozialen Wirkens unermüdlich und mit reichem Erfolg tätig. Herr Jakob Ettlinger sprach im Namen der Israelitischen Religionsgesellschaft, Herr Justizrat Dr. Straus, München im Namen der Familie, und Herr Rabbiner Dr. Lauer gab für die zionistische Ortsgruppe Mannheim, Herr Rechtsanwalt Dr. Friedberg für die zionistische Ortsgruppe Karlsruhe den Gefühlen der Trauer Ausdruck. Die beiden letzten Redner betonten die Liebe der Verblichenen zu Erez Jisrael und ihre bewundernswerte aufopfernde Tätigkeit für den Aufbau des Heiligen Landes. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."  

   
Beitrag von Rabbiner Dr. Michalski über "Die Mischnah als Lehrstoff im Religionsunterricht" (1936)        

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Februar 1936:  
Text wird nicht abgeschrieben, da es keine direkten Bezüge zur jüdischen Geschichte in Karlsruhe gibt.     

 
  
Berichte zur Geschichte der Stiftsrabbiner 
Zum Tod des aus Karlsruhe stammenden Oberrabbiners R. Jakob Ettlinger (1871)     

Karlsruhe Rab JEttlinger Israelit 20121871.jpg (373939 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1871: "Oberrabbiner Jakob Ettlinger - er ruhe in Frieden.
Am Sabbat Chanukkah ereilte uns eine Trauerbotschaft, die unsere Festesfreude in tiefe Wehmut umwandelte: wir wollten jedoch die Festesfreude unserer Leser nicht trüben und schwiegen daher bis heute. Denn wohin dringet wohl die Kunde, dass Israel einen seiner größten Männer verloren, ohne dass sie den den tiefsten Schmerz, die innigste Trauer und herzzerreißendes Wehe hervorrufe!
Ach, die Krone unseres Zeitalters, der Stolz und der Ruhm unseres Geschlechtes, die Zierde der deutschen Judenheit, der Fürst des Heiligen Landes (nasi erez jisrael), Rabbi Jakob Ettlinger, Oberrabbiner zu Altona, ist von uns gegangen und hat uns Alle weinend, klagend, trauernd zurückgelassen! 'Und das ganze Haus Israel, sie sollen beweinen den Brand derer, welche der Ewige verbrannt hat' (3. Mose 10,6).
Und das ganze Haus Israel hat Grund und Ursache genug, den Verlust des Mannes zu beweinen, der eine Leuchte gewesen den Söhnen seines Volkes.
Der teure Dahingeschiedene, der in einem Alter von 73 Jahren stand, war schon seit mehreren Jahren leidend, ohne jedoch seine geistige Frische und Regsamkeit verloren zu haben. Einige Tage vor dem Chanukkah-Feste erkrankte er und zwar gleich schwer. Morgens und Abends versammelten sich die Gemeindemitglieder in der großen Synagoge, um zu Gott um die Genesung ihres geliebten Lehrers und Führers zu flehen. Allein – es war beim Höchsten beschlossen, unsern Rabbi zu sich zu rufen, und so verschied er in der ersten Nacht des Chanukkah-Festes. Nachdem man das erste Chanukkah-Lichtlein angezündet hatte, erlosch für uns das Gotteslicht, das so lang unserm Volke geleuchtet hatte; die Seele des Frommen verließ ihre irdische Wohnung und stieg in die lichten Höhen empor zu Gott, dem Allmächtigen.
Rabbi Jakob Ettlinger - seligen Andenkens - war geboren in Karlsruhe; auch sein Vater, Rabbi Ahron Ettlinger - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - war ein Talmudgelehrter. Dieser hielt schon früh sein äußerst talentvolles Kind zum Thora-Lernen an, und hatte das Glück, noch viele Jahre sich des die jüdische Welt erfüllenden Ruhmes seines großen Sohnes zu erfreuen. Aber auch in anderen Wissenschaften ließ ihn der Vater unterrichten, so dass der Reichbegabte noch sehr jung die Universität beziehen konnte. Er machte seine Studien in Würzburg, und war nebst den dem seligen Bernays, dem berühmten Chacham von Hamburg, einer der ersten Rabbinen, die Universitätsstudien gemacht haben. Von der Universität zurückgekehrt wurde er Kreisrabbiner von Ladenburg, mit dem Sitze in Mannheim, wo er zugleich die Stelle als Klausrabbiner bekleidete. Hier war es, wo sein Ruf die ganze jüdische Welt zu durchdringen begann. Mehr als siebzig Schüler eilten nach Mannheim, um zu den Füßen des jungen, gelehrten Rabbi zu sitzen, Schüler, von denen viele nur um ein weniges jünger waren als er, von denen viele später berühmte Männer wurden. Wir nennen nur Herrn Rabbiner Hirsch - sein Licht leuchte - in Frankfurt a. M., Rabbi Gerschom Josaphat - sein Licht leuchte -, Rabbinatsassessor zu Halberstadt, Rabbi Löb Ettlinger - sein Licht leuchte, Bruder des Heimgegangenen und Nachfolger desselben in Mannheim und den bereits vor mehreren Jahren als Oberrabbiner in Krefeld verstorbenen Bodenheimer - er ruhe in Frieden.
Im Jahre 1836, nach dem Tode des Oberrabbiners Rabbi Akiba Wertheim - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen, wurde Rabbi Jakob Ettlinger nach Altona als Oberrabbiner für diese Gemeinde, für Wandsbeck und für die damals dänischen Lande Schleswig und Holstein berufen. Hier, wo seid Jahrhunderten die berühmtesten Rabbiner Deutschlands ihren Sitz gehabt hatten: Chacham Zebi, Rabbi Jonathan Eibeschütz, Kneßeth Jecheskel, Rabbi Raphael Cohen, Rabbi Chajim Hirsch Berliner (ein Großonkel des Herausgebers dieser Blätter) und viele Andere, wurde durch die Berufung Ettlingers der von Alters her hochgerühmten Gemeinde der alte Glanz wieder verliehen. Hier allein war es in ganz Deutschland, wo noch bis vor wenigen Jahren nach jüdisch-talmudischem Rechte gerichtet wurde und wo der Oberrabbiner Präsident dieses Gerichtshofes war. In Altona wirkte der Heimgegangene mehr als 35 Jahre aufs Segensreichste und lebte für die heilige Gotteslehre und die Ausführung derselben. Er war es, der im Jahre 1844 die Erklärung von 173 Rabbinen gegen die Beschlüsse der Braunschweiger Rabbinerversammlung veranlasste und dadurch zum Heile des Judentums dieser wie allen nachfolgenden Rabbinerversammlungen und Synoden allen Kredit raubte und ihnen jeden Einfluss entzog. Hier war es, wo er seine bedeutenden talmudischen Werke, die Früchte unablässigen Studiums, über die Traktate Suckah und Jabamoth, sowie seine Responsensammlung veröffentlichte. Von allen    
Karlsruhe Rab JEttlinger Israelit 20121871a.jpg (298689 Byte) Enden der Erde, aus der Nähe und aus der weiter Ferne kamen religiöse Anfragen an ihn, und sein Votum war überall entscheidend.
Sollen wir das heilige, fromme, lediglich Gott geweihte Leben des Heimgegangenen schildern? Alle seine Tage und Stunden widmete er dem Torastudium und gönnte sich nur ganz wenig Schlaf; sein heißestes und eifrigstes Streben war zu lernen und zu lehren. Mit welcher Rigorosität, mit welcher peinlichen Ängstlichkeit, aber mit welcher freudigen Hingebung er Gottes Gebote zu erfüllen strebte, das ist nicht zu sagen, nicht zu schildern; der immer so liebenswürdige, sanfte Mann konnte in den größten Zorn geraten, wenn irgend etwas ihm bei Erfüllung der Gottesgebote hindernd in den Weg trat. Auch in Altona hatte er stets eine Jeschiwah und wir brauchen unter seinen dortigen Schülern einzig Herrn Rabbiner Dr. Hildesheimer - sein Licht leuchte - in Berlin zu nennen, um zu zeigen, mit welchem Erfolg er auch hier lehrte. Und wie in der Tora und im Gottesdienst so war er auch in der Wohltätigkeit groß; stets war er bereit, wo er jemanden sich gefällig erzeigen konnte, und die Armen waren seine Haus- und Tischgenossen. Auch seine Kinder erzog er in seinem Sinne und Geiste; seine fünf Schwiegersöhne - ihr Licht leuchte -  sind sämtlich Säulen des orthodoxen Judentums; man braucht sie nur zu nennen, um sich ihrer Namen zu erfreuen; sie sind: Herr Landesrabbiner Dr. Cohn - sein Licht leuchte - in Schwerin (Mecklenburg) Herr Rabbiner Dr. Isaakssohn - sein Licht leuchte - in Filehne (bis vor kurzem Oberrabbiner in Rotterdam, wo er in Folge von Seiten des Vorstandes beabsichtigter Reformen seine Stelle niederlegte), Herr Rabbiner Dr. Freymann - sein Licht leuchte - in Ostrowo, Herrn Distrikts-Rabbiner M. L. Bamberger - sein Licht leuchte - in Kissingen und Herr Meyer Ettlinger - sein Licht leuchte -, Kaufmann, in Karlsruhe. Und wie er seine Schwiegersöhne sich ausgesucht, so hat er auch seine Söhne erzögen, von denen der Älteste in Mohilew in Russland lediglich dem Talmudstudium und der zweite als Kaufmann in Altona lebt; die anderen Kinder aus zweiter Ehe sind noch jung und werden unter göttlichem Beistande zur Ehre und zum Ruhme ihres großen Vaters heranwachsen.
Was wir noch besonders hervorheben wollen, das ist die große Liebe, welche der Heimgegangene für das Land unserer Väter hatte und die er allzeit tatkräftig bewährte. Stets nahm er sich der Armen im heilgen auf Eifrigste an: das Central-Commité für den Bau der Armen- und Pilgerwohnungen im heiligen Lande hat in ihm – noch ist die Wunde um R. Joseph Hirsch - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -  nicht vernarbt – seinen Präses verloren. Wann immer er des Landes der Väter gedachte, sei es im Gebete, in der Predigt aber auch nur im Gespräch, so übermannte ihn das Gefühl der Trauer und seine Augen flossen von Tränen über.
Sonntag, 10. Dezember, Vormittags 11 Uhr fand das Leichenbegängnis statt; Tausende von Menschen bildeten den Conduct; von Altona, Hamburg und Wandsbeck war wohl kein Glaubensgenosse zurückgeblieben; auch viele Nichtjuden hatten sich angeschlossen; namentlich die Behörden Altonas, der Magistrat etc. Im Trauerhause sprach der Schüler des Betrauerten, Herr Rabbiner Dr. Hildesheimer, der von Berlin herbeigeeilt war; am Grab hielt der Schwiegersohn des Verewigten, Herr Landesrabbiner Dr. Cohn - sein Licht leuchte -, die Trauerrede. Ausnahmsweise wurde die Leiche auf dem alten Friedhof innerhalb der Stadt beigesetzt, so dass die irdischen Überreste Rabbi Jakobs neben denen seiner großen Vorgänger ruhen.
Er weilt nicht mehr unter uns; aber das Wort, das er gelehrt, der Geist, der ihn durchdrungen, die Saat, die er gesäet – sie wirken fort und fort, und so können wir mit dem Talmud ausrufen: (hebräisch und deutsch:) 'unser Vater Jakob ist nicht gestorben!' Rabbi Jakob Ettlingers segensreiches Andenken wird fortwirken für die kommenden Geschlechter. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." 


Zum 50. Todestag des aus Karlsruhe stammenden Oberrabbiners R. Jakob Ettlinger (1921)        

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. Dezember 1921: "Oberrabbiner R. Jakob Ettlinger.
(Zu seinem 50. Todestage: 25. Kislew 5682.) Von Dr. Isak Unna, Rabbiner in Mannheim.
Am ersten Chanukkatage werden 50 Jahre verflossen sein, seitdem R. Jakob Ettlinger, der Oberrabbiner von Altona, vom Schauplatz seiner gesegneten Tätigkeit abberufen wurde. Die Nachricht von seinem Tode rief überall große Trauer hervor; denn R. Jakob Ettlinger war einer der letzten der ganz Großen, die in Deutschland gewirkt hatten, und sein Name wurde nicht nur in Deutschland, sondern überall in der Judenheit mit hoher Verehrung genannt.
Jakob Ettlinger wurde 1798 zu Karlsruhe geboren. Den ersten Unterricht im jüdischen Schrifttum erhielt er von seinem Vater Ahron Ettlinger, der ebenfalls ein Gelehrter war; außerdem war in der talmudischen Wissenschaft R. Ascher Wallerstein, ein Sohn des Verfassers des 'Schagas arjei' sein Lehrer. In die profanen Wissenschaften wurde er früh eingeführt, so dass er schon mit jungen Jahren die Universität Würzburg beziehen konnte. Dort schloss er innige Freundschaft mit Isaak Bernays, dem späteren Hamburger Oberrabbiner. Jakob Ettlinger war einer der ersten deutschen Rabbiner, die akademische Bildung besaßen, und bei seinem Abgang von der Universität stellten ihm die Professoren glänzende Zeugnisse aus. Nach seiner Rückkehr von der Universität blieb er noch einige Jahre in Karlsruhe und widmete sich dort ganz der jüdischen Wissenschaft. Schon damals sammelte sich ein Kreis von Schülern um ihn, und er schrieb einen fortlaufenden Kommentar zum Traktat Sanhedrim, der aber erst viel später, ebenso wie seine übrigen Talmudkommentare, unter dem Titel 'Oruch Lener' veröffentlicht wurde. Schon in diesem Erstlingswerke zeigt sich seine Art der Erforschung des Talmud; er geht nicht darauf aus, durch scharfsinnige Dialektik zu glänzen, sondern durch tiefes Eindringen das wahre Verständnis zu fördern und Resultate für die Praxis zu erzielen. Das zeigt sich auch in der häufigen Anführung und Erläuterung der Entscheidungen des Maimonides.
Im Jahre 1825 wurde R. Jakob Ettlinger als Klausrabbiner nach Mannheim berufen. Während seiner Wirksamkeit an der Klausstiftung, wobei er auch das Kreisrabbinat Ladenburg zu verwalten hatte und als Mitglied der Religionskonferenz des Oberrats fungierte, vermehrte sich die Zahl seiner Schüler außerordentlich, und sein Ruf begann die jüdische Welt zu durchdringen. Hervorragende Autoritäten standen mit ihm im Briefwechsel, und von den Schülern, die damals zu seinen Füßen saßen, seien nur Samson Raphael Hirsch, der spätere Rabbiner von Ritolsburg und Frankfurt, und Gerschan Josophat, später Rabbinatsassessor in Halberstadt, genannt.
Als im Jahre 1836 der Altonaer Oberrabbiner R. Aliba Wertheimer starb, wurde ihm die Stelle angetragen und er folgte dem ehrenvollen Rufe. Mit dem Rabinat Altona waren auch die Gemeinde Wandsbeck und die damals dänischen Lande Schleswig und Holstein verbunden. In Altona hatten seit Jahrhunderten talmudische Größen gewirkt wie Chacham Zewi, R. Jonathan Eibschütz, R. Raphael Cohen u.v.a., und R. Jakob Ettlinger war ihr würdiger Nachfolger. Er war dort zugleich Präsident des jüdischen Gerichts, das bis zum Jahre 1866 in zivilrechtlichen Prozessen zwischen Juden nach biblisch-talmudischem Recht zu entscheiden hatte. Seine allgemeine Bildung ermöglichte es ihm auch, in wirksamer Weise gegen die damals sich ausbreitende Reform aufzutreten; im Jahre 1844 veranlasste er eine Erklärung von 173 Rabbinen gegen die Braunschweiger Rabbinatsversammlung, und diese Erklärung hat viel dazu beigetragen, die verderbliche Wirkung dieser Versammlung und auch der nachfolgenden Rabbinatsversammlungen und Synoden zu paralysieren.
In Altona veröffentlichte er seine Kommentare zu verschiedenen Talmudtraktaten, sowie seine Responsensammlung 'Binjan Zijann', die außerordentliche wertvolle und interessante Gutachten über Fragen modernen Charakters enthält. Von nah und fern kamen Anfragen an ihn und seine Ansicht galt überall als maßgebend (Anmerkung: eine Sammlung homiletischer Betrachtungen unter dem Titel 'Minchas Oni“, die eine Fülle von anregenden und geistreichen Gedanken enthält, wurde erst nach seinem Tode von seinem Sohne herausgegeben). Auch die Schüler kamen von allen Seiten nach Altona, um auf         
Karlsruhe FrfIsrFambl 22121921a.jpg (110463 Byte) der dortigen Jeschiwa den Worten des Meisters zu lauschen; von den zahlreichen Männern mit klangvollen Namen, die dort seine Belehrung empfangen hatten, sei nur Rabbiner Esriel Hildesheimer genannt. Die Art seines Lernens übt einen mächtigen Einfluss aus. Mein seliger Vater, der zu seinen Lieblingsschülern zählte, und von dem er an verschiedenen Stellen des 'Oruch Lener' Bemerkungen anführt, erzählte oft von der tiefeindringenden Art, wie er den Stoff behandelte, wie er jede Schwierigkeit bemerkte und in seiner scharfsinnigen Weise zu lösen verstand. Tage und Nächte widmete er dem Torastudium und gönnte sich nur ganz wenig Schlaf. Mit peinlicher Genauigkeit und dabei mit inniger Hingebung erfüllte er jede Mizwa, und auch seine Wohltätigkeit war eine unbegrenzte. Mit besonderem Eifer nahm er sich der Armen des heiligen Landes an, zu dem er seine innige Liebe hatte. Man erzählte von ihm, wenn er ihm Gebet, in der Predigt oder auch im Gespräch des Landes der Väter gedachte, so übermannte ihn das Gefühl der Trauer und seine Augen flossen von Tränen über. - Seine Kinder erzog er ganz ins einem Sinne, und seine Schwiegersöhne waren alle torakundig, zum Teil hervorragende Talmudei Chachomim.   
Vor wenigen Wochen haben wir David Hoffmann zu Grabe getragen, und es waren wohl ähnliche Empfindungen, die uns erfüllten, und die damals die Zeitgenossen beim Tode Rabbi Jakob Ettlingers bewegten. Aber freilich: Damals waren noch eine Anzahl von bedeutenden Gelehrten in Deutschland, wenn sie auch seine Größe nicht erreichten. Aber wer kann heute in die Bresche treten?"  
   
Karlsruhe FrfIsrFambl 22121921b.jpg (324964 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. Dezember 1921: "Aus den Erinnerungen eines Altonaers.
Zu Oberrabbiner Ettlingers 50. Todestag.

Oberrabbiner Jakob Ettlinger war der letzte Vorsitzende des jüdischen Gerichtshofes in Altona. Da alle Zivilprozesse der drei Gemeinden Altona, Hamburg und Wandsbeck dort behandelt wurden und jeden Montag und Donnerstag Gerichtstag war, nahm diese Tätigkeit sehr viel Zeit in Anspruch, sodass Ettlinger in seiner Gewissenhaftigkeit oft die Nächte zubrachte, um über schwierige Fälle nachzudenken. Trotzdem brachte es seine Liebe zur Tora es fertig, die vielen bekannten Werke zu verfassen, die so berühmt sind, das sie in den großen Jeschiwaus Polens und Russlands stark benutzt werden.
Am 14. Juli 1863 wurde vom König von Dänemark der jüdische Gerichtshof aufgehoben, und nun lebte er große Zaddik die letzten Jahre seines Lebens nur für sein Studium.
Früh 5 Uhr begann seine Tätigkeit. Nach dem Gottesdienst arbeitete er bekleidet mit Tallis und Rabbenu Tam-Tesillin*) bis Mittag. Er gönnte sich nur eine halbe Stunde Mittagsschlaf und auf den Rat seines Arztes eine halbe Stunde Ausgang. Dann begannen wieder die Studien und die Stunden mit seinen Talmudjüngern. Schlaf in der Nacht gönnte er sich nur von 2-5 Uhr.
Trotzdem war er für jeden und zu jeder Zeit zugängig. Sprechstunde und Anmeldung, wie es heute Mode ist, gab es nicht. Man wusste, dass der Raw in der Beth-Din-Stube, über deren Türe die Worte 'Im eschkach jeruscholajim, tischlach jemini' (= 'wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, dann soll mir die rechte Hand verdorren' Psalm 137,5) standen, sitzt, man klopfte an und wurde – einerlei ob ein Gemeindemitglied oder ein unbekannter, bedürftiger Fremder – freundlich aufgenommen. Er war unermüdlich in der Unterstützung Armer und ungewöhnlich gastfrei. Letztere Eigenschaft wird in den Werken 'Geschichte der Juden in Lübeck und Moisling von Rabb. Dr. S. Carlebach' hervorheben, worin folgende Worte des Lübecker Rabbiners Sußmann Alexander Carlebach zitiert werden: 'Die Woche blieb ich in Altona, nahm fast täglich die Einladung des Oberrabbiners Ettlinger an, so auch an den folgenden Sabbat ...'
Zu der wunderbaren, reinen Frömmigkeit gesellte sich harmonisch eine seltene Bescheidenheit. Als bei seinem 25-jährigen Amtsjubiläum, zu welcher Gelegenheit die große Altonaer Synagoge aufs Prächtigste mit Blumen und Girlanden geschmückt war, seine Frau ihn abends bei Tisch frug, wie ihm die Dekoration gefallen habe, war er ganz beschämt, sagen zu müssen, nichts davon gesehen zu haben. Es war nämlich seine Weise, mit zur Erde gesenkten Augen zu seinem Platze vorne zu gehen, und er sah nie, was rechts und links vorging.
Gern und liebevoll empfing er Kinder, die sich das Erlernte abhören lassen wollten, auch wenn es nur ein paar Pesukim der Thora waren.
Als einige Jahre vor seinem Tode durch den antisemitischen Stadtarzt der Magistrat aufgestachelt wurde, den inmitten der Stadt gelegenen, von vier Straßen umgebenen, seit Jahrzehnten geschlossenen jüdischen Friedhof ausheben zu lassen, da er Tiefwasser habe und in Verbindung mit den Leichen gesundheitsschädliche Dünste errege, - entstand eine große Aufregung, denn alle Rabbonim der drei Gemeinden hatten dort ihre Ruhestätte. Doch die Proteste blieben erfolglos, und die Regierung willigte ein, aus dem Friedhof einen – Marktplatz zu machen. Der Oberrabbiner bat den Vorsteher Rabbi Meier Goldschmidt doch nichts unversucht zu lassen, den Friedhof zu retten. Dieser kam auf den Gedanken, den menschenfreundlichen Regierungspräsidenten in Kiel aufzusuchen. Der Regierungspräsident beantragte nun bei der ihm vorgesetzten Instanz in Schleswig, zur Prüfung der ganzen Angelegenheit einen Kommissar nach Altona zu senden. Da erinnerte sich der Oberrabbiner, dass der Pinchas Jecheskiel in seinem hinterlassenen letzten Briefe bestimmt hatte, falls einmal der ganzen Gemeinde ein Verhängnis drohe, solle der Rabbiner mit zehn gesetzeskundigen Männern an seinem Grabe beten. Der Oberrabbiner ordnete daher für den Tag, an dem der Kommissar den Friedhof besuchen wollte, einen Gemeindefasttag an und betete mit einem erlesenen Minjan an dem Grabe. Es trat das Wunder ein, dass der Kommissar in den tief gegrabenen Stellen die Erde trocken vorfand.
Einige Jahre später, als Oberrabbiner Jakob Ettlinger starb, erlaubte die Regierung, ihn auf dem alten Friedhof beizusetzen."
Anmerkung: *Es am auch vor, dass er -  so wenn er von der Reise kam und im Zuge nicht fertig gebetet hatte – mit Tallis und Tefillin durch die Straßen ging. Die Christen, die ihn gleichfalls als einen Heiligen verehrten, wichen ihm ehrerbietig aus."      

 
Zum Tod von Rabbiner Aron Ettlinger (1849)
 
Anmerkung: Rabbiner Aaron Mayer Ettlinger (geb. 1769, gest. 1849 in Karlsruhe): wird 1809 als "Haus-Rabbi bei E. Reutlinger" genannt; war verheiratet mit Rachel geb. Ettlinger; Vater von Rabbiner Jakob Ettlinger.    

Karlsruhe DtrZionsw 14091849.jpg (187282 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 14. September 1849 (etwas abgekürzt zitiert, da sich Übersetzungsprobleme einstellten; Hinweise für korrekte Übersetzung der hebräischen Wendungen bitte an den Webmaster; Adresse siehe Eingangsseite): "Karlsruhe. Unsere Gemeinde, unser Land, nein! das Gesamt-Haus Israel hat einen schmerzlichen, einen herben Verlust erlitten. Eine Persönlichkeit, als Mensch bieder im weitesten Sinne des Wortes, als Mann ein wahrhaft antiker Charakter als Talmudist, ausgerüstet mit immensem Wissen, voller Geistes-Schärfe, ein klarer, durchdringender Verstand, ...ein Überbleibsel der leider immer mehr dahinschwindenden Heroen-Zeit, jener Eiferer in Wort und Tat für den heiligen Urglauben der Väter, schied an Jahren ein Greis, an Geistes-Frische und Tatkraft ein Mann, ein Jüngling - der Rabbiner unserer Heiligen Gemeinde Ahron Ettlinger - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - dieser Tage aus unserer Mitte. Der Geschiedene gehörte in Wahrheit jenen Männern an, deren Verlust zumal jetzt so hart auf Israel lastet, und wenn wie hier, mit dieser Treue dieser Festigkeit im Glauben und Handeln, ein selbst in damaliger Zeit bewährte und anerkannte Fülle des Wissens, eine echt philosophische Ruhe und geistige Überlegenheit gepaart war, darf es uns kaum wundern, dass es ein Verlust war, von dem die ganze Gemeinde es mit empfang, dass ein Ahron dahingeschieden war. Und als ob es die Vorsehung selbst bewahrheiten wollte, dass es ein Frommer gewesen, dem der Todesengel den sanften Todeskuss aufdrücken sollte, war sein Ende so schön, und beseligend, wie es nur immerhin das eines Gerechten hienieden sein kann. Umringt von geliebten Kindern - unter ihnen sein älterer Sohn, der würdige Oberrabbiner zu Altona, der nach mehrjähriger Abwesenheit, des greisen Vaters teures Antlitz wiederschauen, seine kindliche Liebe Herz an Herz, Mund an Mund für eine kurze Besuchszeit ihm weihen wollte - war es ihm vergönnt, fast bis zum letzten Lebensmomente in ungestörter, ja ... in erhöhter Geistestätigkeit sich ganz dem Studium, der Gelehrtendiskussion mit seinem Sohn hinzugeben... Wir schweigen von der allgemein bezeugten Trauer um den Dahingegangenen, von der Leichenbestattung, ... wie sein jüngerer Sohn, Klausrabbiner zu Mannheim, während der ältere, der Altonaer Oberrabbiner am Grab dem hochgeehrten und geliebten Vater - das Andenken an den Gerechten ist zum Sinne - im innigsten, kindlichen Gefühle...".             
  
Karlsruhe DtrZionsw 12101849.jpg (327172 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 12. Oktober 1849: "Nekrolog
Der 7. Ellul 5609 hat sich mit düsterer Trauerfarbe in die Geschichtsblätter der israelitischen Gemeinde zu Karlsruhe eingezeichnet. Eine Lebenssonne ist an ihm untergegangen, die erwärmend leuchtete in die kalte, nächtige Ungläubigkeit des jetzigen Zeitalters; und ein Lebensbaum ist an ihm gefällt worden, der mit seinen Früchten der Gotterkenntnis sättigte und stärkte das nach dem Himmel sich segnende Gemüt des Gläubigen; und eine Lebensquelle ist versieget, die der dürren Wüste des Zweifelns die erfrischenden und labenden Wasserstrahlen der religiösen Wahrheit spendete; und eine Lebensflamme ist verlöscht worden, die Begeisterung zündete in den erstarrten Herzen der Gleichgültigen und Glaubenserkalteten. Rabbiner Aron Ellinger - seligen Gedenkens ist die Sonne, die untergegangen, und kein schwacher Dämmer verkündigte das Hereinbrechen der Nacht. In der Vollkraft der geistigen Tätigkeit endete sein Leben; schon spiegelte das eisige Zucken des Todes um seine Lippen, schon wollte der Faden sich lösen, der Körper und Seele zusammenhält, und noch arbeitete sein Geist mit gewohnter Energie in dem Schacht der heiligen Lehre. Er war die Sonne, die da kämpfte mit den trüben Wolken des Unglaubens und den Sieg davontrug. Obgleich ein Greis, stand er gerüstet da, wie ein kampfglutiger Jüngling, wenn es galt, für unsere heilige Religion in die Schranken zu treten, und sie vor äußern und innern Feinden zu schützen. Besonders kräftig und mutgestählt trat er diesen entgegen. Als die Alles umstürzende Reformsucht auch in Baden zerstörend antrat, bekämpfte er sie mit Wort und Werk, er machte ihr jeden Fußtritt streitig, und es gelang ihm auch Gesinnungsgenossen um sich zu sammeln, die dem verheerenden Gifte des irreligiösen Strebens einen Damm entgegen warfen. Nur seinem unermüdlichen Glaubenseifer ist das Nichtzustandekommen jener Synode zu verdanken, die sich vorigen Jahres in Karlsruhe wegen der Abdekretierung jüdisch-religiöser Satzungen und heiliger Institutionen versammeln wollte. Und er ist der Lebensbaum, der gefällt ist worden, an dessen Zweigen Früchte der Gotteserkenntnis hingen. Wer sich ihm nahte, fühlte den Einfluss dieser beseligenden Nähe, jedes Wort war unterricht und Belehrung; in göttlichen und menschlichen Dingen äußerte er eine bewundernswerte Genauigkeit und Durchdrungenheit in dem zu beratenden Gegenstand. Er war eine merkwürdige Erscheinung! Männer, die ihre ganze Kraft der religiösen Wissenschaft widmen, und mit rastloser Tätigkeit und emsiger Anstrengung in dieses Feld sich versenken, pflegen gewöhnlich der zerarbeitenden und durcheinander laufenden Geschäften der Welt entfremdet zu sein. An ihnen geht in der Regel die hochaufschlagende Wellenflutung der Zeitereignisse spurlos vorüber; er aber hatte mit scharfem Blick die Verhältnisse des Lebens nach allen Seiten durchschaut und kennen gelernt, und der Gelehrte wie der Ungelehrte, der Erfahrene wie der Unerfahrene konnte sich bei ihm Rats erholen und entweder sein Wissen bereichern oder seine Unklarheit aufhellen. Und er ist die Lebensquelle, die versieht ist, aus welcher der frische Tropfen der religiösen Wahrheit hervorsprudelte. In seinen religiösen Studien offenbarte sich der gesunde starke Gedanke, in den Erklärungen und Auslegungen, die er den dunkeln Stellen der heiligen Schrift oder des Talmud gab, blitze ein strahl der Wahrheit durch, der überzeugend wirkte. Und er ist die Lebensflamme, die verlöscht ist, die die Herzen begeisterte zur Glaubensglut. Wo die Religiosität sich verflüchtigen wollte aus dem Gemüte, wusste er den heiligen Funken wieder anzufachen; diesen hatte er das Aufleuchten des Geistes in die rechten Bahnen gewiesen, jenen die Empfindungen der Seele in die gemäße Richtung gestellt.    
Er ging im Alter in das Grab ein, wie die Garbe zur Zeit eingeführt wird. Er hätte noch länger leben können, der Verblichene; aber bei einem längeren Leben hätte er denn auch mehr gelebt? Was heißt denn Leben? Leben heißt der Zeitraum, den Gott dem Menschen zur Lösung seiner Aufgabe auf Erden abgegrenzt hat, vollkommen und seiner Bestimmung gemäß ausfüllen. Und der Verblichene hat seine Aufgabe in der edelsten Bedeutung des Wortes gelöst. Als Israelite trug er die Krone der Frömmigkeit und des Gottesssinnes auf seinem Haupt, mit echt israelitischen Leistungen baute er sich an       
Karlsruhe DtrZionsw 12101849a.jpg (95313 Byte)  in die Geschichte und in das Herz Israels; von ihm gilt in Wahrheit das Wort des Propheten ...; als Mensch war er der geweihte Priester der Menschheit, sein menschenfreundlicher Sinn eroberte sich Aller Herzen, die ihn kannten, die Liebeswerke bezeichnen seinen lichten Weg durchs Leben. - Ja, im Alter ging er in sein Grab ein; er hat gelebt; und als die Ähre gereift war auf dem Felde der Tat, da fiel sie unter dem Messer des unerbittlichen Schnitters, um als volle Garbe zur Zeit eingeführt zu werden, und der kalte Nord fährt über das abgemähte Stoppelfeld, die wallende Flut des Lebens ist gebrochen und der Tod hat sein eisiges Gepräge zurückgelassen. - Er hat bloß gelebt? Lebt nicht mehr? Nein! er lebt fort, sein Geist wirkt in seinen hinterlassenen Werken. Seine Gottgläubigkeit, sein israelitischer Sinn ist nicht ins Grab mit versunken; die Erde hat das Samenkorn überfurchtet, aber über dem Hügel blühen und reifen Früchte, die in dem Ungläubigen den Glauben, in dem Zweifelnden die Überzeugung nähren und in frischer Erhaltung bewahren. Das Gedenken an den Gerechten ist zum ewigen Segen. Zum ewigen Andenken bleibt der Gerechte, zum Segen und zum HJeile Aller, die zu Israel sich bekennen, und in Israel ihr Heil, ihren Segen suchen."    


Zum Tod von Stiftsrabbiner Bernhard Naftali Blumgrund (gest. in Hamburg 1905)    

Karlsruhe AZJ 17031905.jpg (26776 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. März 1905: "In Hamburg ist am 7. dieses Monats kurz vor der Einführung in sein Amt als Stiftsrabbiner, Rabbiner Blumgrund aus Karlsruhe im 42. Lebensjahre gestorben. Als dessen Nachfolger in Karlsruhe ist Dr. Kramer vom Berliner Rabbinerseminar gewählt worden."       

  
Rabbiner Dr. Jakob Kramer wurde als Stiftsrabbiner berufen (1905)     

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 17. März 1905: "Karlsruhe in Baden. Herr Dr. Kramer, der seine Ausbildung an dem Rabbiner-Seminar in Berlin erhalten hat, wurde als Stiftsrabbiner nach hier berufen."     

 
Zum Tod von Stiftsrabbiner und Lehrer an der Schule der Israelitischen Religionsgesellschaft Dr. Jakob Kramer (1921, IRG)         

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1921: "Stiftsrabbiner Dr. Jakob Kramer - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen. Karlsruhe, 18. Juli (1921). Der in der Nacht zum 4. Siwan in Davos nach 2 1/2 jähriger Krankheit erfolgte Tod des Stiftsrabbiners Dr. Jakob Kramer - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - hat tiefste Erschütterung in unserer Religionsgesellschaft und weit darüber hinaus hervorgerufen. Schied doch mit ihm ein Mann aus unserer Mitte, der nicht bloß umfassende, gründliche biblisch-talmudische Kenntnisse, sondern auch seltene gute Eigenschaften besaß. Er war ein Sohn des vor kurzem in Wien verstorbenen hochgeachteten Rabbinatsassessors Mosche Kramer - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen, von dem er in früher Jugend in die talmudische Weisheit eingeführt wurde. Auf der Jeschiwa seines Geburtsortes Eisenstadt und später in Preßburg oblag er mit ungewöhnlichem Fleiße seiner weiteren talmudischen Ausbildung. Am Berliner Rabbinerseminar, zu dessen lerneifrigsten und begabtesten Hörern er zählte, wurde er zum Rabbiner approbiert. Seine Promotionsarbeit über das 'Problem des Wunders' ist ein klassisches Zeugnis seines Scharfsinnes und seiner Vertrautheit mit den religionsphilosophischen Werken alter und neuerer Zeit. Im März 1905 übernahm er hier die Stelle eines Stiftsrabbiners und eines Lehrers an unserer Religionsschule. In dieser Doppeleigenschaft war Dr. Kramer unablässig bemüht, Torawissen zu verbreiten und namentlich durch öftere gedankenvolle, von echt jüdischer Begeisterung durchglühte homiletische und wissenschaftliche Vorträge auf Jung und Alt belehrend und erzieherisch einzuwirken.  
Was aber den Verstorbenen besonders auszeichnete und ihm allseitige Sympathien zuwandte, das waren jene edlen Tugenden des Herzens und Gemütes, die ihn in selten hohem Maße auszeichneten, vor allem seine geradezu rührende Bescheidenheit und liebenswürdige Freundlichkeit jedem, auch dem Geringsten gegenüber. Bei der am 8. Siwan hier stattgefundenen Beerdigung zeigte sich die Trauer um den teuren Verblichenen in imposanter Weise. Unter Anlehnung an einen talmudischen Ausspruch zeichnet unser Rabbiner, Herr Dr. Schiffer, in tiefster Ergriffenheit das Lebensbild des heimgegangenen Freundes und Mitarbeiters und richtete mit Hinweis auf den Schriftvers 'Und es starb Elimelech, der Mann der Noomi, und sie blieb zurück mit ihren beiden Söhnen' (Ruth 1,3) Worte schmerzlichen Mitempfindens an dessen gleichgesinnte tapfere Gattin und an die beiden Söhne. Sodann widmete Herr M. Altmann als Vorsteher der israelitischen Religionsgesellschaft und dessen Sohn H. Josef Altmann im Auftrage des Chinuch-Neorim Vereins sowie Herr Rabbiner Dr. Unna - Mannheim als Freund un Kollege und schließlich noch Herr DR. Julius Rosenfeld als einstmaliger Schüler dem eueren Verklärten wehmutsvolle Nachrufe.  
Die Schatten der Nacht senkten sich, als wir schmerzerfüllt das Grab des frommen, gelehrten Dr. Kramer - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - mit dem innige Wunsche verließen: seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens".           

   
Ausschreibung der Stelle des zweiten Rabbiners durch die Israelitische Religionsgesellschaft (1922)       

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juni 1922: "Die durch das Ableben des Herrn Stiftsrabbiners Dr. Kramer frei gewordene Stelle 
eines zweiten Rabbiners 
soll baldmöglichst wieder besetzt werden. Talmudisch-akademisch gebildete Bewerber werden gebeten, ihre Offerten unter Anschluss von Zeugnisabschriften, sowie Angabe von Gehaltsansprüchen an Herrn M. Altmann, Karlsruhe, Zirkel 1b (?), gelangen zu lassen. 
Israelitische Religionsgesellschaft Karlsruhe."    

 
70. Geburtstag von Rabbiner Ekiba (Akiba) Meyer (1929)           

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Februar 1929:  "Karlsruhe, 15. Januar. Der hier früher als Religionslehrer, dann als Rabbinatsassessor tätige Rabbiner E. Meyer, der aus Litauen stammt und sein reiches jüdisches Wissen jahrzehntelang in den Dienst der Jugenderziehung gestellt hat, beging am 5. Adar seinen 70. Geburtstag. Zahlreiche Generationen verneigen sich in dem Wunsche, dass dem verdienten Lehrer ein gesunder und froher Lebensabend beschieden sein möge."  


Zum Tod von Stiftsrabbiner Ekiba Meyer (1930)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Mai 1930:  "Karlsruhe, 12. Mai. Im Alter von 72 Jahren starb der Stiftsrabbiner Ekiba Meyer, der 40 Jahre hier als Lehrer und Dajan (rabbinischer Richter) gewirkt hat. Er hat sich jeden Nachruf verbeten. Sein reichhaltiger literarischer Nachlass umfasst einen fast vollständigen Kommentar zur Mechilta und zum Rambam (= Maimonides) sehr viele Fragen und Antworten die Übertragung eines Wörterbuches ins Hebräische u. a. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."  

 
 
Berichte zur Geschichte der jüdischen Lehrer und weiterer Kultusbeamten  
Für den badischen Mittelrheinkreis wird Lehrer Rosenfeld zur Erhebung der Beiträge der jüdischen Lehrer bestimmt (1841)      

Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" von 1841 S. 1114 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Karlsruhe [Bekanntmachung]. Durch diesseitigen Beschluss vom 14. Januar dieses Jahres, Nr. 32, wurden zur Erhebung der Aufnahmstaxen und Jahresbeiträge von den öffentlichen israelitischen Volksschullehrern zu dem, in Folge des § 81 des Volksschulgesetzes vom 28. August 1835, vermöge hoher Ministerialverordnung vom 29. November 1839, Regierungsblatt Nr. 33, errichteten allgemeinen israelitischen Schullehrer-, Witwen- und Waisenfonds, als Verrechner ernennt:  
I. Für den Seekreis, Lehrer Moos in Randegg.  
II. Für den Oberrheinkreis, Lehrer Flegenheimer in Müllheim.  
III. Für den Mittelrheinkreis, Lehrer Rosenfeld in Karlsruhe. Und 
IV. für den Unterrheinkreis, Oberlehrer Dr. Wolff in Mannheim
und die Verrechnung des allgemeinen israelitischen Schulfonds und Schullehrer-, Witwen- und Waisenfonds dem großherzoglichen Kammerrat Dollmätsch daher provisorisch übertragen; welches hierdurch zur allgemeinen Kenntnis gebracht wird. 
Großherzoglicher Oberrat der Israeliten".     

 
Lob auf den neuen Prediger und Religionslehrer Fromm (1851)   

Karlsruhe Zionswaechter 10101851.jpg (102935 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Zionswächter" vom 10. Oktober 1851: "Karlsruhe. Sie haben bereits in ihrem geehrten Blatte von Homburg aus die Ernennung des Herrn Fromm als Prediger und Religionslehrer daselbst gemeldet. Wir können hier zu jener Gemeinde nur Glück wünschen. Denn obgleich derselbe hier bloß als Privatlehrer fungierte, so wusste er sich doch die Herzen aller durch seine Freundlichkeit, neben strenger Religiosität, sowie durch seinen reinen Charakter zu gewinnen, und bei seinem Weggehen gab sich die erfreulichste Teilnahme allerwärts kund. Insbesondere überhäufte ihn die Chewrat (Wohltätigkeitsverein), welcher derselbe während seines Aufenthalts dahier religiöse Vorträge hielt, mit Beweise ihrer Hochachtung. Sie veranstaltete nämlich bei seinem Abschiede ihm zu Ehren ein Festessen, und nachdem er bei dieser Gelegenheit in herzlichen, rührenden Worten seinen Dank hierfür ausgesprochen, überreichte sie dem Überraschten als Zeichen ihrer Anerkennung einen schön gearbeiteten silbernen Pokal mit seiner Namens-Chiffer. Ehre dem Gefeierten, Ehre den Gebern."       

   
Das "hebräische Sprachbuch" von Hauptlehrer M. Rosenfeld erscheint in dritter Auflage (1859)       

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Mai 1859: "Beim Beginn des neuen Schuljahres mache ich die Herren Schulvorstände auf das bei mir in dritter Auflage erschienene 
hebräische Sprachbuch von M. Rosenfeld
, Hauptlehrer an der israelitischen Schule zu Karlsruhe, 
Preis kartoniert 6 Sgr. aufmerksam, und bemerke zugleich, dass jede Buchhandlung in den Stand gesetzt ist, bei Einführung in Schulen Frei-Exemplare zu gewähren. 
Karlsruhe, im April 1859. A. Bielefelds Hofbuchhandlung".        

   
Ausschreibung der Stelle des ersten Kantors (1873)     

Karlsruhe AZJ 04111873.jpg (55798 Byte) Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. November 1873: "Cantor-Gesuch.
In der hiesigen israelitischen Gemeinde ist die Stelle eines ersten Cantors zu besetzen. Bewerber, welche mit der schönen Stimme begabt, musikalisch gebildet und befähigt sind, bei einem nach dem Mannheimer Ritus stattfindenden Gottesdienste zu fungieren und in Verhinderungsfällen des Dirigenten den Gesangschor zu leiten, wollen sich unter Vorlegung ihrer Zeugnisse über Befähigung u. Religiös-sittlichen Lebenswandel binnen 4 Wochen an den Unterzeichneten wenden.
Karlsruhe, den 19. October 1873.  Der Synagogenrath.   A. Bielefeld. "     

     
Ausschreibungen der Stelle des zweiten Kantors (1875 / 1889)      

Karlsruhe AZJ 10081875.jpg (56313 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. August 1875: "Erledigte Cantorstelle.
Die Stelle des zweiten Cantors der israelitischen Gemeinde Karlsruhe soll auf 1. November d. J. Besetzt werden. Erfordernisse zur Bewerbung sind: Befähigung zur Erteilung des Religionsunterricht, schöne Stimme, verbunden mit der nötigen musikalischen Ausbildung und Verständnis des Schächterdienstes.
Anerbieten sind unter Beifügung der Zeugnisse binnen 3 Wochen an die unterzeichnete Stelle zu richten.
Karlsruhe den 28. Juli 1875.  Der Synagogenrath."     
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. November 1889:            

 
Ausschreibung der Stelle des zweiten Kantors (1895)     

Karlsruhe AZJ 05071895.jpg (109935 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Juli 1895:  "Erledigte Stelle eines zweiten Cantors.
Die Stelle eines II. Cantors in der hiesigen israelitischen Gemeinde, mit welcher ein Anfangsgehalt von M. 1500.- nebst freier Wohnung verbunden ist, soll baldigst besetzt werden. Die Bewerber müssen ein Zeugnis über bestandene Lehrerprüfung in der Erteilung des Religionsunterricht beibringen, sowie auch im Besitze einer schönen Stimme, soweit musikalisch geschult sein, um den Gottesdienst mit Orgelbegleitung abhalten zu können. Außerdem müssen dieselben im Besitze eines Befähigungsnachweises in Betreff des Schächtens (für etwaige Aushilfe) und im Schofar-Blasen bewandert sein. 
Bewerbungen (vorzugsweise von ledigen Kandidaten) sind unter Beifügung von Familienpapieren binnen 14 Tagen anher einzureichen. 
Karlsruhe, den 3. Juli 1895. Der Synagogenrath. J. B. Seeligmann."      

   
Zum Tod von Lehrer Samuel Würzburger (Lehrer in der Israelitischen Religionsgesellschaft, 1902)         

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1902: "Karlsruhe. Vor einigen Tagen starb dahier der emeritierte Religionslehrer der israelitischen Religionsgesellschaft, Samuel Würzburger. Wer den Verstorbenen noch in seinen besten Jahren gekannt hatte, wie er sich oft so leidend fühlte, der hätte dem braven und tüchtigen Manne kein so langes Leben (fast 87 Jahre) in Aussicht stellen können. Und wie war er in seinem hohen Alter noch so geistig frisch sein Auge war nicht getrübt und seine Säfte nicht geschwunden (5. Mose 34,7). Es war ein seltener Genuss, mit dem ehrwürdigen Greise sich zu unterhalten. Schrift und Inhalt seiner Briefe trugen bis vor Kurzem noch ganz den Stempel jugendlicher Frische. Würzburger war in Siegelsbach, Rabbinat Sinsheim, geboren und besuchte das evangelische Seminar zu Karlsruhe, nachdem er vorher schon die Stelle eines Religionslehrers bekleidet hatte. In Karlsruhe war er durch seine hervorragenden hebräischen und talmudischen Kenntnisse und seine Leistungen, besonders auf dem kantoralen Gebiete, ein Lieblingsschüler des seligen Oberrats Epstein. Seine erste Lehrerstelle nach seiner Entlassung aus dem Seminare war Külsheim, in welch großer Gemeinde er fast ein Menschenalter verbrachte und seine Schule durch seine Unterrichtsresultate zu einer der ersten des Großherzogtums emporhob. Man muss den genialen Lehrer in seinem Berufe gesehen haben. Wie hatte er es verstanden, die Schüler geistig zu wecken; man musste, ob man wollte oder nicht, ein Zurückbleiben gab's nicht. Unterstützt wurde seine Lehrgabe durch eine stramme Disziplin. Das talmudische die Ehrfurcht vor deinem Lehrer gleiche der Ehrfurcht vor Gott (Aboth 1,3; 4.12) bestand bei all seinen Schülern. Der Wunsch, seine Kinder höheren Lehranstalten zuzuführen, veranlasste ihn, die so lange innegehabte Stelle in Külsheim aufzugeben und eine solche bei der israelitischen Religionsgesellschaft zu Karlsruhe anzunehmen, wo ihm eine Anzahl Mitglieder von seiner Seminarzeit her noch ihre Liebe und Verehrung bewahrt hatten. Auch hier wirkte er lange Zeit, bis ein körperliches Leiden ihn zwang, seinem Berufe zu entsagen. Da er von seiner geistigen Frische nichts eingebüßt hatte, traf man den ehrwürdigen Greis immer bei seinen Büchern. Stets liebenswürdig im Umgang, tolerant auch gegen Andersdenkende, hat er sich viele Freunde erworben, die mit seinen zahlreichen Schülern ihm stets ein treues Andenken bewahren werden. Worms. S. Rothschild."          

 
25-jähriges Amtsjubiläum von Kantor Israel Baruch (Lehrer in der Israelitischen Religionsgesellschaft, 1912)         

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. April 1912: "Karlsruhe. Kantor Baruch von der Israelitischen Religionsgesellschaft feierte letzten Samstag sein 25-jähriges Amtsjubiläum."     

   
Todesanzeigen für Kantor Israel Baruch (1932)        

Anzeigen in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Oktober 1932:  
"Hiermit geben wir davon Kenntnis, dass unser lieber Vater, Großvater, Schwiegervater, Schwager und Onkel 
Herr Israel Baruch  
Kantor 
 
im 69. Lebensjahre sanft entschlafen ist. 
Frankfurt am Main, Leipzig, Nürnberg, Karlsruhe  den 18. Oktober 1932.  
Die Beerdigung hat am 19. Oktober in Frankfurt am Main stattgefunden.   
Nachruf
Am 18. Oktober verschied nach schwerer Krankheit in Homburg v.d.H. unser langjähriger Kantor  
Herr Israel Baruch - er ruhe in Frieden. 
Der Verstorbene hat während seiner 43-jährigen Tätigkeit in unserer Gemeinde das Amt des Kantors in vorbildlicher Weise versehen und durch sein zuvorkommendes, freundliches Wesen sowie durch seine große Herzensgüte und Wohltätigkeit die Wertschätzung und Zuneigung unserer Gemeindemitglieder erworben. 
Wir werden dem Verblichenen stets ein ehrendes und dankbares Gedenken bewahren. 
Vorstand der Israelitischen Religionsgesellschaft Karlsruhe."           

   
   
   
Berichte zur Geschichte des jüdischen Schulwesens in Karlsruhe    
Anzeige der Lehr- und Erziehungsanstalt von Dr. H. Plato (1865)       

Karlsruhe AZJ 05041865.jpg (91392 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. April 1865: 
"Lehr- und Erziehungs-Anstalt für israelitische Knaben in Karlsruhe. 
Durch den Ankauf eines geräumigen Hauses mit Turnplatz und Garten in gesunder Lage, sind wir im Stande, die körperliche Entwicklung der Zöglinge in heilsamer Weise zu fördern. - Zahlreiches und tüchtiges Lehrpersonal; Unterrichtsgegenstände: Hebräisch, Deutsch, Schönschreiben, kaufmännisches Rechnen, kaufmännische Buchführung und Korrespondenz, Französisch, Englisch, Mathematik, Naturkunde, Geographie, Geschichte, Zeichnen, Turnen, Gesang. - Jährliche Pension fl. 300. 
Nähere Auskunft und Anmeldung bei Dr. H. Plato."       

 
Prüfungen in der Schule der Israelitischen Religionsgesellschaft (1890)        

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. April 1890: "Karlsruhe in Baden. Wieder fügte es sich, die Zeit unserer Freiheit (gemeint: die Pessachfeiertage), meiner Reiseobliegenheiten ledig, im Kreise meiner lieben hiesigen Verwandten feiern zu können. Diese Festesfeier erreicht bei mir ihren Gipfelpunkt, wenn sich mir gleich Gelegenheit bietet, einer Religionsprüfung anwohnen zu können und ganz besonders einer solchen von Kindern orthodoxer Eltern. Denn bei diesen, deren Herzen im fruchtbaren Boden eines religiösen Hauses wurzeln, brauchen die Lehrer den Samen unseres heiligen Glaubens nur gewissenhaft und geschickt auszustreuen und er geht, vom göttlichen Segen begleitet, herrlich auf, indem der Lehrer nicht auch zugleich einen schweren Kampf mit hemmenden Verhältnissen aufzunehmen hat. Das von Natur aus gläubige Kindesherz lauscht begierig und freudig auf jedes Wort des Lehrers und im Elternhaus, wo es die praktische Anwendung des Erlernten regelmäßig vor Augen sieht, wird seine Glaubensinnigkeit immer mehr und mehr gestählt, nie belächelt und bespöttelt.
Trotzdem kann es hie und da vorkommen, dass, wie ein Blitzstrahl im Nu die sorgfältig gepflegte Saat des umsichtigen, fleißigen Landmannes vernichtet, auch manches jüdische Herz, vom Schlage des Unglaubens getroffen, der Eltern und des Lehrers Müh und Sorgen dahingerafft. Auch kann dann und wann der bejammernswerte Fall eintreten, dass das Unkraut des Zweifels und das Ungeziefer des bösen Beispiels mancher Alters- und Schulgenossen, oder das Missverstehen nicht sehr empfehlenswerter Bücher und Flugschriften die schöne vielversprechende Saat angreift und der Eltern und des Lehrers paradiesische Hoffnungen untergräbt, ebenso wie es leider nicht selten geschieht, dass der der Schule Entwachsene, fern vom Elternhause,     
Karlsruhe Israelit 24041890ob.jpg (249875 Byte)vom Wurme der Versuchung benagt wird und allmählich das bis dahin reine und starke Herz knickt und krank macht. Auch von der religionsfeindlichen Epidemie der Selbstsucht mit ihren selbsttötenden Höllengeburten: Genuss- und Vergnügungssucht, im Verein mit Dünkel, Hochmut und Größenwahn, deren Devise (hebräisch) 'meine Geistes- und Körperkraft hat mir alles dieses errungen', lautet – werden gegenwärtig von einer falschverstandenen Nachahmungssucht ergriffen, manche jüdischen Herzen befallen und dem Väterglauben entfremdet. Aber - mit Gottes Hilfe - gedeihen viele und machen dem Judentume, den Eltern und Lehrern und der Menschheit Ehre und Freude und wachsen zum Ruhme Gottes, zum Heile der Welt heran. Darum gehe ich freudig zu jeder Religionsprüfung unbesorgt und unbekümmert, ob jeder dort geprüfte Schüler und jede Schülerin die die spätere Lebensprüfung mit Ehren besteht. Nicht jede Blüte entwickelt sich zur erhofften Frucht und nicht jede Frucht bleibt vom Wurmfraße frei.
So ging ich denn nach vollendetem Festnachmittagsgottesdienst in den hinter den Beträumen sich befindlichen Prüfungssaal der israelitischen Religionsgesellschaft, der schon vor dem Eintritt der Examinanden und Exeminatoren mit sich für Mischna und Gemara interessierenden Zuhörern ziemlich gefüllt war. Und ihre rege Teilnahme wurde reichlich belohnt. Die Zöglinge der oberen Klassen, Schüler des Anstaltsdirektors, des Rabbiners Herrn Dr. Schiffer - sein Licht leuchte - trugen aus Mischna Megila aus verschiedenen Abschnitten mit richtigem Verständnis und echter Religionssinnigkeit das im abgelaufenen Schuljahre Erlernte und ebenso die der obersten Klasse verschiedene Gemara-Stellen aus dem Traktat Berachot mit Raschi und den Tossafot vor. Den Schluss bildete die Prüfung aus Kizzur Schulchan Aruch über die Schabbat- Vorschriften.
Ein noch viel zahlreicheres Publikum füllte die fast zu engen Räumen am 7. morgens von 8 ½ bis 12 ½, wo die 4 unteren Klassen der Schule geprüft wurden. Die Schüler, Knaben und Mädchen, beinahe 80 an der Zahl, entwickelten ein so schönes Wissen im Übersetzen von Pentateuch, Gebet und Propheten verbunden mit grammatikalischen Erörterungen und Entwicklung religiöser Lehren und eine schöne Kenntnis der biblischen und nachbiblischen Geschichte, dass es fast rätselhaft scheint, wie es dem Leiter der Anstalt, dem verehrungswürdigen Rabbiner Herr Dr. Schiffer - sein Licht leuchte - im Verein mit den 3 Lehrkräften gelungen, in den wenigen Stunden eine so anerkennenswerte Gewandtheit im jüdischen Wissen zu erzielen. 76 Kinder lasen nicht nur ziemlich geläufig mit dem rechten Akzent, - sie übersetzten auch schon ganz Schema, Birchot HaNehenin, Ma Nischtana.
Der Feier entsprechende, von Herrn Dr. Schiffer sorgfältig ausgewählte und mit großer Mühe eingeübte Gedichte wurden von den besten Schülern und Schülerinnen recht gefühl- und verständnisvoll unter großem Beifall der Zuhörer vorgetragen. Darauf sprach Herr Dr. Schiffer - sein Licht leuchte - den Eltern der Zögling innigen Dank für die treue Mitwirkung bei Anbau des Weinberges unseres Gottes mit der Bitte aus, auch ferner ihre Kinder zum fleißigen Schulbesuch und zum Betätigen des hier Erlernten im Haus anzuhalten. - Am Schlusse wurden die Zeugnisse ausgeteilt.
Möge die Glaubenssaat der Gesetzesbürgen, unserer Kinder, zum Weltenheile gedeihen! Amen."  

     
Einweihung des neuen Religionsschulhauses (1891)          

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Mai 1891:  "In Karlsruhe fand am 6. dieses Monats die Weinweihung des neuen Religionsschulhauses statt. Die Herren Rabbiner Dr. Schwarz, Dr. Treitel und der Stadtrat Herr Adolf Bielefeld hielten Ansprachen an die versammelten Festgenossen und empfahlen in zündenden Worten die Pflege der hebräischen Sprache und der jüdischen Wissenschaft, worauf die Feier durch einen Solo-Vortrag des Herrn Kantor Rubin ihren Abschluss fand."                     

     

     

     

     

     

     

     

 

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Stand: 30. Juni 2020