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Wetteraukreis"
Pohl-Göns mit
Kirch-Göns (Stadt Butzbach,
Wetteraukreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Pohl-Göns und dem angeschlossenen Kirch-Göns bestand eine kleine jüdische
Gemeinde bis in die 1930er-Jahre. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18.
Jahrhunderts zurück: 1770 lebten zwei jüdische Familien in
Pohl-Göns. Die in Kirch-Göns lebenden jüdischen Personen gehörten zunächst
(noch um 1830) zur Gemeinde in Langgöns.
Die Zahl der jüdischen Einwohner blieb klein. In Pohl-Göns lebten
1828 neun jüdische Einwohner, 1861 22, 1880 38, 1900 die höchste Zahl von 48.
Zusammen mit Kirch-Göns (1830 16 jüdische Einwohner, 1905 16) waren es 1905 64 jüdische Gemeindeglieder.
Im
Ersten Weltkrieg waren unter den Gefallenen des Ortes die jüdischen Soldaten
Bernhard Leonhard Meier und Hugo Simon.
Die jüdischen Familien lebten vom Handel
mit Vieh und der Landwirtschaft. In Pohl-Göns gehörte ein Textilgeschäft
einer jüdischen Familie. Um 1933 war der letzte Gemeindevorsteher der jüdischen
Gemeinde Emil Simon.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: 17 Personen, 2,4 % von insgesamt 722
Einwohnern) auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert (insgesamt 12 Personen; 4 Personen
sind in diesen Jahren verstorben). Nach dem August 1940 (letzte
Abwanderung) lebten keine Juden mehr am Ort.
Von den in
Pohl-Göns geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Johanna Aron (1889), Johanna Berg geb. Simon (1880), Emil Heilbron
(1874), Kathinka Heilbron geb. Simon (1883), Johanna Kahn geb. Simon (1878),
Jettchen Katz geb. Simon (1862), Isidor Meier (1881), Kätchen Seewald geb.
Meier (1878), Eduard Simon (1880), Elias Simon (1874), Käthe (Kätchen) Simon (1885),
Mina (Minna) Simon (1886), Nathan Simon (1872), Selma Simon geb. Löwenstein
(1880).
Von den in Kirch-Göns geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Frieda Hammel geb.
Theisebach (1880), Albert Meier (1879), Jenny (Janette) Meier geb. Siegel
(1884), Simon Meier (1874), Regina Metzger geb. Meier (1864), Berta Stern geb.
Meier (1871).
Berichte
aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Sara Meier (1925)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1925:
"Butzbach, 4. November (1925). Am 11. Marcheschwan (= 29. Oktober
1925) wurde in Pohlgöns bei Butzbach Frau Sara Meier zur letzten Ruhe
bestattet. Eine Frau mit einem innigen jüdischen Wesen, eine wahre wackere
Frau ist mit ihr dahingegangen. Sie war eine Wohltäterin der Armen,
ihr gastliches Haus hat keiner ohne gespeist verlassen. Die Beerdigung war
denn auch ein Beweis der Achtung und Liebe, welche die Verblichene in
jüdischen und nichtjüdischen Kreisen sich erfreute. Am Grabe sprach Herr
Dr. Cohn aus Marburg. Möge Gott dem hochbetagten Vater, dem
gebeugten Gatten und den Söhnen Trost geben. Ihre Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod des aus Pohl-Göns stammenden Nathan Simon
(gest. 1934 in Butzbach)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1934: "Butzbach,
1. November (1934). Unsere Gemeinde hat einen schweren Verlust erlitten.
Am Schabbat Lech Lecha (= 20. Oktober 1934) verschied nach kurzem
Unwohlsein Nathan Simon im jugendlichen Alter von nur 47 Jahren.
Aus einer hochachtbaren religiösen Familie aus dem benachbarten Pohlgöns
stammend, war er stets bestrebt, die Traditionen unserer Religion
hochzuhalten. Noch am letzten Jom Kippur wirkte er als Vorbeter und
trug mit Andacht seine Gebete vor. Die Liebe und Wertschätzung zeigte
sich bei der Beerdigung, die unter großer Beteiligung am
Montagnachmittag stattfand, zu der auch aus allen Nachbargemeinden Freunde
und Bekannte herbeigeeilt waren. Herr Lehrer Fuld von hier
schilderte am Grabe in bewegten Worten die Verdienste des Heimgegangen.
Auch der Vorsitzende des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten Herr
Löwenberg aus Frankfurt am Main war herbeigeeilt, um von dem
verewigten Frontkameraden in markanten Worten Abschied zu nehmen. Herr
A. Wertheim sprach im Namen der hiesigen Ortsgruppe. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betsaal in einem jüdischen Privathaus in der
Butzbacher Straße eingerichtet.
Um 1925 taten sich die in Pohl-Göns, Kirch-Göns, Ebers-Göns,
Niederkleen, Oberkleen und Espha lebenden jüdischen Familien zusammen und
beschlossen den Bau einer gemeinsamen Synagoge in Pohl-Göns. Soweit vorhanden,
wurden die Synagogen in den anderen Orten geschlossen. So versteigerte die israelitische Gemeinde
Ebers-Göns, vertreten durch ihren Vorsitzenden
Isaac Mendel 1925 ihre abgängige Synagoge/Judenschule "in der Geisenspitz"
meistbietend an
interessierte Anlieger zum Abbruch für 300 RM.
Die
neue Synagoge in Pohlgöns wurde 1926
am Ortsausgang nach Kirch-Göns erstellt. Im Frühjahr
dieses Jahres konnte ein geeigneter Bauplatz gefunden werden. Die Synagoge wurde
im Laufe des Sommers/Herbstes 1926 nach Plänen des Architekten Lippert erstellt, der im selben Jahr auch die
Synagoge in Butzbach erbaute. In der
Zeitschrift "Der Israelit" wurde dazu
berichtet:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. September 1926: "Pohl-Göns, 26. August (1926). Die hiesige israelitische Gemeinde, die 23
Seelen zählt, hat am Ausgang des Ortes nach Kirch-Göns einen Bauplatz zum Bau
einer Synagoge erworben. Die Bauarbeiten haben bereits begonnen. An den Kosten
des Synagogenbaues nehmen die Israeliten der nahegelegenen preußischen Orte
teil. Die Ausführung der Bauarbeiten ist Herrn Architekten Lippert in Butzbach
übertragen worden." |
Am
3. Dezember 1926 konnte die "kleine, aber würdevolle" Synagoge
durch den Provinzialrabbiner Dr. Hirschfeld aus Gießen eingeweiht werden. Auch
hierzu liegt ein kurzer Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit" vor:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Dezember 1926: "Pohl-Göns. 22. November (1926). In wenigen Monaten wurde
hier eine kleine, aber würdevolle Synagoge erbaut. Die Einweihung derselben
findet am 3. Dezember, vormittags 11.15 Uhr in feierlichster Weise statt. Im
Anschluss wird eine Gedenktafel für die Gefallenen des Weltkrieges enthüllt.
Die Weihe wird von Herrn Provinzialrabbiner Dr. Hirschfeld, Gießen, vollzogen."
|
Bei der Synagoge in Pohl-Göns handelte es sich um ein eingeschossiges,
massives Gebäude aus Ziegelmauerwerk mit einem geschweiften, steilen Walmdach.
Die Grundfläche des Gebäudes beträgt 5 x 5 m. Charakteristisch waren die
Rundbogenöffnungen an den gegenüberliegenden Seiten. Die Eingangstüre liegt
auf der Südseite.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge nicht
angezündet, da das Gebäude unmittelbar neben einer Schreinerwerkstatt lag. Das
Gebäude ging in der Besitz des nichtjüdischen Nachbarn über und wurde als
Abstellraum der Schreinerwerkstatt benutzt. Dabei blieb es auch in den folgenden
Jahrzehnten. 2024 erwarb die Stadt Butzbach das Gebäude. Es soll restauriert und
neu genutzt werden (siehe Pressebericht unten).
Adresse/Standort der Synagoge: Gießener Straße 24 (von
der Straße weit zurückliegend)
Fotos
(Quelle: Thea Altaras s. Lit. S. 193).
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
März 2024:
Die Stadt Butzbach kauft die
Pohl-Gönser Synagoge |
Artikel in der "Frankfurter Neuen Presse"
vom 15. März 2024: "Stadt kauft Pohl-Gönser Synagoge.
Butzbach (thg). Die Stadt Butzbach kauft die ehemalige Pohl-Gönser
Synagoge. Das hat der Haupt- und Finanzausschuss beschlossen. Genau gesagt
bezieht sich der Beschluss auf eine Grundstücksfläche von 275 Quadratmetern
in Pohl-Göns in der Gießener Straße 22a. Auf dieser Fläche steht das
Gebäude. Im Jahr 2018 hat Julian Lauth das Grundstück erworben. Die Fläche
benötigte er als Lagerbereich für seine Schreinerei Holzfreude. Das
Synagogen-Gebäude 'ist ein Juwel in zweiter Reihe', sagt der Firmeninhaber.
Niemand habe damit etwas gemacht, niemand habe sich darum gekümmert. 'Meine
Idee war, dass ich das Gebäude retten könnte', so Lauth. Die Zeit habe
allerdings gezeigt, dass er nicht dazu komme. 'Es ist mir weiterhin wichtig,
dass das Gebäude vernünftig hergerichtet wird', sagt Lauth. Daher freut er
sich, dass die Stadt Butzbach die Synagoge kauft. 'Damit ist sichergestellt,
dass damit etwas Gutes passiert.' Einen Teil der Grundstücksfläche behält
Lauth für die Lagerung von Material. Daher verkauft er nur einen Teil des
Areals.
Anbauten werden entfernt. An der Synagoge gibt es noch Anbauten aus
der Zeit, als eine benachbarte Schreinerei das Gebäude für sich genutzt
habe. Sie werden noch entfernt. Im Verlauf der vergangenen Jahre hat Lauth
auch kleinere Erhaltungsmaßnahmen umgesetzt, wie er berichtet. Unter anderem
habe er das Dach abgedichtet, damit sich der Zustand des Hauses nicht weiter
verschlechtert. 'Es handelt sich um ein Denkmal. Damit ist auch die Nutzung
eingeschränkt. Das ist auch richtig so', sagt Lauth. In der Verantwortung
der Stadt sei es nun möglich, die gesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen,
solch ein Kulturgut zu erhalten. Bürgermeister Michael Merle sagte, Ziel sei
es, das Denkmal zu erhalten und wiederherzustellen. Es soll auch wieder mit
Leben gefüllt werden. Vorstellbar seien eine kulturelle, religiöse und
soziale Nutzung. Aufgrund der Maße des Gebäudes könnten es nur kleinere
Veranstaltungen sein. Merle führte an, dass in Butzbach in den vergangenen
Jahren mehrfach das Chanukka-Fest gefeiert worden sei, unter anderem im
Ratsherrensaal des historischen Rathauses. Er war zeitweise Gebetssaal der
örtlichen jüdischen Gemeinde. Darüberhinaus soll die Synagoge aber auch ein
Informationspunkt werden, der das jüdische Leben im ländlichen Raum
beleuchtet. Merle hofft, ein solches Projekt mit einer öffentlichen
finanziellen Förderung umsetzen zu können. Das Bauwerk soll vor dem Verfall
bewahrt und als Kulturdenkmal erhalten werden. Die Stadt Butzbach erwirbt
Fläche und Gebäude für 89.500 Euro. Der Bau in Pohl-Göns ist die einzige
komplett erhaltene Synagoge auf Butzbacher Stadtgebiet. Baulich soll sie der
Synagoge gleichen, die sich in der Kernstadt befand, an die heute am
Synagogenplatz gegenüber des Hallenbads erinnert wird. Für die Stadt
Butzbach sei das noch erhaltene Synagogengebäude von einmaliger
kulturhistorischer Bedeutung, heißt es in der Stellungnahme der
Stadtverwaltung zum Antrag. Jüdische Kultur und Religion seien bis zur
Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 ein anerkannter und
wichtiger Teil des städtischen und dörflichen Lebens gewesen.
Unter anderem besteht eine enge Kooperation der Stadt Butzbach mit der
jüdischen Gemeinde Bad Nauheim. Im Zuge dessen wurden in den vergangenen
Jahren mehrere gemeinsame Aktivitäten veranstaltet, unter anderem in
Verbindung mit der Verlegung von Stolpersteinen.
Pläne stammen aus dem Jahr 1926. Pläne für den Bau der Synagoge in
Pohl-Göns stammen aus dem Jahr 1926, wie der Lokalhistoriker Werner Reusch
zitiert wird. Im Buch 'Synagogen und jüdische rituelle Tauchbäder in Hessen'
von Thea Altaras ist die Bauzeit mit 1927 bis 1928 angegeben. Die Gründung
der israelitischen Gemeinde Pohl-Göns - mit Kirch-Göns - sei im Jahr 1866
erfolgt. Im Jahr 1830 habe es in beiden Orten 25 und im Jahr 1905 64 Juden
gegeben. Die Synagoge sei zum Gottesdienst auch von Juden aus Lang-Göns und
Niederkleen besucht worden. Rund sieben mal sieben Meter groß ist die
Grundfläche laut Planentwurf. Das Gebäude habe eine Würfelform und ein
großes Walmdach, dessen Spitze vermutlich einen Davidstern trug. In der
Pogromnacht 1938 sei die Synagoge nicht angezündet worden, da das Gebäude
unmittelbar neben einer Schreinerwerkstatt lag, ist dem Buch zu entnehmen.
Das Synaogengebäude sei in den Besitz des christlichen Nachbarn übergegangen
und sei von ihm als Abstellort für die Schreinerwerkstatt genutzt worden.
Bei allen Veränderungen der Nutzung ist die Innenbemalung unter anderem der
Decke in Teilen noch vorhanden.
Der Kauf der Synagoge kann laut Stadtverwaltung nicht über das 'Leader'-Förderprogramm
unterstützt werden. Die Umnutzung zum Kultur- und Begegnungstreff sei
grundsätzlich zu 50 bis 60 Prozent förderfähig. Ferner hätten die
Denkmalbehörden signalisiert, dass eine Förderung für die Sanierung möglich
sei. Das gelte vor allem für restauratorische Maßnahmen. Die Denkmalpflege
bewerte es als 'Glücksfall', dass die Stadt das Gebäude kaufen wolle."
Link zum Artikel |
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Dezember 2024:
Die Restaurierung der ehemaligen
Synagoge ist bis Ende 2026 geplant |
Artikel von Imme Rieger im "Gießener
Anzeiger" vom 20. Dezember 2024: "Auf der Spur des Davidsterns.
Der Heimatforscher Werner Reusch sucht nach einem 1938 verschwundenen
Artefakt. Die Spur könne auch in den Landkreis Gießen führen.
Langgöns/Butzbach. Was geschah mit dem Davidstern der Synagoge in
Pohl-Göns, der in der Reichspogromnacht 1938 spurlos verschwand? Diese Frage
treibt Werner Reusch um, den bekannten Heimatforscher aus Ebersgöns. Mit
detektivischem Eifer und einer tiefen Leidenschaft für regionale Geschichte
begibt er sich auf eine spannende Spurensuche, die in die dunklen Kapitel
der Vergangenheit zurückführt. Seine Hoffnung: Der verschwundene Stern,
einst das Wahrzeichen der Synagoge, könnte noch heute irgendwo in der Region
verborgen sein - auf einem Dachboden, in einem Keller, vielleicht vergessen
in einer Kiste. 'Es wäre möglich, dass jemand diesen Davidstern besitzt,
ohne um seine Bedeutung zu wissen', meint Reusch im Gespräch mit dem
Anzeiger. Sein Aufruf richtet sich an die Bevölkerung, insbesondere in
Lang-Göns und Großen-Linden, die möglicherweise Hinweise auf den Verbleib
dieses Symbols geben können. Für Reusch geht es dabei nicht nur um die
Wiederentdeckung eines verschollenen Artefakts, sondern um eine Brücke in
die Vergangenheit - eine Verbindung zu den Menschen, Schicksalen und der
Geschichte, die die Region prägten.
Zentraler Ort jüdischen Lebens. Seine Nachforschungen führen nicht
nur zurück in die dunklen Jahre des Nationalsozialismus, sondern verbinden
auch die Geschichte Pohl-Göns’ mit der jüdischen Gemeinde von
Lang-Göns und
Großen-Linden. 'Die Synagoge von
Pohl-Göns an der Gießener Straße 24, deren Grundsteinlegung auf das Jahr
1926 zurückgeht, war ein zentraler Ort jüdischen Lebens in der Region',
erzählt der Hobby-Historiker. 'Sie war die einzige Synagoge in der Region,
die während der Reichspogromnacht nicht komplett zerstört wurde. Sie wurde
allein deshalb nicht angezündet, weil etwa vier Meter daneben eine
Schreinerei stand', weiß Werner Reusch. Heute ist das Gebäude
denkmalgeschützt.
Die jüdischen Familien in Pohl-Göns, Kirch-Göns, Ebersgöns, Niederkleen,
Oberkleen und Espa hatten den Bau gemeinsam beschlossen. Die Synagoge war im
Sommer und Herbst 1926 nach Plänen des Architekten Lippert aus Butzbach
errichtet worden, der im selben Jahr auch die Synagoge in Butzbach erbaute.
Die Eröffnung am 3. Dezember 1926 wurde mit großer Feierlichkeit begangen.
Seinerzeit berichtete die Zeitung 'Der Israelit': 'In wenigen Monaten wurde
hier eine kleine, aber würdevolle Synagoge erbaut. Die Einweihung derselben
findet am 3. Dezember, vormittags 11.15 Uhr, in feierlichster Weise statt.
Im Anschluss wird eine Gedenktafel für die Gefallenen des Weltkrieges
enthüllt. Die Weihe wird von Herrn Provinzialrabbiner Dr. Hirschfeld,
Gießen, vollzogen.'
Der eingeschossige Bau aus solidem Ziegelmauerwerk zeichnete sich durch sein
markantes steiles Walmdach mit geschwungener Form aus und umfasste eine
Grundfläche von etwa fünf mal fünf Metern. Der Innenraum wurde durch drei
Rundbogenfenster an der Nordseite sowie zwei weitere Fenster an der Südseite
mit Licht durchflutet. Der Eingang lag ebenfalls an der Südseite. Der
Thoraschrein war in einer Nische an der Ostwand untergebracht. Insgesamt bot
die Synagoge Platz für 27 Männer und 20 Frauen.
In Lang-Göns oder Großen-Linden? Doch der Schrecken der
Reichspogromnacht zerstörte die Würde dieses Ortes: SA-Männer demolierten
die Frauenempore, entweihten die Einrichtung und brannten sakrale
Gegenstände vor der Synagoge nieder. Auch der prunkvolle Deckenleuchter,
verziert mit hunderten Glasornamenten, wurde vollständig demoliert. Nur das
massive Bimssteinmauerwerk widerstand dem Zerstörungswahn. Der prunkvolle
Davidstern, der das Dach der Synagoge zierte, ist seitdem verschollen. Die
jüdische Gemeinde von Pohl-Göns war eng mit der jüdischen Kultusgemeinde
Langgöns verbunden. Gemeinsam feierten sie Gottesdienste und pflegten ihre
Traditionen. Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Großen-Linden
beigesetzt, bevor eigene Friedhöfe eingerichtet wurden. 'Gerade diese enge
Vernetzung macht es möglich, dass der verschwundene Stern in den umliegenden
Dörfern, insbesondere in Lang-Göns oder Großen-Linden, noch existieren
könnte', betont er. Zeitzeugenberichte stützen diese Annahme: So sollen
Auswärtige aus der Region beteiligt gewesen sein, als der Stern und andere
Gegenstände gestohlen wurden. 'Im Jahr 2019 konnten mir zwei Zeitzeugen
erzählen, die 1938 16 beziehungsweise neun Jahre alt waren, dass auswärtige
SA-Männer Holzbänke der Frauenempore, Samtvorhänge, Thorarollen, den
Deckenleuchter und andere Gegenstände vor das Gebäude schleppten und
angezündet haben.' Elli Weber aus Pohl-Göns erzählte Reusch 2019 im Alter
von 96 Jahren, dass vor der Synagoge hunderte Glasornamente des
Deckenleuchters verstreut am Boden gelegen haben. Einige Kinder steckten die
glitzernden kleinen Teile ein. Ihr selbst sei ein brennendes Papierstück von
der Thorarolle vor die Füße gefallen, das sie mitgenommen habe. 'Zu Hause
zeigte sie es ihrem Vater. Der gab ihr zur Antwort: Wenn das einer von den
›richtigen‹ Leuten sieht, bekommen wir Ärger.' Daraufhin habe sie Tage
später das Papier weggeworfen.
Stadt strebt Restaurierung an. Nach seiner Verwüstung ging das
Gebäude in den Besitz des Nachbarn über und wurde lange Zeit als Lager
genutzt. 2018 wurde das Grundstück mit dem Gebäude darauf verkauft. Im Mai
2024 hat die Stadt Butzbach die alte Synagoge erworben und erste Schritte
zur Restaurierung eingeleitet. Angedacht ist die Einrichtung eines
Informations- und Begegnungszentrums. Bei der feierlichen Wiedereröffnung
vor wenigen Wochen am symbolträchtigen 9. November, genau 86 Jahre nach
seiner Verwüstung, beeindruckte das stark sanierungsbedürftige Gebäude die
Gäste durch seine gut erhaltene blaue Decke, verziert mit Sternen. 'Man
schaute wie in den Himmel', zeigt sich Werner Reusch tief beeindruckt.
Seitlich waren an den Wänden farbliche Ansätze zu erkennen, wo einst die
Frauenempore stand. Doch das Fehlen des Davidsterns und der Eingangstür -
beides wurde damals gestohlen - bleibt ein schmerzhaftes Mahnmal für die
Gewalt, die diesem Ort widerfahren ist. 'Es besteht jedoch die Hoffnung,
dass der Davidstern noch existiert, und er irgendwo in den umliegenden
Dörfern von Pohl-Göns, Kirch-Göns, eventuell Lang-Göns oder Großen-Linden in
einer Kiste oder auf dem Speicher liegt. Möglich ist auch, dass er von den
Hausbesitzern nicht zugeordnet werden kann, aber auch, dass Personen von
diesem Davidstern Kenntnis haben oder sogar wissen, wo er sich befindet oder
sein könnte', fasst der Heimatforscher seine Gedanken zusammen. Hoffnung auf
Hilfe aus Bevölkerung. Er hofft deshalb auf Hinweise aus der Bevölkerung. Ob
Fotos, Gegenstände oder Informationen - 'jedes Detail könnte helfen, das
Schicksal des Davidsterns aufzuklären', appelliert er. Besonders in
Lang-Göns und Großen-Linden könnten sich wertvolle Spuren finden lassen.
'Vielleicht schaut der eine oder andere noch mal nach und findet etwas, das
aus der Synagoge stammt', bittet Reusch. Von der Synagoge habe es auch
Bilder und Fotopostkarten gegeben. 'Wer da etwas findet, bitte unbedingt
melden!' Butzbachs Bürgermeister Michael Merle unterstützt Reuschs
Initiative ausdrücklich. Mit seiner Recherche gibt Werner Reusch den
Menschen die Möglichkeit, ein Stück ihrer Geschichte zurückzugewinnen -
nicht nur als Denkmal des Gedenkens, sondern auch als Zeichen der
Versöhnung. Der verschwundene Davidstern mag verloren wirken, doch seine
Wiederentdeckung könnte ein leuchtendes Symbol der Erinnerung an die
Vergangenheit werden. In Abstimmung mit dem Bürgermeister steht Werner
Reusch als Ansprechpartner für Rückfragen zur Verfügung. Aufgrund seiner
umfassenden Publikationen zur jüdischen Geschichte in Pohl- und Kirch-Göns
verfügt er über fundierte Kenntnisse und kann detaillierte Auskünfte geben.
Kontakt: werner.reusch@web.de,
Tel. 06447/6337."
Link zum Artikel
https://www.giessener-anzeiger.de/lokales/kreis-giessen/auf-der-spur-des-davidsterns-93478649.html
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Pohl-Goens Hesse. Numbering
48 (8 % of the total) in 1900, the community also had members in neighboring Kirch-Goens. By 1940 all the Jews had left.

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