Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Pohl-Göns mit Kirch-Göns (Stadt Butzbach, Wetteraukreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bullet Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)             
      
In Pohl-Göns und dem angeschlossenen Kirch-Göns bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis in die 1930er-Jahre. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück: 1770 lebten zwei jüdische Familien in Pohl-Göns. Die in Kirch-Göns lebenden jüdischen Personen gehörten zunächst (noch um 1830) zur Gemeinde in Langgöns
  
Die Zahl der jüdischen Einwohner blieb klein. In Pohl-Göns lebten 1828 neun jüdische Einwohner, 1861 22, 1880 38, 1900 die höchste Zahl von 48.  
Zusammen mit Kirch-Göns (1830 16 jüdische Einwohner, 1905 16) waren es 1905 64 jüdische Gemeindeglieder
   
Im Ersten Weltkrieg waren unter den Gefallenen des Ortes die jüdischen Soldaten Bernhard Leonhard Meier und Hugo Simon. 
    
Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Vieh und der Landwirtschaft. In Pohl-Göns gehörte ein Textilgeschäft einer jüdischen Familie. Um 1933 war der letzte Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde Emil Simon.
    
Nach 1933 ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder (1933: 17 Personen, 2,4 % von insgesamt 722 Einwohnern) auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert (insgesamt 12 Personen; 4 Personen sind in diesen Jahren verstorben). Nach dem August 1940 (letzte Abwanderung) lebten keine Juden mehr am Ort. 
  
Von den in Pohl-Göns geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Johanna Aron (1889), Johanna Berg geb. Simon (1880), Emil Heilbron (1874), Kathinka Heilbron geb. Simon (1883), Johanna Kahn geb. Simon (1878), Jettchen Katz geb. Simon (1862), Isidor Meier (1881), Kätchen Seewald geb. Meier (1878), Eduard Simon (1880), Elias Simon (1874), Käthe (Kätchen) Simon (1885), Mina (Minna) Simon (1886), Nathan Simon (1872), Selma Simon geb. Löwenstein (1880).
   
Von den in Kirch-Göns geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Frieda Hammel geb. Theisebach (1880), Albert Meier (1879), Jenny (Janette) Meier geb. Siegel (1884), Simon Meier (1874), Regina Metzger geb. Meier (1864), Berta Stern geb. Meier (1871).   
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde  
  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 
Zum Tod von Sara Meier (1925)  

Pohlgoens Israelit 12111925.jpg (59358 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1925: "Butzbach, 4. November (1925). Am 11. Marcheschwan (= 29. Oktober 1925) wurde in Pohlgöns bei Butzbach Frau Sara Meier zur letzten Ruhe bestattet. Eine Frau mit einem innigen jüdischen Wesen, eine wahre wackere Frau ist mit ihr dahingegangen. Sie war eine Wohltäterin der Armen, ihr gastliches Haus hat keiner ohne gespeist verlassen. Die Beerdigung war denn auch ein Beweis der Achtung und Liebe, welche die Verblichene in jüdischen und nichtjüdischen Kreisen sich erfreute. Am Grabe sprach Herr Dr. Cohn aus Marburg. Möge Gott dem hochbetagten Vater, dem gebeugten Gatten und den Söhnen Trost geben. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."     

      
Zum Tod des aus Pohl-Göns stammenden Nathan Simon (gest. 1934 in Butzbach)     

Butzbach Israelit 08111934.jpg (78379 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1934: "Butzbach, 1. November (1934). Unsere Gemeinde hat einen schweren Verlust erlitten. Am Schabbat Lech Lecha (= 20. Oktober 1934) verschied nach kurzem Unwohlsein Nathan Simon im jugendlichen Alter von nur 47 Jahren. Aus einer hochachtbaren religiösen Familie aus dem benachbarten Pohlgöns stammend, war er stets bestrebt, die Traditionen unserer Religion hochzuhalten. Noch am letzten Jom Kippur wirkte er als Vorbeter und trug mit Andacht seine Gebete vor. Die Liebe und Wertschätzung zeigte sich bei der Beerdigung, die unter großer Beteiligung am Montagnachmittag stattfand, zu der auch aus allen Nachbargemeinden Freunde und Bekannte herbeigeeilt waren. Herr Lehrer Fuld von hier schilderte am Grabe in bewegten Worten die Verdienste des Heimgegangen. Auch der Vorsitzende des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten Herr Löwenberg aus Frankfurt am Main war herbeigeeilt, um von dem verewigten Frontkameraden in markanten Worten Abschied zu nehmen. Herr A. Wertheim sprach im Namen der hiesigen Ortsgruppe. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."        

     
     
     
Zur Geschichte der Synagoge                   
    
Zunächst war ein Betsaal in einem jüdischen Privathaus in der Butzbacher Straße eingerichtet.     
    
Um 1925 taten sich die in Pohl-Göns, Kirch-Göns, Ebers-Göns, Niederkleen, Oberkleen und Espha lebenden jüdischen Familien zusammen und beschlossen den Bau einer gemeinsamen Synagoge in Pohl-Göns. Soweit vorhanden, wurden die Synagogen in den anderen Orten geschlossen. So versteigerte die israelitische Gemeinde Ebers-Göns, vertreten durch ihren Vorsitzenden Isaac Mendel 1925 ihre abgängige Synagoge/Judenschule "in der Geisenspitz" meistbietend an interessierte Anlieger zum Abbruch für 300 RM.
    
Die neue Synagoge in Pohlgöns wurde 1926 am Ortsausgang nach Kirch-Göns erstellt. Im Frühjahr dieses Jahres konnte ein geeigneter Bauplatz gefunden werden. Die Synagoge wurde im Laufe des Sommers/Herbstes 1926 nach Plänen des Architekten Lippert erstellt, der im selben Jahr auch die Synagoge in Butzbach erbaute. In der Zeitschrift "Der Israelit" wurde dazu berichtet: 

Pohl-Goens Israelit 16091926.jpg (38458 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. September 1926: "Pohl-Göns, 26. August (1926). Die hiesige israelitische Gemeinde, die 23 Seelen zählt, hat am Ausgang des Ortes nach Kirch-Göns einen Bauplatz zum Bau einer Synagoge erworben. Die Bauarbeiten haben bereits begonnen. An den Kosten des Synagogenbaues nehmen die Israeliten der nahegelegenen preußischen Orte teil. Die Ausführung der Bauarbeiten ist Herrn Architekten Lippert in Butzbach übertragen worden." 

Am 3. Dezember 1926 konnte die "kleine, aber würdevolle" Synagoge durch den Provinzialrabbiner Dr. Hirschfeld aus Gießen eingeweiht werden. Auch hierzu liegt ein kurzer Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit" vor:

Pohl-Goens Israelit 02121926s.jpg (31595 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Dezember 1926: "Pohl-Göns. 22. November (1926). In wenigen Monaten wurde hier eine kleine, aber würdevolle Synagoge erbaut. Die Einweihung derselben findet am 3. Dezember, vormittags 11.15 Uhr in feierlichster Weise statt. Im Anschluss wird eine Gedenktafel für die Gefallenen des Weltkrieges enthüllt. Die Weihe wird von Herrn Provinzialrabbiner Dr. Hirschfeld, Gießen, vollzogen." 

Bei der Synagoge in Pohl-Göns handelte es sich um ein eingeschossiges, massives Gebäude aus Ziegelmauerwerk mit einem geschweiften, steilen Walmdach. Die Grundfläche des Gebäudes beträgt 5 x 5 m. Charakteristisch waren die Rundbogenöffnungen an den gegenüberliegenden Seiten. Die Eingangstüre liegt auf der Südseite.            
    
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge nicht angezündet, da das Gebäude unmittelbar neben einer Schreinerwerkstatt lag. Das Gebäude ging in der Besitz des nichtjüdischen Nachbarn über und wurde als Abstellraum der Schreinerwerkstatt benutzt. Dabei blieb es auch in den folgenden Jahrzehnten. 2024 erwarb die Stadt Butzbach das Gebäude. Es soll restauriert und neu genutzt werden (siehe Pressebericht unten).        
     
     
Adresse/Standort der SynagogeGießener Straße 24 (von der Straße weit zurückliegend)     
     

     
Fotos
(Quelle: Thea Altaras s. Lit. S. 193).

Pohl-Goens Synagoge 120.jpg (66489 Byte) Pohl-Goens Synagoge 121.jpg (79411 Byte)
Die ehemalige Synagoge in Pohl-Goens im August 1984  
   
   
Das Synagogengebäude im Jahr 2014 
(Quelle Wikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Synagoge_(Pohl-Göns)   

   
    
    
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte          

März 2024: Die Stadt Butzbach kauft die Pohl-Gönser Synagoge 
Artikel in der "Frankfurter Neuen Presse" vom 15. März 2024: "Stadt kauft Pohl-Gönser Synagoge.
Butzbach (thg). Die Stadt Butzbach kauft die ehemalige Pohl-Gönser Synagoge. Das hat der Haupt- und Finanzausschuss beschlossen. Genau gesagt bezieht sich der Beschluss auf eine Grundstücksfläche von 275 Quadratmetern in Pohl-Göns in der Gießener Straße 22a. Auf dieser Fläche steht das Gebäude. Im Jahr 2018 hat Julian Lauth das Grundstück erworben. Die Fläche benötigte er als Lagerbereich für seine Schreinerei Holzfreude. Das Synagogen-Gebäude 'ist ein Juwel in zweiter Reihe', sagt der Firmeninhaber. Niemand habe damit etwas gemacht, niemand habe sich darum gekümmert. 'Meine Idee war, dass ich das Gebäude retten könnte', so Lauth. Die Zeit habe allerdings gezeigt, dass er nicht dazu komme. 'Es ist mir weiterhin wichtig, dass das Gebäude vernünftig hergerichtet wird', sagt Lauth. Daher freut er sich, dass die Stadt Butzbach die Synagoge kauft. 'Damit ist sichergestellt, dass damit etwas Gutes passiert.' Einen Teil der Grundstücksfläche behält Lauth für die Lagerung von Material. Daher verkauft er nur einen Teil des Areals.
Anbauten werden entfernt. An der Synagoge gibt es noch Anbauten aus der Zeit, als eine benachbarte Schreinerei das Gebäude für sich genutzt habe. Sie werden noch entfernt. Im Verlauf der vergangenen Jahre hat Lauth auch kleinere Erhaltungsmaßnahmen umgesetzt, wie er berichtet. Unter anderem habe er das Dach abgedichtet, damit sich der Zustand des Hauses nicht weiter verschlechtert. 'Es handelt sich um ein Denkmal. Damit ist auch die Nutzung eingeschränkt. Das ist auch richtig so', sagt Lauth. In der Verantwortung der Stadt sei es nun möglich, die gesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen, solch ein Kulturgut zu erhalten. Bürgermeister Michael Merle sagte, Ziel sei es, das Denkmal zu erhalten und wiederherzustellen. Es soll auch wieder mit Leben gefüllt werden. Vorstellbar seien eine kulturelle, religiöse und soziale Nutzung. Aufgrund der Maße des Gebäudes könnten es nur kleinere Veranstaltungen sein. Merle führte an, dass in Butzbach in den vergangenen Jahren mehrfach das Chanukka-Fest gefeiert worden sei, unter anderem im Ratsherrensaal des historischen Rathauses. Er war zeitweise Gebetssaal der örtlichen jüdischen Gemeinde. Darüberhinaus soll die Synagoge aber auch ein Informationspunkt werden, der das jüdische Leben im ländlichen Raum beleuchtet. Merle hofft, ein solches Projekt mit einer öffentlichen finanziellen Förderung umsetzen zu können. Das Bauwerk soll vor dem Verfall bewahrt und als Kulturdenkmal erhalten werden. Die Stadt Butzbach erwirbt Fläche und Gebäude für 89.500 Euro. Der Bau in Pohl-Göns ist die einzige komplett erhaltene Synagoge auf Butzbacher Stadtgebiet. Baulich soll sie der Synagoge gleichen, die sich in der Kernstadt befand, an die heute am Synagogenplatz gegenüber des Hallenbads erinnert wird. Für die Stadt Butzbach sei das noch erhaltene Synagogengebäude von einmaliger kulturhistorischer Bedeutung, heißt es in der Stellungnahme der Stadtverwaltung zum Antrag. Jüdische Kultur und Religion seien bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 ein anerkannter und wichtiger Teil des städtischen und dörflichen Lebens gewesen.
Unter anderem besteht eine enge Kooperation der Stadt Butzbach mit der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim. Im Zuge dessen wurden in den vergangenen Jahren mehrere gemeinsame Aktivitäten veranstaltet, unter anderem in Verbindung mit der Verlegung von Stolpersteinen.
Pläne stammen aus dem Jahr 1926. Pläne für den Bau der Synagoge in Pohl-Göns stammen aus dem Jahr 1926, wie der Lokalhistoriker Werner Reusch zitiert wird. Im Buch 'Synagogen und jüdische rituelle Tauchbäder in Hessen' von Thea Altaras ist die Bauzeit mit 1927 bis 1928 angegeben. Die Gründung der israelitischen Gemeinde Pohl-Göns - mit Kirch-Göns - sei im Jahr 1866 erfolgt. Im Jahr 1830 habe es in beiden Orten 25 und im Jahr 1905 64 Juden gegeben. Die Synagoge sei zum Gottesdienst auch von Juden aus Lang-Göns und Niederkleen besucht worden. Rund sieben mal sieben Meter groß ist die Grundfläche laut Planentwurf. Das Gebäude habe eine Würfelform und ein großes Walmdach, dessen Spitze vermutlich einen Davidstern trug. In der Pogromnacht 1938 sei die Synagoge nicht angezündet worden, da das Gebäude unmittelbar neben einer Schreinerwerkstatt lag, ist dem Buch zu entnehmen. Das Synaogengebäude sei in den Besitz des christlichen Nachbarn übergegangen und sei von ihm als Abstellort für die Schreinerwerkstatt genutzt worden. Bei allen Veränderungen der Nutzung ist die Innenbemalung unter anderem der Decke in Teilen noch vorhanden.
Der Kauf der Synagoge kann laut Stadtverwaltung nicht über das 'Leader'-Förderprogramm unterstützt werden. Die Umnutzung zum Kultur- und Begegnungstreff sei grundsätzlich zu 50 bis 60 Prozent förderfähig. Ferner hätten die Denkmalbehörden signalisiert, dass eine Förderung für die Sanierung möglich sei. Das gelte vor allem für restauratorische Maßnahmen. Die Denkmalpflege bewerte es als 'Glücksfall', dass die Stadt das Gebäude kaufen wolle."
Link zum Artikel   
 
Dezember 2024: Die Restaurierung der ehemaligen Synagoge ist bis Ende 2026 geplant  
Artikel von Imme Rieger im "Gießener Anzeiger" vom 20. Dezember 2024: "Auf der Spur des Davidsterns.
Der Heimatforscher Werner Reusch sucht nach einem 1938 verschwundenen Artefakt. Die Spur könne auch in den Landkreis Gießen führen.
Langgöns/Butzbach.
Was geschah mit dem Davidstern der Synagoge in Pohl-Göns, der in der Reichspogromnacht 1938 spurlos verschwand? Diese Frage treibt Werner Reusch um, den bekannten Heimatforscher aus Ebersgöns. Mit detektivischem Eifer und einer tiefen Leidenschaft für regionale Geschichte begibt er sich auf eine spannende Spurensuche, die in die dunklen Kapitel der Vergangenheit zurückführt. Seine Hoffnung: Der verschwundene Stern, einst das Wahrzeichen der Synagoge, könnte noch heute irgendwo in der Region verborgen sein - auf einem Dachboden, in einem Keller, vielleicht vergessen in einer Kiste. 'Es wäre möglich, dass jemand diesen Davidstern besitzt, ohne um seine Bedeutung zu wissen', meint Reusch im Gespräch mit dem Anzeiger. Sein Aufruf richtet sich an die Bevölkerung, insbesondere in Lang-Göns und Großen-Linden, die möglicherweise Hinweise auf den Verbleib dieses Symbols geben können. Für Reusch geht es dabei nicht nur um die Wiederentdeckung eines verschollenen Artefakts, sondern um eine Brücke in die Vergangenheit - eine Verbindung zu den Menschen, Schicksalen und der Geschichte, die die Region prägten.
Zentraler Ort jüdischen Lebens. Seine Nachforschungen führen nicht nur zurück in die dunklen Jahre des Nationalsozialismus, sondern verbinden auch die Geschichte Pohl-Göns’ mit der jüdischen Gemeinde von Lang-Göns und Großen-Linden. 'Die Synagoge von Pohl-Göns an der Gießener Straße 24, deren Grundsteinlegung auf das Jahr 1926 zurückgeht, war ein zentraler Ort jüdischen Lebens in der Region', erzählt der Hobby-Historiker. 'Sie war die einzige Synagoge in der Region, die während der Reichspogromnacht nicht komplett zerstört wurde. Sie wurde allein deshalb nicht angezündet, weil etwa vier Meter daneben eine Schreinerei stand', weiß Werner Reusch. Heute ist das Gebäude denkmalgeschützt.
Die jüdischen Familien in Pohl-Göns, Kirch-Göns, Ebersgöns, Niederkleen, Oberkleen und Espa hatten den Bau gemeinsam beschlossen. Die Synagoge war im Sommer und Herbst 1926 nach Plänen des Architekten Lippert aus Butzbach errichtet worden, der im selben Jahr auch die Synagoge in Butzbach erbaute. Die Eröffnung am 3. Dezember 1926 wurde mit großer Feierlichkeit begangen. Seinerzeit berichtete die Zeitung 'Der Israelit': 'In wenigen Monaten wurde hier eine kleine, aber würdevolle Synagoge erbaut. Die Einweihung derselben findet am 3. Dezember, vormittags 11.15 Uhr, in feierlichster Weise statt. Im Anschluss wird eine Gedenktafel für die Gefallenen des Weltkrieges enthüllt. Die Weihe wird von Herrn Provinzialrabbiner Dr. Hirschfeld, Gießen, vollzogen.'
Der eingeschossige Bau aus solidem Ziegelmauerwerk zeichnete sich durch sein markantes steiles Walmdach mit geschwungener Form aus und umfasste eine Grundfläche von etwa fünf mal fünf Metern. Der Innenraum wurde durch drei Rundbogenfenster an der Nordseite sowie zwei weitere Fenster an der Südseite mit Licht durchflutet. Der Eingang lag ebenfalls an der Südseite. Der Thoraschrein war in einer Nische an der Ostwand untergebracht. Insgesamt bot die Synagoge Platz für 27 Männer und 20 Frauen.
In Lang-Göns oder Großen-Linden? Doch der Schrecken der Reichspogromnacht zerstörte die Würde dieses Ortes: SA-Männer demolierten die Frauenempore, entweihten die Einrichtung und brannten sakrale Gegenstände vor der Synagoge nieder. Auch der prunkvolle Deckenleuchter, verziert mit hunderten Glasornamenten, wurde vollständig demoliert. Nur das massive Bimssteinmauerwerk widerstand dem Zerstörungswahn. Der prunkvolle Davidstern, der das Dach der Synagoge zierte, ist seitdem verschollen. Die jüdische Gemeinde von Pohl-Göns war eng mit der jüdischen Kultusgemeinde Langgöns verbunden. Gemeinsam feierten sie Gottesdienste und pflegten ihre Traditionen. Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Großen-Linden beigesetzt, bevor eigene Friedhöfe eingerichtet wurden. 'Gerade diese enge Vernetzung macht es möglich, dass der verschwundene Stern in den umliegenden Dörfern, insbesondere in Lang-Göns oder Großen-Linden, noch existieren könnte', betont er. Zeitzeugenberichte stützen diese Annahme: So sollen Auswärtige aus der Region beteiligt gewesen sein, als der Stern und andere Gegenstände gestohlen wurden. 'Im Jahr 2019 konnten mir zwei Zeitzeugen erzählen, die 1938 16 beziehungsweise neun Jahre alt waren, dass auswärtige SA-Männer Holzbänke der Frauenempore, Samtvorhänge, Thorarollen, den Deckenleuchter und andere Gegenstände vor das Gebäude schleppten und angezündet haben.' Elli Weber aus Pohl-Göns erzählte Reusch 2019 im Alter von 96 Jahren, dass vor der Synagoge hunderte Glasornamente des Deckenleuchters verstreut am Boden gelegen haben. Einige Kinder steckten die glitzernden kleinen Teile ein. Ihr selbst sei ein brennendes Papierstück von der Thorarolle vor die Füße gefallen, das sie mitgenommen habe. 'Zu Hause zeigte sie es ihrem Vater. Der gab ihr zur Antwort: Wenn das einer von den ›richtigen‹ Leuten sieht, bekommen wir Ärger.' Daraufhin habe sie Tage später das Papier weggeworfen.
Stadt strebt Restaurierung an. Nach seiner Verwüstung ging das Gebäude in den Besitz des Nachbarn über und wurde lange Zeit als Lager genutzt. 2018 wurde das Grundstück mit dem Gebäude darauf verkauft. Im Mai 2024 hat die Stadt Butzbach die alte Synagoge erworben und erste Schritte zur Restaurierung eingeleitet. Angedacht ist die Einrichtung eines Informations- und Begegnungszentrums. Bei der feierlichen Wiedereröffnung vor wenigen Wochen am symbolträchtigen 9. November, genau 86 Jahre nach seiner Verwüstung, beeindruckte das stark sanierungsbedürftige Gebäude die Gäste durch seine gut erhaltene blaue Decke, verziert mit Sternen. 'Man schaute wie in den Himmel', zeigt sich Werner Reusch tief beeindruckt. Seitlich waren an den Wänden farbliche Ansätze zu erkennen, wo einst die Frauenempore stand. Doch das Fehlen des Davidsterns und der Eingangstür - beides wurde damals gestohlen - bleibt ein schmerzhaftes Mahnmal für die Gewalt, die diesem Ort widerfahren ist. 'Es besteht jedoch die Hoffnung, dass der Davidstern noch existiert, und er irgendwo in den umliegenden Dörfern von Pohl-Göns, Kirch-Göns, eventuell Lang-Göns oder Großen-Linden in einer Kiste oder auf dem Speicher liegt. Möglich ist auch, dass er von den Hausbesitzern nicht zugeordnet werden kann, aber auch, dass Personen von diesem Davidstern Kenntnis haben oder sogar wissen, wo er sich befindet oder sein könnte', fasst der Heimatforscher seine Gedanken zusammen. Hoffnung auf Hilfe aus Bevölkerung. Er hofft deshalb auf Hinweise aus der Bevölkerung. Ob Fotos, Gegenstände oder Informationen - 'jedes Detail könnte helfen, das Schicksal des Davidsterns aufzuklären', appelliert er. Besonders in Lang-Göns und Großen-Linden könnten sich wertvolle Spuren finden lassen. 'Vielleicht schaut der eine oder andere noch mal nach und findet etwas, das aus der Synagoge stammt', bittet Reusch. Von der Synagoge habe es auch Bilder und Fotopostkarten gegeben. 'Wer da etwas findet, bitte unbedingt melden!' Butzbachs Bürgermeister Michael Merle unterstützt Reuschs Initiative ausdrücklich. Mit seiner Recherche gibt Werner Reusch den Menschen die Möglichkeit, ein Stück ihrer Geschichte zurückzugewinnen - nicht nur als Denkmal des Gedenkens, sondern auch als Zeichen der Versöhnung. Der verschwundene Davidstern mag verloren wirken, doch seine Wiederentdeckung könnte ein leuchtendes Symbol der Erinnerung an die Vergangenheit werden. In Abstimmung mit dem Bürgermeister steht Werner Reusch als Ansprechpartner für Rückfragen zur Verfügung. Aufgrund seiner umfassenden Publikationen zur jüdischen Geschichte in Pohl- und Kirch-Göns verfügt er über fundierte Kenntnisse und kann detaillierte Auskünfte geben. Kontakt: werner.reusch@web.de, Tel. 06447/6337." 
Link zum Artikel  https://www.giessener-anzeiger.de/lokales/kreis-giessen/auf-der-spur-des-davidsterns-93478649.html 

     

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Butzbach   
bulletFoto von 1956 in der Website der Stadt Butzbach  https://stadt-butzbach.de/juedische-synagoge-pohl-goens/ 
bulletWikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Synagoge_(Pohl-Göns)       

Quellen:  

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Pohl-Göns mit Kirch-Göns 
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs (innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar: 
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41              
Zu Kirch-Göns sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):    
HHStAW 365,503  Geburts- und Trauregister der Juden von Kirch-Göns  1764 - 1807 (1843): enthält Jüdisches Geburtsregister 1764 - 1807, Jüdisches Trauregister  1800  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3283436       
  
Zu Pohl-Göns ist vorhanden:    
HHStAW 365,702   Abschrift des Geburts-, Trau- und Sterberegisters der Juden von Pohl-Göns  1773 - 1790   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3282889        

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. 2 S. 203-204.  
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 192f.
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 274.  
bulletSusanne Gerschlauer: Synagogen. In: Kirchen und Synagogen in den Dörfern der Wetterau. Reihe Wetterauer Geschichtsblätter. Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Band 53. Im Auftrag des Friedberger Geschichtsvereins hrsg. von Michael Keller. Friedberg 2004 S. 289-326.
bulletdies.: Katalog der Synagogen. In: ebd. S. 555-580. 
bulletButzbach Lit 015.jpg (54675 Byte)Hanno Müller: Familienbuch Butzbach Band V: Judenfamilien in Butzbach und seinen Stadtteilen. 
Siehe website www.fambu-oberhessen.de   

 


 
  


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Pohl-Goens  Hesse. Numbering 48 (8 % of the total) in 1900, the community also had members in neighboring Kirch-Goens. By 1940 all the Jews had left.
   
   

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 06. Oktober 2024