Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
Kennkarte aus der NS-Zeit     
Zur Geschichte der Synagoge   
Fotos / Darstellungen   
Links und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)     
   
In Wetzlar bestand eine jüdische Gemeinde bereits im Mittelalter. Schon vor 1200 sollen Juden hier gewohnt haben. Nachzuweisen ist die Ansiedlung erstmals über eine Kaiserurkunde vom 9. Juli 1277, in der von "unseren Wetzlarer Juden" ("Judeis nostris Wetflariensibus") die Rede ist. 1292 wird als jüdisches Wohngebiet ein "vicus Judeorum" benannt (wohl zwischen Lahnstraße und Weißadlergasse), 1344 eine "Judengaße", 1348 die "Juden- und pansmydengaße" (die spätere Pfannenstielsgasse). Trotz dieser Bezeichnungen jüdischer Wohngebiete gab es keinen fest abgegrenzten jüdischen Wohnbereich. Jüdische Familien lebten auch in anderen Straßen der Stadt wie auch christliche Familien in der "Judengasse" lebten. In der Pestzeit 1348/49 kam es auch in Wetzlar zu einer Verfolgung der Juden. Erst 1360 werden wieder Juden in der Stadt genannt. Im 15. und 16. Jahrhundert lebten die meisten Juden am Kornmarkt. Es handelte sich allerdings nur um relativ wenige Familien (meist zwischen zwei und fünf Familien). Die Juden lebten vom Geldhandel und der Pfandleihe. Von einer Vertreibung der Juden aus der Stadt zu Beginn der Neuzeit ist nichts bekannt.   
 
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 17. Jahrhundert zurück. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges nahm die Zahl der jüdischen Einwohner von etwa 30 auf 60 zu. Die jüdischen Haushaltsvorsteher waren als Kaufleute und Händler tätig. Mitte des 18. Jahrhunderts wohnten etwa 100 jüdische Personen in der Stadt.  
    
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1810 91 jüdische Einwohner (2,1 % von insgesamt 4.278), 1823 110, 1871 147 (2,4 % von 6.172), 1880 210 (2,8 % von 7.428), 1895 173 (2,1 % von 8.350), 1910 181 (1,4 % von 13.389). 

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Elementar- und Religionsschule, ein rituelles Bad (Mikwe) und ein Friedhof. Die älteste Wetzlarer Mikwe lag vermutlich in der unteren Altstadt am Hertebau/Eselsberg, ab 1755/56 in der Pfannenstielsgasse im Bereich der Synagoge. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe Ausschreibungen der Stelle unten); zeitweise waren diese Aufgaben auch auf zwei Personen verteilt. Als Lehrer werden insbesondere genannt:  1851 bis 1876 Herz Heymann, ca. 1878 bis ca. 1905 D. Regensburger, 1905 bis 1933 Josef Katzenstein. Die Gemeinde gehörte Anfang des 19. Jahrhunderts zum Rabbinat in Frankfurt am Main, danach zum Rabbinat Friedberg. 1838 gehörte Wetzlar zum Konsistorium in Bonn. Spätestens um 1915 wurde Wetzlar mit den Gemeinden des Kreises dem Provinzialrabbinat in Marburg unterstellt. 
   
Wetzlar war Bezirksgemeinde einer größeren Zahl von kleinen Filialgemeinden und Orten mit nur einzelnen jüdischen Familien. 1853 wurden im Kreis Wetzlar acht Synagogenbezirke mit insgesamt 30 Versammlungsorten gebildet, die alle der Synagogengemeinde Wetzlar zugeordnet waren: 1. Wetzlar. 2. Atzbach und Vetzberg. 3. Hörnsheim, Hochelheim, Oberkleen und Ebersgöns. 4. Münchholzhausen, Naubron Griedelbach, Kraftsolms, Kröffelbach und Bonbaden. 5. Braunfels, Burgsolms, Oberndorf, Niederbiel und Tiefenbach. 6. Biskirchen, Daubhausen, Edingen und Greifenstein. 7. Aßlar, Werdorf, Kölschhausen, Ehringshausen und Katzenfurt. 8. Hohensolms, Erda und Altenkirchen.   
     
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: aus Wetzlar Vizefeldwebel Erich Jakoby (geb. 21.2.1896 Hettstedt, gef. 24.10.1918), Isidor Löb (geb. 31.7.1878 Dillheim, gef. 4.11.1915). Julius Loeb (geb. 19.9.1880 Wetzlar, gef. 25.9.1915), Hermann Seligmann (geb. 18.6.1884 Wetzlar, gef. 13.9.1918) und Josef Zwang (geb. 6.11.1879 in Stein am Kocher, gef. 4.4.1918); aus Hörnsheim ist gefallen: Siegmund Rosenbaum, aus Ehringshausen Leopold Aaron und Max Levi.    
     
Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde 181 Personen gehörten, waren die Vorsteher der Gemeinde Meier Rosenthal II, Nathan Rosenthal II und Gerson Thalberg. Der Repräsentanz gehörten an: Meier Rosenthal I, Leopold Rosenthal, Julius Kahn - Aßlar, Salomon Aschenhold - Ehringshausen, Dr. Aaron Strauß, Heymann Sachs, Hermann Loeb, Jakob Rosenthal und J.-R. Hoffmann. Als Lehrer und Prediger war (seit ca. 1905, siehe unten Bericht zum 25-jährigen Ortsjubiläum 1930) Josef Katzenstein tätig (auch noch 1932), als Schochet und Gemeindediener Joseph Gurtel.  An jüdischen Vereinen bestanden: die Chewra Kadischa (gegründet 1874; Arbeitsgebiet: Liebesdienste in Sterbefällen; 1924 unter Leitung von Salomon Heldenmuth mit 27 Mitgliedern; 1932 unter Leitung von Rechtsanwalt Dr. Hugo Rosenthal mit 24 Mitgliedern), der Israelitische Frauenverein (gegründet 1878; 1924 unter Leitung von Frau Hoffmann mit 60 Mitgliedern; 1932 unter Leitung von Frau Katzenstein mit 45 Mitgliedern) und eine Ortsgruppe des Central-Vereins (1924 unter Leitung von Dr. Aaron Strauß, 91 Mitglieder). 
  
Zur Gemeinde gehörten nun noch die in Freienfels (1924 genannt, nicht mehr 1932), Biskirchen, Ehringshausen, Hörnsheim (erst 1932 genannt), Hohensolms (erst 1932 genannt), Katzenfurt, Kraftsolms, Aßlar und Münchholzhausen lebenden jüdischen Personen. 
   
1932
waren die Gemeindevorsteher weiterhin Meier Rosenthal (1. Vors.) und Nathan Rosenthal II (2. Vors.); neu gewählt war Heinrich Stern (3. Vors.). Die Vorsteher der Repräsentanz waren Dr. Hugo Naphtali (1. Vors.), J. K. Hoffmann (2. Vors.). Die Gemeinde gehörte zum Provinzialrabbinat in Marburg (damals Provinzialrabbiner Dr. Naphtali Cohn). Die Religionsschule der Gemeinde besuchten im Schuljahr 1931/32 9 Kinder.
  
1933 lebten noch 132 jüdische Personen in der Stadt (0,7 % von 17.392). In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge geschändet und ihre Inneneinrichtung zerstört. Der jüdische Friedhof an der Bergstraße wurde geschändet. 1938 gab es noch 64 jüdische Einwohner in Wetzlar. 1942/43 wurden die letzten 43 hier noch lebenden Juden deportiert und fast alle ermordet. 

Von den in Wetzlar geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):  Auguste Adler geb. Seligmann (1881), Clementine Adler (1876), Fanny Aronsohn geb. Rosenthal (1883), Selma Ascher geb. Wertheim (1900), Martha Bär geb. Sonnenberg (1878), Sybilla Barmé (1865), Rosa Best geb. Lyon (1910), Johanna Ebertz geb. Blume (1885), Berta Eisner geb. Joel (1874), Betty Gonsenhäuser geb. Mayer (1902), Hannelore Gonsenhäuser (1929), Flora Gross geb. Bachrach (1891), Jenny Hamburger (1867), Nelly Hegar geb. Wolff (1899), Edith Heineberg geb. Schlessinger (1911), Willy Heldenmuth (1874), Zerline (Lina) Heldenmuth (1877), Hedwig Hertog geb. Salomon (1876), Johanna Herz geb. Höchster (1872), Alfred Hess (1926), , Hedwig (Hendel) Ilberg geb. Block (1883), Henriette Jessel (1871), Moritz Jessel (1882), Albert Katzenstein (1884), Arthur Katzenstein (1893), Bernhard Katzenstein (1880), Josef Katzenstein (1879), Rosa Katzenstein geb. Wolf (1892), Karl Kessler (1907), Meta Kessler geb. Königsthal (1884), Recha Kessler (1909), Lina Kessler geb. Mayer (1892), Edith Lamm (1936), Franziska Lennhoff geb. Thalberg (1864), Johanna Levi geb. Seligmann (1886, Foto auf Seite zu Markt Berolzheim), Martha Levy (1905), Mathilde Levy geb. Löb (1874), Klara Lind geb. Moses (1886), Lina Lindheimer (1879), Rosa Löb (1883), Mathilde Löwenstein geb. Rosenthal (1887), Bertha Lyon geb. Moses (1881), Josef Lyon (1883), Berta Mayer geb. Rosenberg (1865), Max Mayer (1895), Karolina Messingrau geb. Regensburger (1899), Bertha Moses geb. (), Eva Moses geb. Zetin (1903), Hugo Moses (1901), Isidor Moses (1872), Manfred Moses (1935), Max Moses (1908), Moritz Moses (1875), Ruth Moses (1932), Salomon Moses (1879), Ida Neustädter geb. Höxter (1877), Hedwig Palm geb. Dessauer (1888), Georg Rabow (), Irene Rosenbusch geb. Salomon (1891), Bernhard Rosenthal (1883), Ernst Rosenthal (1923), Gerda Rosenthal (1930), Herta Rosenthal geb. Landau (1888), Minna Rosenthal geb. Vöhl (1884), , Nathan I.Rosenthal (1877), Robert Rosenthal (1888), Theodor Rosenthal (1884), Gustav Salm (1880), Clothilde Salomon geb. Bender (1874), Hermann Salomon (1884), Johanna Salomon (wohnhaft in Wetzlar, 1872), Johanna Salomon (später wohnhaft in Essen, 1882), Leo Salomon (1881), Moritz Salomon (1874), Selma Salomon (1879), Clara Schenk geb. Katzenstein (1882), Paul Schlesinger (1920), Albert Schlessinger (1876), Selma Schlessinger geb. Wolf (1882, vgl. Kennkarte unten), Clara Schloss geb. Stern verw. Seligmann (1882), Sonja Schmidt geb. Guralnik (1904), Berthold Seligmann (1890), Ida Seligmann geb. Wertheim (1895), Lina Seligmann geb. Seligmann (1879), Sally Seligmann (1880), Siegmund Seligmann (1873), Sigmund Seligmann (1872), Walter Seligmann (1929), Dora Sonnenberg (1870), Lina Sonnenberg (1878), Louis Sonnenberg (1868), Sydney Sonnenberg (1881), Klara Stern geb. Jessel (1883), Leopold Sternberg (1887), Johanna Stock geb. Moses (1905), Paula Weber geb. Lyon (1913), Ernst Weis (1920), Moritz Moses Wertheim (1869), Emilie (Emmy) Wetzstein geb. Thalberg (1889), Friedrich Louis Wetzstein (1888), Lisa Wetzstein (1922), Luise Winter geb. Moses (1899), Lina Wollmann geb. Lyon (), Frieda Wolff geb. Rosenthal (1871).   

Wetzlar Friedhof 182.jpg (103467 Byte)Auf dem jüdischen Friedhof befindet sich seit dem 29. August 1989 ein Denkmal, auf dem an die aus Wetzlar umgekommenen jüdischen Personen erinnert wird - die in der Liste oben kursiv markierten Namen stehen auch auf dem Gedenkstein.   
 
Am 22. Oktober 2009 wurden in Wetzlar die ersten sechs "Stolpersteine" verlegt. Informationen und Erinnerungsblätter siehe Seite in der Website der Stadt. Nach dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom November 2013 sollen in absehbarer Zeit weitere 22 Stolpersteine im Bereich der Altstadt und des Karl-Kellner-Rings verlegt werden.    

Nach 1945 lebten in Wetzlar und Umgebung für einige Jahre mehr als 4.000 jüdische Flüchtlinge ("Displaced Persons") in den beiden Wetzlarer Kasernen, für die die Wetzlarer Synagoge durch die amerikanische Militärregierung wieder hergerichtet wurde. Seit 1948 (Gründung des Staates Israel) verließen die meisten der Displaced Persons alsbald die Stadt. Mitte 1949 wurde das DP-Camp geschlossen. Auf dem jüdischen Friedhof erinnern noch mehrere Gräber aus den Jahren seit 1945 an den Aufenthalt der DPs in der Stadt.  

 Rechts: Erinnerung an das DP-Lager: Umschlag eines
 Briefes von Juda Glauber im D.P.C. (Displaced Person
 Camp) Nr. 538 Block 9/129 in Wetzlar; der Brief wurde
 am 18. September 1948 nach München geschickt.
(Quelle: Sammlung Hahn) 
 Wetzlar Dok 1301a.jpg (188595 Byte) Wetzlar Dok 1301.jpg (166081 Byte) 
Informationen zum Jüdischen DP-Lager beziehungsweise der Jüdischen DE-Gemeinde in Wetzlar siehe Seiten bei after-the-shoa.org  
Dazu Beitrag von Jim G. Tobias: "Eine jüdische Stadt in Wetzlar" in der Website haGalil.com    

  
  
  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und Kultusbeamten
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters (Kantor) 1878 / 1891 / 1904  
sowie des Schochet und Synagogendieners 1911

Wetzlar Israelit 04121878.jpg (34486 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1878: "Die Synagogen-Gemeinde Wetzlar sucht zum baldigen Eintritt einen Vorbeter und Religionslehrer. Gehalt 1200 bis 1500 Mark, außer erheblichen Nebeneinnahmen. Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde: gez. Heinrich Herz, Vorsitzender."  
 
Wetzlar Israelit 31081891.jpg (45648 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. August 1891: "Religionslehrer- und Kantorstelle
Die Synagogen-Gemeinde Wetzlar sucht zum Eintritt per 1. Januar kommenden Jahres einen seminaristisch gebildeten Religionslehrer und Kantor. Anfangsgehalt 1050 Mark, außer erheblichen Nebeneinnahmen. Anmeldungen von nur ledigen Bewerbern deutscher Nationalität werden entgegengesehen. 
Wetzlar, 24. Juli 1891. 
Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde. Jacob Rosenthal, Vorsitzender."    
 
Wetzlar Israelit 04071904.jpg (65501 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juli 1904: "In hiesiger Gemeinde ist die Stelle als 
Religionslehrer und Kantor
 
per 1. Oktober dieses Jahres zu besetzen. Anfangsgehalt 1000 Mark nebst 250 Mark Wohnungsgeldzuschuss sowie Nebenverdienste. Ledige Bewerber wollen ihre Gesuche unter Beifügung von Zeugnissen an den Unterzeichneten einsenden. 
Wetzlar, 3. Juli. 
Der Vorsitzende des Synagogenvorstandes: Jacob Rosenthal."   
 
Wetzlar Israelit 16031911.jpg (47503 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März 1911: "Die hiesige Gemeinde sucht per 1. April 1911 einen Schochet und Synagogendiener. Jährliches Einkommen 1200 Mark. Bewerbungen sind unter Einsendung von Zeugnissen an den Unterzeichneten zu richten. 
Wetzlar, den 20. Februar 1911. 
Jacob Rosenthal, Vorsitzender des Synagogenvorstandes."   

   
Der jüdische Lehrer bemüht sich um Gleichberechtigung mit den christlichen Kollegen (1874) 

Wetzlar AZJ 17031874.jpg (168948 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. März 1874: "Wetzlar, 24. Februar (1874). Dem 'Rh.K.' wird von hier geschrieben: 'Unter den jüdischen Glaubensgenossen unserer Stadt hat ein vom hiesigen Bürgermeisteramt gegen Ende vorigen Monats erlassener abschlägiger Bescheid auf eine Eingabe des jüdischen Predigers um Befreiung von der Kommunalsteuer große Entrüstung hervorgerufen. Der Bescheid ist damit motiviert, dass in Folge des Gesetzes vom 11. Juli 1822 und der Gemeindeordnung vom 23. Juli 1847 nur die Geistlichen und Schullehrer der christlichen Konfessionen von der Kommunalsteuer befreit sein sollen, eine ähnliche Immunität aber bisher den Rabbinern und Schullehrern der jüdischen Konfession nicht zugestanden worden sei. Dieselbe könne auch auf Grund des Gesetzes vom 23. Juli 1847 nicht in Anspruch genommen werden, da aus der im § 1 dieses Gesetzes ausgesprochenen Gleichstellung der Christen und Juden in dem Genusse der bürgerlichen Rechte durchaus nicht folge, dass den jüdischen Untertanen auch die besonderen Vorrechte einzelner privilegierten Klassen christlicher Untertanen beigelegt worden seien. Was nun das Richtigere ist, ob die Ansicht des Bürgermeisteramtes oder die Gegenansicht der jüdischen Gemeinde, dass nämlich das Gesetz vom 11. Juli 1822, dass die Geistlichen und Lehrer von den Kommunalumlagen befreit, von gar keiner Konfession spreche, sich daher auf alle beziehe, und dass ferner die Gemeindeordnung vom 23. Juli 1847 in Wetzlar gar keine Geltung habe, wovon übrigens das Schreiben des Bürgermeisteramtes auch gar nicht das Gegenteil behauptet, - das wollen wir hier dahingestellt sein lassen, doch so viel wird jedem Unbefangenen klar sein, dass eine Auffassung, wie die in dem fraglichen Bescheide ausgesprochene, in unserer Zeit, die ja für alle Staatsbürger, ohne Rücksicht auf das Glaubensbekenntnis, Gleichberechtigung vor dem Gesetze erstrebt, nicht mehr angemessen erscheint. Übrigens ist auch, wie wir hören, von den Stadtverordneten die Frage, wie der billigen Forderung des Antragstellers auf legalem Wege gerecht zu werden sei, in Erwägung gezogen worden, und wird ohne Zweifel eine baldige zufriedenstellende Lösung finden.'  
(Nach dem preußischen Gesetze, wie es bis jetzt beschaffen ist, steht leider das Recht noch immer auf Seiten des abschlägigen Bescheides und ist den mehrfachen Petitionen um Beseitigung dieses ungerechten Unterschiedes bis jetzt noch keine Rechnung getragen worden. Redaktion.)" 
  
Wetzlar AZJ 05051874.jpg (45316 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Mai 1874: "Wetzlar, im April (1874). Wie vorauszusehen, wurde der hiesige israelitische Kultusbeamte mit seinem Gesuche, gleich seinen christlichen Amtsgenossen von den Kommunallasten befreit zu sein, auch von der Regierung abgewiesen. Derselbe hat sich nunmehr an das Abgeordnetenhaus gewendet, und wird dieses wohl die Petition zur Berücksichtigung an die Staatsregierung überweisen, wenn es noch dazu gelangt, darüber zu verhandeln."      

 
Zum Tod des Kultusbeamten und Beschneiders Herz Haymann (1876)  

Wetzlar Israelit 24051876.jpg (142498 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Mai 1876: "Wetzlar, 5. Mai (1876). In unsere Gemeinde ist Trauer eingekehrt, denn wir haben heute einen Mann zu Grabe geleitet, mit dem zugleich ein Stück Geschichte unserer Gemeinde in dem kühlen Schoße der Erde gebettet wurde. Herr Herz Haymann ist im besten Mannesalter uns durch den Tod entrissen worden. Der Verblichene war fast 25 Jahre lang als Kultusbeamter der hiesigen Gemeinde im Dienste der Tora und Awoda (Gottesdienst) eifrig tätig gewesen. 17 Jahre lang hat er sich auch dem hiesigen Wohltätigkeitsverein Gemilut Chäsäd in Wort und Tat treu und aufopfernd gewidmet. Besonders als Mohel (Beschneider) war er in weiteren Kreisen rühmlich bekannt und hatte einen sehr ausgedehnten Wirkungskreis. Oft wurde er nach Gegenden berufen, die weder mit der Eisenbahn zu erreichen sind, noch Fahrpostverbindungen haben, und so legte er bisweilen weiter Strecken zu Fuß zurück, um die Beschneidung auszuführen. Über 500 Knaben sind vom ihm in den Bund Abrahams aufgenommen worden. Auf vergangenen Schabbat hatte er bei einem armen Manne, dem einzigen in dem Dorfe wohnenden Jehudi, eine Beschneidung angenommen. Trotzdem Herr Haymann sich schon Freitags nicht recht wohl fühlte und der Arzt ihm in Folge dessen die Abreise strengstens untersagte. ließ er sich doch nicht zurückhalten, die Reise zu unternehmen. Am Ausgang des Schabbat trat er unwohl zuhause ein und bekam die Lungenentzündung. Nach kurzem, nur viertägigem Krankenlager hat ihn der allgütige Vater im Himmel zu sich abgerufen. Möge Gott die trauernde Familie trösten und ihr Seinen Schutz und heiligen Beistand nicht versagen, die Gemeinde aber vor allem Leiden ferner bewahren. An dem Verstorbenen möge sich das Wort der Tora erfüllen: (hebräisch und deutsch): 'Deine Frömmigkeit wird vor Dir hergehen und die Herrlichkeit Gottes Dich aufnehmen!'  (Jesaja 58,8). Möge er eingehen zum ewigen Leben mit den Gerechten und Frommen im Paradiese. Seine Seele sei eingebunden in dem Bund des Lebens."      

 
Anzeige des Lehrers D. Regensburger (1887)  

Wetzlar Israelit 08101897.jpg (33591 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober 1897: "Für einen kräftigen, 15-jährigen Jungen, Sohn armer Eltern, suche ich bei einem Meister beliebigen Gewerbes eine Lehrstelle. Gefällige Offerten wolle man richten an 
D. Regensburger,
 
Lehrer und Kantor, Wetzlar."    

    
Lehrer Regensburger sucht eine kleine Torarolle (1894)  

Wetzlar Israelit 15031894.jpg (32530 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. März 1894: "Sefer Tora (Torarolle). Eine kleine Sefer Tora, gute Schrift und in gutem Zustande, wird zum Gebrauche für eine Chewra (Verein) zu kaufen gesucht. Größte 35-50 Centimeter.
Offerten mit Preisangabe erbittet 
D. Regensburger, Lehrer und Cantor in Wetzlar."  

     
Lehrer Regensburger empfiehlt seine Pension (1901)  

Wetzlar Israelit 18041901.jpg (41175 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1901: "Pension
Mädchen
oder Knaben, welche die hiesigen höheren Schulen, Töchterschule oder Gymnasium besuchen wollen, finden gute Aufnahme, gewissenhafte Beaufsichtigung und Nachhilfe bei D. Regensburger, Lehrer und Kantor, Wetzlar."    

    
Lehrer D. Regensburger sucht einen Vertreter (1903 / 1904)        

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juni 1903: "Vertreter 
gesucht
als Lehrer und Kantor für den Monat Juli. Geeignete, jüngere Bewerber, mit guter Stimme, belieben Offerten mit Ansprüchen zu richten an 
D. Regensburger

Lehrer und Kantor in Wetzlar an der Lahn."        
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Mai 1904: "Vertreter gesucht 
per 1. Juni für einige Monate als Lehrer und Kantor. Jüngere, seminaristisch gebildete Bewerber mit guter Stimme belieb. Offerten mit Ansprüchen zu richten an 
D. Regensburger, 
Lehrer und Kantor
, Wetzlar a.d. Lahn."     

  
25jähriges Ortsjubiläum von Prediger Katzenstein (1930)  

Wetzlar Israelit 02011930.jpg (101422 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Januar 1930: "Wetzlar, 30. Dezember (1930), Am Sonntag vergangener Woche fand in der Synagoge zu Ehren von Prediger Katzenstein, der sein 25-jähriges Ortsjubiläum beging, ein Festgottesdienst statt. Während der Synagogenchor unter Leitung des Herrn Albert Schlesinger Boruch habo sang, wurde der Jubilar vom Vorstande in das Gotteshaus begleitet. Provinzialrabbiner Dr. Cohn - Marburg feierte den Jubilar als Führer und Lehrer in herzlichen Worten. Dann bestieg Herr Katzenstein selbst die Kanzel, um in tief ergreifenden Worten allen zu danken, die ihm diesen Tag zum Ehren- und Festtag gestaltet. Mit dem Gesang des Psalms 150 schloss die synagogale Feier. Mittags schien eine Deputation des Vorstandes, als deren Sprecher Herr Meier Rosenthal unter Überreichung einer Ehrengabe das Wort ergriff, während Herr Rechtsanwalt Dr. Rosenthal im Namen der Chewra den Jubilar in herzlichen Worten ehrte. Ehemalige und jetzige Schüler und Schülerinnen schlossen sich an, um, zum Teil in petischer Form, unter Überreichung von Blumenspenden ihre Glückwünsche auszudrücken. Unter der Fülle von telegraphischen und schriftlichen Grüßen verdient das Schreiben des Bürgermeisters Kühn im Namen der Stadt besonders lobende Erwähnung."     
    
Weitere Informationen zu Lehrer Josef Katzenstein (1879 - umgekommen nach Deportation)   
(erhalten von Karsten Porezag)     
Wetzlar Dok 170.jpg (214773 Byte)Links die Meldekarte aus dem Einwohnermeldeamt der Stadt Wetzlar.    
Der langjährige Lehrer und Kantor der jüdischen Gemeinde Wetzlar Josef Katzenstein ist am 6. Mai 1879 in Hannover geboren und war seit 1906 verheiratet mit Rosa geb. Wolf (geb. 23. Juli 1882 in Wetzlar, gest. 21. Februar 1942). Das Ehepaar hatte eine am 9. November 1908 in Wetzlar geborene Tochter Margot Fanny, der 1939 die Flucht in die Vereinigten Staaten gelang. Die Familie lebte bis zum September 1933 in Wetzlar (bis 1924 Bannstraße 28, dann Niedergirmeser Weg 67), danach in Frankfurt. Im Zusammenhang mit dem Novemberpogrom 1938 war Katzenstein vom 12. November bis 14. Dezember 1938 im KZ Buchenwald inhaftiert. Unmittelbar nach seinem 63. Geburtstag wurde Josef Katzenstein deportiert. Es ist nicht bekannt, wo und wann er umgekommen ist. Er wurde nach 1945 für tot erklärt.    

    
   
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Unerlaubte Sammlung von Spendengeldern am Schabbat - Kritik durch die orthodoxe Zeitschrift "Der Israelit" (1876)  

Wetzlar Israelit 09081876.jpg (33808 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1876: "Wetzlar, 29. Juli (1876). Ein Mitglied der hiesigen Gemeinde, das zu gleicher Zeit mehrere Gemeindeämter bekleidet, erlaubt sich am Heiligen Schabbat - vor den Augen der ganzen Gemeinde den Ertrag der Mizwot, der sogenannten Schnodergelder, zu notieren. Da trotz aller Ermahnungen diesem Überstand nicht abgeholfen worden ist, so hielt ich es als meine Pflicht, diese traurige Tatsache der Öffentlichkeit zur Beurteilung zu übergeben."   

 
25-jähriges Bestehen des Wohltätigkeits- und Beerdigungsvereins "Chewra Kadischa" (1899)  

Wetzlar Israelit 06041899.jpg (250521 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. April 1899: "Wetzlar (verspätet). Am 26. Februar feierte die hiesige Chewra Kadischa ihr 25-jähriges Jubiläum. Dasselbe wurde eingeleitet durch einen feierlichen Morgengottesdienst, an dessen Schluss Herr Provinzialrabbiner Dr. Munk aus Marburg in einer Ansprache auf die ernsten Verpflichtungen hinwies, an die der Jubeltag einer Chewra Kadischa die Mitglieder derselben mahnt und das El Male Rachamim für die verstorbenen Mitglieder derselben von Herrn Lehrer D. Regensburger gesungen wurde. Unmittelbar folgte der Besuch der Gräber auf dem alten und neuen Friedhofe, auf welchen nach einer Bedeutung und Zweck des Friedhofsbesuches erläuternden Ansprache des Herrn Dr. Munk die üblichen Gebete gesprochen wurden. Nachmittags fand der eigentliche Festgottesdienst statt. Um das Minchagebet gruppierten sich die von Herrn Lehrer Regensburger eingeübten Chorgesänge des Synagogenchors und der Schüler und die Festpredigt des Herrn Rabbiner Dr. Mun, in welcher er anlehnend an Midraschstellen zu der vergangenen und künftigen Sidrah besonders die Pflichten der Liebe und Wohltätigkeit besprach, die auf den Anforderungen der Tora basieren müssen, und deren Kenntnis und Pflege durch regelmäßiges Studium der Tora zu fördern sei und in welcher er als Zweck der Feier die Aneiferung der Jugend zu Erfüllung der Aufgaben der Chewra bezeichnete. Ein Festmahl vereinigte die Mitglieder des Vereins und ihre Angehörigen im großen Saale des Römischen Kaisers. Die Reihe der Reden eröffnete der zweite Vorsitzende des Vereins, der mit dem eisernen Kreuz geschmückt Herr Heimann Rosenthal mit einer Begrüßung der Gäste und einem Hoch auf den Kaiser, dem Vertreter des Vaterlandes, für dessen Ehre der treue Jude stets mit seinem Gut und Blut einsteht. Herr Provinzialrabbiner Dr. Munk feierte die Chewra als die Institution, die ihre Mitglieder stählt, stets gerüstet gegen alle Gefahren dazustehen, die den äußeren und inneren Frieden bedrohen. Herr Kreisvorsteher Jakob Rosenthal knüpfte an den Perekausspruch über die drei Grundlagen der Welt an, die auch die Basis der Chewra bildeten und weihte sein Glas dem Vorstand derselben. Herr Engel überreichte mit einer Ansprache dem Vereinsbeamten Herrn August Höchster zu seinem 25-jährigen Dienstjubiläum einen Ehrenpokal, worauf dieser, sowie sein Sohn Herr Lehrer Max Höchster aus Bockenheim ihren Dank dem Vereine aussprachen. Herr Lehrer D. Regensburger toastete auf den Gründer des Vereins, den gegenwärtigen Bezirksrabbiner Dr. S. Meyer in Regensburg, in dessen Namen Herr Provinzialrabbiner Dr. Munk erwiderte, worauf Herr Jakob Rosenthal dem Oberhirten der Gemeinde, ihrem Meister und Meisterin sein Glas weihte, und schließlich Herr Meyer Rosenthal sen. mit einem Toaste auf Herrn Lehrer Regensburger und seine Gemahlin die Reihe der Tischreden schloss. Nach Vollziehung des Tisch- und des Maariwgebetes folgten Prolog, die Aufführung eines Festspiels, Couplets, sowie musikalische Piesen des phänomenalen Violinvirtuosen Herrn Sander Schreyer, der in liebenswürdiger Weise dem Ersuchen des Herrn Provinzialrabbiners Dr. Munk entsprochen hatte und das Fest durch sein wunderbares Spiel verherrlichte. Das Fest war ein sehr gelungenes und hinterließ bei allen Teilnehmern die Befriedigung, wie sie nur eine in Ernst und Heiterkeit verlebte Freude über die (Beachtung) eines Gottesgebotes gewährt. 

     
Wertvolle Judaica aus Wetzlar im Frankfurter "Museum jüdischer Altertümer" (1938)  

Wetzlar GblIsrGF April1938 10.jpg (148360 Byte)Artikel im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom April 1938: "Aus dem Museum jüdischer Altertümer. Wegen des großen Interesses, das die im Museum jüdischer Altertümer ausgestellte Sammlung Nauheim bei allen Besuchern findet, hat die Leitung des Museums sich entschlossen, diese wichtigen und schönen Bestände vorläufig nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, in die einzelnen Sachabteilungen aufzuteilen, sondern sie als Ganzes stehen zu lassen. …   
Im folgenden Raum (sc. nach der Abteilung Frankfurt) sind erstmals die wichtigsten Stücke ausgestellt, die durch die Arbeiten der Denkmalschutzstelle des Preußischen Landesverbandes jüdischer Gemeinden in die Sammlung als Überweisungen und Leihgaben aus Gemeinden der Umgebung Frankfurts gelangten. Vor allem sind hier Stücke aus Friedberg und Wetzlar zu nennen, die für unser Museum von besonderem Interesse sind, weil sie zum großen Teil von Frankfurter Meistern gearbeitet wurden. Diese Gegenstände zeichnen sich durch Schönheit der Form und der Arbeit aus, einige sind durch ihre frühe Datierung wertvolle Dokumente der Entwicklung des jüdischen Kultgeräts. Aus Friedberg sind zu nennen: ein Besomimturm, der das Datum 1651 trägt, wahrscheinlich aber schon im 16. Jahrhundert entstanden ist, ein prachtvolles Toraschild und eine reich ornamentierte silberne Torakrone; aus Wetzlar und dem benachbarten Aßlar: zwei schöne Thoraweiser, Frankfurter Arbeiten um 1735, und ein seltenes gotisches Gießgefäß in Bronce aus dem 14. Jahrhundert, das zur Handwaschung am Eingang der Synagoge von Wetzlar sich befand...".
zu dem aus Wetzlar genannten gotischen Gießgefäß siehe Foto unten.    

    
Bezirkstagung des "Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" (1928)       

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und Umgebung" vom 17. Februar 1928: "Wetzlar. Am Sonntag, den 5. Februar, fand im Hotel zum Riesen in Wetzlar eine Bezirkstagung des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens statt, die überaus zahlreich aus Wetzlar, Aßlar, Ehringshausen, Herborn, Haiger, Braunfels, Weilburg, Biskirchen und anderen Orten beschickt war. Herr Prof. Dr. Goldstein (Darmstadt) sprach über 'Die Not der Stunde'. Er legte in tiefschürfenden Ausführungen die Situation der deutschen Juden dar und die Möglichkeiten ihrer Einstellung gegenüber dem Judenhass. Er forderte auf, dafür zu wirken, dass in der Seele jedes Juden ein religiöser Kern vorhanden bleibt, der sich von keinen Gehässigkeiten angreifen lässt, der dem deutschen Juden die Kraft gibt, aufrecht zu stehen im Kampf um Deutschtum und Judentum. Im Anschluss daran gab der Syndikus, Herr Rechtsanwalt Dr. Martin Marx (Frankfurt am Main), eingehend vertrauliche Mitteilungen über unsere Situation vor den Reichstagswahlen. Er überzeugte die Hörer, dass wir heute schon mitten im Wahlkampf sind, der mit vielen neuen und weniger aufdringlichen, dafür aber gefährlichen Mitteln, geführt wird. Die Leitung der Versammlung lag in Händen des bewährten Vorsitzenden der Ortsgruppe, Herrn Sanitätsrat Dr. Strauß. Nach einer kurzen Aussprache begann der gesellige Teil, für den sich besondern Herr Nathan Rosenthal II verdient gemacht hatte. Er trug außerordentlich dazu bei, dass die Wetzlarer und auswärtigen Mitglieder des Central-Vereins sich auch persönlich nahe kamen. Die Tagung war ein großer ideeller Erfolg, der auch äußerlich durch den Beitritt einer größeren Zahl von neuen Mitgliedern dokumentiert wurde."     
  
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 10. Februar 1928: 
derselbe Bericht wie oben   

   
Gemeindebeschreibung (1936!)   

Artikel im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom Oktober 1936 S. 30: "Wetzlar. Kreisstadt mit 17.000 Einwohnern, darunter kaum 100 Juden. Alter Ort aus der Karolingerzeit. Die älteste und nördlichste der wetterauischen Reichsstädte, 1175-1901 reichsfrei. 1285 gibt sich hier Tile Kolup als der (1250 gestorben) wiedergekehrte Kaiser Friedrich II. aus, gewinnt die Bürgerschaft, wird aber an Rudolf von Habsburg ausgeliefert und verbrannt. 1603-1806 ist Wetzlar Sitz des Reichskammergerichts, an dem der Referendar J.W. Goethe vom Mai bis September 1772 arbeitet. Seinen hiesigen Erlebnissen entspricht das erste deutsch Buch von europäischer Berühmtheit, 'Leiden des jungen Werther'. - 1815 kommt Wetzlar an Preußen. 
Schon vor 1200 wohnten Juden in Wetzlar. 1277 haben sie Bürgerrecht, sitzen in der nicht mehr vorhandenen Judengasse zwischen Lahngasse und Fischmarkt und haben eine Synagoge; stehen unter königlichem Schutz, sind aber der Stadt, dem Grafen von Nassau und den Herren zu Runkel verpfändet. Mit deren Einverständnis werden sie 1340 'gebrand', ihr Eigentum aufgeteilt. 1382 erbittet und bekommt sie wieder Juden von König Wenzel. Im 16. Jahrhundert wird deren Ausweisung wieder erwogen, aber nicht beschlossen. Eine Beschränkung auf 12 Familien wird auch bald wieder fallengelassen. 1756 errichtet die Gemeinde eine stattliche, noch heute benutzte Synagoge. Als die Stadt 1806 zum Großherzogtum Frankfurt kommt, fallen die bürgerlichen Schranken fast völlig, in preußischer Zeit gänzlich. - Seit einigen Jahren gibt Lehrer Bravmann aus Weilburg hier den Religionsunterricht. Einziger Kultusbeamter ist, seit Jahrzehnten verdienstvoll wirkend, Joseph Gerstel, Quellengasse 22.  
- Sehenswürdigkeiten: die Synagoge in der Pfannenstielgasse, 1756 aus einem Privathause umgebaut, in der Inflation schon an die gegenüberliegende Brauerei verkauft gewesen, aber glücklicherweise wieder zurückerworben; hat hübschen Spätbarock-Oraun (Toraschrein) und darin alte Torarollen. Eine davon soll von Rabbi David ben Joseph ben David in Sevilla geschrieben sein, der im 14. Jahrhundert das Sefer Abudraham verfasste. Eine alte silberne 'Jad' mit sehr schöner Löwenfigur ist mindestens 300 Jahre alt, etwas jünger der Barock-Chanukkaleuchter. Ein Tongefäß, das sich vor Jahren im Keller der Synagoge, der früheren Mikwah fand, und dort als Leuchter gedient haben mag, ist nach Gutachten Sachverständiger 1000 oder mehr Jahre alt. - Einzigartig der mindestens 300 Jahre alte Friedhof an der alten Stadtmauer, jetzt mitten in der Stadt: ein grüner Winkel traumhafter Ruhe inmitten hastenden Lebens. Der Neue Friedhof, 1882 angelegt, an der Wuhlgrabenstraße zwischen Brühlbachstraße und Enger Weg, mit Aussicht auf den Kalsmunt, Taunus und Westerwald. - Wetzlar besitzt zahlreiche bemerkenswerte Bauten: Der Dom ist 'ein in Stein geschriebenes Kapitel deutscher Baukunst' mit früh- und spätromanischen, früh und spätgotischen Teilen. (Plastik!). Gegenüber der Kirche am Domplatz das 'Gasthaus zum Kronprinzen', einst Goethes Verkehrslokal. Am Schülerplatz das 'Jerusalem-Haus', in dem sich das Urbild des jungen Werther erschoss. Goethes Wohnhaus Gewandgasse 11. Im jetzigen Museum, früheren Deutschordenshaus, wohnte Lotte Buff, derentwegen Goethe aus Wetzlar floh. Das Städtische Kinderheim ist eine Stiftung der Familie Budge, die ihm nach der Inflation noch 100.000 Mark Betriebskapitel schenkte, auch die Budge-Stiftung und das gleichnamige Heim in Frankfurt errichtet. - Zwei bekannte Industrien: Die Buderus-Eisenwerke, die schon 1870 die ersten Hochöfen errichteten, und die Leitz-Werke, im Mikroskop-Bau führend: das 100.000 erhielt der Nobelpreisträger Paul Ehrlich, das 200.000 der damalige Anatom der Tübinger Universität Martin Heidenhain. - Wir wandern recht am Kalsmunt vorbei dem schwarzen Dreieck nach, überschreiten den Solmsdach und die Bahnlinie und sind nach 2 3/4 in Braunfels...."

  
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Henriette Budge geb. Adler - Schwester des Oberrabbiners des britischen Reiches Dr. Adler (1875)

Wetzlar Israelit 15121875.jpg (180026 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Dezember 1875: "Wetzlar, im Marcheschwan 5636. (Unlieb verspätet). Das Chag HaAsif - Fest der Ernte und Einsammlung, das am meisten von allen Festen des Jahres der Freude geweiht sein soll, hat unserer Gemeinde Trauer und Wehmut gebracht, da auch der Herr über Leben und Tod Ernte und Einsammlung bei uns gehalten hat. 
Eine wahrhafte wackere Frau, eine fromme und biedere Glaubensschwester, Frau Henriette Budge ist am Freitag, am 2. Tag des Sukkotfestes (= Freitag, 15. Oktober 1875) in ein besseres Leben abberufen worden. Die Verstorbene war die einzige Tochter des früheren Landrabbiners von Hannover - Rabbiner Mordechai Adler - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen (gemeint: der 1834 verstorbene Landrabbiner Marcus Baer Adler) und Schwester des hochwürdigen Oberrabbiners des britischen Reiches, Herrn Dr. Adler (gemeint Oberrabbiner Dr. Nathan Marcus Adler [1803-1890] - sein Licht leuchte, den der Allmächtige noch lange am Leben erhalten möge! Der Ewige vermehre seine Tage und seine Jahre.    
Sie hatte noch die Sechut (Verdienst), im vorigen Jahre, ihren geliebten und hochverehrten Bruder, sowie dessen Frau Gemahlin, hier zu sehen. Schreiber dieses hatte die Gelegenheit, wahrzunehmen, wie sie während der 14 Tage, die Herr und Frau Dr. Adler hier verweilten, vor Freude und innigem Seelenvergnügen wieder neu auflebte und sich gleichsam verjüngte. 
Auch war es ihr noch vergönnt, der Bar Mizwa - Feier ihres Enkels, welche am Schabbat Paraschat Reeh (SChabbat mit der Toralesung Reeh = 5. Mose 11.26 - 16,17, das war am 28. August 1875) stattfand, in völliger Gesundheit beizuwohnen.  
(hebräisch und deutsch:) 'Unsere Jahre sind siebenzig und wenn's hoch kömmt, achtzig Jahre'. Sie hatte dieses höchste Alter bereits überschritten und erfreute sich dennoch bis einige Jahre vor ihrem Tode einer fast immer ungestörten Gesundheit. Es erfüllte sich an ihr das Wort des Propheten (hebräisch und deutsch): 'Die auf den Herrn harren, erhalten neue Kraft, sie schwingen die Fittiche wie die Adler, sie eilen dahin und werden nicht müde, sie wandeln und werden nicht matt;' (Jesaja 40,31)  'Noch im höchsten Alter bewahrte sie ihre geistige Kraft und Frische!' (Psalm 92,15) So war es ihr noch möglich, am vergangenen Jom Kippur, also 6 Tage vor ihrem Tode, den ganzen Tag in Fasten und Gebet im Gotteshause zu verbringen. Erst als der Gottesdienst ganz beendigt, als schon die Schemot gesagt waren, begab sie sich nach Hause. 
Der Verlust, den unsere Gemeinde durch das Hinscheiden dieser Frommen erlitten, ist sehr groß. Sie war der ganzen Gemeinde ein leuchtendes Vorbild der Frömmigkeit, Gottesfurcht und des Gottesvertrauens, der Menschenliebe und Herzensgüte.
Wetzlar Israelit 15121875a.jpg (131791 Byte) Sie besuchte die Kranken, tröstete die Trauernden und Gebeugten; den Armen und Dürftigen war sie eine stille Wohltäterin. Ihr Leben war eine Leiter, die mit dem Fuße die Erde, mit der Spitze aber den Himmel berührte, und welche stets von den Engeln Gottes, von den guten Taten der Verblichenen bewegt war. Ober aber an der Spitze aller ihrer Taten, am Anfange aller ihrer Gedanken und Entwürfe stand Gott selbst, stand auf Flammenschrift (hebräisch und deutsch:) 'Die Gottesfurcht ist aller Weisheit Anfang.'   
In der heutigen Zeit, wo diejenigen, die treu und festhalten an der heiligen Tora und sich ihre Vorschriften in allen Lagen ihres Lebens zur Richtschnur machen, immer seltener werden, ist der Verlust eines solchen wichtigen Frau doppelt schmerzlich. Auch ich habe an der Dahingeschiedenen eine fürsorgende, treue Freundin verloren. 'Wehe um die, welche dahinschwinden und nicht mehr aufzufinden sind!'  
Zu dem Leichenbegängnisse waren die Verwandten aus nah und fern herbeigeeilt. Dem Schwiegersohne, Herrn Rabbiner Dr. Treuenfels in Stettin, war es unmöglich, der Beerdigung beizuwohnen, da dieselbe bereits am Sonntag, den 2. Tag - einem Halbfeiertag (von Sukkot) stattfand.  
Möge der Schmerz um den Verlust der edlen Verblichenen dadurch gemildert werden, dass man sich die Verstorbene zum Vorbilde nehme und in ihren Fußstapfen, d.h. in denen der wahrhaften Frömmigkeit und Tugend wandle. Sie aber, die ihren Lebensweg am Erew Schabbat (Freitag - Vortag vor Schabbat) beschlossen, möge in den himmlischen Höhen am Tag des Lohnes für ihre edlen Taten und für ihre frommes Wirken teilhaftig werden. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. S. Meyer."   

  
Zum Tod der Frau von Salomon Stern (1890)   

Wetzlar Israelit 28041890.jpg (62707 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. April 1890: "Am 7. Tag Pessach (= 11. April 1890). verstarb in hiesiger Gemeinde Frau Salomon Stern, die sich um das Wohlergehen der dürftigen Mitmenschen, insbesondere der Glaubensgenossen sehr verdient gemacht hat. Ihre Mildtätigkeit umfasste aber nicht nur ihre nächste Umgebung, den Wohnort, sondern erstreckte sich weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus. Möge der Verblichenen der Lohn ihrer guten Taten in den himmlischen Gefilden zuteil werden. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. N.N. zu Wetzlar."   


Goldene Hochzeit von Löb Salomon und seiner Frau (1910)  

Wetzlar FrfIsrFambl 08071910.jpg (19119 Byte)Artikel in "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Juli 1910: "Wetzlar. Das Löb Salomon'sche Ehepaar erhielt anlässlich seiner goldenen Hochzeit die Ehejubiläums-Medaille"  

   
   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
Verlobungsanzeige von Dora Gerstel und Chaim Kufelnizky (1921)   

Wetzlar Israelit 14071921.jpg (24309 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Juli 1921: 
"Dora Gerstel - Chaim Kufelnizky.
Verlobte.  Wetzlar - Schleswig."   

      

Kennkarte aus der NS-Zeit            
               
Am 23. Juli 1938 wurde durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch" galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt. 
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände: Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV: Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm. Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de       
 
 Kennkarte der in Wetzlar 
geborenen Selma Schlessinger geb. Wolf
 
 Wetzlar KK MZ Schlessinger Selma.jpg (87200 Byte)    
   Kennkarte (ausgestellt in Mainz 1939) für Selma Schlessinger geb. Wolf (geb. 23. Juli 1882 in Wetzlar),
 wohnhaft in Mainz, am 27. September 1942 deportiert ab Darmstadt in das Ghetto Theresienstadt, 
am 28. Oktober 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz, ermordet     
 

    
    
 
   
Zur Geschichte der Synagoge             
   
Bereits im Mittelalter wird eine Synagoge genannt (erstmals am 31. August 1295). Sie lag in der Steingasse/Ecke Lahngasse (vermutlich im Bereich der Querstraße Hertebau). Die Synagoge wurde 1428/29 renoviert. 1535 wurde eine neue "Judenschule" am Kornmarkt eingerichtet. 

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren Betsäle vorhanden: im Haus des Juden Mordechai ("ein Stall bei Mordechai auf dem Kornmarkte"), später in Jud Löbels Haus (beide vor 1734). Danach "in des Simon Höchsters und in Salomon Liebermanns Stube" beziehungsweise anders formuliert wohnte nach einer Urkunde 1734 "Simon Höchster in der Judenschul". 1734 wollte die jüdische Gemeinde eine neue Synagoge erbauen. Dafür hatte sie "von den Fritz'schen Erben einen Platz auf der Gecksburg an der Stadtmauer" kaufen können. Der Magistrat erteilte jedoch keine Baugenehmigung. Nun wollte die Gemeinde die Scheune des Rats- und Gerichtsschöffen Kupferschmidt kaufen und hierin eine Synagoge einrichten, doch protestierte hiergegen ein Nachbar, sodass auch diese Vorhaben scheiterte. Nach 19jährigen Auseinandersetzungen mit dem Magistrat war im Juni 1753 immer noch keine Einigung in Sicht, worauf sich die Wetzlarer Judenschaft beim Reichskammergericht beschwerte, das 1754 zu ihren Gunsten entschied. Wenig später konnte die jüdische Gemeinde das "Heilmann'sche Haus in der Rahmengasse" - ein zweigeschossiges Fachwerkhaus mit Mansarddach - erwerben und dieses 1755/56 zu einer Synagoge umbauen. Dabei wurde im Betsaal eine dreiseitige Empore eingezogen und eine gewölbte Decke erstellt. An der Ostwand über dem Toraschrein wurde eine Rosette angebracht. 
  
Über 180 Jahre war die vermutlich 1756 eingeweihte Synagoge in der Pfannenstielgasse Mittelpunkt des jüdischen Lebens in der Stadt.    
   
In jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts wird nur selten über das gottesdienstliche Leben in Wetzlar berichtet. Im Juli 1923 wurde in der Synagoge eingebrochen und dabei mehrere Ritualien entwendet. 1925 konnte der Einbruchdiebstahl aufgeklärt werden. 
  
Aufklärung eines Synagogeneinbruchs (1925)

Wetzlar JuedlibZtg 27111925.jpg (64047 Byte)Artikel in der "Jüdischen liberalen Zeitung" vom 27. November 1925: "Wetzlar (Aufklärung eines Synagogeneinbruchs). Einer der Einbrecher, welche im Juli 1923 den Einbruchsdiebstahl in die hiesige Synagoge ausführten, hat sich gestern in Würzburg selbst der Kriminalpolizei gestellt. Es handelt sich um dem 20-jährigen Heinrich Seelig von Würzburg. Aufzuklären bleibt noch, wie der Einbruchsdiebstahl ausgeführt wurde und wer die übrigen Mittäter sind. Bekanntlich wurden die aus der Synagoge gestohlenen Messegeräte einige Zeit nach dem Einbruchsdiebstahl bei einem Althändler in Hamburg von der Hamburger Kriminalpolizei beschlagnahmt, ohne dass es möglich war, die Diebe festzunehmen."  

Noch in der NS-Zeit wurde in der Synagoge Gottesdienste der kleiner werdenden Gemeinde abgehalten.   
            
Beim Novemberpogrom 1938 wurde vor allem durch SA-Leute die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. Wertvolle Gegenstände wurden beschlagnahmt. Das Gebäude blieb erhalten. Während des II. Weltkrieges wurde es als Unterkunft für französische Kriegsgefangene zweckentfremdet. 

Nach 1945 veranlasste die amerikanische Militärregierung die Wiederherstellung der Synagoge. Im September 1945 wurde sie wieder eingeweiht und bis 1948/49 wiederum als Synagoge für "Displaced Persons" jüdischen Glaubens verwendet. Nach deren Wegzug beziehungsweise Auswanderung (vor allem nach Gründung des Staates Israel 1948) wurde die ehemalige Synagoge bis 1957 als Lager der benachbarten Brauerei verwendet. 1958 erfolgte der Abbruch. In der Folgezeit blieb das Grundstück ein freier Platz im Hof der Brauerei. An einer Wand wurde 1967 erstmals eine Gedenktafel in Anwesenheit von Landesrabbiner Dr. Ernst Roth angebracht. 

Wetzlar PA 02.jpg (119569 Byte)Nach dem Bau der Seniorenresidenz Lahnblick im Bereich der früheren Synagogengrundstückes wurde die Gedenktafel von 1967 im Jahr 2003 erneut angebracht, nun  im Beisein von Landesrabbiner Chaim Lipschitz (Frankfurt am Main). Die Tafel trägt den Text: "Hier stand seit 1756 die Synagoge der jüdischen Gemeinde Wetzlar. Nach Zerstörung der Inneneinrichtung am 9. November 1938, im Krieg benutzt als Lager für französische Kriegsgefangene, wieder hergerichtet 1945 für die hier lebenden Juden bis zu ihrer Abwanderung". 
Links: Presseartikel von 2003 - Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken.     

  
  
Adresse/Standort der Synagoge Pfannenstielgasse 8   
  
  
Fotos
(Quelle: die Fotos sind veröffentlicht bei Arnsberg Bilder S. 198-200, Altaras, Synagogen 1988 S. 191-192 und Porezag s.Lit. Steine passim, die Abbildungen der oberen beiden Fotoreihen in dieser Weise nur bei Porezag; neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 27.10.2009)

Historische Darstellung   Wetzlar Synagoge 120.jpg (73617 Byte) Wetzlar Synagoge 121.jpg (84437 Byte)
     Oben: die Pfannenstielgasse um 1910
 (Gemälde von Wilhelm Waldschmidt) - 
der Pfeil bezeichnet die Synagoge 
  
Oben: jüdisches Waschgefäß aus dem 14. Jahrhundert, möglicherweise noch aus der mittelalterlichen Synagoge; befand sich bis zum Sommer 1937 im Eingangsbereich der Wetzlarer Synagoge, kam als Leihgabe in das Museum für Jüdische Altertümer in Frankfurt, wo es beim Novemberpogrom 1938 vermutlich vernichtet wurde.
 
 
      
Synagoge für Displaced Persons
 1945-1948/49  
Wetzlar Synagoge 127.jpg (52093 Byte)   
      Der Betraum 1947 mit Blick 
zum Toraschrein 
  
            
Die ehemalige Synagoge als 
Brauereilager 1949-1957
Wetzlar Synagoge 123.jpg (67355 Byte) Wetzlar Synagoge 124.jpg (59512 Byte)
     Die ehemalige Synagoge 
vor dem Abbruch 
In der ehemaligen Synagoge 1957. Im 
Betraum werden Bierkästen gelagert 
      
Wetzlar Synagoge 125.jpg (76950 Byte)  Wetzlar Synagoge 122.jpg (78687 Byte) Wetzlar Synagoge 126.jpg (52242 Byte)
Blick zur ehemaligen 
Frauenempore 
Blick nach Südwesten mit einem Teil der
 ehemaligen Frauenempore 
Zerstörter Leuchter 
über den Bierkästen 
      
     

Gedenken an die Synagoge in der Gegenwart   

  
Wetzlar Synagoge 185.jpg (78705 Byte) Wetzlar Synagoge 180.jpg (80235 Byte) Wetzlar Synagoge 183.jpg (100283 Byte)
Blick entlang der 
Pfannenstielgasse 
Gedenktafel für die Synagoge mit 
Darstellung des Gemäldes von ca. 1910 
Blick auf das Grundstück der Synagoge - 
an der Mauer die Gedenktafel 
     
Wetzlar Synagoge 182.jpg (77474 Byte)   Wetzlar Synagoge 190.jpg (42667 Byte)
 Unmittelbar gegenüber dem Synagogengrundstück ein "Stolperstein" für den
 Altwarenhändler Salomon Moses, der mit seiner nichtjüdischen Frau und zusammen 
sieben Kindern seit 1922 in der Pfannenstielgasse wohnte. Nach dem Novemberpogrom 
1938 kam Moses in das KZ Buchenwald, wo er am 26. Dezember 1938 ermordet wurde. 
Er war das erste jüdische Mordopfer aus Wetzlar. Am 22. Oktober 2009 wurde der 
erste "Stolperstein" für ihn verlegt.
Neue Gedenktafel für die Synagoge mit dem
 Text: "Hier stand seit 1756 die Synagoge der
 jüdischen Gemeinde Wetzlar. Nach Zerstörung
 der Inneneinrichtung am 9. November 1938 
im Kriege benutzt als Lager für französische Kriegsgefangene. Wieder hergerichtet 1945 
für die in DP-Lagern lebenden Juden bis zu 
ihrer Abwanderung"  
  
      

    

Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  

Juli 2010: Rundgang auf den Spuren der jüdischen Geschichte   
Artikel (ür) in der "Gießener Allgemeinen" vom 8. Juli 2010 (Artikel): "Porezag beleuchtet Leben und Leiden der Wetzlarer Juden
Wetzlar
(ür). Das Leben und Leiden der Wetzlarer Juden hat der Historiker Karsten Porezag bei einer Führung durch die Altstadt beleuchtet. 
Der Referent startete am Steighausplatz, wo die fast zweistündige Veranstaltung mit einem Rundgang auf dem jüdischen Friedhof begann..."   
 

  

Video bei youtube.com zur Gedenkstunde 2010 an die Pogromnacht 1938 in Wetzlar Teil 1 
  
    

Teil 2:   
   
  

  

Dezember 2013: Die Verlegung weiterer "Stolpersteine" ist geplant - es werden Paten gesucht    
Pressemitteilung der Stadt Wetzlar vom 15. Dezember 2013: "Stadt sucht Paten für "Stolpersteine". 22 neue Erinnerungen geplant
Wetzlar. Sechs so genannte Stolpersteine erinnern schon jetzt an das Schicksal von Wetzlarer Juden im Dritten Reich. Jetzt sollen weitere Gedenksteine hinzukommen.
Nach dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung im November zur Verlegung weiterer 'Stolpersteine' zum Gedenken an jüdische Bürger Wetzlars, die während der nationalsozialistischen Diktatur ermordet wurden, ruft die Stadt Wetzlar ihre Bürger und Organisationen zu Patenschaften für einzelne Stolpersteine auf. Wer das sein möchte, übernimmt die Kosten von etwa 120 Euro pro Stein. Insgesamt sollen 22 weitere Stolpersteine im Bereich der Altstadt und des Karl-Kellner-Rings verlegt werden.
2009 wurden von dem Kölner Künstler Gunter Demnig bereits sechs Gedenksteine in der Altstadt vor den ehemaligen Wohnhäusern ermordeter Bürger in das Pflaster eingesetzt. Interessenten werden gebeten, sich mit dem Büro des Magistrats in Verbindung zu setzen: Ernst-Leitz-Straße 30, 35578 Wetzlar, Telefon (06441) 991055, E-Mail: magistratsbuero(at)wetzlar.de."   
 
 


     

Links und Literatur

Links:  

Website der Stadt Wetzlar   
Informationen zu den "Stolpersteinen" in Wetzlar  

Literatur:  

Germania Judaica Bd. II,2 S. 882-885; III,2 S. 1593-1595.   
Karl Watz: Geschichte der jüdischen Gemeinde in Wetzlar von ihren Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Veröffentlichungen des Wetzlarer Geschichtsvereins Heft 22. Wetzlar 1966. 
Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. 2 S. 365-380.   
ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente. S. 198-200. 
Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 91-92.
dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 91-92.  
dies.: Neubearbeitung der beiden Bänden. 2007. S. 223.    
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 121-125.
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 479-481.     
Wetzlar Buch 02.jpg (32081 Byte)Karsten Porezag: ...dann müssen die Steine reden! Die Wetzlarer Synagogen, die Mikwe und die jüdischen Friedhöfe in neuerer Zeit. Schriften zur Stadtgeschichte - Sonderausgabe. Hg. von Magistrat der Stadt Wetzlar. 2004. 20072   
Vorwort zum Buch online
    Website von Karsten Porezag
Wetzlar Buch 03.jpg (33818 Byte)ders.: Als aus Nachbarn Juden wurden. Die Deportation und Ermordung der letzten Wetzlarer Juden 1938-1943/45. 2006.   
Website von Karsten Porezag
 
Wetzlar Lit 018.jpg (25128 Byte)ders.: Ernst Leitz aus Wetzlar und die Juden - Mythos und Fakten. Zur Emigration deutscher Juden 1933-1941. Wetzlar 2009.   
Simon Becker/Marco Pfeiffer/Laura Triller: Geschichte der Juden in Wetzlar. Online zugänglich.  
Monica Kingreen: Die gewaltsame Verschleppung der Juden aus den Dörfern des Kreises Wetzlar und aus der Stadt Wetzlar, in: Mitteilungen des Wetzlarer Geschichtsvereins, 41. Band, Wetzlar 2003, S.167-199. 

   
    


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Wetzlar Hesse-Nassau. The medieval Jewish community, established around 1295, fell victim in September 1348 to the Black Death massacres. Jews returned in 1360 an once again (after banishment) in 1604. A 1626 law restricted their number to 12 families, but in return for paying heavy taxes they obtained freedom of worship and other concessions. Some engaged in the cattle trade and later owned stores or entered the professions. Wealthy Court Jews who moved elsewhere often adopted Wetzlar as their surname: Karl Abraham Wetzlar, an 18th century apostate, founded the Wetzlar von Plankenstern dynasty in Vienna. The community built a new and larger synagogue in 1756, affiliated itself with the rabbinate of Marburg in 1815, and numbered 210 (3 % of the total) in 1880. By 1933 the Jewish property had declined to 132, excluding members from Ehringshausen and other villages. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the interior of the synagogue was destroyed. Altogether, 41 Jews from the district emigrated and 68 perished in the Holocaust. Jewish displaced Persons made temporary use of the synagogue after Worldwar II. 
   
     

                   
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Stand: 03. Juni 2015