Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Bingen am Rhein (Rheinland-Pfalz) 
Jüdischer Friedhof  
 
 Bitte besuchen Sie auch die Website des Arbeitskreises Jüdisches Bingen www.juedischesbingen.de   
  

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde            
    
Siehe Seite zur jüdischen Geschichte / Synagoge in Bingen (interner Link)    
   
   
Zur Geschichte des Friedhofes (nach der Darstellung von Josef Götten, Arbeitskreis "Jüdisches Bingen")       
    
Die mittelalterliche jüdische Gemeinde in Bingen hatte noch keinen eigenen Friedhof. Wie auch die Rheingauer Juden brachten die Bingener ihre Verstorbenen auf den Friedhof in Mainz.       
    
Ein jüdischer Friedhof in Bingen wurde erst in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts angelegt. 1570 hatte die jüdische Gemeinde ein kleines Gelände am Berghang zwischen Wald und Weiden weit außerhalb der Stadtmauer als Begräbnisstätte erworben. Nach dem 1789 angelegten Memorbuch der Gemeinde wurde bereits 1562 eine erste Beisetzung vorgenommen. Der Eingang zu diesem Friedhof befand sich in der Süd-Ost-Ecke; das zugemauerte Tor ist noch erkennbar. Der älteste Teil des Friedhofs liegt im Osten des 265 m langen, aber unterschiedlich breiten Grundstückes. Da er auch von den umliegenden Gemeinden zur Bestattung benutzt wurde und die Zahl der jüdischen Einwohner in Bingen in der Neuzeit stetig wuchs, waren im Laufe der Zeit Veränderungen und Erweiterungen erforderlich. So wird vermutet, dass der alte Teil, der 610 Grabsteine aufweist, wenigstens einmal aufgeschüttet und aufs neue benutzt worden ist. Die Unregelmäßigkeit der Umfassungslinie deutet auf verschiedene Erweiterungen durch Ankäufe von Nachbargelände hin. Die Grabsteine des alten Teiles, die ohne erkennbare Ordnung unter hohen Bäumen und Gestrüpp stehen oder liegen, sind durchweg aus Sandstein gehauen und ziemlich gleich im Aussehen. Die oft den ganzen Stein einnehmenden Inschriften sind in hebräischer Schrift eingemeißelt. Die Gräber sind und waren nicht eingefasst, sondern eingeebnet. Der heutige Eingang liegt auf der Schnittlinie zwischen dem östlichen älteren Teil und dem westlichen neueren Teil, der 1856 angelegt worden ist. Man betritt zunächst eine Plattform mit einer niedrigen Umfassungsmauer, den Resten der 1878 errichteten und 1970 abgetragenen Trauerhalle. An der Wand hinter der Eingangstür befindet sich das Waschbecken mit Wasserhahn zur rituellen Reinigung nach dem Besuch des Friedhofs. Der neuere Teil hat einen ganz anderen Charakter; er gleicht in vielem einem christlichen Friedhof: Gerade Grabreihen mit Einfassungen und den unterschiedlichsten Grabmonumenten. In der Süd-West-Ecke des Friedhofsareals befindet sich - etwas höher gelegen - seit 1872 der Friedhof der jüdisch-orthodoxen Gemeinde. Bis 1925 war dieser Bereich durch eine Mauer abgetrennt. 
   
Trotz wiederholter Schändungen ist der jüdische Friedhof in Bingen im Laufe der Jahrhunderte einschließlich der NS-Zeit einer Verwüstung, Enteignung oder dem Zwangsverkauf mit Abräumung der Grabsteine entgangen. Mit seinen über 1.000 Grabsteinen ist er einer der bedeutendsten jüdischen Friedhöfe in Rheinland-Pfalz. Die Friedhofsfläche umfasst 93,27 ar. 
   
   
   
Aus der Geschichte des Friedhofes  
Schändung des Friedhofes (1905)
    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Mai 1905: "Ein Bubenstück wurde kürzlich in Bingen verübt, indem auf dem am Rochusberg gelegenen Friedhof der israelitischen Religionsgemeinde an mehreren Grabsteinen die Urnen abgehoben und weggeworfen wurden."   

    
Schändung des Friedhofes (1926)   

Mitteilung der der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins) vom 28. Januar 1927: "24. Dezember 1926. Bingen. Auf dem jüdischen Friedhof wurden Grabdenkmäler umgestürzt, Bronzestücke und Bronzeplatten abgeschlagen und mitgenommen."   
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 8. Juli 1927: 
"Tafel der Schmach - 39 jüdische Friedhöfe in Deutschland geschändet.  
Berlin.
(J.T.A.) 'Der Schild', Zeitschrift des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten, bringt unter der Überschrift 'Tafel der Schmach' ein Verzeichnis von 39 Friedhofschändungen, die sich von November 1923 bis Mai 1927 in Deutschland ereignet haben. Hier die Namen der Orte und die Daten:  
1. Sandersleben (November 1923), 2. Schneidemühl (Januar 1924), 3. Sandersleben (März 1924), 4. Rhoden, 5. Wolfhagen - Hessen (April 1924), 6. Ribnitz / Mecklenburg (Mai 1924), 7. Villing (Juli 1924), 8. Regensburg (August 1924), 9. Hemer (November 1924), 10. Hersfeld (November 1924, 11. Kleinbardorf bei Königshofen, 12. Binswangen Bez. Augsburg (Juni 1924), 13. Hagen i.W. (Juni 1924), 14. Göttingen (August 1924), 15. Beverungen (Dezember 1924), 16. Köthen (Mai 1925), 17. Plauen i.V. (Juni 1924), 18. Alsbach a.d. Bergstraße, 19. Hockenheim / Baden (Januar 1925), 20. Löwenberg (Februar 1926), 21. Pflaumloch (März 1926), 22. Erfurt (März 1926), 23. Callies (April 1926), 24. Memmelsdorf / Oberfranken (Main 1926), 25. Altdamm/Pommern (Oktober 1926), 26. Breslau (Dezember 1926), 27. Bingen (Dezember 1926), 28. Ermetzhofen / Mittelfranken (Dezember 1926), 29. Kuppenheim / Baden (Januar 1927), 30. Kerpen / Rheinland (März 1927), 31. Neviges / Regierungsbezirk Düsseldorf (März 1927), 32. Hillesheim / Rheinhessen (April 1927), 33. Moers (April 1927), 34. Krefeld (April 1927), 35. Richelsdorf / Bezirk Kassel (April 1927), 36. Ansbach (April 1927), 37. Regensburg (Mai 1927), 38. Aufhausen bei Bopfingen (Mai 1927), 39. Rülzheim / Rheinpfalz (Mai 1927)."  

   
   
Lage des Friedhofes     
   
Am Fuß des Rochusberges oberhalb des kommunalen Friedhofes, erreichbar über die Waldstraße. 
  
Link zu den Google-Maps   
  

Größere Kartenansicht  
   
   
   
Plan 
(Fotos: Wolfgang Peters, Quelle: Arbeitskreis "Jüdisches Bingen")

Bingen Friedhof 010.gif (9382 Byte)
Plan des Friedhofes  

     
     
Fotos: 
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 30.3.2005; 
Hinweis: zahlreiche Fotos finden sich auch in den Fotoseiten von Stefan Haas http://www.blitzlichtkabinett.de/friedhofs-fotografie/friedhöfe-in-rlp-ii/

Bingen Friedhof 211.jpg (88175 Byte) Bingen Friedhof 212.jpg (82276 Byte) Bingen Friedhof 214.jpg (85180 Byte)
Zugemauerter Zugang zum alten Teil des Friedhofes   
   
Bingen Friedhof 213.jpg (92286 Byte) Bingen Friedhof 210.jpg (92059 Byte) Bingen Friedhof 215.jpg (87996 Byte)
Im alten Teil des Friedhofes - völlig zugewachsen 
 
Bingen Friedhof 209.jpg (65445 Byte) Bingen Friedhof 208.jpg (66688 Byte) Bingen Friedhof 202.jpg (79220 Byte)
Das bis heute 
benutzte Eingangstor 
Im Eingangsbereich befindet sich ein
 Waschbecken; gleichfalls einige Steine 
aus der 1938 zerstörten Synagoge
  
 
     
Bingen Friedhof 207.jpg (74145 Byte) Bingen Friedhof 206.jpg (79423 Byte) Bingen Friedhof 205.jpg (76043 Byte)
Vom Friedhof aus Blicke über die Altstadt von Bingen    
   
Bingen Friedhof 204.jpg (83411 Byte) Bingen Friedhof 200.jpg (76021 Byte) Bingen Friedhof 201.jpg (86562 Byte)
Teilansichten des neueren Friedhofteiles 
 
  Bingen Friedhof 203.jpg (88715 Byte)  
  Rechts ein neues Grab von 2004   
     
     
Der Friedhof im Oktober 2011 
(Fotos wurden zur Verfügung gestellt von Mike Simons, Tucson, Arizona/USA; 
Album "Rosenau visit to Bingen & Gensingen"; picasaweb-Album
 
Bingen Friedhof 280.jpg (197228 Byte) Bingen Friedhof 287.jpg (256757 Byte) Bingen Friedhof 285.jpg (194821 Byte)
Angehörige / Nachkommen der Familie Simon in Gensingen und Bingen 
besuchen den Friedhof 
Blick vom Friedhof 
auf Bingen 
     
  Bingen Friedhof 281.jpg (175388 Byte) Bingen Friedhof 286.jpg (243550 Byte)
  Teilansicht 
des Friedhofes 
Reste der 1970 
abgebrochenen Trauerhalle 
        
Bingen Friedhof 284.jpg (118260 Byte) Bingen Friedhof 282.jpg (118334 Byte) Bingen Friedhof 288.jpg (119530 Byte)
Grabstein für Eva Simon geb. Simon
 (1826-1895) und Sigmund Simon 
(1819-1897) 
Grabstein von Seligmann 
und Henriette Simon
 
Grabstein von Elias Simon und 
Lisa Simon geb. Wolff
 
      
     
  Bingen Friedhof 283.jpg (143395 Byte)  
  Grabstein für Isaak und Jettchen Simon   
     

                 
                 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte        

August 2018: Über den jüdischen Friedhof Bingen als den ältesten Friedhof der Stadt
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 14. August 2018: "Der jüdische Friedhof in Bingen ist der älteste der Stadt
Nicht nur der älteste Friedhof der Stadt, sondern mit 1000 erhaltenen Grabsteinen auch einer der größten in Rheinland-Pfalz: Wissenswertes zum jüdischen Friedhof in Bingen
BINGEN -
Bereits seit dem Mittelalter hat es in Bingen jüdische Bevölkerung gegeben, die erste schriftliche Erwähnung ist aus dem Jahr 1160. Rund 400 Jahre lang mussten die Verstorbenen zur Bestattung nach Mainz gebracht werden bis die jüdische Gemeinde 1570 am Rochusberg ihren Friedhof erwarb. Damit ist er der älteste Friedhof in Bingen. In der Publikationsreihe des Arbeitskreises Jüdisches Bingen (AKJB), heißt es in Band eins, 'Zur Geschichte des jüdischen Friedhofs' von Dr. Josef Götten, Seite 62: 'Der älteste heute noch lesbare Grabstein stammt aus dem Jahre 1602 und wurde für den verdienstvollen Gemeindevorsteher Hirz Bing gesetzt.' Aufgrund der Lage der Umfassungslinie ist zu vermuten, dass der Friedhof mehrfach erweitert wurde, auch eine Aufschüttung hat wohl stattgefunden.
Neuerer Teil ähnelt christlichem Friedhof. Auch heute ist am Eingang noch ein Waschbecken vorhanden, damit sich die Gläubigen nach dem Besuch der rituellen Reinigung unterziehen können.
Mit seinen rund 1000 erhaltenen Grabsteinen gehört er zu den größten in Rheinland-Pfalz. 880 Inschriften sind in der Epigraphik-Datenbank des Steinheim-Instituts verzeichnet. Im älteren Teil liegen oder stehen die meist aus Sandstein gehauenen Grabsteine ohne erkennbare Grundordnung und die eingemeißelte Schrift ist hebräisch. Der neuere Teil ähnelt einem christlichen Friedhof, die Grabreihen sind gerade, die Gräber eingefasst und die Inschriften sind in deutscher Sprache (lateinische Buchstaben) und nur teilweise mit hebräischen Zusätzen und jüdischen Symbolen, wie beispielsweise die segnende Hände, die auf die Abstammung von den Geschlechtern der Kohanim zurückgehen, versehen. Der Friedhof wird von der jüdischen Gemeinde noch genutzt, die letzte Beerdigung war im Jahr 2014. Auch ist er der letzte Ruheplatz von Dr. Isaak Ebertsheim, dem einzigen jüdische Ehrenbürger der Stadt Bingen (gestorben 1901).
Jüdische Gemeinde in Mainz ist Eigentümer. Heute ist die jüdische Gemeinde in Mainz Eigentümer des jüdischen Friedhofs, die Stadt Bingen hat den Pflegeauftrag übernommen. Der Friedhof ist außer an Samstagen und hohen jüdischen Feiertagen zugänglich. Bei männlichen Besuchern ist eine Kopfbedeckung erwünscht. Früher gab es wohl auch in Büdesheim einen jüdischen Friedhof, so kann man in 'Büdesheim am Scharlachberg – eine Orts- und Zeitgeschichte' von Joseph Trablé auf Seite 65 nachlesen: 'Die Juden besaßen von jeher ihre eigene Schule in der Hintergaß, auch einen besonderen Friedhof. 1589 ist ihnen als Begräbnisplatz eine ,Wüstenfeldung, nicht weit von Büdesheim nach Dietersheim, gelegen, auf dem Hundert genannt‘ vom Stephansstift und der Gemeinde überlassen worden.'
Auch in Dromersheim und Gaulsheim gibt es noch zwei kleine jüdische Friedhöfe. Die Literatur über den Gaulsheimer Friedhof (In der Riedgewann/Hinter dem Wasserwerk) sagt Folgendes: 'Vermutlich in der zweiten Hälfe des 19. Jh. weitab östlich des Dorfes an der Gemarkungsgrenze mit Gau-Algesheim an einem Feldweg auf einem längsrechteckigen Areal angelegt. Nur noch drei teilweise verwitterte Grabmäler aus Sandstein, das älteste von 1894, erhalten. Einfache Stelen mit Stilmerkmalen des Historismus. Die Inschriften hebräisch. Das Geschichtsdenkmal stellt die einzige anschauliche Erinnerung an die kleine jüdische Gemeinde dar, die 1861 ca. 20 Personen umfasste.' (Aus: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz – Mainz-Bingen 18.1.)"    
 
April 2019: Der Oberbürgermeister Bingens besucht den jüdischen Friedhof 
Artikel von Christine Tscherner in der "Allgemeinen Zeitung" vom 12. April 2019: "Bingen. Binger Oberbürgermeister besichtigt jüdischen Friedhof
Der jüdische Friedhof sei ein wichtiger Teil der Binger Kulturgeschichte. Nachfahren gehen oft auf Spurensuche nach ihren Wurzeln.
BINGEN -
Ein 40 Meter langes Holzgeländer wurde ersetzt. Eigentlich keine große Sache. Aber der besondere Ort lässt die Gruppe größer als vermutet anschwellen: Oberbürgermeister Thomas Feser lud zum Vor-Ort-Termin auf den jüdischen Friedhof. Moos auf den Gräbern, tiefe Ruhe, efeuumrankte Wege und verwitterte Steine. Der jüdische Friedhof oberhalb des Waldfriedhofs strahlt diesen ganz besonderen Lost-Places-Charme aus. Vergessen? Nein, für das Erinnern sorgen vor allem der Arbeitskreis Jüdisches Bingen und ganz handfest die städtischen Friedhofsmitarbeiter. 'Der Löwenkopf und die Gesetzestafeln sind wieder sichtbar', lobt Hermann-Josef Gundlach vom Arbeitskreis die Putzarbeit. Wucherndes Grün wurde gestutzt, Graffiti entfernt, Wege neu gesplittet. Weil ein hölzernes Geländer im Hanggrundstück abzukippen drohte, wurde es ausgetauscht. 'Das Geländer musste aus Gründen der Verkehrssicherheit ersetzt werden', erklärt Feser. 90 Prozent der Kosten übernahm die Trierer Aufsichtsbehörde. 'Es geht nicht um Blümchendekor, sondern um den Erhalt eines wichtigen Teils der Binger Kulturgeschichte', unterstreicht Professor Dieter Bingen, Kölner Politikwissenschaftler und Zeithistoriker. Sein Nachname ist Programm. Er ordnet ein: 'Bingen hat den größten und wichtigsten jüdischen Friedhof in der Region.' Ja, sogar in der Reihe der drei Schum-Städte Speyer, Worms und Mainz sieht er Bingen.
Seit dem Mittelalter lebten kontinuierlich Menschen jüdischen Glaubens in Bingen. Und zwar viele und häufig an prägender Stelle von Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Arbeitskreis Jüdisches Bingen erinnert mit seinen Veranstaltungen regelmäßig an die einst bedeutende jüdische Bürgerschaft. Nach Recherche des Vereins wohnten im Jahr 1900 insgesamt 713 jüdische Einwohner in der Rhein-Nahe-Stadt – acht Prozent der Bevölkerung. 1943 war die Gemeinde ausgelöscht - nach Deportationen, Flucht und Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten. Die prächtige Synagoge war zerstört. Löwenkopf und Tafeln am Friedhofseingang waren einst Teil der Immobilie an der Rochusstraße. Mit Stolpersteinen, Kontaktpflege zu Nachfahren und Vorträgen versucht der Verein, Brücken zu bauen und gegen das Vergessen zu arbeiten. 'Regelmäßig suchen Nachfahren auf dem jüdischen Friedhof nach ihren Wurzeln', weiß Gundlach. Ein Flyer mit Belegplänen der insgesamt fast 1000 Grabstellen erleichtert die Spurensuche.
Neu: Eine engagierte Schülergruppe an der Rochus-Realschule plus um Lehrer Marcel Griesang hat sich der jüdischen Stadtgeschichte angenommen. Die Schüler haben alle in Bingen verlegten Stolpersteine gereinigt. Sie bieten Hilfe für die Friedhofspflege an. Dank an alle Engagierten, das ist Feser beim Vor-Ort-Termin wichtig. Eine Anregung der Jüdischen Kultusgemeinde Mainz als Eigentümer des Friedhofs nimmt der Stadtchef mit: Am Eingang des Hisselwegs sollen Tafeln auf die Geschichte des Judentums in Bingen, ihre Bedeutung und die Besonderheit des Friedhofs aufmerksam machen. Der Jüdische Friedhof ist zwar abgeschlossen, der Schlüssel kann jedoch immer (außer am Sabbat und Feiertagen) kostenfrei am Friedhofsamt entliehen werden. Die Bundesrepublik hat sich auf ewigen Erhalt der jüdischen Friedhöfe verpflichtet, weil Nachkommen zur Pflege vor Ort fehlen." 
Link zum Artikel   
 

September 2019: Schüler der Rochus-Realschule plus säubern Grabsteine im jüdischen Friedhof                                       

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 27. September 2019: "Bingen: Schüler säubern Grabsteine auf jüdischem Friedhof
BINGEN - (red). 'Es ist nicht selbstverständlich, dass ihr hier die Grabsteine säubert, umso mehr gebührt euch Dank dafür', sagt Oberbürgermeister Thomas Feser bei seinem Besuch auf dem jüdischen Friedhof. Zwölf Schüler der Rochus-Realschule plus beschäftigen sich im Rahmen eines aktiven Arbeitskreises gemeinsam mit ihrem Lehrer Marcel Griesang mit den Schicksalen der jüdischen Bevölkerung. Nun haben sie bei einem ersten Vor-Ort-Termin begonnen, die Grabsteine zu reinigen. Hermann-Josef Gundlach, Vorsitzender des Arbeitskreises Jüdisches Bingen sowie Marieluise Prass und Thomas Dahn vom Friedhofsamt unterstützen sie dabei.
'Der jüdische Friedhof in Bingen gehört mit seinen rund 1000 Grabstätten zu den größten in Rheinland-Pfalz. Ich freue mich sehr und bin dankbar, dass junge Menschen aus unserer Stadt sich auf diese Art und Weise mit unserer Geschichte auseinandersetzen', hebt der Oberbürgermeister hervor. "
Link zum Artikel   
 
Artikel von Marcel Griesang in der Website der Rochus-Realschule plus   
"Schüler säubern Grabsteine auf jüdischem Friedhof.
Zusammen mit Herrn Gundlach, vom Arbeitskreis jüdisches Bingen und ihrem Lehrer Herrn Marcel Griesang, haben Schüler der Geschichts-AG Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof der Stadt Bingen gereinigt. Bei ihrer Arbeit wurden sie von Mitarbeitern der Stadt Bingen unterstützt. Auch die Handschuhe und übrigen Gerätschaften wurden ihnen zur Verfügung gestellt.
Der Binger Friedhof wurde zum ersten Mal im Jahr 1570 urkundlich erwähnt und weist eine Gesamtlänge von 265 Metern auf. Hier befinden sich über 1000 Grabsteine. Der älteste heute noch lesbare Stein stammt aus dem Jahr 1602. Nachdem man den Friedhof im Jahr 1856 weiter nach Westen vergrößert hatte, wurde in diesem Bereich auch eine Trauerhalle gebaut. Die Spaltung der jüdischen Gemeinde in eine orthodoxe und eine eher liberale Glaubensgemeinschaft, führte auch in der Folge zur Anlegung eines eigenen orthodoxen Friedhofsteils im Süd-Westen. Dieser Bereich wurde sogar durch eine Mauer vom Rest der Anlage abgetrennt. Interessant dabei ist die Tatsache, dass die Mauer nach außen nicht durchgängig eine gewisse Höhe aufweist, sondern an einer Stelle nur etwa einen Meter hoch ist. Dieser Umstand ist damit zu erklären, dass vor allem orthodoxe Juden einen Friedhof nicht gerne betreten. Für sie ist es ein 'negativ' belasteter Ort. Um aber trotzdem bei Begräbnissen und zum Gebet diesen Ort aufzusuchen, wurde eine Möglichkeit geschaffen, von außerhalb wichtige Rituale in Sichtweite des Geschehens zu vollziehen.
Die Mauer auf dem Friedhof selbst wurde nach der Annäherung der beiden Gemeinden im Jahr 1925 wieder beseitigt. Man ging sogar dazu über, unterhalb des orthodoxen Friedhofsteils gemeinsame Bestattungen durchzuführen. Heute findet man eine weitere Ebene unter diesem Bereich, der noch heute für Bestattungen genutzt wird.
Die Schüler waren mit großem Interesse und Eifer bei der Arbeit. Besonderes Augenmerk zog ein Grab eines im 1. Weltkrieg eingesetzten Soldaten auf sich. Dieses Grab ziert eine Pickelhaube und der Name des damaligen Truppenteils des Soldaten. Der hier bestattete ehemalige Soldat, musste offensichtlich sehr stolz auf seinen Militärdienst in der damaligen kaiserlichen Armee gewesen sein. Zu dieser Annahme passt, dass sich viele ehemalige jüdische Soldaten bis zu ihrer Deportation 1942 beharrlich geweigert hatten Deutschland zu verlassen, da sie im 1. Weltkrieg für ihr Vaterland ihr Leben riskiert hatten. Jedoch hatten sie sich schon vor der Zeit des Nationalsozialismus Anfeindungen gefallen lassen müssen, da es schon kurz nach dem Ende des 1. Weltkriegs Untersuchungen gab, die belegen sollten, dass jüdische Soldaten sich vor dem Kriegsdienst gedrückt hätten. Natürlich führten diese Untersuchungen für ihre Initiatoren zu einem unbefriedigten Ergebnis.
Außerdem sahen die beteiligten Schüler bei ihrer Tätigkeit noch den Löwenkopf, der sich früher über dem Eingang der Synagoge in der Rochusstraße befunden hatte. Diesen hatten Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht 1938 abgeschlagen und im Anschluss die Synagoge geschändet. Bis heute liegt dieses Zeugnis der früheren jüdischen Gemeinde auf dem Friedhof im Bereich des Eingangs. Im Rahmen der Schulkooperation mit dem Arbeitskreis jüdisches Bingen werden sich Schüler der Geschichts-AG in regelmäßigen Abständen zusammen mit Mitarbeitern der Stadt um die Pflege des jüdischen Friedhofs kümmern und zum Erhalt dieses einmaligen Kulturgut beitragen."  
 
 Fotos von der Reinigungsaktion
auf dem Friedhof
(Quelle: Website der Rochus Realschule plus)
 

    

   

          
Links und Literatur

Link:    

bullet Website der Stadt Bingen am Rhein  
bullet Zur jüdischen Geschichte in Bingen siehe die Seiten des Arbeitskreises "Jüdisches Bingen"  
bulletZur Seite über die Synagogen in Bingen  (interner Link)       
bulletEpigraphische Datenbank des Steinheim-Institutes zum jüdischen Friedhof in Bingen  
bulletFotoseiten von Stefan Haas mit zahlreichen Fotos zum jüdischen Friedhof in Bingen in der Website:    
https://www.blitzlichtkabinett.de/friedhöfe/friedhöfe-in-rlp-v/   

Literatur

bulletGermania Judaica II,1 S. 82-85; III,1 S. 116-128 (Lit.). 
bullet Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. 1971 Bd. I, S. 75-79.  
bulletMartina Strehlen: Der jüdische Friedhof in Bingen und die Erfassung seiner Inschriften. In: SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Matthias Molitor und Hans-Eberhard Berkemann in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz. Erschienen im Verlag Matthias Ess in Bad Kreuznach. 5. Jahrgang, Ausgabe 2/95 S. 48-56. Beitrag online zugänglich (pdf-Datei).   
bullet Martina Strehlen/Dan Bondy: Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bingen und ihres Friedhofes. Ein edler Stein sei sein Baldachin. Jüdische Friedhöfe in Rheinland-Pfalz, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz 1996 S. 109-147.  

        
         

                   
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Stand: 15. Oktober 2013