Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Kirchhain mit Betziesdorf (Stadt Kirchhain, Kreis Marburg-Biedenkopf)
Jüdische Geschichte / Synagoge   

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Weitere jüdische Persönlichkeiten aus Kirchhain    
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen     
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen 
bullet Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  
bulletLinks und Literatur   

       

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)  
     
In Kirchhain bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16./17. Jahrhunderts zurück. Ende des 16. Jahrhunderts (1592) wird erstmals ein jüdischer Bewohner in der Stadt genannt, doch könnte es bereits im Mittelalter zu einzelnen Ansiedlungen gekommen sein. 1622 und 1643 waren drei beziehungsweise vier jüdische Familien in der Stadt; nach Ende des Dreißigjährigen Krieges waren es fünf Familien (1653/56; 1663 werden genannt: Jacob, Hirtz, Wolff, Isaac, Moses Witwe Sara). Damals gab es immer wieder erhebliche Spannungen zwischen jüdischen und christlichen Einwohnern, die sich an jüdischen Riten wie dem Schofarblasen entzündeten und erst durch das Eingreifen des Landgrafen beendet werden konnten.  

Im 18. Jahrhundert blieb die Zahl der jüdischen Einwohner relativ gering: 1732 6 jüdische Familien, 1786 5 Familien mit 27 Personen (5 Männer, 4 Frauen, 10 Söhne, 4 Töchter und 4 Mägde). Da Kirchhain Ende des 18. Jahrhunderts (1786) 1.528 Einwohner zählte, betrug der Anteil der jüdischen Einwohner an der Gesamtbevölkerung nur 2 %.   

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1811 sechs jüdische Familien (Familien von Markus Oppenheimer, Amschel Rothschild, Jakob Stilling, Amschel Metro, Jakob Paul Buchsbaum, Leo Epstein), 1827 42 jüdische Einwohner (2,6 % von insgesamt 1.600 Einwohnern), 1835 46, 1861 69 (2,8 % von 1.732), 1871 92 (5,4 % von 1.705), 1885 141 (8,2 % von 1.726), 1895 134 (6,8 % von 1.958), 1905 192 (8,2 % von 2.340), 1910 221 (9,1 % von 2.421). Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde in Amöneburg gehörten die hier noch lebenden jüdischen Personen auch zur Gemeinde in Kirchhain (1905 3, 1924 7 Personen).  

Die eigentliche Blütezeit der Gemeinde begann erst mit dem starken Zuzug aus umliegenden Landgemeinden seit den 1870er-Jahren. Innerhalb weniger Jahre eröffneten viele jüdische Familien Gewerbebetriebe, Handlungen und Läden, die von großer Bedeutung für die damalige wirtschaftliche Entwicklung der Stadt waren (Viehhandlungen, Futtermittel- und Düngemittelhandlungen, Fell- und Darmhandlungen, Textilhandlungen, Holzhandlungen u.a.m.). Besondere Bedeutung hatte der Viehhandel: Ende des 19. Jahrhunderts wurden zu den Viehmärkten in der Stadt bis zu 1.000 Tiere angeboten. Aus kleinen Textilhandlungen wurden schließlich die Kaufhäuser Katten und L. Plaut, die insbesondere bei Landestrachten eine führende Position hatten. Die Holzhandlung Z. Stern belieferte die Schreinermeister in weitem Umkreis.   
  
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Israelitische Elementarschule, ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war, zeitweise war ein zweiter Lehrer angestellt, der diese Aufgaben übernahm (vgl. Ausschreibung der Stelle von 1879 s.u.). Die Israelitische Elementarschule bestand seit etwa 1835. Sie wurde auch von den Kindern aus Amöneburg besucht. 1869 waren 18 Kinder zu unterrichten. Der damalige Lehrer war (bereits seit 1835) David Lissard. 1874 wurde er von Victor Bachenheimer abgelöst, der zeitweise bis zu 36 Kinder unterrichtete (1875; weitere Zahlen: 1883 22, 1893 30, 1898 15 und 1908 24 Kinder). Lehrer Bachenheimer trat 1912 in den Ruhestand; er starb 1934 und wurde im jüdischen Friedhof Kirchhain beigesetzt. 1918 wurde die Israelitische Elementarschule aufgelöst. Danach bestand noch eine Religionsschule der Gemeinde. Von 1912 bis 1934 war Markus Rapp als Religionslehrer tätig, danach möglicherweise noch Lehrer Edwin Seelig (zuvor in Hungen, vgl. Presseartikel unten).      
Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Oberhessen mit Sitz in Marburg.   
 
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Hermann Bachenheimer (geb. 12.2.1875 in Kirchhain, gef. 21.3.1917), Arthur Höxter (geb. 20.4.1896 in Kirchhain, gef. 23.2.1918), Julius Höxter (geb. 24.3.1894 in Kirchhain, gef. 9.2.1915), Herbert Kugelmann (geb. 10.6.1886 in Kirchhain, gef. 8.8.1915), Ludwig Rothschild (geb. 5.11.1892 in Kirchhain, gef. 2.7.1916), Israel Stern (geb. 24.6.1886 in Jesberg, gef. 16.6.1915) und Meier Stern (geb. 3.3.1888 in Niederurff, gef. 25.9.1915). In den Vereinen der Stadt (Turn- und Radfahrerverein, Gesangverein, Kriegerverein, Feuerwehr) und städtischen Gremien waren jüdische Einwohner über mehrere Jahrzehnte engagierte Mitglieder.
 
Um 1924, als 189 jüdische Einwohner gezählt wurden (7,1 % von insgesamt 2.648), waren die Gemeindevorsteher Moritz Blumenfeld und Siegmund Stern. Als Lehrer und Kantor an der Israelitischen Volksschule (zuletzt noch fünf Schüler) war Lehrer Markus Rapp tätig. Er erteilte auch 17 Kindern an den öffentlichen Schulen der Stadt den Religionsunterricht. 1932 waren die Gemeindevorsteher Siegmund Stern (1. Vors.) und Leopold Jacob (2. Vorsitzender). Als Schriftführer und Schmatzmeister fungierte Lehrer Markus Rapp. An jüdischen Vereinen bestanden insbesondere drei Wohlfahrtsvereine: die Chevras Gemilus Chasodim (1932 Vorsitzender Moses Heilbrunn, Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger), die Chevras Anoschim (1932 Vorsitzender Wolf Kugelmann, Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger), der Israelitische Frauenverein (1932 Vorsitzende Frau von Jakob Haas, Zweck und Arbeitsgebiet: Hilfe bei Krankheits- und Sterbefällen, Unterstützung Bedürftiger, 1932 62 Mitglieder). Lehrer Rapp unterrichtete 1932 20 Kinder der Gemeinde in Religion.    
 
1933 lebten noch etwa 38 jüdische Familien sowie 36 Einzelpersonen in der Stadt (zusammen etwa 200 Personen). In den folgenden Jahren ist ein großer Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Mindestens 43 Personen konnten in die USA emigrieren, 7 nach Südamerika, 10 nach Palästina, 10 nach England, einzelne nach Frankreich, Belgien/Holland/Luxemberg, Italien und in die Schweiz. Von denen, die in andere deutsche Orte verzogen sind, sind etwa 30 nach Frankfurt am Main. Unter ihnen war Lehrer Markus Rapp, der 1937 in Frankfurt verstarb, jedoch in Kirchhain beigesetzt wurde (siehe Bericht unten). Letzter Lehrer der Gemeinde war Ludwig Steinhauer (geb. 1879 in Hungen, gest. 1970 in Kilchberg bei Zürich), der 1939 mit seiner aus Kirchhain stammenden Ehefrau Paula geb. Stern aus Deutschland emigrierte. Beim Novemberpogrom 1938 ist der Innenraum der Synagoge völlig zerstört (s.u.) worden. Die örtliche SS überfiel mehrere Wohnung jüdischer Familien. Dabei wurden insbesondere der Viehhändler Adolf Wertheim und der bei ihm angetroffene Amöneburger Siegfried Stern brutal zusammengeschlagen.
Zu diesem Vorfall gab es ein Nachspiel vor dem Kasseler Gaugericht der NSDAP. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, 'Juden in besonders roher Weise misshandelt zu haben'. Am 17. März 1939 befand das Gericht in seinem Freispruch, dass sie bloß 'im gebilligten Rahmen dieser Aktion gegen die Juden gehandelt' hätten und 'grobe Misshandlungen, insbesondere absichtliche von Frauen und Kindern', nicht vorgekommen seien. Erst 1954 wurden einige der Pogromtäter verurteilt.      
   
Von den in Kirchhain geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):   Ludwig Abt (1904), Maria Abt geb. Waiter (1895), Thekla Adler (1891), Martha Bachenheimer geb. Rothschild (1895), Siegfried Bachenheimer (1900), Hermann Blumenfeld (1874), Julius Blumenfeld (1885), Karoline (Käte) Blumenfeld (1910), Meier Max Blumenfeld (1879), Salli Blumenfeld (1878), Georg Dimentstein (1897), Lina Elsoffer geb. Nussbaum (1859), Berta Fernich geb. Blumenfeld (1876), Adolf Grünebaum (1870), Rosalie Grünebaum (1875), Dora Haas geb. Blumenfeld (1869), Jacob Haas (1880), Jenny Haas geb. Strauß (1875), Lina Haas geb. Adler (1885), Martin Jakob Isaak (1920), Bertha Isenberg geb. Katten (1861), Leopold Jacob (1884), Ida Jette Jonas (1890), Moritz Kadden (1881), David Kaufmann (1879), Rosa Klein geb. Stern (1861), Meta Krämer geb. Stern (1904), Hedwig Less geb. Rothschild (1887), Hannelore Levy (1924), Toni Levy geb. Nussbaum (1874), Bertha Lomnitz geb. Stern (1880), Siegmund Lomnitz (1874), Auguste Natt geb. Strauss (1874), Berta Plaut geb. Moses (1880), Bella Reich geb. Rothschild (1891), Rosa Rothschild geb. Rulf (1878), Toni Rudolph geb. Abt (1898), Moritz Rülf (1888), Fanny Schaumberg geb. Heilbrunn (1882), Hermann Schaumberg (1865), Sara Schaumberg geb. Schaumberg (1868), Siegmund Schaumberg (1891), Bettina Schulhaus geb. Bachenheimer (1898), Hannchen Sondheimer (1885), Paula (Bella) Speier geb. Kadden (1888), Betty Stern (1878), Harry Stern (1906), Karl Stern (1878), Louis Stern (1885), Sally Stern (1887), Berta Strauß geb. Lion (1888), Johanna Strauß geb. Lomnitz (1885), Moritz Strauß (1882), Herta Verständig geb. Bachenheimer (1905), Flora Voos geb. Rothschild (1899), Adolf Wertheim (1893), Betty Wertheim geb. Siesel (1902), Hedwig Wertheim (1894), Julie (Ingeborg, Inge) Wertheim (1931), Karola Wertheim (1932), Manfred Wertheim (1924), Martin Wertheim (1927), Sannchen Wertheim geb. Edelmuth (1860), Eva Woythaler geb. Michel (1873), Minna Ziegelstein geb. Isenberg (1885), Sally Ziegelstein (1881), Bella Ziekenoppasser geb. Jacob (1912).      
  
Von den in Betziesdorf geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emilie Braunsberg geb. Stern (1892), Moses Stern (1860).   
         

Kirchhain FrfIsrFambl 26111909.jpg (54102 Byte)Hinweis: bei Recherchen unter dem Namen "Kirchhain", auch unter den Listen der Umgekommenen der Shoa in oben genannten Quellen ist zu beachten, dass es ein weiteres Kirchhain mit einer jüdischen Gemeinde gegeben hat, die heutige Stadt Doberlug-Kirchhain im Landkreis Elbe-Elster in Brandenburg. Zur Unterscheidung vom hessischen Kirchhain wurde in historischen Quellen - wie auch in der Anzeige der jüdischen Buchdruckerei Max Schmersow aus dem "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. November 1909 - das andere Kirchhain gewöhnlich als "Kirchhain N.-L." beziehungsweise "Kirchhain - Niederlausitz" bezeichnet. 

      
      
      
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
     
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibung der Stelle des Hilfslehrers / Vorbeters / Schochet 1879  

Kirchhain Israelit 27081879.jpg (56320 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1879: "Kirchhain, Regierungs-Bezirk Kassel. Die Hilfslehrer- und Vorsängerstelle der hiesigen Synagogengemeinde wird mit dem 1. Oktober dieses Jahres vakant. Das Einkommen derselben beläuft sich ohne freie Wohnung beziehungsweise Mietentschädigung und nicht unbedeutendem Nebeneinkommen vorläufig auf Mark 700 fixem Gehalt. Meldungen mit beigefügten Zeugnissen sind portofrei zu richten an den Gemeindeältesten Strauß."

 
Hinweis auf Lehrer David Lissard 

Lehrer David Lissard stammte aus Rhina. Er war zunächst Lehrer in Amöneburg und ab 1835 bis 1874 in Kirchhain
Sein Sohn Moses Lissard (geb. 1835 noch in Amöneburg) war der erste Vertreter einer bekannten jüdischen Medizinerfamilie in Frankenberg, dazu: Horst Hecker: Jüdische Ärzte in Frankenberg. Online zugänglich auf der Website des Geschichtsvereins Frankenberg.

  
Lehrer Victor Bachenheimer tritt in den Ruhestand (1912)        

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 9. August 1912: "Kirchhain. Am 1. Oktober (1912) tritt Lehrer V. Bachenheimer nach 46-jähriger Tätigkeit - wovon 41 Jahre in unserer Stadt - in den Ruhestand. Durch sein friedliches, ruhiges Wesen war er allgemein beliebt und hochgeschätzt."          

    
Lehrer Victor Bachenheimer wird ausgezeichnet (1912)    

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. Oktober 1912: "Kirchhain. Aus Anlass seines Übertritts in den Ruhestand wurde Lehrer V. Bachenheimer der Adler der Inhaber des Königlichen Hausordens von Hohenzollern verliehen und von Landrat von Gilsa feierlichst überreicht. Die Gemeinde ließ durch Gemeindeältesten D. Strauß eine goldene Uhr mit Kette übergeben und veranstaltete eine Abschiedsfeier."          

 
Lehrer Markus Rapp wechselt von Merzhausen nach Kirchhain (1912)     

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom  18. Oktober 1912: "Merzhausen. Lehrer M. Rapp dahier wurde von der Gemeinde Kirchhain gewählt und von der Regierung bestätig. Herr Rapp, der hier 21 Jahre gewirkt hat, erfreute sich nicht allein bei den Gliedern seiner Gemeinde, sondern auch bei der übrigen Bevölkerung großer Beliebtheit, weshalb sein Scheiden allgemein bedauert wird."         

 
40-jähriges Dienstjubiläum von Lehrer Markus Rapp (1931, Lehrer in Kirchhain seit 1912)   

Merzhausen Israelit 08101931.jpg (54028 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober 1931: "Kirchhain, 5. Oktober (1931). Am 1. Oktober jährt sich zum 40. Male der Tag, an dem Herr Lehrer Markus Rapp in das Schulamt eintrat. 21 Jahre wirkte er in Merzhausen, 19 Jahre in Kirchhain. Durch sein liebenswürdiges, zuvorkommendes Wesen erfreute sich Herr Rapp allgemeiner Wertschätzung. Seine Schüler lieben und verehren ihn, seine Kollegen schätzen und achten ihn. Alle vereinen sich in dem Wunsche, dass es dem Jubilar vergönnt sein möge, noch lange zum Wohle seiner Gemeinde in Gesundheit und Rüstigkeit wirken zu können."   
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 25. März 1931:  
Bericht wie oben im "Israelit"    

   
Abschied von Lehrer Markus Rapp und Wahl von Herrn Edwin Seelig als Nachfolger (1934)    
Anmerkung: Gewählt wurde als Nachfolger von Markus Rapp (zum ihm siehe weitere Informationen unten) Lehrer Edwin Seelig aus Nordhausen; dieser war seit 1929 Lehrer in Hungen. 1936 ist er nach Palästina emigriert, worauf die Lehrerstelle nochmals ausgeschrieben wurde (siehe unten).     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1934: "Am Schabbat Bereschit (= 6. Oktober 1934) verabschiedete sich unser Lehrer, Herr Markus Rapp, von der Synagogengemeinde, um nach mehr als 40-jähriger Lehrertätigkeit seinen Lebensabend in Frankfurt am Main zu verbringen. Aus diesem Anlass widmete der erste Parnes der Gemeinde, Herr Siegmund Stern, dem allseits beliebten Lehrer herzliche Worte des Abschiedes. Die Bescheidenheit, die tiefe Religiosität dieses echten jüdischen Lehrers machten ihn zum Freunde aller Gemeindemitglieder. Man braucht nur zu erwähnen, dass an jedem Schabbos in drei Chewraus (jüdischen Vereinen) gelernt wird, dass er es verstanden hat, die Jugend trotz aller weltanschaulicher Gegensätzlichkeit in einer von ihm gegründeten Talmud-Tora-Chewra zu vereinen und zu aktiver Mitarbeiter heranzuziehen. Tief ergriffen dankte Herr Rapp der ihm so lieb gewordenen Gemeinde, die ihm allezeit bei allen Bestrebungen gefolgt sei. Größter Lohn sei ihm das Bewusstsein, dass die Gemeinde sich auch weiterhin bestreben werde, die drei Dinge zu erhalten, auf denen nach dem Ausspruche unserer Weisen die Welt aufgebaut ist: Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit. Als Nachfolger wählte die Gemeinde unter zahlreichen Bewerbern den seither in Hungen tätigen Lehrer, Herrn Seelig."          

  
Zum Tod des Lehrers Markus Rapp (1937)  
Anmerkung: Lehrer Markus Rapp ist am 18. Juli 1870 in Eiterfeld geboren. Er war verheiratet mit Lina geb. Spier (geb. 27. Februar 1876 in Merzhausen, gest. 10. Mai 1919 in Kirchhain) und nach deren frühem Tod mit Frieda geb. Bachenheimer (geb. 5. November 1876 in Kirchhain, gest. 1971 in New York, USA). Aus der ersten Ehe entstammten die Kinder Johanna, Sophie, Käthe, Leo, Berthold, Fred Schraco und Ilse. Markus Rapp starb am 23. Dezember 1936 in Frankfurt. Zur Familie siehe https://www.geni.com/people/Markus-Rapp/6000000001787614178.  

Merzhausen Israelit 07011937.jpg (209485 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar 1937: "Lehrer Markus Rapp. Das Andenken an den Gerechten ist zum Segen. Wir freuten uns, als Lehrer M. Rapp zu uns kam, um seine wohlverdiente Ruhezeit in unserer Kehilla (Gemeinde; vermutlich Frankfurter Gemeinde gemeint) zu verbringen. Wir hatten ihn in kurzer Zeit alle so ungemein lieb gewonnen; waren wir doch mit ihm eng verbunden in jeder Lernstunde, bei jedem Vortrag unserer Vereine, bei jeder Gelegenheit, die sich für gemeinsame geistige Arbeit bot. Da sahen wir den stattlichen Mann auf seinem Platze, mit strahlendem Gesicht, ganz hingegeben dem Gegenstand, als wollte er an einem schönen anregenden Lebensabend noch manches nachholen, was er vielleicht in jungen Jahren versäumt hatte. Nun ging er von uns und wir weinen um ihn, als wäre er stets der unsrige gewesen. 
Aus dem Kurhessischen, wohin die geistige Sphäre des alten Fuldaer Raw – das Andenken an den Gerechten ist zum Segen – noch hinreichte, entstammte Markus Rapp, und schon früh wandte sich der Knabe, der Leidenschaft seines Herzens folgend, der jüdischen Lehre und dem Lehrerberuf zu. In und nach der Seminarzeit war es stets sein Bestreben, sich mehr und mehr jüdisches Wissen anzueignen. Dann trat er in den Beruf und fand ein weites Feld, um als Volksschullehrer und zugleich Religionslehrer und Vorbeter für Tora und Wahrheit zu wirken und kleineren Gemeinden, die damals noch im Blühen waren, den geistig gesunden Nachwuchs zu sichern. 
Zwanzig Jahre wirkte Lehrer Rapp in Merzhausen, nahezu dreiundzwanzig weitere Jahre in Kirchhain, nicht nur in der Schule, sondern als Lehrer auch der Großen, als Verbreiter jüdischen Wissens und jüdischer Ideale für Alt und Jung. Er war der Vater seiner Gemeinde, Freund eines jeden Einzelnen, und ein väterlich mahnendes Wort aus seinem Mund genügte, um Widersetzlichkeiten und Zwistigkeiten im Keime zu ersticken. Ein Förderer des Friedens war er, aber nicht des schwächlichen Friedens auf Kosten der Treue und Wahrheit, sondern ein Verfechter und Vertreter des Torafriedens im besten Sinne. 
Sechs Kinder entstammten aus diesem Lehrerhause, vier Töchter und zwei Söhne, die zum Teil, in Amerika und auch in Frankfurt, Häuser ganz im Geiste des Vaters führen. Mit ihnen beweint die Gattin, die den Kindern aus erster Ehe eine wahre, liebevolle und aufopfernde Mutter geworden war, den besten, edelsten Gatten. 
Die Bestattung fand auf Wunsch des Heimgegangenen und seiner Gemeinde am Sonntag in Kirchhain statt, und hier spiegelte sich alle Liebe und Treue, die dieser Lehrer in einem Menschenleben gespendet und vielfach wieder empfangen hat, in ergreifender Weise wider. Die Beteiligung war so stark, dass der ganze Ort unter dem Eindruck der Trauerkundgebung stand. In der Synagoge, wohin der Sarg gebracht wurde, hielt nach kurzen Abschiedsworten des ersten Vorstehers, Herrn Siegmund Stern, Herr Rabbiner Peritz, Marburg, eine Gedenkrede, die die ganze Persönlichkeit und das Lebenswerk des Heimgegangenen an unserem Auge noch einmal vorüberziehen ließ. Darauf sprachen nacheinander die Herren Lehrer Plaut, der als Nachfolger Rapps gelobte, an seinem Werke in gleichem Sinne fortzuarbeiten, Lehrer Schaumberg, früher in Alsfeld, Lehrer Stern, Frankenberg und Herr Isaac im Namen des 'Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten'.  
Nach dieser ergreifenden und zugleich erhebenden Feier wurde die Bahre unter überaus großem Geleite nach dem Friedhof geführt, wo ein Ehrengrab für den heimgegangenen Lehrer bestimmt war. Dort sprach noch Herr Rabbiner Cohn, Marburg-Fulda, herzliche Worte des Abschieds. Wie im leben, so wird er nun auch im Tode die treue Wacht über seine geliebte Gemeinde halten, und sein Verdienst wird ihr beistehen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."    

  
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers und Kantors (1936!)  

Die Ausschreibung erfolgte, nachdem Lehrer Edwin Seelig nach Palästina emigriert ist.  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juli 1936: "Wir suchen zum baldigen Eintritt für unsere orthodoxe Gemeinde einen seminaristisch gebildeten Religionslehrer und Kantor
Offerten mit Gehaltsansprüchen, Zeugnisabschriften und Lichtbild erbeten. Dienstwohnung vorhanden. 
Der Vorstand der Israelitischen Gemeinde Kirchhain
(Bezirk Kassel)."    

      
    
Aus dem jüdischen Gemeindeleben  
Probleme im christlich-jüdischen Verhältnis im 17. Jahrhundert 

Kirchhain Israelit 21051909.jpg (293829 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Mai 1909 (Anmerkung: die Texte des 17. Jahrhunderts werden überwiegend in überarbeiteter und damit verständlicher Schreibweise wiedergegeben): "Landgraf Wilhelm VI. und das Schauforblasen. Von L. Horwitz – Kassel. In Kirchhain, einer Kreisstadt an der Main-Weser-Bahn, bestand vor dreihundert Jahren zwischen Christen und Juden ein recht feindliches Verhältnis. Sicherlich rührte dies von der Konkurrenz her, die jüdischen Handelsleute den christlichen bereiteten. So suchten denn die Bewohner des Städtchens den Juden das Dasein so viel als möglich zu erschweren und fanden allerlei Schikane. Die Metzger wollten nicht für den Bedarf der jüdischen Haushaltungen schlachten und den Juden auch nicht die Hinterviertel oder 'was ihnen misslinget' abkaufen, bis Landgraf Moritz sich ins Mittel legte und de dato Spangenberg den 5. Dezember 1606 der Metzgerinnung schrieb (umgeschrieben): 'Wann Wir Uns dessen Befehls, so wir den Juden des Schlachtens halber gegeben, wohl zu erinnern wissen, und nicht wüssten, aus was Ursachen derselben zu kassieren sei. Also lassen wir es dabei bewenden mit Befehl, dass demselben nachsetzest, und sie beiderseits dem zu Gehorsam anweisest".
Besonders empfindlich müssen die Kirchhainer gegen das Schauforblasen gewesen sein. Am 19. Dezember 1653 beschweren sich Bürgermeister und Rat zu Kirchhain, dass die daselbst wohnenden fünf Juden 'mit großem Geplärr ihre Synagoge hielten': Der Landgraf verfügte darauf, 'dass sie das Blasen unterlassen und ihren vermeinten Gottesdienst ohne Ärgernis verrichten sollen.' – Kassel, 3. Juni 1656. – Die Regierung zu Marburg forderte nun die Judenschaft zu Kirchhain und Frankenberg vor dem Neujahrsfeste auf, des Hornblasens sich zu enthalten. Inzwischen nahmen 'die Vorsteher der Judenschaft im Fürstentum' sich der Sache an. Am 2. Dezember 1656 wenden sie sich per modum Supplicae ad Serenissimum, 'dass sie als Juden zur Observierung des Mosaischen Gesetzes und Zeremonien, sich in alle Wege verbunden achteten, und in welchen auch dies Hornblasen mit begriffen wäre, wie Levitikus 23 und Numeri 20 mit mehrerem zu sehen, also, dass sie dasselbe ohne Profanierung ihres Gottesdienstes bei annahendem ihrem Neuen Jahres-Fest nicht umgehen könnten, wie dann hin und wieder im ganzen Römischen Reich, wo noch Juden geduldet würden, man dessen nicht entübrigt sein könnte, es auch mit demselben so getan, dass es zu niemands Ärgernis oder Beschimpfung gereicht, gestalt solch Blasen nicht auf offener Straßen, sondern in den Häusern, wo die Zusammenkünfte wären, ohne groß Getön geschehen, und kaum eine halbeviertel Stunde wehrte, dass es wohl die wenigste Leute zu hören bekämen, vorab zu Kirchhain, allwo 'der Juden Zusammenkunft in einem an der Stadtmauer gelegenen Hause wäre', daher bitten sie um die gnädige Verordnung, 'dass sie samt und sonders bei ihrem Gottesdienst und zwar dero Zeit auch in specie bei der Zeremonie des Hornblasens bei Begehung des Neuen Jahres-Festes gelassen werden.' In diesem Sinne resolvierte die Regierung am folgenden Tage, den 3. September 1656. Der Landgraf erließ noch folgendes Reskript an seine Regierung:  'Wilhelm usw.   Hochgelahrte Räte, liebe Getreue, Was an uns die sämtliche Judenschaft im Fürstentum Hessen vor die in unseren Städten Kirchhain und Frankenberg befindliche Juden, das ihnen von Euch jüngsthin untersagten Hornblasens halber auf instehenden ihren Neuen Jahrestag in Untertänigkeit gelangen lassen, angeführt und gesucht, das usw.     Nun erinnern wir uns zwar unser dergleichen Hornblasens halber etlicher Zeit auf der Städten gravamina erteilten und Euch unlängst in Abschrift zugeschickter Revolutionen gutermaßen, - Gleichwie aber uns diese Sache damals gar anders vorgebracht worden, wir auch dadurch das öffentliche ärgerliche Blasen auf den Gassen oder aus den Fenstern eigentlich verstanden, und dahero nicht sehen, wie Ihnen den Juden bei solchen gestalteten Sachen und da sie ihrem Vorgeben nach ohne solch Blasen ihren vermeintlichen Gottesdienst dem Mosaischen Gesetz nach nicht verrichten können, dasselbe zu verwahren sei, bevorab da Wir Ihnen solcher allhier in unserer Residenz nach dem Exempel unserer Gottseligen Herren Vorfahren, jedoch ohne sonderbar groß Getöne nachgehen: Also haben wir Ihnen das Blasen in ihren Häuser und auf ihre vermeinte Festtage auf gewisse Maß zugelassen, und Euch davon, um Euch hinfüro darnach zu achten haben, nachrichtige Kenntnis geben wollen, Und wir etc.   Datum, Sababurg, den 5. Septembris 1656. An die Regierung zu Marburg.'  Gewiss haben die Bürger von Kirchhain und Frankenburg sich beruhigt. Das Schauforblasen auf offener Straße mag gewiss nur in ihrer Phantasie bestanden haben. Jedoch nimmt die Judenordnung des Landgrafen Karl vom Jahre 1679 auf das öffentliche Blasen Bezug."   

  
Antisemitische Aktivitäten (1898)   

Kirchhain AZJ 19081898.JPG (111944 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. August 1898: "Kirchhain, im August. Unter der Stichmarke 'Der Juden Rache' bringt das Organ des Bundes der Landwirte, die 'Deutsche Tages-Zeitung', folgende Mitteilung von hier: 'In eigenartiger Weise hat es die Stadt Kirchhain es zu büßen gehabt, dass bei der jüngsten Reichstagsstichwahl in ihr eine sehr große Zahl Stimmen für den Antisemiten Dr. Böckel abgegeben worden ist. Am 13. vorigen Monats war in Kirchhain, das bisher mit die bedeutendsten Viehmärkte in unserer Provinz aufzuweisen hatte, wieder Viehmarkt, aber statt der üblichen 600-1000 Stück Vieh waren nur etwa 100 aufgetrieben, denn die meisten israelitischen Händler waren dem Kirchhainer Markt ferngeblieben und hatten, wie der 'K.Ztg.' gemeldet wird, statt dessen den Viehmarkt in Gießen besucht.' Wie sich doch die Zeiten ändern! Als Dr. Böckel die antisemitische Bewegung in Hessen entfachte, wurden auf seine Anregung hin so genannte 'judenreine Viehmärkte' eingerichtet, die nach wenigen Jahren natürlich elend verkrachten. Heute möchte man den Juden einen Strick daraus drehen, wenn sie ihrerseits das gleiche Verfahren einschlagen. Den Antisemiten, die beständig das Wort im Munde führen: 'Kauft nicht bei Juden', steht die tugendhafte Entrüstung besonders wohl an."  

  
Gründung einer Ortsgruppe des Verbandes der Sabbatfreunde (1906) 
  

Treysa FrfIsrFambl 15061906.jpg (48103 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Juni 1906: "Treysa. Ortsgruppen-Gründung. Am 4. dieses Monats wurde hier durch Herrn Dr. Schlesinger - Marburg eine Ortsgruppe des Verbandes der Sabbatfreunde gegründet. Zum Vorstande wurden die Herren Levi Katz (Vorsitzender), Strupp I. und Lewinsky gewählt. 
Auch in Ziegenhain und in Kirchhain gründete Herr Dr. Schlesinger eine Ortsgruppe."   

    
Die jüdische Einwohner sind von den städtischen Graslosen nicht mehr ausgeschlossen (1921)
Anmerkung: Die Ausschließung jüdischer Einwohner von den städtischen Graslosen wurde erst im September als ungesetzlich erklärt.
Siehe Artikel in "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 17. Juni 1921 in https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/2617324
(Hinweis von Elisabeth Strenger -  Übersetzung des Artikels (englisch) in: www.liberalbreslau.com).    
   
   
30-jähriges Bestehen des Frauenvereins (1930)       

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 23. Mai 1930: "Kirchhain. Ein edler Fruchtbaum, der vor dreißig Jahren von mehreren echt jüdischen Frauen gepflanzt wurde, konnte diesen Tag am Lagbaoumer festlich begehen. Von den Gründern des Frauenvereins leben noch Frau Betti Stern, die Frauen Jakob Bachenheimer, Kugelmann, Esther Bachenheimer und Frau Levi Plaut, und ihnen ist es gegönnt, die Früchte des Baumes zu genießen und ihn folgenden Geschlechtern zur Obhut anzuvertrauen. Selbstredend werden vom Frauenverein alle Pflichten gegen Lebende und Tote mit aller Gewissenhaftigkeit erfüllt, wie auch die berechtigten Wünsche der Notleidenden der Umgebung. Im Winter vereinigen sich die Mitglieder monatlich zu Lernvorträgen, die Herr Lehrer Rapp leitet. Ein vom Frauenverein gestiftetes Porauches (Toraschreinvorhang) ziert unsere schöne Synagoge. Bei der Festfeier wies Herr Rapp in eindringlicher Weise auf die Bedeutung des Tages hin und bat, nie im Dienste der wahren Wohltätigkeit zu ermüden."     

  
  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   

Bittgesuch des David, Enkel des Rabbi Wolf an Landgraf Karl (1713; Artikel von 1929)   
Anmerkung: das Bittgesuch findet sich im Hessischen Staatsarchiv Marburg unter der jetzigen Bestands-Nr. 40 a Rubrum 16 Nr. 172. Die Geschichte der Familie des "Rabbi Wolf" wird ausführlich in der unten genannten Literatur von Kurt Schubert [Juden in Kirchhain...] und Sabine F. Bloch / Nathanael Riemer [Parnassim zwischen Kirchhain und Halberstadt...] behandelt. Demnach hatte der Sohn Liebmann 1695 einen Schutzbrief erhalten; er starb bereits 1710. 1713 ging es um den Schutz für den beim Großvater lebenden Enkel David, einem Sohn der verwitweten Tochter Frattche aus Bad Laasphe, die dem Vater 1699 bis 1710 den Haushalt geführt hatte (alles nach Schubert).    

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 29. März 1929: "Landgraf Karl und der alte Kirchhainer Parneß. Von L. Horwitz, Kassel. 
Wer in der Lage war, Schutzbriefe aus dem 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts zu sehen, sollte auf der Rückseite einen kurzen, aber inhaltreichen Satz beachten, der mit hebräischen Buchstaben geschrieben ist: 'Kajumin', und dann der Name des Inhabers. Das Wort 'Kajumin' lässt sich in seiner Tiefe und Tragweite schwer übersetzen. Es würde lauten: Daseinsberechtigung, Anweisung zum Genuss gewisser Rechte und dergleichen. Es ist an dieser Stelle nicht angebracht, die Fülle von Bedingungen auch nur mit Stichworten anzugeben, die zur Erlangung des 'Schutzbriefes' - Kajumin - führten. Bei aller strengen Durchführung der gesetzlichen Bestimmungen ließ der Gesetzgeber oft Milde statt Recht walten. Die reichen Leute konnten durch ihre Mittel leichter zum Ziele kommen und ihren Kindern das Dasein erleichtern; für die ganz armen Juden trat die Gesamtjudenschaft ein und zahlte das Schutzgeld. Für denjenigen, der die Gesamtjudenschaft in Anspruch nahm, war dies oft eine bittere Pille. Für ihn stand aber der Weg zum Landgrafen frei, und Landgraf Karl zeigte in vielen Fälle, dass er den Juden gegenüber auch ein warmes Herz hatte. So wendet sich ein in Hessen angesehener Mann an ihn in seiner Not:  
'Durchlauchtigster Fürst! Gnädigster Fürst und Herr! 
Euer Hochfürstliche Durchlaucht geruhen, sich von dero 82jährigem Greis, alten Schutzjuden, untertänigst Vortrag halten zu lassen. Ich stehe bereits 60 Jahre unter gnädigstem Schutz, hatte 13 Kinder, welche alle Schutz im Auslande haben; nur ein Sohn ist mir übrig geblieben, der seit 18 Jahren Witwer ist und eine Tochter, 'so ganz närrisch'. Diese muss ich auch unterhalten. Obwohl anzunehmen ist, dass ich vor meinen Kindern sterbe, hat es doch dem großen Gott gefallen, dass mein Sohn, der Schutz bei mir hatte, auch vor 2 1/2 Jahren gestorben ist, und fünf Kinder hinterlassen. Da ich meinem Hauswesen nicht vorstehen und nichts erwerben kann, auch keinen Handel treibe, nahm ich mein Enkel David zu mir, der mich warten und pflegen muss. Mein Enkel will sich mir der ältesten Tochter meines Sohnes Liebmann verheiraten, und ich will ihm mein Haus und meine Habe übergeben, damit ich die Jahre, welche ich nach Gottes Willen noch zu leben habe, nicht allein bin und mich noch der unerzogenen Kinder meines verstorbenen Sohnes annehmen kann. Deshalb bitte ich Euer Hochfürstliche Durchlaucht, meinen Schutz auf meinen Enkel zu übertragen'. Der Oberamtmann von Marburg und der Bürgermeister Conrad Eckhardt von Kirchhain befürworteten das Gesuch. Daher verfügte der Landgraf den Schutz für David, den Enkel des Rabbi Wolf, abgelebten Vorsteher der Judenschaft zu Kirchhain am 14. Januar 1713.       
Der Landesvorsteher Wolf begegnet uns oft mit seiner Unterschrift im 'Konstitutenbuch'. Wie lange er sich noch der fürstlichen Gnade erfreuen konnte, ist schwer festzustellen. Keineswegs war diese Regierungshandlung des Landgrafen nicht vereinzelt, und er lebt als gütiger Fürst auch in den Herzen der Juden fort. (Staatsarchiv Marburg, M.St. S. 3928)."     

   
Über den aus Kirchhain stammenden Sanitätsrat Dr. Benedikt Stilling (geb. 1810 in Kirchhain, gest. 1879 in Kassel)    
   

Stilling B01.jpg (3873 Byte)Benedikt Stilling zählt zu den "Wegbereitern der naturwissenschaftlich-medizinischen Moderne". Besondere Schwerpunkt hatte er im Bereich der Gehirn-Rückenmarksforschung, der Lehre vom vasomotorischen Nervensystem und der Einführung neuer Methoden in der mikroskopischen Technik. Über seinen Lebenslauf informieren die nachstehenden zeitgenössischen Berichte.  
Zwei Söhne Benedikt Stilling waren gleichfalls hervorragende Mediziner: der Ophtalmologe Jakob Stilling (geb. 1842 in Kassel, gest. 1915 in Strassburg) sowie der Pathologe Heinrich Stilling (geb. 1853 in Kassel, gest. 1911 in Lausanne). 
Über alle drei informiert das "Biographische Lexikon zur Portraitsammlung des Anatomen Robert Wiedersheim": Website. Von hier auch das Portrait von Benedikt Stilling. 
Vgl. auch den Wikipedia-Artikel "Benedikt Stilling".    
   
Kirchhain Israelit 20111878.jpg (217534 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. November 1878: "Kassel, 6. Oktober (1878). Die Hallberg'sche illustrierte Zeitschrift 'Über Land und Meer' bringt in ihrer neuesten Nummer einen Artikel über die im September hier stattgefundene Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte nebst einem wohlgetroffenen Bildnis und einer biographischen Skizze des derzeitigen 1. Geschäftsführers, Geheimen Sanitätsrats Dr. B. Stilling. Wir entnehmen dem Artikel die folgende Stelle, welche unsere Leser interessieren dürfte: 'Dr. Benedikt Stilling wurde am 22. Februar 1810 in Kirchhain bei Marburg, einem kleinen Landstädtchen des damaligen Kurfürstentums Hessen, geboren, besuchte vom Jahre 1824-28 das Gymnasium zu Marburg und studierte daselbst als einer der hervorragendsten Schüler, welche überhaupt auf jener Universität ihren Bildungsgang eröffneten, in den Jahren 1828-1832 Medizin und Chirurgie. Seine Richtung war schon auf der Universität eine streng wissenschaftliche und würde er die Universitätslaufbahn beibehalten haben, wenn nicht die Engherzigkeit der damaligen Anschauungen und Verhältnisse ihm einen solchen Lebensweg unmöglich gemacht hätten, da er Jude war. Er ließ sich später als praktischer Arzt und Chirurg zu Kassel nieder, wurde daselbst alsbald zum Landgerichtswundarzt ernannt und erwarb sich in dieser Tätigkeit bald einen Ruf, welcher die Grenzen seiner engeren Vaterlandes, Deutschlands und Europas überflügelte, denn neben seiner ausgiebigen Berufstätigkeit als Arzt arbeitete er in seinen Mußestunden an den höchsten Problemen der anatomischen Wissenschaft, nämlich der Erkenntnis des menschlichen Gehirns und des Rückenmarks. Fast alles, was wir heutzutage über diese wichtigen Organe Positives wissen, stammt von Stilling her und wurden auch seine bezüglichen Leistungen von den verschiedenste Akademien Europas durch Ernennung zum Ehrenmitgliede und Verleihung der höchsten wissenschaftlichen Preise bestätigt, während die deutsche Kathedergelahrtheit und das verbissene Professorentum der Universitäten dem jungen Gelehrten die Anerkennung versagten, ja sogar geflissentlich seine bedeutenden Leistungen totgeschwiegen. Seine immer neue und immer erfolgreichere Tätigkeit aber, die rasch aufeinander folgenden epochemachenden Entdeckungen, welche er auf genanntem Gebiete in den Jahren 1834 bis in die neueste Zeit machte, zwangen seinen Neidern die schließliche Anerkennung ab, welche in der Wahl zum ersten Präsidenten der hochansehnlichen Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte gipfelte. Aber nicht nur in der theoretischen Medizin, auch in der praktischen Heilkunde leistete Stilling Unschätzbares. So stammen von ihm die ersten Verbesserungen zu der wichtigen Operation der Eierstocksgeschwülste her. Durch die Veröffentlichung seiner Methode, welche später englische Gelehrte nacherfanden, wurde Tausenden von Frauen das Leben gerettet.
Kirchhain Israelit 20111878b.jpg (127819 Byte)Weiter stammt von ihm die Erfindung der Umschlingung der Arterien ohne Anwendung von Fäden bei arteriellen Blutungen, die Operation der Blasenstein- Zertrümmert, die operativen Heilungen der Strikturen, und vieles Andere. Der berühmte Chirurg Nélation äußerte sich einst über eine der Stilling'schen Operationsmetholden: 'C'est le plus grand pas qu'a jamains été fait dans l'ovariotomie. Die französische Akademie verlieh den Erfinder der betreffenden Operationsmethode im Jahre 1870 den 'Grand prix Barbies', nachdem ihm früher mehrere Male für seine anatomischen Arbeiten der 'prix Montyon' zuerkannt worden war. Trotz mannigfacher Anerbietungen im Laufe seines Lebens konnte sich Stilling nicht entschließen, angesehene Staatsstellen und Professuren unter der Bedingung anzunehmen, dass er zum Christentum übertreten solle. Seinem ernsten Charakter widerstrebte es, durch das Beispiel des Religionswechsels einer veralteten kulturfeindlichen Engherzigkeit Vorschub zu leisten.   Trotzdem er demnach einer hervorragenden äußeren Stellung entbehrte, wusste er doch einzig und allein durch seine Leistungen der deutschen Gelehrtenwelt die Hochachtung abzuringen, die ihm nun allenthalben gezollt wird und welche er auch durch die ganz vortreffliche, einzig in ihrer Art dastehende Geschäftsführung der 51. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in neuem und erhöhtem Maße sich erworben hat. Vornehmlich durch sein tätiges und umsichtiges Eingreifen entwickelte sich während der Dauer der Versammlung ein jedem Teilnehmer unvergessliches Bild wissenschaftlicher Tätigkeit und herzlichen Entgegenkommens, ein nachahmenswertes Beispiel für alle künftigen gleichartigen Versammlungen."

    
Zum Tod von Sanitätsrat Dr. Benedikt Stilling (1879)  

Kirchhain Israelit 05021879.jpg (76040 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Februar 1879: "Kassel, 29. Januar (1879). Unsere Stadt hat ihren derzeitig berühmtesten Mitbürger verloren. Geheimer Sanitätsrat Dr. Benedikt Stilling, welcher noch in der letzten Naturforscherversammlung so geistig frisch präsidierte, nachdem er bereits Monate lang krank daniedergelegen. Aus der kleinen Landstadt Kirchhain gebürtig, war er in Mitte der dreißiger Jahre als praktischer Arzt in Kassel zugelassen worden. Da es ihm als Juden damals nicht leicht gemacht wurde, so hatte er es nur seiner überlegenen Ausbildung zu danken, dass er bald einer der gesuchtesten Ärzte wurde. Sein von Jahr zu Jahr zunehmender wissenschaftlicher Ruhm verbreitete sich aber früher im Auslande als bei uns. Im Allgemeinen wurde man hier mit seiner Größe erst gelegentlich der Naturforscherversammlung bekannt. Jetzt freilich fühlte jedermann, dass es schwer sein wird, die Lücke, die sein Tod hinterlassen, wieder auszufüllen."

  
80. Geburtstag von Kreisvorsteher Mayer Strauß (1915)  

Kirchhain Israelit 06051915.jpg (73030 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Mai 1915: "Kirchhain, 2. Mai (1915). Am 26. April beging das älteste Mitglied der hiesigen Gemeinde, Herr Meyer Strauß, in seltener körperlicher Rüstigkeit und geistiger Frische seinen achtzigsten Geburtstag. Der alte Herr hat als langjähriger Stadtverordneter an der Entwicklung unserer Stadt regen Anteil gehabt; seine erfolgreiche Tätigkeit als Schrift- und Rechnungsführer des 'Roten Kreuzes' wurde vor Jahren durch Verleihung des Roten-Kreis-Ordens an höchster Stelle anerkannt; auch als Kreisvorsteher der Israeliten hat er sich reiche Verdienste erworben. Als Sohn der Tora und Jehudi vom alten Schlage übt er auf die hiesige Gemeinde einen guten Einfluss aus, wie er überhaupt ein warmer Förderer aller Bestrebungen des orthodoxen Judentums ist. Um den ihm zugedachten Aufmerksamkeiten zu entgehen, verbrachte er die letzten Tage auswärts." 

    
Zum Tod von Kreisvorsteher Mayer Strauß (1920)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom  20. Februar 1920: "Im 85. Lebensjahre verstarb in Kirchhain bei Kassel der Kreisvorsteher der Jüdischen Gemeinde, Herr Meyer Strauß. Der Heimgegangene stand über fünfzig Jahre an der Spitze des Kreises, war Mitbegründer und Vorstandsmitglied des Landwirtschaftlichen Kreisvereins zu Kirchhain und gehörte der Stadtverordnetenversammlung an. Landrat von Gilsa widmete dem Verstorbenen, der sich allgemeiner Verehrung erfreute, einen warm gehaltenen Nachruf."            

   
Todesanzeige für Simon Bachenheimer (1924)      

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 13. März 1924: "Statt besonderer Anzeige. 
Nach schwerem Leiden erlöste heute ein sanfter Tod meinen innigstgeliebten Mann, unseren Herzensguten Vater, Schwiegervater, Großvater, Bruder und Onkel 
Herrn Simon Bachenheimer im Alter von 73 Jahren. Im Namen der trauernden Hinterbliebenen 
Esther Bachheimer geb. Rülf.
 
Kirchhain (Bezirk Cassel), Steele a.d. Ruhr, Lauterbach (Oberhessen), den 8. März 1924."      


80. Geburtstag von Sab. Stern geb. Spier (1928)  

Kirchhain Israelit 21061928.jpg (14513 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juni 1928: "Kirchhain, 10. Juni (1928). In größter Gesundheit und geistiger Frische beging Frau Sab. Stern geb. Spier dahier ihren 80. Geburtstag."

    
Goldene Hochzeit von Metzgermeister Nahum Stern und Malchen geb. Katten (1928
)  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. August 1928: "Kirchhain, 19. August (1928). Am 2. September begeht in bester geistiger und körperlicher Frische das in weiten Kreisen unserer Stadt und weit über deren Grenzen hinaus bekannte, hoch angesehene Ehepaar Metzgermeister Nahum Stern und Ehefrau Malchen geb. Katten, das Fest ihrer goldenen Hochzeit. Der Jubilar steht im 77., seine Gattin im 74. Lebensjahre. Des Krieges Schrecken sind nicht spurlos an diesem echt jüdischen Hause, in welchem aufrichtige Gottesfurcht vorherrscht, vorübergegangen. Von den fünf Söhnen, welche sämtlich an der Front standen, sind zwei prächtige junge Menschen, die zu den besten Hoffnungen berechtigten, im jugendlichen Alter auf dem Felde der Ehre geblieben. Diese harten Schläge ertrugen die Eltern in stiller, unerschütterlicher Gottergebenheit. Möge dem Jubelpaare, das noch heute den Mitgliedern unserer Gemeinde ein voranleuchtendes Beispiel in Ausübung von religiösen Geboten und guten Taten ist, ein schöner, ungetrübter Lebensabend beschieden sein."  
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 8. September 1928: "Kirchhain. Am 9. September begeht...."  
Bericht ähnlich wie oben
.  

  
60. Geburtstag von Kaufmann David Strauß (1931)       

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 30. März 1931: "Kirchhain. Am 20. dieses Monats vollendet unser Mitbürger, Herr Kaufmann David Strauß, in voller geistiger und körperlicher Frische sein 60. Lebensjahr. Herr Strauß, der als Sohn einer alten, hochangesehenen Kirchhainer Familie hier geboren wurde, ist und war Inhaber vieler Ehrenämter. So war er während zweiter Wahlperioden Mitglied der Industrie- und Handelskammer Kassen, auch Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung von Kirchhain. Auch an der Frankfurter Getreidebörse wurde er zum Schiedsrichter gewählt. Er versieht heute noch das Vorsteheramt im Kreise Kirchhain und ist Kassenführer des Männervereins vom Roten Kreuz. Die beiden letztgenannten Ehrenämter wurden schon seit Jahrzehnten von Mitgliedern der Familie Strauß verwaltet. Möge dem Geburtstagskind noch eine lange Reihe von Jahren Gesundheit und Frische beschieden sein."     

  
80. Geburtstag von Kaufmann L. Plaut, Inhaber des Warenhauses Plaut (gegründet 1871; 1931)    

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 24. Dezember 1931: "Kirchhain. Am 17. Dezember konnte der Seniorchef des Warenhauses Plaut, der Kaufmann L. Plaut, die Feier des 80. Geburtstages begehen. Herr Plaut hat sich Geschäft vor 50 Jahren gegründet und in fester Arbeit zur heutigen Bedeutung gebracht."        

  
  

Weitere jüdische Persönlichkeiten aus Kirchhain  
Der Schriftsteller Elchanan Henle Kirchhan (um 1666-1757)  

Simchat Hanefesch.jpg (165545 Byte)Elchanan Henle Kirchhan (geb. um 1666 in Kirchhain, gest. 1757 in Kirchhain):  geboren als Sohn des Benjamin Wolf, versah seit 1712 das Amt des "Judenschullehrers" in Kirchhain, Studienaufenthalte in Polen, Holland und Frankfurt am Main. Autor des sehr populären, häufig nachgedruckten Moralbuches Simchat ha-Hefesch ("Buch zur Anregung der Frömmigkeit, in jüdisch-deutscher Sprache abgefasst) erstmals 1707 in Frankfurt erschienen, Nachdrucke u.a. in Sulzbach 1715, 1794, 1797 und 1798 sowie Amsterdam 1723 und Fürth 1726 und 1762). 1722 erschien in Offenbach ein Buch Chiddushim ("Homiletische Scholien zu manchen Stellen der heiligen Schriften; von Genesis bis zu Ende der Bücher Samuel reichend") zum Pentateuch (Fortsetzung des Werkes Offenbach 1731); 1727 veröffentlichte er (Druck in Fürth) einen zweiten Band unter dem Titel Simchat ha-Nefesch ("Jüdisch-deutsche Gedichte mit musikalischen Noten, zur Belehrung und Erheiterung"). Elchanan Henle wurde im Friedhof in Kirchhain beigesetzt. Sein Grabstein ist erhalten. 
Die Abbildung (Quelle) zeigt die Titelseite einer Ausgabe von Simchat ha-Nefesch (Warschau 1848)

     
Der Rabbiner Moses Salomon Gosen (1780-1864, Rabbiner in Marburg von 1802 bis 1860)  

Moses Salomon Gosen (geb. 1780 in Kirchhain, gest. 1864 in Marburg): war bereits 1802 als Rabbiner in Marburg tätig, von 1802-1809 als Unterrabbiner, von 1809-1824 als Distriktsrabbiner. Er blieb Rabbiner in Marburg bis 1862. Da er reformistisch eingestellt war, bekam er zahlreiche Schwierigkeiten mit den streng traditionell denkenden jüdischen Gemeindegliedern seines Bezirks. 1860 wurde er in den Ruhestand versetzt. 

    
Der Philosoph Leo Strauss (1899-1973)   

leo strauss 01.jpg (229135 Byte)Leo Strauss (geb. 1899 in Kirchhain, gest. 1973 in Annapolis, Maryland, USA), deutsch-amerikanischer Philosoph, Gründer einer einflussreichen Denkschule, den "Straussians". Er wuchs in einem konservativen jüdischen Elternhaus auf (Vater war Landmaschinenhändler). Nach Besuch des Gymnasiums in Marburg Studium an der Universität Hamburg (Philosophie, Mathematik, Naturwissenschaften). 1921 Promotion bei Ernst Cassirer; weitere Studien in Freiburg und Marburg. 1925-1932 Mitarbeiter an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. 1932 bis 1938 Forschungen in Paris, dann in England (Cambridge). 1938 in die USA ausgewandert und Dozent an der New School for Social Research in New York City. 1949 Professor für Politische Philosophie an der University of Chicago; 1965 Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg. Zahlreiche Publikationen, darunter 30 Bücher, insbesondere zu "politisch-theologischen" Fragestellungen.   
Wikipedia-Artikel zu Leo Strauss    Quelle des Fotos links: University Chicago (übernommen aus einem Artikel der New York Times)  

      
      
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
Anzeige von Kaufmann Zadock Stern (1859)         

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Juli 1859: "Der Unterzeichnete sucht einen Hauslehrer und Erzieher, der im Französischen, Englischen, Hebräischen und in der Musik zu unterrichten vermag, und wird denselben entsprechend honorieren. 
Kirchhain
an der Main-Weserbahn. Zadock Stern. Kaufmann".     


Anzeige des Toraschreibers E. Schereschewsky (1887)  

Kirchhain Israelit 03031887.jpg (26863 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. März 1887: "Sefer Tora (Torarolle). Eine neue Torarolle, mit prachtvoller Schrift, zu außergewöhnlich billigem Preise zu verkaufen bei E. Schereschewsky Schreiber von Torarollen, Tefillin und Mesussot. Kirchhain (Regierungsbezirk Kassel).

      
Lehrlingssuche für das gemischte Warengeschäft von l. Plaut (1900) 

Kirchhain Israelit 29111900.jpg (38593 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. November 1900: "Für mein gemischtes Warengeschäft suche ich einen Lehrling. Schabbat und Feiertag streng geschlossen. Kost und Logis im Hause. K. Plaut, Kirchhain, M.-W.-Bahn."  

     
Lehrlingssuche für das Manufaktur-, Mode- und Kolonialwarengeschäft M. J. Blumenfeld (1901)

Kirchhain Israelit 28021901.jpg (41185 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Februar 1901: "Suche per Ostern dieses Jahres für mein an Samstag und Feiertagen streng geschlossenes Manufaktur-, Mode- und Kolonialwaren-Geschäft einen Lehrling aus achtbarer Familie unter günstigen Bedingungen. 
M.J. Blumenfeld, Kirchhain in Hessen."  

     
Anzeige der Mehlhandlung S. M. Rothschild (1901) 
 

Kirchhain Israelit 15041901.jpg (36543 Byte) Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. April 1901: "Tüchtiges 
Mädchen
 
gesucht in eine Landstadt zur Stütze und Vertretung der Hausfrau. Familienanschluss. Baldige Offerten an 
S.M. Rothschild, 
Mehlhandlung,
 
Kirchhain, Bezirk Kassel."   

    
Anzeige des Bäckermeisters Hermann Blumenfeld (1901)  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1901: "Suche 
für meine am 9. dieses Monats in Marburg zu eröffnenden Brot- und Feinbäckerei einen jungen Gehilfen und einen Lehrling. Samstags und Feiertage geschlossen. 
Hermann Blumenfeld
, Kirchhain, Main-Weser-Bahn."    

   
Anzeigen des Mehl- und Futterartikel-Geschäftes Gerson Jacob (1903 / 1912)       

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. August 1903: 
"Für mein Mehl- und Futterartikel-Geschäft suche ich per sofort oder 1. September dieses Jahres einen 
Lehrling
 
mit guten Schulkenntnissen. Samstage und Feiertage geschlossen. Kost und Logis im Hause. 
Gerson Jacob
, Kirchhain (Bezirk Kassel)."                      
 
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 7. Oktober 1912: "Für mein Getreide- und Futtermittelgeschäft suche ich per 1. Oktober eventuell auch später 15. Oktober einen tüchtigen jungen Mann für 
Reise und Kontor.
 
Schöne Handschrift und Branchekenntnisse erforderlich. Zeugnis und Photographie erbeten. Samstags und Feiertage geschlossen. 
Gerson Jacob  
Kirchhain (Bezirk Kassel)
."          

   
Anzeige von Moses Stern (Betziesdorf, 1908)   

Betziesdorf Israelit 30041908.jpg (37173 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1908: 
"Für meine Tochter,  
15 Jahre alt, kräftig, 
suche Stelle 
in gutem Hause, wo sie Gelegenheit hat, Haushalt und Geschäft zu erlernen.  
Offerten an Moses Stern, Betziesdorf bei Kirchhain."   

    
Hochzeitsanzeige von Max Kahn und Rosel geb. Höxter (1924)   

Kirchhain Israelit 23101924.jpg (32957 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Oktober 1924: "Gott sei gepriesen. Statt Karten:
  Max Kahn - Rosel Kahn geb. Höxter. Vermählte. 
Hassfurt am Main
- Kirchhain (Bezirk Kassel). 
Trauung Montag, 27. Oktober 1924 - 29. Tischri 5685 in Kirchhain (Bezirk Kassel)".

    
Verlobungsanzeige von Thea Grünebaum und Semi Plaut (1936)  

Kirchhain Israelit 10121936.jpg (24749 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1936: "Gott sei gepriesen. 
Thea Grünebaum - Semi Plaut.  Verlobte.  
Neukirchen Krs. Ziegenhain - Kirchhain, Bez. Kassel / Abterode, Kreis Eschwege."

        
        
   
    
Zur Geschichte der Synagoge      
   
Bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts bestand eine Synagoge beziehungsweise ein jüdischer Betsaal in der Stadt. 1629 war der Betsaal im Hause des Henoch. Nach den Berichten aus den Jahren 1653 bis 1656 (s.o.) war der Betsaal in einem abgelegenen Haus an der Stadtmauer eingerichtet. Damals beklagten sich christliche Einwohner der Stadt über das Schofarblasen an den jüdischen Feiertagen.   
  
Ab 1811 befand sich der Betraum in einem ursprünglich dem Markus Oppenheimer gehörenden Haus. Dieses auf dem Marktplatz gelegene Haus war inzwischen im Besitz des Löb Stern in Niederklein, der es es der jüdischen Gemeinde in Kirchhain für deren Gottesdienste zur Verfügung gestellt hatte. Um 1843/44 hat der Sohn von Löb Stern - Zadok Stern - das Gebäude von seinem Vater übernommen. Er wollte von der jüdischen Gemeinde nun eine jährliche Miete eintreiben. Die dadurch ausgelöste Auseinandersetzung in der Gemeinde führte zu großen, zwei Jahre dauernden Spannungen, da ein Teil der Gemeindeglieder einen neuen Betsaal mieten, der andere Teil im bisherigen Betsaal bleiben wollte. 1855 wurde erstmals über den Neubau einer Synagoge nachgedacht.  
 
Seit Ende des 19. Jahrhunderts bestand auf Grund der stark gestiegenen Zahl der Gemeindemitglieder ein dringender Bedarf für den Neubau einer Synagoge. Im Frühjahr 1903 konnte mit dem Bau der neuen Synagoge begonnen werden. Am 17./18. August 1904 wurde sie durch Rabbiner Dr.  Horovitz aus Frankfurt eingeweiht. Der Synagogenbau orientierte sich durch die Doppelturmanlage, den gestreckten Grundriss, die sichtbare Apsis und den romanischen Stil stark an kirchlichen Bauten. Der Bau wurde aus rotem Sandstein ausgeführt, die Dachflächen wurden mit Schiefer eingedeckt.    
   
  
Texte zur Synagogengeschichte   
Die Bauarbeiten für die neue Synagoge beginnen (Februar 1903)  

Kirchhain FrfIsrFambl 27021903.jpg (17063 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 27. Februar 1903: "Kirchhain. Mit dem Neubau der Synagoge wird demnächst begonnen; die Gesamtkosten belaufen sich auf Mark 35.000."

Ankündigung der Einweihung der Synagoge (1904)  

Kirchhain FrfIsrFambl 12081904s.jpg (62049 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. August 1904: "Kirchhain (Bezirk Kassel). Mittwoch und Donnerstag, den 17. und 18. August finden die Einweihungs-Feierlichkeiten die die neue Synagoge statt. Dieselben nehmen Mittwoch Vormittag 11 Uhr mit einem Abschiedsgottesdienst in dem bisherigen Gotteshause ihren Anfang, es folgen dann der Festzug und die Feier in der neuen Synagoge, des Nachmittags Konzert und des Abends Fest-Ball in den Sälen des Bahnhofs-Hotels. Mit Gottesdienst, Konzert und Festball am Donnerstag nimmt die Feier, die ihren Vorbereitungen nach zu einer prächtigen zu werden verspricht, ihr Ende."

Die Einweihung der Synagoge (1904)  

Kirchhain Israelit 25081904s.jpg (62922 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. August 1904: "Kirchhain. In Gegenwart von zahlreichen Festteilnehmern aus der ganzen Umgegend wurde heute die von dem bekannten Marburger Architekten Dauber erbaute neue Synagoge ihrer Bestimmung übergeben. Die Festansprache hielt Rabbiner Dr. Horovitz aus Frankfurt. Die in romanischer Bauweise aus rotem Sandstein hergestellte Synagoge bietet etwa 600 Personen Platz und kostet Mark 38.000. Der rührige Frauenverein hatte den Parochet (Toraschreinvorhang) gestiftet. Der Hochherzigkeit verschiedener Privaten verdanken wir die elegante Schulchan-Decke (Decke für den Vorlesetisch) und sieben prachtvolle schöne Torarollen-Mäntelchen. Die gesamte Stickereien stammen aus der hebräischen Buchhandlung von G. Grünebaum, Kassel."
 
Kirchhain FrfIsrFBl 26081904.jpg (77735 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. August 1904: "Kirchhain, 17. August. Heute beging unsere Gemeinde das erhebende Fest der Einweihung unserer neu erbauten Synagoge. Von Nah und Fern waren zahlreiche Gäste eingetroffen, um an unserer Freude teilzunehmen. Bei allen fand unser Gotteshaus großen Beifall, dessen Inneres durch einen prachtvoll ausgeführten Vorhang in reicher Goldstickerei herrlich ausgeziert war. Der rührige Frauenverein hatte dieses Perauches gestiftet. Der Hochherzigkeit verschiedener Privater verdanken wir die elegante Schulchandecke und 7 prachtvoll schöne Sifre Tauroh Mäntelchen. Die gesamten Stickereien stammen aus der hebräischen Buchhandlung B. Grünebaum, Kassel."

Ankündigung der Feier des 25-jährigen Jubiläums der Synagoge (1929)  

Kirchhain Israelit 25071929.jpg (29709 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Juli 1929: "Kirchhain, 16. Juli (1929). Die israelitische Gemeinde beabsichtigt, die 25. Wiederkehr des Weihetages ihrer Synagoge, am 17. August, festlich zu begehen. Vorgesehen ist Festgottesdienst, Konzert usw. Mit der Ausführung des Festprogramms sind verschiedene Kommissionen betraut worden."

Feier des 25-jährigen Jubiläums der Synagoge (1929)  

Kirchhain Israelit 12091929.jpg (173187 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. September 1929: "Kirchhain (Bezirk Kassel), 18. August (1929). Der Schabbat Nachamu war für unsere Gemeinde von besonderer Bedeutung, galt es doch, das 25-jährige Bestehen unseres Gotteshauses festlich zu begehen, und man rüstete sich in allen Kreisen der jetzt ansehnlichen Kehilloh (Gemeinde), alles aufzubieten, um Eindruck zu hinterlassen. Die Absicht der Festleiter war von der Tatsache geleitet, der Gegenwart zu zeigen, was ihre Vorfahren in Kirchhain, in dem damals 25 jüdische Familien wohnten, geleistet haben. Jene Männer haben damals einen Dauerwert geschaffen, denn sie waren wahrhaft fromme Juden und weit blickende Menschen. So steht das schöne Gotteshaus, ein Prachtbau von seltenster innerer und äußerer Schönheit, noch heute so da, wie am Tage der Weihe. Seine Pforten sind aber täglich geöffnet, nie fehlt es an Minjan, und am Schabbat und Feiertag bleibt selten ein Mann oder eine Frau beim Gebet aus. So ist die Kirchhainer Schul auch innerlich in dem Vierteljahrhundert mehr geworden, und die jetzt dort wohnenden 70-80 Familien freuen sich, den Weg der Alten fortzusetzen. Möge es so bleiben. – Schon am Freitagnachmittag sah man auf allen Gesichtern die Festesfreude. Im Festgewand eilten alle Kirchhainer Juden mit ihren vielen Gästen in das mit Lorbeerbäumen und Blumen geschmückten Gotteshaus zum Gebet. Eine freudige Überraschung wurde ihnen dort noch geboten. Herren aus der Gemeinde hatten unter Leitung des Herrn Julius Isaak einen Männerchor gebildet, der in solcher Reinheit sang, dass er in jeder Großgemeinde in Ehren hätte bestehen können. Für die Abendmahlzeit blieb der Gemeinde nicht lange Zeit. Gleich nach 9 Uhr war der große Saal des 'Hotel Zipfel' wieder gefüllt. Dort sprach Lehrer Horowitz aus Kassel 'Aus der Geschichte und Volkskunde der hessischen Juden'. Der Redner, der Kirchhain und Umgegend besonders hervorhob, konnte durch seine langjährigen Forschungen aus dem Vollen schöpfen und fand recht aufmerksame Zuhörer. – Schabbat Vormittag war ganz dem Gottesdienst gewidmet. Wiederum erfreute der Männerchor durch geeignete Sondergesänge und die Liturgie die andächtige Gemeinde, und Lehrer Rapp gab in seiner Festrede dem Ausdruck, was alle bewegte. Der Redner verband in sinniger Weise Tischa BeAw und Schabbat Nachami Zerstörung und Aufbau, ersuchte die Gemeinde nach Inhalt des Torawortes 'dass die Wohnung ein Ganzes sei' (2. Mose 26,6) zur Einigkeit und ermahnte, im Sinne der Alten, das ideale Gebäude vor Rissen und Zerfall zu bewahren. Im Rahmen des Gottesdienstes wurden mit den bekannten Gesängen auch gemacht. Die Torarollen trugen alte Leute, die bei der Einweihung zugegen waren. Bei manchem Greis flossen Tränen. In nachdenklicher, ernster Stimmung verließen alle das Gotteshaus. – Auf Ernst folgte Fröhlichkeit. Die kam noch abends zum Ausdruck, und man genoss sie in vollen Zügen, bis der angebrochene Tag sein neues Recht forderte. L. Htz."  
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 23. August 1929: 
ähnlicher Bericht wie oben in der Zeitschrift "Der Israelit"  

Nach dem festlich begangenen Jubiläum der Synagoge war sie nur neun weitere Jahre Zentrum des jüdischen Gemeindelebens in Kirchhain.   
   
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge - bereits am 7. November 1938 - geschändet. Die Bänke wurden von der Empore herabgeworfen, sämtliche Lampen und der Kronleuchter wurden zertrümmert. Nach einer Brandsetzung ist der Innenraum ausgebrannt. Das Gebäude kam in den Besitz eines Kirchhainer Geschäftsmannes, der hier ein Kino einrichten wollte. Der Plan kam nicht zur Ausführung: in der Kriegszeit wurde die Synagoge zeitweise als Scheune für Stroh und Heu, zeitweise  zur Lagerung von eisernen Rohstoffen der Munitionsfabrik in Allendorf zweckentfremdet. 1945/46 wurde der östliche Teil der ehemaligen Synagoge abgebrochen, um an seiner Stelle ein Geschäftshaus zu erstellen. Der westliche Teil wurde zu einem Wohnhaus umgebaut und kam in Privatbesitz. Das neben der Synagoge befindliche jüdische Schul- und Gemeindehaus (mit Lehrerwohnung, Schulraum, Ritualbad und Wohnung des Gemeindedieners) wurde ganz abgebrochen. An seiner Stelle ist ein Parkplatz. 
   
1975 sollte auch der Westteil der Synagoge abgebrochen werden. Das Kreisbauamt untersagte dies und stellte diesen Teil der ehemaligen Synagoge unter Denkmalschutz. In der Folgezeit wurde der bis dahin völlig verkommene Synagogen-Gebäudeteil restauriert und würdig hergerichtet. Im November 1988 wurde am Gebäude eine Gedenktafel angebracht. Der Text lautet: "Zum Gedenken an unsere verfolgten, vertriebenen und ermordeten jüdischen Mitbürger. Bis zum November 1938 war dies die Synagoge, das Gotteshaus der jüdischen Gemeinde Kirchhain. Zum 50. Jahrestag ihrer Verwüstung. Stadt Kirchhain."
   
Das alte Synagogengebäude am Marktplatz wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem Wohn- und Geschäftshaus umgebaut.    
    
    
Adresse/Standort der Synagoge  Niederrheinische Straße / Ecke Römerstraße         
    
    
Fotos
(Quelle: historisches Foto aus Arnsberg Bilder S. 99; neue Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 28.3.2008; Foto Kassettendecke bei Altaras 1994 S. 163.)  

Historisches Foto Kirchhain Synagoge 100.jpg (102719 Byte)  
  Die Synagoge 1938  
     
 Fotos vom März 2008     
Kirchhain Synagoge 110.jpg (85141 Byte) Kirchhain Synagoge 120.jpg (93103 Byte) Kirchhain Synagoge 111.jpg (85333 Byte)
Der erhaltene Westteil der ehemaligen Synagoge
  
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   Eingangstor  
     
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      Die 1988 angebrachte Gedenktafel 
      
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An Stelle des Ostteils der Synagoge befindet sich - unmittelbar mit dem Gebäuderest der alten Synagoge verbunden - ein Geschäftshaus 
   
  Kirchhain Synagoge 172.jpg (75202 Byte)   
  Im Inneren: Teile der erhaltenen
 Kassettendecke
 

  
  
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte      

Seit 2015 wurden in mehreren Verlegeaktionen "Stolpersteine" zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit in Kirchhain verlegt. Die ersten Stolpersteine in Kirchhain wurden am 5. Oktober 2015 verlegt, für die Familien Meier Wertheim II, Strauß und Familie Adolf Wertheim. Die zweite Verlegung war am 5. November 2016. Stolpersteine für die Familien Julius Plaut, Adolf Plaut, Meier Wertheim I und für Ludwig Abt wurden verlegt. Die dritte Verlegung war im Mai 2017. Stolpersteine wurden für die Familien Haas, Lomnitz und Ziegelstein verlegt. Die vierte Verlegung fand im Mai 2018 statt (siehe Pressebericht unten).  
Links zu Berichten über die "Stolpersteine" in Kirchhain: http://www.kirchhain.de/Leben-Wohnen/Unsere-Stadt/Stolpersteine   
Weitere Links: http://www.geschichtsverein-kirchhain.de/stolpersteine.htm
 http://www.alfred-wegener-schule.de/schulleben/stolperstein-ag    
  
Oktober 2015: Erste Verlegung von "Stolpersteinen" in Kirchhain 
Artikel von Matthias Mayer in der "Oberhessischen Presse" vom 6. Oktober 2015: "Stolpersteine Begegnung mit den Namen der Opfer
Seit über zwei Jahrzehnten setzt Gunter Demnig zum Gedenken an Opfer des Nazi-Terrors Steine gegen das Vergessen. Bei der Erstverlegung von zehn Stolpersteinen in Kirchhain war die Anteilnahme groß.
Kirchhain.
Angehörige der Opfer waren eigens aus den USA und Israel angereist und legten Blumen nieder. 73 Jahre, vier Monate und zwei Tage nachdem sie im Vernichtungslager Sobibor starb, bekommt Johanna Strauß ihren Namen zurück. 'Hier wohnte Johanna Strauß, deportiert 1942, ermordet am 3. 6. 1942 in Sobibor.' So ist es auf dem Messingschild auf dem Pflasterstein eingraviert. 'Hugo Strauß, geb. 1869 gedemütigt und entrechtet' steht auf dem zweiten Stein. 'Hier', das ist das Haus Nummer 13 in der Römerstraße. Lastautos rattern vorbei und Autos schlängeln sich an den rund 100 Menschen vorbei, die sich versammelt haben zum Gedenken an die Kirchhainer Juden, die in der Zeit des Nationalsozialismus gelitten haben, in die Flucht getrieben oder ermordet wurden. Unter den Besuchern sind auch vier Gäste, die eine besonders weite Reise auf sich genommen haben. Professorin Jenny Strauß-Clay und ihr Bruder Thomas Strauß waren aus den USA angereist, und Estee Bligh und ihr Mann Alexander waren aus Israel gekommen. Jenny Strauß-Clay ist die Adoptivtochter und Thomas Strauß ist der Stiefsohn des weltberühmten Wirtschaftsphilosophen. Zwischen all den Menschen kniet Gunter Demnig. Zehn Stolpersteine verlegt er, und Volker Scheldt und Torsten Weber vom Bauhof gehen ihm dabei zur Hand. Demnig ist zum ersten Mal in Kirchhain, und schweigsam verrichtet der Mann mit dem breitkrempigen Hut seine Arbeit.
Schüler gaben den Anstoß für die Stolpersteine. Ein Jahr ist es her, dass das Stadtparlament, ausgehend von einer Anregung von Schülerinnen und Schülern der Alfred-Wegener-Schule, einstimmig beschlossen hatte, das Projekt 'Stolpersteine in Kirchhain' zu verwirklichen. Träger des Projektes ist der Arbeitskreis 'Stolpersteine', in dem sich Schüler und Lehrer der Alfred-Wegener-Schule, des Heimat- und Geschichtsvereins, Vertreter der Fraktionen, der Stadtverwaltung sowie des Arbeitskreises Ökumene zusammengeschlossen haben. Eine 15-köpfige Arbeitsgruppe der AWS mit dem Namen 'Antisemitische, Rassistische, Rechtsextremistische Tendenzen-Stoppt (kurz ARRET)' setzte sich intensiv mit dem Thema auseinander. Als Vertreter der Arbeitsgruppe ARRET fand Lasse Lowak eindringliche Worte. Wer über die Steine stolpere, solle sich bewusst werden, dass die Bahnhofstraße einmal Adolf-Hitler-Straße hieß, und SA-Männer die Menschen mit Steinen bewarfen, diskriminierten, bestahlen und ihre Deportation zuließen, sagte er. Bürgermeister Jochen Kirchner hob hervor, dass er sich über das Kommen der vielen Menschen freue. Unter diesen befand sich Amnon Orbach von der Jüdischen Gemeinde Marburg, der später ein hebräisches Gebet sprach. An den drei Standorten verlasen Klaus Hesse vom Heimat- und Geschichtsverein und Schüler der AWS Kurzbiographien und gaben den Opfern mit Fotografien, die sie in den Händen hielten, ein Gesicht.
'Wir haben keine Schuld, aber Verantwortung'. Unter der Leitung von Torsten Mihr begleiteten Schüler des Wahlpflichtkurses Musik mit einem jüdischen Tanzlied und dem ergreifenden Lied 'Donna, Donna', das die Situation der Juden in der Zeit des Dritten Reiches reflektierte, die Verlegung der Steine. Die Schüler des Kurses 'Darstellendes Spiel' der Jahrgangsstufe 11, unter der Leitung von Silke Trux, forderten in einer szenischen Collage mit lauten Stimmen im Chor: 'Wir haben keine Schuld, aber Verantwortung, seid aufmerksam, setzt Stolpersteine in eure Leben. Man stolpert nicht und fällt hin, man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.' Sichtlich bewegt traten Jenny Strauß-Clay und Thomas Strauß an die beiden Stolpersteine in der Römerstraße und dankten den Initiatoren. 'Wir haben viele Geschichten über Kirchhain gehört, es ist für uns sehr rührend hier zu sein', erklärte Jenny Strauß-Clay. Gemeinsam legten sie Blumen ab und verharrten einen Moment im stillen Gedenken.
Fünf Wertheims wurden ermordet. Wie heimisch sie sich in Kirchhain fühle, weil sie so gut von den Leuten aufgenommen worden sei, erklärte Estee Bligh, die mit ihrem Mann Alexander aus Israel angereist war. Ihre Vorfahren lebten im Weinhaus neben dem Rathaus. In der Raiffeisenstraße 11 verlegt Demnig fünf Stolpersteine. Sie erinnern an Sannchen Wertheim, Adolf Wertheim, Betty Wertheim, Martin Wertheim und Karola Wertheim. An der Stelle findet man heute einen großen Parkplatz. Sannchen Wertheim starb am 19. Mai 1943, nachdem sie in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden war. Adolf Wertheim wurde gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern nach Lublin deportiert, am 22. August 1942 starb er im Vernichtungslager Majdanek. Seine Frau Betty brachte die Kinder Martin (1927) und Karola (1934) zur Welt. Betty Wertheim wurde am 3. Juni 1942 in Sobibor ermordet. Sohn Martin starb am 26. September 1942 im Konzentrationslager Majdanek und Karola wurde als Neunjährige in Sobibor ermordet. Daran, dass in dem Haus 'Unterm Groth 23' einst Meier Wertheim, Klara Wertheim und Alfred Wertheim ein und aus gegangen sind, erinnern drei weitere Stolpersteine. Wie sein Bruder Adolf betrieb 'Meier II', wie er in Kirchhain genannt wurde, einen Viehhandel. Noch vor der Reichspogromnacht gelang ihm die Flucht in die USA. Er starb 1971 in New York. Seine Frau Klara starb 1988 im Alter von 92 Jahren in New Jersey. Sohn Alfred, geboren 1922, floh 14-jährig mit seinen Eltern in die USA.
Die Schlussworte gehörten der Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins Kerstin Ebert und Schulleiter Matthias Bosse. 4700 Euro Spendengelder, fast alle von Privatpersonen, habe der Verein erhalten. 600 Euro hatte die VR-Bank gespendet. Ebert betonte, dass noch rund 20 000 Euro gebraucht werden, um noch etwa 60 Häuser mit Stolpersteinen zu versehen. 'Ich bin großartig dankbar, hier dabei gewesen zu sein', erklärte Bosse: 'Kirchhain war damals vorneweg, deswegen ist es wichtig, dass Kirchhain auch heute vorneweg geht.'"
Link zum Artikel  
 
Mai 2018: Stolpersteine in Kirchhain werden geschändet - Zeugenaufruf der Polizei     
Pressebericht der Polizei vom 23. Mai 2018: "Farbschmierereien Kirchhainer Stolpersteine beschmiert
Ein riesiges Hakenkreuz und übermalte Stolpersteine in Kirchhain ließen am Mittwoch die Kriminalpolizei die Ermittlungen aufnehmen.
Kirchhain
. Wohl geschockt reagierten die Bewohner des Wohnhauses an der Kirchhainer Mittelstraße, als sie am Mittwoch Morgen das große Hakenkreuz auf der Hausfassade entdeckten. In der Nacht hatten Unbekannte dieses in einer Größe von 1,50 x 1,50 Meter mit schwarzer Farbe aufgesprüht. Weiterhin überdeckten vermutlich die gleichen Täter die sogenannten Stolpersteine (Gedenk- und Erinnerungssteine) im Steinweg, der Römerstraße und der Niederrheinischen Straße. Die Stadt hat noch am selben Tag mit der Reinigung der Gedenksteine begonnen und nachmittags war von allen die schwarze Farbe wieder entfernt worden.

Zeugenaufruf - Die Polizei sucht Zeugen, die in der Nacht zum 23. Mai, verdächtige Beobachtungen gemacht haben:
Wer hat auffällige Personen an den Tatorten gesehen und kann sie beschreiben?
Wer hat das typische Geräusch, das beim Schütteln von Farbspraydosen entsteht, gehört und in diesem Zusammenhang Beobachtungen gemacht?
Wem sind in der Tatnacht oder am Folgetag Personen mit Spuren von schwarzer Farbe an der Haut oder Kleidung aufgefallen?
Wer hat Personen an den Orten bemerkt, die z.B. mit Rucksack oder Tasche ausgerüstet waren und darin Farbdosen transportierten?
Zeugen melden sich bitte bei der Kriminalpolizei in Marburg unter der Telefonnummer 0 64 21 / 40 6-0."   .   
 
Mai 2018: Vierte Verlegung von "Stolpersteinen in Kirchhain" 
Pressemitteilung der Stadt Kirchhain vom "Stolpersteine in Kirchhain - Steine gegen das Vergessen - Verlegung am 28. Mai 2018
Bereits zum vierten Mal werden am 28. Mai in Erinnerung an die Verfolgung, Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung Kirchhains während der Zeit des Nationalsozialismus Stolpersteine verlegt. Die Verlegung durch den Künstler Gunter Demnig für die Familie Julius Stern ('Hindenburgstraße 2'), Jeanette Lomnitz ('Römerstraße 13'), Familie Karl Zadok Stern ('Borngasse 10') und Familie Katten ('Am Markt 20') wird begleitet durch Musik- und Textbeiträge von Schülern und Lehrern der Alfred-Wegener-Schule. An den einzelnen Verlegeorten werden die Biografien der Familien verlesen sowie Grußworte von Bürgermeister Olaf Hausmann Schulleiter Matthias Bosse und Kerstin Ebert vom Heimat- und Geschichtsverein gesprochen. Darüber hinaus werden Angehörige der betreffenden Familien aus den USA an der Veranstaltung teilnehmen.
Die Verlegung beginnt um 09.30 Uhr in der 'Hindenburgstraße'. Die Bevölkerung Kirchhains und Interessierte sind hierzu herzlich eingeladen.
Für das Projekt 'Stolpersteine' hat der Heimat- und Geschichtsverein Kirchhain e.V. bei der Sparkasse Marburg-Biedenkopf ein Sonderkonto eingerichtet (DE38 5335 0000 0055 0181070)Die Initiatoren erhoffen sich weitere Unterstützung, um die Erinnerungskultur in Kirchhain durch die Verlegung der Stolpersteine auch in Zukunft pflegen zu können."

     
     

    Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Kirchhain 
bulletSeite zum jüdischen Friedhof in Kirchhain (interner Link) 
bulletWebportal HS 010.jpg (66495 Byte)Webportal "Vor dem Holocaust" - Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen mit Fotos zur jüdischen Geschichte in Kirchhain 
bulletBarbara Greve: unter http://jinh.lima-city.de/index-gene.htm finden sich Stammbäume und Familiengeschichten, darunter über  
Descendants of ISAC MOSES from Betziesdorf, Hesse. 

Quellen

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Kirchhain 
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs (innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar: 
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41              
Zu Kirchhain sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):    
HHStAW 365,498   Trauregister der Juden von Kirchhain  1824 - 1873; darin auch Angeben zu Amöneburg    https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1900001        
HHStAW 365,497   Geburts- und Trauregister der Juden von Kirchhain  1824 - 1874; enthält Geburtsregister  1824 - 1874 und Trauregister 1824 - 1841; darin auch Angaben zu Amöneburg  
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2924721   
HHStAW 365,499   Sterberegister der Juden von Kirchhain  1832 - 1874  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v289947      

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 444-447.
bulletders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente. S. 99.
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 103-104.
bulletdies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 85.  
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirk Gießen und Kassel. 1995 S. 149. 
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 567-569. 
bulletBarbara Händler-Lachmann / Ulrich Schütt: "unbekannt verzogen" oder "weggemacht". Schicksale der Juden im alten Landkreis Marburg 1933-1945. Marburg 1992. 
bulletBarbara Händler-Lachmann / Harald Händler /Ulrich Schütt: 'Purim, Purim, ihr liebe Leut, wißt ihr was Purim bedeut?' - Jüdisches Leben im Landkreis Marburg im 20. Jahrhundert. Marburg 1995.  
bulletKirchhain Lit 04.jpg (63614 Byte)Kurt Schubert: Juden in Kirchhain: Geschichte der Gemeinde und ihres Friedhofs, mit einem Beitrag zur Biographie des jüdischen Dichters Henle Kirchhan. Wiesbaden (Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen Bd. 9) 1987.   
     
  

   

bulletKirchhain Lit 11.jpg (51572 Byte)Alfred Schneider: Die jüdischen Familien im ehemaligen Kreise Kirchhain. Beiträge zur Geschichte und Genealogie der jüdischen Familien im Ostteil des heutigen Landkreises Marburg-Biedenkopf in Hessen. Hrsg.: Museum Amöneburg. 2006.   
bulletSabine F. Bloch / Nathanael Riemer: Parnassim zwischen Kirchhain und Halberstadt. Elchanan Henle Kirchhans Familie im 17. und 18. Jahrhundert. In: Aschkenas Band 25, Heft 2, Seiten 365-414. De Gruyter     Link zur Verlagsseite.   
Abstract (Quelle: Verlagsseite): Elchanan Henle Kirchhan, author of the well-known ethical work Simchat ha-Nefesh, was born in 1666 as the seventh of twelve children in the Hessian town of Kirchhain near Marburg. Based on their family tree, drawn up in Hebrew letters in Hildesheim in 1812, this article follows biographical traces of his family members. It analyses the economic, spiritual and social rank of the large family within the Jewish society. The study reveals the position of many family members as leaders (Vorsteher, Parnassim) not only of the Hessian territorial Jewry (Landjudenschaft) but also of important Jewish urban communities like Halberstadt and Hildesheim during the seventeenth and eighteenth century and shows the family's trans-regional relations. Accordingly, this article argues the Parnassim to be a »political elite« with a separate social rank, similar to the rabbinic and economic elites, within the Jewish society of their time.  
bulletPhilipp Lenhard: Eine griechische Jeschiwa an der Chesapeake Bay: Leo Strauss, Jacob Klein und das Ideal der Freundschaft. In: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur. Jg. 9 Heft 2 2015 (Lebensfreundschaften jüdischer Intellektueller im 20. Jahrhundert - Verlagsinformationen) S. 28-41.  
bulletKlaus-Peter Friedrich (Hg.): Von der Ausgrenzung zur Deportation in Marburg und im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Neue Beiträge zur Verfolgung und Ermordung von Juden und Sinti im Nationalsozialismus. Ein Gedenkbuch der Universitätsstadt Marburg, des Landkreises Marburg-Biedenkopf und der Geschichtswerkstatt. Rathaus-Vlg Marburg 2017.    

        
         


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Kirchhain  Hesse-Nassau. Jews lived there from the 17th century, trading in livestock and agricultural produce. Elhanan Hendel Kirchhan, the first rabbi (1744-1754), published a work on traditional life, customs, and music in Hesse (Simhat ha-Hayyim, 1727) which ran to numerous editions. The Jewish community grew to 221 (9 % of the total) in 1910, maintaining an elementary school (1835-1924), where children from nearby Amoeneburg were also taught. A large synagogue in the Romanesque style was opened in 1904 together with a communal center. Two eminent Jews born in Kirchhain were the pioneer neurologist Benedikt Stilling (1810-1879) and the political philosopher Leo Strauss (1899-1973). Branches of the Central Union (C.V.) and Jewish War Veterans Association were established during the Weimar Republic. Affiliated with Marburg's rabbinate, the community still numbered 189 (7 %) in 1925, but Nazi boycott measures and violence reduced it to 77 in July 1938. SS men organized a pogrom shortly before Kristallnacht (9-10 November 1938), destroying the synagogue's interior. By January 1939, 157 Jews had left (59 emigrating); a further 29 emigrated by March 1941 and 20 were deported in 1941-42.  
    
     

                   
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Stand: 30. Juni 2020