Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Züschen (Stadt Fritzlar, Schwalm-Eder-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletLinks und Literatur   

     

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)        
    
In Züschen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück. Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es einige jüdische Familien in der Stadt. 1724 waren es fünf Familien, 1759 sechs Familien mit zusammen 50 Personen.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1826 58 jüdische Einwohner, 1905 19 (2,9 % von insgesamt 641 Einwohnern).   

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (Religionsschule), ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert vermutlich - zumindest zeitweise - ein jüdischer Lehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schochet tätig war. Ansonsten wurde der Unterricht durch auswärtige Lehrer übernommen, der Vorbeterdienst ehrenamtlich durch Gemeindemitglieder.  
     
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Hermann Katz (geb. 20.9.1885 in Züschen, gef. 6.9.1914) und Moritz Katz (geb. 22.8.1890 in Züschen, gef. 2.1.1915). Außerdem sind gefallen: Willy Nathan Speier (geb. 15.12.1878 in Züschen, vor 1914 in Wuppertal-Barmen wohnhaft, gef. 16.4.1915) sowie Max Speyer (geb. 3.7.1883 in Züschen, vor 1914 in Gießen wohnhaft, gef. 12.9.1915).    
   
Um 1924, als noch 12 jüdische Einwohner in der Stadt gezählt wurden (1,8 % von insgesamt 651 Einwohnern), war Gemeindevorsteher Daniel Stern. 1932 war Gemeindevorsteher Max Katz.        
    
1933 lebten noch 13 jüdische Personen in Züschen (1,9 % von insgesamt 687 Einwohnern). In den folgenden Jahren sind die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 1939 wurden noch fünf jüdische Einwohner gezählt.   
       
Von den in Züschen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Julius Joseph (1866), Moritz Joseph (1870), Emil Katz (1892, "Stolperstein" in Essen siehe unten), Julius Katz (1885), Klara Katz (1889), Levi Katz (1861), Lina Katz (1887), Max Katz (1878), Sophie (Sofie) Katz (1894), Victor (Viktor) Katz (1884), Rosalie Sommer geb. Joseph (1867), Emmy (Emmi) Speyer (1886), Sally Nathan Speyer (1877), Susmann Speier (1870).  
Hinweis: Für die aus Züschen stammende Emma Weinstein geb. Speier (Jg. 1883, lebte in Felsberg, emigrierte 1939 nach Argentinien) wurde im Mai 2017 ein "Stolperstein" in Felsberg verlegt.  
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
     
   
Allgemeines     
Beitrag "Die Juden in Waldeck" (erschien 1929) 
Anmerkung: Beitrag zur Geschichte der Juden in Bad Arolsen, Bad Wildungen, Korbach, Landau, Mengeringhausen, Rhoden, Sachsenhausen, Züschen sowie Eimelrod und Höringhausen.     

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 12. April 1929:  "Die Juden in Waldeck. (Zum Ende des ehemaligen Fürstentums). 
Wir entnehmen dem 'Israelitischen Familienblatt' nachstehenden interessanten Artikel: Am 1. April fand in Arolsen die feierliche Vereinigung des Freistaates Waldeck mit Preußen statt. Das kleine Ländchen wird ein Bestandteil der Provinz Hessen-Nassau. Waldeck zählt unter seinen 58.000 Einwohnern etwa 550 Juden. Aus dem Kreise der Waldecker Juden der weiteren Welt bekannt geworden ist der Dichter Heinrich Stieglitz. Seine Werke sind heute vergessen. Seine Frau Charlotte aber entriss seinen Namen der Vergessenheit. Um ihn der Schwermut seines Gemüts, das unter seiner dichterischen Schwäche litt, zu entreißen, und in der Hoffnung, dass ein starker Schmerz heilend und kräftigend auf sein Gemüt einwirken werde, gab sie sich den Freitod. Diese Tat, die das damalige 'Junge Deutschland' aufwählte, wurde von Gutzkow, dem Verfasser des 'Uriel Akosta', behandelt in seinem Roman: 'Walpurg, die Zweiflerin'.   
Die Anzahl der waldeckischen Juden hat sich seit der Freizügigkeit stetig verringert. Sie wanderten aus, da sie anderwärts bessere Verdienstmöglichkeiten hatten und nicht so sehr die Zurücksetzung merkten wie in diesem engen Bezirk, auch durch Bildungsmöglichkeiten entschädigt wurden. Das religiöse Leben war in Waldeck bis auf einige Ausnahmen nie sehr rege. In der Hauptstadt Arolsen konnte es sogar geschehen, dass vor hundert Jahren fast die ganze Gemeinde dem Taufwasser zum Opfer fiel. Die Nachkommen der damaligen Juden gehören heute zu den ersten Familien des Landes. Etwas regeres Leben blüht heute in den beiden Gemeinden Wildungen und Korbach, wo je ein Lehrer amtiert. Arolsen, Mengeringhausen, Rhoden und Sachsenhausen sind kleine Gemeinden, die infolge ihrer geringen Seelenzahl nur mit großer Mühe sabbatlichen Gottesdienst abhalten können. Religionsunterricht wird in diesen Gemeinden nicht erteilt; falsche Sparsamkeit lässt es nicht zu. Dieser Mangel an Verantwortungsgefühl ist wohl auch die Ursache, dass der Korbacher Jakob Wittgenstein bei seinem Tode 1890 sein gesamtes Vermögen von 600.000 Mark seiner Vaterstadt vermachte, aber der Synagogengemeinde nur einige tausend Mark, und ihr nicht einmal den geringsten Einfluss auf die Verwaltung des errichteten Altersheims gestattete. Auch von dieser Familie sind einige Glieder in der Welt, wenn auch getauft, zu Ansehen gelangt. Soll doch der erste Bundespräsident von Österreich, Hainisch, von dieser Familie abstammen. Ferner ist ein Wittgenstein der Begründer der österreichischen Erzindustrie. Ein anderer, namens Paul, war, trotzdem er nur den linken Arm hatte, ein so hervorragender Pianist, dass sogar Richard Strauß für ihn Partituren schrieb. In Sachsenhausen hat ein nach Amerika ausgewanderter Jude Bloch ein Schwesternheim errichtet, aber die jüdische Gemeinde übergangen. Welchen Segen hätten diese beiden Gemeinden mit diesen Legaten für alle Religionen stiften können!  
Die beiden Gemeinden Eimelrod und Höringhausen, die zu dem nunmehrigen preußischen Verwaltungsgebiet Waldeck kommen, gehörten bisher zu Hessen-Nassau. In beiden, besonders in letzterer,       
Arolsen JuedWZKassel 12041929b.jpg (204928 Byte) herrschte stets ein reges religiöses Leben. Beide bedürfen dringend der Hilfe, damit ihre Synagogen nicht ganz zerfallen. Eimelrod hat deshalb vom Landesverband einen sehr reichen Zuschuss erhalten. Weshalb Höringhausen nicht bedacht wurde, fragt sich dort jeder. Vielleicht hat der Landesverband doch noch ein Einsehen und hilft der Gemeinde.    
Über die Geschichte der Juden in Waldeck ist wenig bekannt. Die meisten Nachrichten schlummern noch zerstreut in den Archiven. In früheren Zeiten durften nur in den Orten Züschen und Landau Juden wohnen. Die Hauptstadt besteht erst seit zwei Jahrhunderten. Sie ist die Geburtsstadt des erwähnten Dichters Stieglitz, sowie der berühmten Ärzte Marcus und Stieglitz. Auch die Nachkommen des Marcus gehören heute dem Christentums an. In Korbach muss es schon früh Juden gegeben haben. Darauf weist der Name eines alten Adelsgeschlechts namens 'Judenhertzog'. 1480 erklärte das 'Freigericht unter der Windmühle' zu Korbach einen Juden zu Frankfurt, den Juden dieser Stadt und der Umgebung in die Acht. Sie sollten mit ihm 'weder essen noch trinken, weder mit ihm gehen noch stehen, weder mit ihm sprechen noch singen, nicht mit ihm kaufen noch verkaufen, wuchern oder suchen, keinerlei Verhandlungen mit ihm haben, weder heimlich noch offenbar, auch nicht mit ihm in die Schule, in die Synagoge oder Tempel, überhaupt nicht mit ihm in ein Haus gehen.' Ebenso tat der Freigraf zu Landau alle Juden zu Gelnhausen in die Acht, 'nach rechtem altem Herkommen der kaiserlichen freien heiligen und heimlichen Gerichte', weil sie ungehorsam gewesen wären.  
Auch früher schon waren die Juden mit den Femgerichten in Berührung gekommen. 1738 durften sie nur in Züschen, und etwas später auch in Arolsen wohnen. 1788 war aber der Widerstand gegen die Juden so stark geworden, dass der Fürst den Landständen versprechen musste, einem Juden nicht eher einen neuen Schutzbrief zu geben, bis die Judenschaft im Lande bis auf 20 ausgestorben sei. Auch der Judeneid kommt in dieser Zeit in Waldeck vor. Trotz aller Beschränkungen haben sich die Juden doch in anderen Orten Wohnrecht erhalten. An den Freiheitskriegen nahmen sie teil. Nachdem schon 1804 der Leibzoll aufgehoben war, folgte 1814 das sogenannte Organisationsedikt. In diesem wurden ihnen alle Rechte der übrigen Staatsbürger zugebilligt. Als sie aber in Korbach das Bürgerrecht verlangten, erhob sich seitens der Stadt und der Bürgerschaft ein heftiger Widerstand. Der Fürst Georg Heinrich, ein vorurteilsloser, gerecht denkender Herr, setzte aber ihre Aufnahme zu Bürgern durch. Dieser Fürst gab ihnen auch im Jahre 1834 das Judengesetz, das den etwas merkwürdig anmutenden Titel führt: 'Gesetz über die Gemeinheiten der Juden'. Es gilt auch heute noch, denn es war in Waldeck Regierungsgrundsatz, die Juden unbehelligt zu lassen, wenn auch sie von der Regierung nichts verlangten. Das Gesetz ist aber von Segen gewesen. Der Austritt aus der Gemeinde ist nur mit einem gleichzeitigen Austritt aus der Religion möglich. Sonst muss jeder Waldecker Jude einer Synagogengemeinde angehören. Ein Versuch der jüdischen Gemeinde Korbach, der Regierung die Lasten der Lehrerbesoldung aufzubürden, scheiterte, da die Regierung damals sogar mit militärischer Exekution drohte.  
Es ist daher den beiden Gemeinden nicht zu verdenken, wenn sie auf den Anschluss an Preußen allerlei Hoffnungen setzen und hoffen, dass die Lasten, die sie bisher allein getragen, etwas erleichtert werden. Mögen sie in ihren Hoffnungen nicht enttäuscht werden.  Max Gottlieb."      

   
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  

Tod von Rentier Speier (1908)    

Zueschen FrfIsrFambl 15051908.jpg (16597 Byte)Meldung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Mai 1908: "Züschen i. Waldeck. Rentier Speier, der älteste Bewohner des Fürstentums, ist im Alter von 102 Jahren verschieden." 

     
70. Geburtstag von Levi Katz (1931 in Kassel, geboren in Züschen)     

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck" vom 31. Juli 1931: "Am 30. Juli feierte Herr Levi Katz seinen 70. Geburtstag. Beim Rückblick auf sein vergangenes Leben mag er wohl mit dem Bibelwort sagen: 'Und wenn es köstlich war, so ist es Mühe und Arbeit gewesen'. Geboren wurde er in dem kleinen waldeckschen Ort Züschen. Die Eltern ließen ihn erst in Korbach, dann auf dem Realgymnasium in Kassel ausbilden. 1890 gründete er gemeinsam mit seinen Brüdern unter der Firma 'Gebr. Katz' eine Baumwollwarengroßhandlung. Nach einigen Jahren wurde dann die Kleiderfabrikation der Firma S. Katz angegliedert. In seinen freien Stunden wendete er sich im Rahmen der Loge jüdisch-kulturellen Problemen zu. Auch für Geselligkeit und Lebenslust war unser Jubilar stets zu haben. Hoffen wir, dass die jetzigen Wolken am deutschen Horizont bald wieder verschwinden und Herr Levi Katz noch recht viele Jahre in seiner körperlichen und geistigen Frische tätig sein möge. B."     

     
     
     
Zur Geschichte der Synagoge            
    
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge wurde vermutlich Ende des 18. Jahrhunderts als Synagoge erbaut (1780-1790). Beim Gebäude handelt es sich um einen eingeschossigen Fachwerkbau mit einem Mansarddach und mit Firstrichtung Nord/Süd. Der Eingang für die Männer war von Westen her (bis heute Eingangstüre mit Segmentbogen). Für die Frauen gab es einen separaten Eingang links des Männereingangs (hier heute ein Fenster mit Segmentbogen).  
          
Wie lange in der Synagoge nach 1900 auf Grund der zurückgegangenen Zahl der jüdischen noch Gottesdienste abgehalten werden konnten, ist nicht bekannt. 
     
Nach 1945 wurde das Gebäude als Schreinerwerkstatt verwendet (bis 1984). Einige Zeit stand das Gebäude leer, wurde zwischenzeitlich unter Denkmalschutz gestellt und um 1990 umfassend als Wohnhaus renoviert und umgebaut. Eine kleine Gedenktafel befindet sich an der Nordseite. 
     
     
Adresse/Standort der Synagoge          Hinter der Mauer 20    
    
    
Fotos
(Quelle: Altaras 1988 S. 63 und 1994 S. 62; neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 8.4.2010)  

Das Gebäude der ehemaligen 
Synagoge in Züschen   
Zueschen Synagoge 212.jpg (73582 Byte)  Zueschen Synagoge 210.jpg (62784 Byte)
     Das Gebäude im Juli 1985 (Nordgiebel 
und Westseite)
 Südgiebel des 
Hauses  
         
Nach einer umfassenden 
Restaurierung um 1990  
Zueschen Synagoge 280.jpg (49386 Byte)      Zueschen Synagoge 281.jpg (63189 Byte)
     Nordgiebel und Westseite mit dem Eingang
 (ursprünglich Männereingang, links davon
 unter dem Fenster mit Segmentbogen der
 Eingang zur Frauenempore
 Südgiebel des Hauses
  
  
     
Das ehemalige Synagogengebäude 
im Frühjahr 2010
Zueschen Synagoge 470.jpg (72014 Byte) Zueschen Synagoge 473.jpg (70759 Byte)
  Blick auf die Westseite mit dem Eingang (vgl. Beschreibung oben)
     
   Zueschen Synagoge 471.jpg (63372 Byte) Zueschen Synagoge 472.jpg (60295 Byte)
   Die Hinweistafel Links der Nordgiebel des Synagogengebäudes,
 rechts der Eulenturm
  
       

    
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

März 2020: Schüler der Ursulinenschule Fritzlar erforschen das Schicksal eines jüdischen Mädchens mit besonderen Beziehungen zu Züschen      
Artikel von Ulrich Köster in "nh24.de" vom 12. März 2020: "Annelieses Schicksal. Ursulinenschüler ergänzen Wanderausstellung zu Kindertransporten
FRITZLAR-ZÜSCHEN.
Im vergangenen Jahr rief das Evangelische Forum Schwalm-Eder mit weiteren Kooperationspartnern das Schülerprojekt 'Lebenslinien – 80 Jahre Kindertransporte zur Rettung jüdischer Kinder' ins Leben. Die daraus entstandene Wanderausstellung über das Schicksal von Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft war inzwischen an mehreren Orten im Schwalm-Eder-Kreis zu sehen.
Wie bereits in Neukirchen, Steinatal und Treysa, recherchierten auch Schüler der Ursulinenschule Fritzlar über die relativ unbekannte Rettungsaktion, durch die schätzungsweise über 12.000 Kinder vor dem Holocaust bewahrt wurden. Die Klasse 9R3 beleuchtete die Geschichte der fast gleichaltrigen Anneliese Henriette Katz – die lebte zwar in Essen, besuchte aber regelmäßig ihre Verwandtschaft in Züschen. 'Ich fand es sehr spannend bei dem Projekt mitzuarbeiten', berichtete Annika Beutel von dem außergewöhnlichen Geschichtsunterricht – für das Kapitel 'Kindheit in Essen' hatten die 15-Jährige und ihre Mitschüler unter anderem im Online-Archiv des United States Holocaust Memorial Museum in Washington recherchiert. 'Für die Jugendlichen war es sehr eindrucksvoll, in den Tagebüchern und den Briefen an die Eltern zu lesen', bestätigte Lehrerin Stephanie Trieschmann die Besonderheit der Wissensvermittlung.
Das Ergebnis ihrer Arbeit wurde nun auf zwei Stellwände gedruckt, die die bereits vorhandene Ausstellung ergänzen. Eröffnet wurde sie am 1. März nach dem Gottesdienst, zwei Tage später fand dazu ein weiterer Informationsabend statt. Gemeindepfarrerin Ira Waterkamp und Pfarrer Dierk Glitzenhirn vom Evangelischen Forum freuten sich über gut drei Dutzend Gäste, die sich im Gemeindehaus Züschen eingefunden hatten – besonders begrüßten sie Autor Ernst Klein, der Mitbegründer des Vereins 'Rückblende gegen das Vergessen' in Volkmarsen. Als ausgesprochener Kenner der Geschichte referierte er ausführlich über die Thematik. 'Um zu verstehen, warum Eltern ihre Kinder unbegleitet ins Ausland schicken, muss man die Situation in der damaligen Zeit begreifen', sagte er und beschrieb die Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung, die von Tag zu Tag schlimmer wurden. Aus vielen Quellen konnte er von zahlreichen Einzelschicksalen berichten, die bedrückend genau beschrieben, wie es den Kindern allein in der Fremde erging. Darüber hinaus erzählte er von persönlichen und oftmals emotionalen Begegnungen mit Betroffenen, die bisweilen erst nach Jahrzehnten wieder über ihre Erlebnisse sprachen. (pm)
Ferien in Züschen. Anneliese Henriette Katz wurde am 2. Oktober 1925 in Essen geboren, ihr Vater Emil Katz stammte aus einer jüdisch-orthodoxen Familie in Züschen, daher verbrachte das Mädchen seine Ferien oft bei den Verwandten auf dem Land. Sie ging in Essen zur Schule, mit ihren Freundinnen war sie Mitglied im jüdischen Jugendverband 'Makkabi Hazair Zionist', der sich mit einem eigenen jüdischen Staat befasste. Auch Annelieses Eltern überlegten eventuell nach Palästina auszuwandern, doch Emil wollte sein Vaterland, für das er im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, nicht hinter sich zu lassen. Die bis dahin noch relativ unbeschwerte Kindheit endete mit der Pogromnacht im November 1938. Die damals 13-Jährige erlebte mit, wie die Essener Synagoge brannte, ihre Wohnung verwüstet wurde und ihr Vater vorübergehend ins Konzentrationslager Dachau kam. Schweren Herzens entschieden sich die Eltern dazu, Anneliese mit einem Kindertransport nach England zu retten – dort lebte sie erst bei Verwandten und später bei anderen Familien. Der Briefkontakt in die Heimat brach bereits nach dem ersten Kriegsjahr ab, 1941 wurden ihre Eltern ins Ghetto Lodz deportiert und drei Jahre später im Vernichtungslager Kulmhof ermordet. Nach dem Krieg lernte sie ihren Mann kennen und zog mit ihm nach Sri Lanka – dort wurde sie Mutter und Stiefmutter von insgesamt sieben Kindern. Sie begann Lyrik und Prosa, aber auch autobiografische Texte und Essays zu schreiben – über die Jahre wurde sie eine der berühmtesten Schriftstellerinnen Sri Lankas, deren Werke in acht Sprachen erschienen. Ihr einziger deutschsprachiger Band enthält eine Auswahl ihrer Holocaust-Gedichte – ihm stellte sie die Widmung voran: 'Den jungen Menschen in Deutschland – damit das Erinnern nicht aufhört'. Anne Ranasinghe (geb. Katz) starb 2016 im Alter von 91 Jahren in Colombo."  
Link zum Artikel  
Hinweis: die Anne Ranasinghe papers finden sich im Online Archiv des United States Holocaust Memorial Museum über den Link https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn611478
In der Sammlung findet sich auch ein Foto des Vaters von Anne(liese) geb. Katz: Emil Katz (Link zum Foto): geb.  16. August 1892, wohnhaft in Essen, wo er eine kleine Fabrik mit Sanitärartikeln betrieb; war nach dem Novemberpogrom 1938 im KZ Dachau; wurde ab Düsseldorf am 27. Oktober 1941 in das Ghett Lodz deportiert, am 10. Juli 1944 in das Vernichtungslager Chelmno (Kulmhof), wo er ermordet wurde ("für tot erklärt").
Für Emil Katz wurde am 23. Mai 2018 in Essen (Südviertel Brunnenstraße 55) ein "Stolperstein" verlegt. Weitere Informationen zu seiner Geschichte.  

    
    

      
Links und Literatur

Links:   

bulletWebsite der Stadt Fritzlar  
bulletZur Seite über die jüdischen Friedhöfe in Züschen (interner Link)    

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 448-449.  
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 63-64.   
bulletdies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 62.
bulletdies.: Neubearbeitung der beiden Bände. 2007² S. 175-176.  
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 171.  
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 554.  

    
     


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Zueschen  (now part of Fritzlar) Hesse-Nassau. The Jewish community, numbering 50 in 1759, grew to 91 in 1847. It was affiliated with the rabbinate of Kassel. By 1933 it had dwindled to 13; the last three Jews were deported to the Lodz ghetto and perished.  
     
      

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 15. Oktober 2013