Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 

  
Zurück zur Seite über die Jüdische Geschichte/Synagoge in Kassel       
  
Weitere Seiten mit Texten zur jüdischen Geschichte in Kassel:   
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben im 19./20. Jahrhundert        
-  Berichte über die Rabbiner, die jüdischen Lehrer und weitere Kultusbeamte sowie die jüdische Schule und das Lehrerseminar  (diese Seite) 
Berichte zur Geschichte des Israelitischen Waisenhauses in Kassel   
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde   
Zur Seite über den jüdischen Friedhof in Kassel-Bettenhausen  
    

Kassel (Hessen)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt 
 
Hier: Texte zur Geschichte der Rabbiner, Lehrer und Kultusbeamten 
sowie zur jüdischen Schule und dem Israelitischen Lehrerseminar in Kassel  

Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Kassel wurden in jüdischen Periodika gefunden. 
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.  
      
Übersicht:   

bulletAus der Geschichte der Landrabbiner in Kassel   
Übersicht über die Rabbiner in Kassel von 1779 bis 1939 
-  Zum Tod von Landrabbiner Dr. Philipp Romann (1842)    
-  Die Rabbinerstelle ist schwer zu besetzen (1844)   
-  Zwei Rabbiner halten eine Probepredigt (1846)    
-  Überwachung und Beaufsichtigung des Religionswesens durch das Land-Rabbinat (1846)  
V
erschiedene Rabbinatskandidaten stellen sich in der Gemeinde vor (1847)     
Weitere Schwierigkeiten in der Besetzung der Rabbinerstelle und andere Mitteilungen (1847)  
Die jüdische Gemeinde ist nun bereits fünf Jahre ohne Rabbiner (1847)   
-      Erste Richtigstellung des obigen Artikels zu den Schwierigkeiten in der Besetzung der Rabbinerstelle (1847)   
-      Zweite Richtigstellung des obigen Artikels (1847)  
-  Immer noch Schwierigkeiten in der Besetzung der Rabbinerstelle (1847)  
Z
um Stand der Rabbinerwahl (November 1847)   
-  Drei Rabbiner sind als Kandidaten um die Rabbinatsstelle in Kassel im Gespräch (1847)   
Der aus Wanfried stammende Rabbiner Dr. Abraham Stein ist Kandidat für die Rabbinatsstelle (1850)   
Rabbiner Dr. Lazarus Adler (Bad Kissingen) wurde zum Landrabbiner in Kurhessen (Kassel) ernannt (1852)   
Über Rabbiner Dr. Lazarus Adler nach seinem Dienstantritt in Kassel (1852)    
-  Anzeige für eine Predigt von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler (1876)   
-  25-jähriges Amtsjubiläum von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler (1877)  
70. Geburtstag von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler (1880)    
Danksagung von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler für die Glückwünsche zum 70. Geburtstag (1880) 
Ausschreibung der Stelle des Land-, Provinzial- und Gemeinderabbiners (1884)   
Zum Tod von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler und seine Beisetzung in Wiesbaden (1886) 
Beisetzung des Landrabbiners Dr. Isaak Prager (1905)   
Rabbiner Dr. Max Doctor wurde zum Landrabbiner in Kassel ernannt (1906)  
A
nzeige der Frau von Landrabbiner Dr. Max Doctor (1912)     
Zum Tod von Landrabbiner Dr. Max Doctor (1918)  
Rabbiner Dr. Leo Bärwald wird als Nachfolger von Landrabbiner Dr. Max Doctor berufen (1918)         
Ausschreibung der Stelle des Land-, Provinzial- und Gemeinderabbiners (1936)       
bulletAus der Geschichte der jüdischen Lehrer und weiterer Kultusbeamten in der jüdischen Gemeinde in Kassel sowie Berichte aus der jüdischen Schule    
Z
ur Geschichte der jüdischen Volksschule in Kurhessen beziehungsweise in Kassel (1930)  
-  Ausschreibung der Stelle eines Kantors (1852)  
 Ausschreibung der Stelle des Vorsängers (1874)  
-  Ausschreibung der Stelle des Religions- und Elementarlehrers (1876)  
Werbung für ein Pensionat für jüdische Schüler in Kassel (1884)  
-  Zwei Schächter werden gesucht (1885)  
-  Zum Tod von Hauptlehrer und Prediger Raphael Lazarus (1906) 
-  50-jähriges Amtsjubiläum von Lehrer E. Gutkind (1906)  
-  Vortrag von Lehrer Ludwig Horwitz im "Hessischen Geschichtsverein" (1908)  
-  Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers und zweiten Vorsängers (1908)  
-  Klärung des Beitrages der Stadt zur Finanzierung der israelitischen Volksschule (1913)   
-  In der jüdischen Elementarschule wird auf den Schabbat wenig Rücksicht genommen (1922) 
60. Geburtstag von Lehrer Ludwig Horwitz (1922)  
A
usschreibung der Stelle eines Religionslehrers und Vorsängers (1924)    
-  30-jähriges Lehrerjubiläum von Lehrer Joseph Moses (1929) 
D
anksagung von Salomon und Erich Neumann (1930)   
25-jähriges Ortsjubiläum des Leiters der Israelitischen Volksschule Josef Moses (1931)   
-  Zum 25-jährigen Ortsjubiläum des Lehrers Salomon Neumann in Kassel (1931, geb. 1880)    
-  75. Geburtstag von Lehrer und Kantor i.R. Ludwig Horwitz (1937)    
-  Zum Tod von Studienrat Dr. Otto Heß (1938)  
bulletLehrerkonferenzen in Kassel   
2
1. Jahresversammlung der israelitischen Lehrerkonferenz Hessens in Kassel (1889)  
2
2. Jahresversammlung der israelitischen Lehrerkonferenz Hessens in Kassel (1890)   
-  35. Jahresversammlung der Israelitischen Lehrerkonferenz Hessens in Kassel (1903)   
-  Verbandstag des Verbandes der israelitischen Lehrervereine im deutschen Reich in Kassel (1905)   
-  55. Jahresversammlung der Israelitischen Lehrerkonferenz Hessens in Kassel (1927)  
bulletAus der Geschichte des Israelitischen Lehrerseminars in Kassel   
Empfehlung des talmudgelehrten Fuldaer Lehrers Philipp Stern als Nachfolger von Lehrer Lasson am Lehrerseminar (1859)   
2
5-jähriges Amtsjubiläum des Seminarlehrers Dr. Salomon Leviseur (1864)  
A
nzeige von Lehrer Dr. Salomon Leviseur (1864)   
2
5-jähriges Jubiläum von Dr. Jacob Stein als Direktor des jüdischen Lehrerseminars (1891)   
Zum Tod von Seminardirigent a.D. Dr. Jacob Stein (1898)   
-  Erfolgreiche Prüfungen am Israelitischen Lehrerseminar in Kassel (1902)  
A
bschluss der zweiten Lehrerprüfung (1903)  
A
ufnahmeprüfung an der Lehrerbildungsanstalt (1904)  
L
ehrerprüfung am israelitischen Seminar (1911)   
-  Nachrichten aus dem Israelitischen Seminar (1911) 
-  Entlassungsprüfung am Israelitischen Seminar (1913)  
-  25-jähriges Jubiläum von Seminarlehrer Hermann Katz (1913)  
Der Leiter des israelitischen Lehrerseminars Dr. Felix Lazarus erhält den Titel "Seminardirektor" (1914)        
-  Zum Tod von Seminarlehrer Hermann Katz (1921, seit 1888 Seminarlehrer in Kassel) 
Z
um Tod von Dr. Robert Pähler, Leiter des Provinzialschulkollegiums (1926)   

      
      
      
Übersicht über die Rabbiner in Kassel von 1779 bis 1939 
    
Vorbemerkung: von 1625 beziehungsweise nach dem Dreißigjährigen Krieg von 1656 bis 1772 war der Sitz des Landrabbinates für Kurhessen in Witzenhausen. 1772 wurde der Sitz des Landrabbinats nach Kassel verlegt. Zum ersten Landrabbiner in Kassel wurde 1779 auf einem Landtag in Melsungen Rabbiner Josef-Moses Hess bestimmt. Seitdem waren die folgenden Rabbiner in Kassel tätig:   

bullet1779 bis 1793: Rabbiner Josef-Moses Hess (auch Josef-Moses Kugelmann) (geb. in Meimbressen, gest. 1793 in Kassel): war seit 1762 Dajan in Fürth, zuletzt Rabbinatspräses ebd.; seit 1779 Landrabbiner der Landgrafschaft Hessen-Kassel mit Sitz in Kassel; leitete eine Jeschiwa.   
bullet1795 bis 1814: Rabbiner Löb Berlin (geb. 1737 in Fürth, gest. 1814 in Kassel): lernte in Fürth und Halberstadt; seit 1782 als Dajan in Fürth und Rabbiner in Baiersdorf tätig; 1789 fürststiftlicher Landrabbiner in Bamberg, seit 1795 kurfürstlich-Hessischer Landesrabbiner in Kassel; 1808 bis 1813 Ältester der drei Oberrabbiner des Westfälischen Konsistoriums in Kassel mit dem Titel eines "Consistorialrats".                            
bullet1814 bis 1829: Rabbiner Samuel Josaphat (geb. 1768 in Witzenhausen, gest. 1829 in Kassel); lernte in Metz; war zunächst Ortsrabbiner in Witzenhausen; 1814 (nach Aufhebung des Konsistoriums) Dajan und "Provisorischer Stadt-Rabbiner" in Kassel sowie Provinzial- und Landrabbiner; auf Grund seiner Strenge hielten sich die Kasseler Gemeindeältesten an den Hanauer Rabbiner M. T. Sontheim.    
bullet1829 bis 1830 (als Rabbinatsverweser): Rabbiner Gerson Josaphat (geb. 1808 in Kassel als Sohn von Rabbiner Samuel Josaphat, gest. 1883 in Halberstadt): lernte in Mannheim; war 1829 Rabbinatsverweser in Kassel; studierte 1831 in Bonn, später Marburg; 1836 Klausrabbiner und Talmuddozent in Halberstadt.
Von 1842 bis 1852 kam es auf Grund von Richtungskämpfen zwischen liberalen und traditionellen jüdischen Kreisen nicht zur Besetzung der Rabbinatsstelle.  
bullet1836 bis 1842: Rabbiner Dr. Philipp Romann (geb. 1810 in Heidingsfeld, gest. 1842 in Kassel): lernte in Würzburg, studierte ebd.; seit 1836 Gemeinderabbiner in Kassel, Provinzialrabbiner für NiederHessen und provisorischer Landrabbiner für Kurhessen (1837 definitiv Landesrabbiner).   
bullet1852 bis 1884: Rabbiner Dr. Lazarus Levi Adler (geb. 1810 in Unsleben, gest. 1886 in Wiesbaden): Sohn von Rabbiner (Dajan) Naphtali-Hirsch Adler: lernte in Gelnhausen und Würzburg; studierte ab 1830 in Würzburg und München (Promotion in Erlangen); zunächst in Unsleben Assistent seines Vaters; 1840 Distriktsrabbiner in Bad Kissingen; seit 1852 bis zu seiner Zurruhesetzung 1884 Landrabbiner in Kassel
bullet1885 bis 1905: Rabbiner Dr. Isaak Prager (geb. 1847 oder 1849 in Lendzin, Oberschlesien, gest. 1905 in Kassel), studierte in Breslau; seit 1877 Direktor der Religionsschule Hannover, 1880 Direktor der LBA in Hannover; von 1885 bis 1905 Landrabbiner in Kassel.   
bullet1906 bis 1918 Rabbiner Dr. Max Doctor (geb. 1870 in Zülz [Biala], Oberschlesien, gest. 1918 in Kassel): studierte seit 1890 in Breslau; 1894 Lehrer in Breslau, 1899 stellvertretender Rabbiner der Storchsynagoge und Religionslehrer in Breslau; 1900 Bezirksrabbiner in Bruchsal; ab Mai 1906 Landrabbiner in Kassel
bullet1919 bis 1936 Rabbiner Dr. Gotthilf Walter (geb. 1867 in Lobsenz, Posten, gest. 1942 in Berlin): studierte in Breslau und Berlin (Promotion in Leipzig, 1890/91 bis 1919 liberaler Rabbiner in Bromberg, Posen; 1919 Landrabbiner in Kassel; 1936 Pensionierung und Niederlassung in Berlin. 
bullet1935 (Vertretung im Rabbinat): Rabbiner Dr. Salomon Herbst (geb. 1912 in Krefeld): studierte seit 1936 in Breslau; 1935 Rabbiner in Kassel, 1936-1937 Rabbiner in Stolp, Pommern; 1938 in die USA emigriert. 
bullet1936 (Vertretung im Rabbinat): Rabbiner Dr. Heinrich Levi Bassfreund (geb. 1886 in Tarnowitz [Tarnowskie Góry] als Sohn von Rabbiner Dr. Jakob Bassfreund (seit 1891 Oberrabbiner in Trier, gest. in Petach Tikwa): studierte 1904 bis 1911 in Berlin; seit 1911 Rabbiner in Pinne (Pniewy), Posen, seit 1917 in Press (Pszczyna), Oberschlesien; 1918 Feldrabbiner; 1920 Promotion in Gießen; 1923 bis 1938 Kreisrabbiner in Eschwege, 1936 interimistisch Provinzrabbiner in Kassel (?); 1938 nach Palästina emigriert, wo er als Rabbiner der Gemeinde 'Meqor Hyaim' in Petach Tikwa tätig war; er starb in Petach Tikwa. 
bullet1936 bis 1939 Rabbiner Prof. Dr. Robert Raphael Geis (geb. 1906 in Frankfurt, gest. 1972 in Baden-Baden): studierte in Berlin, Breslau und Köln; 1932 bis 1934 zweiter Rabbiner (Jugendrabbiner) in München; 1934 bis 1937 Stadtrabbiner in Mannheim; 1937 bis 1939 Land- und Gemeinderabbiner in Kassel und Oberrabbiner von Hessen; nach dem Novemberpogrom 1938 ins KZ Buchenwald verschleppt; 1939 nach Palästina emigriert; 1939 bis 1946 u.a. Dozent an der Hebräischen Universität in Jerusalem; 1949 bis 1952 Rabbiner der Emigrantengemeinde in Amsterdam; 1952 bis 1956 Landesrabbiner in Baden (Karlsruhe), Dozent an der Universität Freiburg; lebte zuletzt in Baden-Baden.   

     
     
Aus der Geschichte der Landrabbiner in Kassel  
Zum Tod von Landrabbiner Dr. Philipp Romann (1842)    
Anmerkung: zu Dr. Philipp Romann vgl. http://steinheim-institut.de:50580/cgi-bin/work3?id=1483     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. September 1842: "Kassel, 21. August (1842). Die hiesige israelitische Gemeinde sowie alle Israeliten Kurhessens haben einen schmerzlichen Verlust erlitten und die Menschheit ist um einen edlen Mann ärmer geworden. Am 17. dieses Monats abends 6 1/2 Uhr verschied, sanft und gottergeben, nach vierzehntägigem Krankenlager an den Folgen eines nervös-gastrischen Fiebers, der kurhessische Landrabbine Dr. Philipp Romann, im 32. Jahr seines Lebensalters. Geboren zu Heidingsfeld bei Würzburg wurde derselbe, als Kandidat der mosaischen Theologie, im Jahr 1836 zu dem Amte berufen, dem er bis an sein Ende vorstand. Wenn in der Gegenwart die Stellung eines Rabbinen mit großen Schwierigkeiten verknüpft ist; wenn die Aufgabe, das positive Judentum mit der Wissenschaft in Übereinstimmung        
Kassel AZJ 10091842a.jpg (190817 Byte)zu bringen und den Anforderungen zu genügen, welche eine bewegte Zeit stellt, eine für menschliche Kräfte kaum lösbare genannt werden darf; so war solche für den Verstorbenen umso schwieriger, als derselbe in noch jugendlichen Jahren seine Schultern dieser Last darzubieten hatte und seine religiösen Ansichten mehr dem Gemüt und der frommen Anhänglichkeit an den Überlieferungen der Väter, denn einer durch unbefangene wissenschaftliche Forschung herangebildeten Überzeugung, zusagten. Dass diese Richtung nicht bei allen Gemeindegliedern Beifall finden konnte und deshalb auch manche tadelnde Stimme sich vernehmen ließ, ist leicht erklärbar. Wenn aber ein von der Ausübung des gewählten geistlichen Berufs ganz erfülltes, jedem andern Genuss entsagendes Leben; eine nie ermüdende Tätigkeit überall, wo es galt Menschenwohl zu fördern, verbunden mit einer liebenswürdigen Persönlichkeit auf Anerkennung Anspruch zu machen haben; so war der Verstorbene hierzu in vollem Maße berechtigt. Dass diese Anerkennung ihm auch zuteil wurde und zwar in einem die Grenzen seines besondern Wirkungskreises weit überschreitenden Umfange, davon gab die allgemeine Teilnahme Zeugnis, die sich während der Krankheit und beim Tod des Verblichenen aussprach.  
Freitag, am 19. dieses Monats nachmittags 3 Uhr fand das feierliche Leichenbegängnis statt. Ein unübersehbarer Zug, an dessen Spitze sich die Geistlichkeit der verschiedenen christlichen Konfessionen sowie mehrere Regierungsbeamte befanden, und welchem sich eine große Anzahl hiesiger Einwohner aus allen Ständen angeschlossen hatte, folgte in stiller Trauer der irdischen Hülle. Auf dem Gottesacker wurde der Sarg von einem durch die Zöglinge der hiesigen Schul- und Schullehrer-Bildungs-Anstalt ausgeführten hebräischen Choralgesang empfangen, und der Kreisrabbiner Wetzlar aus Gudensberg, welcher zu diesem Ende von dort hierher gekommen war, gedachte mit kurzen, aber ergreifenden Worten der Verdienste des Verblichenen. Zögern und mit den wehmütigsten Empfindungen wurde der Grabhügel verlassen, der die Gebeine des trefflichen Mannes deckt!   
Bei dem gestrigen sabbatlichen Frühgottesdienst waren im dichterfüllten Gotteshause, die Blicke aller Anwesenden nach der leeren Stätte des Heimgegangenen gerichtet. An den Stellen der Liturgie, welche   
Kassel AZJ 10091842b.jpg (379551 Byte)der Verblichene selbst mit seiner wohllautenden Stimme, in der sich der Ernst wie die Milde der Religion spiegelten, vorzutragen pflegte, ward die Rührung so allgemein, dass der öffentliche Vortrag auf einige Augenblicke unterbrochen werden musste. Diese ergreifenden Momente sprachen ebenso sehr für den Wert des Abgeschiedenen, als sie die Gemeinde erhoben, von der sie ausgingen. 
Romann hinterlässt eine Gattin in jugendlichem Jahren, welche seine treue Pflegerin bis zum letzten Lebenshauch war und die in ihm ihr ganzes Erdenglück fand.   
Als eine Fügung des Zufalls ist es bemerkt worden, dass der Verstorbene an demselben Tage (11. Elul) und in derselben Stunde aus dem Leben schied, in welcher er vor sechs Jahren durch die hiesigen Gemeindeältesten, bei seinen zur Übernahme seines Amtes hierher unternommenen Reise, feierlich empfangen wurde. So ist ihm schon nach den ersten sechs Jahren der Arbeit, das siebente zum Jahr der sabbatlichen Ruhe geworden. Möge sie ihm in dem Maße zuteil werden, als sein kurzer, aber frommer Lebenslauf sie verdient!   -th- 
Kassel, 24. August (1842) (Eingesandt). [Nachruf an Herrn Dr. Philipp Romann, Landrabbiner der Israeliten in Kurhessen, gestorben am 17. August. 
Anmerkung: Nachstehende Worte drücken die Empfindungen eines dem Verewigten in seinem Wirkungskreis in mehrfacher Beziehung nahe stehenden Mannes an dessen Grabe aus; sie wurden aber, um in der Sabbatnähe die Lage der Leidtragenden an der Gruft nicht zu verlängern, nicht gesprochen, mögen aber hier umso mehr einen Platz finden, als sie bei vielen Gleichgesinnten lebhaften Anklanges gewiss sind. Korresp.   
Die Beziehungen, in denen ich mich zu dem Verewigten befand, setzen mich in den Stand, den ganzen Umfang des Verlustes zu ermessen, den wir erlitten haben; ich hatte die häufigste Veranlassung, den Bereich der rastlosen Tätigkeit zu würdigen, worin sich bei ihm die äußerste Sorgfalt in der Erfüllung aller religiösen Pflichten mit einem unablässigen Fleiß in der Ausübung des Predigtamtes, in der gründlichen Erforschung und Spende geistlicher Lehre, in der Beratung der Gewissen, in der Beaufsichtigung und Leitung des Schulwesens vereinigte, wobei denn die kräftige Herstellung und Handhabung des Ernstes und der Würde des Gottesdienstes in der hiesigen Gemeinde, welchen er in jeder Weise und mit so schönem Erfolg erhebend und fruchtbar zu machen suchte, ihm noch besonders zum unvergänglichen Verdienste gereicht. Wer aber von uns allen wüsste nicht, wie rastlos, wie treu und ernst er seinem Berufe oblag? - wer von uns allen hätte nicht in bedeutungsvollen Augenblicken Rat und Trost - in schwierigen Geschäften Hilfe - bei allen guten Werken Förderung - bei gebeugtem Gemüte Aufrichtung und Erbauung bei ihm gesucht und gefunden? Wer hätte nicht seine lebhafte Teilnahme und die schnelle und scharfsinnige Auffassung erfahren, womit er jedes höhere Interesse ergriff, mochte es das allgemeine Wohl, oder den innern Zustand der Einzelnen angehen?   
Was aber das würdige Leben, dessen allzu frühes Ziel wir beweinen, vor allem bezeichnete, - das war dessen durchaus und wahrhaft priesterlicher Richtung. Nicht bloß lehren wollte der Verewigte den Willen und das Wort Gottes - er wollte in auch verrichten - er wollte es auch erfüllen, in allen Stücken so weit er vermochte - an allen Orten, soweit er reichte, ein Gottesdienst sollte sein ganzes Leben sein. Wie dieses Streben in einer nie von ihm weichenden Freudigkeit ihn durchdrang, - das zeigte sich auf das sprechendste durch seine ganze Laufbahn von Jugend auf! - leuchten aber sahen wir vor allem dieses Grundelement seines frommen Wandelns und seiner stets nach dem Heiligen trachtenden Seele an jenem feierlichen Tage, wo er zuerst in das neue Gotteshaus der hiesigen Gemeinde einzog, welches er in froher Beseligung weihte zu seiner heiligen Bestimmung. Wie verklärte sich da sein ganzes Wesen - wie ward es offenbar und sprach es sich selber aus auf das schönste, und mit unvergesslichste, als er die Worte des 27. Psalms anführte: 
'Das Eine erbat ich mir vom Herrn und danach sehne ich mich: zu sitzen im Hause des Herrn alle Tage meines Lebens, zu schauen die Lieblichkeit Gottes und fleißig in seinem Heiligtume zu sein.' Und diese gottesdienstliche Treue verbreitete sich auch über sein Leben. Fest und unerschütterlich wie sein Glaube war er auch in allen Beziehungen,        
Kassel AZJ 10091842c.jpg (111703 Byte)in Wohlwollen, in der Freundschaft, in den zartesten Verhältnissen des Privat- wie in den würdigsten des öffentlichen Lebens. Schön war es wahrzunehmen wie neben der gewissenhaftesten Erfüllung der Berufspflichten und der getreuesten Verehrung seines Landesherrn, er, obwohl eines anderen Landes Sohn, doch seinem neuen Vaterlande und dessen Gesetzen mit aller Liebe und Treue eines angestammten Bürgers anhing.   
Das alles stand in der unmittelbarsten Verbindung mit seinem felsenhaften Vertrauen auf Gott, der sein erster und sein letzter Gedanke war.   
So möge denn auch in dieser schmerzlichen Trauer, das von ihm hinterbliebene Andenken uns nicht nur im Leiden, noch einen Trost, sondern auch eine Stärkung des Gottvertrauens gewähren. Du aber Verklärter! fahre wohl - fahre wohl, Du guter Wächter, der Du stets munter warst, den Andrang den Unheiligen zu wehren - fahre wohl Du treuer Hirte, der Du so trefflich Rechnung abzulegen weißt von dem Dir anvertrauten Gute - fahre wohl, Du rechter Priester, der Du nur lebtest im Heiligtum und keine andere Lust des Daseins kanntest, als zu dienen im Hause des Herrn - gedenke nun wie Du in Liebe hienieden gewaltet, so auch dort im himmlischen Vaterhause mit Liebe und Milde aller derer, die Dich liebten - aller derer, die Dich beweinen, gedenke so unser allesamt. 
So fahre wohl denn - fromme Seele, fahre wohl. Dr. Ps."   

   
Die Rabbinerstelle ist schwer zu besetzen (1844)    
Anmerkung zu den genannten Rabbinern:  zu Rabbiner Dr. Joseph Aub (1804 bis 1880) siehe Wikipedia-Artikel "Joseph Aub"; zu Rabbiner Dr. Leopold Stein (1810-1882) siehe Wikipedia-Artikel "Leopold Stein"; zu Rabbiner Samuel Holdheim (1806-1860) siehe Wikipedia-Artikel "Samuel Holdheim"; Rabbiner Dr. Löb (Levi) Bodenheimer (1807-1868) war seit 1845 Konsistorial-Oberrabbiner in Krefeld.   

Artikel in der Zeitschrift "Der Orient" vom 3. September 1844: "Kassel, 24. August (1844). Mit unserer Rabbinats-Angelegenheit will es immerfort noch zu keinem erfreulichen Resultat kommen. Zwar hatten sich 2 Mitglieder des Vorsteheramts zur Braunschweiger-Messe deshalb verfügt, um vielleicht einen passenden Rabbiner zu erfragen, doch sind selbige, wie wir hören, mit leerer Hand zurückgekehrt. Um indes den dringenden Anforderungen der Regierung wie den Gemeinden zu genügen, soll Dr. Aub aus Bayreuth, dieser aus dem Orient (sc. Zeitschrift "Der Orient") schon bekannte tüchtige Mann, als Landrabbiner der Kurfürstlichen Regierung vorgeschlagen sein. Dass dies indes nur pro forma gemeint sein kann, weiß hier Jeder. Denn da die Kurfürstliche Regierung die von der Majorität vorgeschlagenen Dr. Stein und Holdheim, weil sie der Neologie zu sehr anhängen, nicht bestätigte, so wird dies bei Dr. Aub, der in den Bayerischen Synodal-Versammlungen sich für den Fortschritt ausgesprochen, gewiss nicht minder der Fall sein. Auch soll die Minorität des Vorsteheramtes bereits ihren Protest gegen die Wahl eingereicht, und Bodenheimer vorgeschlagen. Doch kann von diesem, nachdem er das Krefelder Rabbinat angenommen, nicht mehr die Rede sein. Zu wünschen wäre, dass diese traurige Lücke endlich ausgefüllt, und das Vorsteheramt sich zu einer Wahl entschießen möchte, geeignet, den Frieden der Gemeinde, die Zustimmung hoher Regierung, wie die Würde und die Stellung der Juden im Kurstaate dauernd und fest zu sehen."           

    
Zwei Rabbiner halten eine Probepredigt (1846) 
Anmerkung: Mit Rabbiner Fassel ist gemeint: Rabbiner Hirsch Bär Fassel (geb. 1802 in Boskowitz, Mähren, gest. 1883 in Groß-Kanischa, Ungarn); Rabbiner Fassel war zum Zeitpunkt seiner (nicht erfolgreichen) Bewerbung in Kassel Rabbiner in Proßnitz (Prostejov), Mähren.      

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 7. April 1846: "Kassel, den 22. März (1846). Man ist hier allgemein der Ansicht, dass die hiesige Rabbinerstelle nicht lange mehr unbesetzt bleiben werde. Gestern hat Herr Dr. Wassermann, Rabbiner zu Mühringen im Württembergischen hier eine Probepredigt gehalten, und Herr Rabbiner Fassel soll zu gleichem Zwecke nach Pessach hier eintreffen."     

    
Überwachung und Beaufsichtigung des Religionswesens durch das Land-Rabbinat (1846)    

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 12. Mai 1846: "Rundschreiben des kurhessischen Land-Rabbinats.
Beifolgendes Schreiben des kurhessischen Land-Rabbinats, welches in Betreff der Überwachung und Beaufsichtigung des Religionswesens an alle Kreis-Rabbinen der Provinz NiederHessen, sowie an alle Provinzial-Rabbinen der übrigen Provinzen ergangen, erlauben wir uns als den Geist und die Wirksamkeit der höchsten jüdischen Landesbehörde, des einzigen deutschen Staates, in dem völlige Emanzipation herrscht, bezeichnend, der Öffentlichkeit zu übergeben.  
Zur Führung der nach 1. des § 36 der Verordnung vom 30. Dezember 1823 dem Land-Rabbinate obliegenden Oberaufsicht auf den gesamten Gottesdienst und Religionsunterricht bedürfen wir einer möglichst treuen und umfassenden Darstellung der Zustände sämtlicher Synagogen und Religionsschulen des Landes und der auf diese direkt oder indirekt einwirkenden Verhältnisse, um hiernach die weiter als zweckdienlich erscheinenden Maßregeln bemessen zu können.   
Indem wir nun in Ermangelung eines Provinzial-Rabbinen für die Provinz NiederHessen Sie hiermit veranlassen, uns längstens bis zum 1. September laufenden Jahres ausführliche Mitteilungen über den gegenwärtigen Stand des öffentlichen Gottesdienstes, des Religionsunterrichtes und der übrigen religiösen Verhältnisse unter den Israeliten Ihres Rabbinats-Sprengels zu machen, und Ihrem Ermessen anheimgeben, welche besondere Umstände und Tatsachen sie für geeignet finden werden, von uns in Betracht gezogen zu werden, wünschen wir, dass Ihr Bericht vorerst über nachfolgende Punkte sich ausdehne: 
I Synagoge. 
1) Namen sämtlicher Synagogengemeinden und der zu diesen gehörigen Orte, unter Angabe der beiläufigen Anzahl der israelitischen Familien eines jeden Ortes und der Entfernung der zum Synagogenverbandes gehörigen Orte von demjenigen, in welchem die Synagoge sich befindet. 
 2) Synagogen-Gebäude. a) Räumlichkeit, bauliche und innere Einrichtung.  
3) Vorsänger. a) Namen, Alter, Qualifikation und Lebenswandel.       
Kassel DtrZionsw 12051846a.jpg (247646 Byte)b) Angabe der Bestellung nach Behörde und Datum.   
4) Stand des öffentlichen Gottesdienstes in der Synagoge. 
a) Wird täglich oder nur an Sabbat-, Fest- und Fasttagen Gottesdienst gehalten? und welche Ursachen sind hier bestimmend?  
b) Ist die Teilnahme am öffentlichen Gottesdienste allgemein, und insofern dies nicht der Fall, worin hat die geringere Teilnahme ihren Grund?  
c) Wird der Gottesdienst überhaupt noch in altherkömmlicher Weise verrichtet, oder haben Veränderungen und welche stattgefunden?  
d) Ist der Chorgesang eingeführt, zeigt sich in der Gemeinde Teilnahme für denselben, walten hindernde Umstände ob, und können sie beseitigt werden?  
e) Werden belehrende religiöse Vorträge gehalten, wie oft und von wem?  
f) Wo und wann finden außerhalb der ordentlichen Synagogen gottesdienstliche Versammlungen statt und aus welchem Grunde?  
5) Sonstige Bemerkungen und etwaige Anträge.  
II. Religionsschule. 
1) Wo bestehen bloße Religionsschulen, und wo ist der Unterricht in den allgemeinen Lehrgegenständen damit verbunden?  
2) Welche Gemeinden haben keine Religionsschulen, aus welchen Gründen entbehren sie dieselben, und besuchen die schulpflichtigen Kinder eine auswärtige Religionsschule?  
3) Schulzimmer. 
a) Räumlichkeit, bauliche Beschaffenheit, Mobilien und Lehrapparate. 
b) Ob zugleich die Wohnstube des Lehrers?  
4) Lehrer.  
a) Vor- und Zuname, Geburtsort und Alter?  
b) Wo und auf welche Weise er seine Bildung zum Lehrer empfangen und die und die entsprechende Prüfung bestanden? 
c) Qualifikation, Methode, Dienstbeflissenheit und Lebenswandel. 
d) Ob er zugleich Vorsänger und Schächter sei?  
5) Unterricht. 
a) Welche Bücher werden beim Religions-Unterricht benutzt?  
b) In wie viel Klassen oder Abteilungen ist die Schule eingeteilt?  
c) Welche Gegenstände umfasst der Unterricht in der Religionslehre?  
d) Zahl der Unterrichtsstunden nach Klasen, Abteilungen und Gegenständen?  
e) Werden die Schulkinder nur zu den ordentlichen Schulterminen aufgenommen und entlassen, oder auch zwischen denselben?  
f) Wie weit reichen in der Regel die Kenntnisse der Schüler in der Religionslehre, biblischen Geschichte und im Übersetzen der hebräischen Gebete und der Bibel bei ihrem Austritt aus der Schule?   
6) Wie oft und von wem werden Visitationen vorgenommen?  
7) Findet bei der Entlassung der Schüler aus der Schule eine besondere Feierlichkeit (Konfirmation) statt?  8) Sonstige Bemerkungen und etwaige Anträge.  
III. Sonstige religiöse Verhältnisse   
1) Wird die vom Landrabbinate publizierte Leichenordnung gehörig gehandhabt, sind noch weitere Anordnungen in diesem Betreff wünschenswert und welche?  
2) Von wem (Rabbinen, Lehrer, Vorsänger) werden die Trauungsakte vollzogen und auf welchem Grunde?  
3) Welchen Personen ist die Belehrung über den Eid anvertraut?  
4) Rabbinats- und Lehramts-Kandidaten. 
a) Anstalten, Studien und sonstige, die Heranbildung derselben bezweckende Anstalten und Einrichtungen.  
b) Beiläufige Anzahl, Bildungsstufe, Lebenswandel etc.   
5) Bestehen Vereine von erwachsenen Privatpersonen (Chewroth) für die Belehrung in Religionsschriften, welche Bücher werden da benutzt, von wem werden die Vorträge gehalten, und welche Vorschläge wären in dieser Beziehung zu machen?  
Kassel, am 27. März 1846. 
Das kurhessische Land-Rabbinat. Felsenstein. Rosenberg. Pinhas."      

   
Verschiedene Rabbinatskandidaten stellen sich in der Gemeinde vor (1847)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Orient" vom 22. Januar 1847: "Kassel, 12. Januar (1847). Unser Rabbinat ist noch nicht besetzt und unsere Gemeinde liefert einen Beitrag, und zwar einen sehr belehrenden und erbaulichen, zu den Folgen der langen Zögerungen in der Wahl. Wir hatten Probeprediger und Probepredigten in Menge; zuletzt hörten wir sogar eine bedeutende rabbinische Persönlichkeit - und sind doch noch immer eine Witwengemeinde, weil wir in der Wahl sehr zimperlich sind. Fassel, einer der bedeutendsten Rabbiner unserer Zeit, hat unstreitig viele Sympathien für sich; seine Wirksamkeit ist durch diese Blätter genugsam bekannt geworden; auch seine Predigten haben bei uns großen Beifall gefunden. Wir lieben aber das System der Zögerung und zögern so lange, bis wir gar nicht von der Stelle rücken. Die Gemeinde um deren willen eigentlich der Rabbiner und die Vorsteher fungieren, hat wohl ein recht, nach der Sachlage zu fragen und im Namen Vieler wünschen wir, dass die Öffentlichkeit uns belehrten möchte über das, was uns in dem Kreise der Gemeinde ein Geheimnis ist. Wie lange wollen wir noch das Zögerungssystem durchführen?"   


Weitere Schwierigkeiten in der Besetzung der Rabbinerstelle und andere Mitteilungen (1847)   
Anmerkung: Mitgeteilt werden die Gründe, wieso Rabbiner Fassel nicht wählbar ist. Berichtet wird auch über Dr. Wallach, der Leibarzt des Kurfürsten wurde und über Dr. Benedikt Stilling, Herausgeber eines medizinischen Werkes von Louis Philipp
Zu Dr. Benedikt Stilling (geb. 1810 in Kirchhain, gest. 1879 in Kassel, siehe Wikipedia-Artikel "Benedikt Stilling" und weitere Texte auf der Personen-Seite
Zu Dr. Joseph Wallach (geb. 1813 in Kassel, gest. 1878 in Frankfurt), siehe Artikel in der Deutschen Biographie "Joseph Wallach".       

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 26. Januar 1847: "Kurhessen. 
Kassel.
Unsere Rabbinatsangelegenheit hat abermals einen Aufschub erlitten. Schon vor sechs Monaten berichtete ich, dass das größte Hindernis für Fassel's Wahl, in seinem Mangel an gehörig absolvierten, philosophischen und humanen Studien bestände, da dieser Mangel das Erstehen der gesetzlich vorgeschriebenen Universitätsprüfung ihm durchaus unmöglich mache. Und so ist es in der Tat gekommen. Vom Vorsteheramte wurde nämlich der Antrag gestellt, dass jene gesetzmäßig vorgeschriebene Prüfung dem Herrn Fassel erlassen werden möchte. Indes ist dieser Tage von hohem Kurfürstlichen Ministerium der Antrag, Fassel von jener Prüfung zu dispensieren, zurückgewiesen worden. Wozu sich das Vorsteheramt jetzt entschließen wird, ob jenes Gesuch in modifizierter Form von Neuem vorzubringen oder sich zu einem neuen Vorschlage zu entschließen, ist noch ungewiss; jedenfalls ist die definitive Wahl abermals hinausgeschoben und wir haben es schon oft erklärt, dass das gerade es ist, worauf es hier eigentlich abgesehen scheint. - Herr Dr. Wallach ist seit kurzer Zeit als Leibarzt Seiner Königlichen Hoheit des Kurfürsten mit 800 Thaler jährlichem Gehalte lebenslänglich angestellt worden; ein Beweis, dass wir hier auch in der Tat Emanzipation besitzen. - Nicht minder hat Dr. Stilling von hier, der für ein von ihm mit Abbildungen herausgegebenes medizinisches Werk von Louis Philipp die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, begleitet von einem ehrenden Schreiben, erhalten, die Ehre gehabt, in besonderer Audienz von dem Kurprinz-Mitregenten empfangen zu werden, der geruhet, besagtes Werk aus den Händen des Verfassers huldreichst entgegenzunehmen. - Der Antrag sämtlicher Gemeindeältesten des Kreises Melsungen, den Gehalt ihres Kreisrabbinen, des würdigen und geachteten Rabbiner Wetzlar zu Gudensberg, aus freien Stücken zu erhöhen, diese Erhöhung jedoch nur als eine rein persönliche für den gedachten Rabbinen, nicht aber für die Stelle überhaupt zu betrachten, wurde durch Kurfürstlichen Regierungsbeschluss, in Anerkennung der unermüdeten, besonderen Sorgfalt, mit der Herr Kreisrabbiner Wetzlar sich seiner Amtspflichten unterzieht, seinem ganzen Inhalte nach genehmigt."          

     
Die jüdische Gemeinde ist nun bereits fünf Jahre ohne Rabbiner (1847)     
Anmerkung: zu den genannten Rabbinern siehe Anmerkung unten zum Dokument vom 21. Dezember 1847.    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. Oktober 1847: "Kassel, 25. September (1847). Das Frankfurter Journal enthält von hier aus folgenden Artikel: Mehrfach ist in diesen Blättern von den Verhältnissen der hiesigen israelitischen Gemeinde die Rede gewesen und namentlich, dass sie sich nunmehr bereits fünf Jahre ohne Rabbiner befindet. Diese Angelegenheit hat nunmehr ein neues Stadium erreicht. Nach langem Zögern hatte die Mehrheit der Gemeinde im Juli vorigen Jahres endlich sich für einen Kandidaten, den Rabbiner , entschieden und denselben zur Bestätigung in Vorschlag gebracht. Gegen diesen Vorschlag waren nun freilich einige wenige Personen, unter denen ein Vorstandsmitglied, aufgetreten, um diese Wahl zu hintertreiben. Vorläufig scheinen sie einen Sieg davon getragen zu haben, denn von Seiten kurfürstlicher Regierung, welcher das Bestätigungsrecht zusteht, ist die Weisung an das israelitische Vorsteheramt ergangen, über zwei andere Kandidaten, die Rabbinen Lippschütz und Feuchtwang, welche ebenwohl früher sich um diese Stelle beworfen, ohne eine Majorität zu erlangen, zu berichten. Hiergegen haben nun einige 80 der kontribuabelsten Mitglieder der Gemeinde Verwahrung mit der ausdrücklichen Bemerkung eingelegt, dass, wenn ihnen ein Geistlicher aufgenötigt werden sollte, sie sich zu einer eigenen Gemeinde (Reformgemeinde) konstituieren würden. Es gibt dies einen höchst interessanten Fall, der nötigerweise seine Erledigung durch die Gerichte erhalten wird. Der beklagenswerte Zustand wird aber hierdurch nicht abgekürzt, und dass er mit Recht so genannt werden muss, beweist schon einzig und allein der Umstand, dass am höchsten Festtag der Israeliten, am Versöhnungstage, auf eine solche Weise Kanzelvorträge gehalten werden, wie das kürzlich der Fall war, deren nähere Beleuchtung aber nicht vor dies Forum gehört. Dem Vernehmen nach hat der geehrte Redner eine anderweitige Versorgung erhalten, welche derselbe bald antreten wird, was für ihn und die hiesige Gemeinde das Wünschenswerteste sein wird."             

 
Erste Richtigstellung des obigen Artikels zu den Schwierigkeiten in der Besetzung der Rabbinerstelle (1847)   
Anmerkung: es handelt sich um eine Richtigstellung des obigen Artikels vom 25. Oktober 1847.      

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 2. November 1847:  "Kassel. Die zweite Beilage des Frankfurter Journals No. 270 enthält folgendes Urteil aus Kassel: 
'Kassel, 25. September (1847). Mehrfach ist in diesen Blättern von den Verhältnissen der hiesigen israelitischen Gemeinde die Rede gewesen und namentlich, dass sie sich nunmehr bereits 5 Jahre ohne Rabbiner befindet. Diese Angelegenheit hat nunmehr ein neues Stadium erreicht. Nach langem Zögern hatte die Mehrheit der Gemeinde im Juli vorigen Jahres endlich sich für einen Kandidaten, dem Rabbiner Fassel, entschieden und denselben zur Bestätigung ein Vorschlag gebracht. Gegen diesen Vorschlag waren nun freilich einige wenige Personen, unter denen ein Vorstandsmitglied, aufgetreten, um diese Wahl zu hintertreiben. Vorläufig schienen sie einen Sieg davon getragen zu haben, denn von Seiten kurfürstlicher Regierung, welcher das Bestätigungsrecht zusteht, ist die Weisung an das israelitische Vorsteheramt ergangen, über zwei andere Kandidaten, die Rabbiner Lippschütz und Feuchtwang, welche ebenwohl früher sich um diese Stelle beworben, ohne eine Majorität zu erlangen zu berichten. Hiergegen haben nun 80 der kontribuabelsten Mitglieder der Gemeinde Verwahrung mit der ausdrücklichen Bemerkung eingelegt, dass, wenn ihnen ein Geistlicher aufgenötigt werden sollte, sie sich zu einer eigenen Gemeinde (Reformgemeinde) konstituieren würden. Es gibt dies einen höchst interessanten Fall, der nötigerweise sein Erledigung durch die Gerichte erhalten wird. Der beklagenswerte Zustand der Gemeinde wird aber hiedurch nicht abgekürzt, und dass er mit Recht so       
Kassel DtrZionsw 02111847a.jpg (197021 Byte)genannt werden muss, beweist schon einzig und allein der Umstand, dass am höchsten Festtag der Israeliten, am Versöhnungstage, auf eine solche Weise Kanzelvorträge gehalten werden, wie das kürzlich der Fall war, deren nähere Beleuchtung aber nicht vor dies Forum gehört. Dem Vernehmen nach hat der geehrte Redner eine anderweitige Versorgung erhalten, welche derselbe bald antreten wird, was für ihn und die hiesige Gemeinde das Wünschenswerteste sein wird.'    
Der Korrespondent scheint weder dem Gange der bisherigen Verhandlungen der kurhessischen Ständeversammlung genau gefolgt, noch mit unseren Landesgesetzen vertraut zu sein, sonst würde derselbe nicht angegeben haben, dass 80 der kontribuabelsten Mitglieder der Gemeinde sich zu einer Reformgemeinde konstituieren würden. Denn die langen Verhandlungen der Ständeversammlungen im Jahre 1816 und das erfolgte Erkenntnis des Oberappellationsgerichts in Sachen der Dissidenten, über die §§ 30,132 und 133 der Verfassungsurkunde, wonach Dissidenten keinen öffentlichen Gottesdienst und keine religiöse Gemeinde bilden dürfen ohne Genehmigung der hohen Regierung, würde jede Hoffnung, selbst wenn in Kassel 80 Gemeindemitglieder wirklich existieren sollten, die sich zur Reform neigten, niederschlagen. Dieses ist aber, Gott sei Dank, der Fall nicht, wenn auch manches Gemeindemitglied nicht dem orthodoxen Judentume angehört, so kann dennoch behauptet werden, dass sich nicht 5 Mitglieder zur Reformgenossenschaft hinneigen. Es kann aber von der Bildung einer Reformgenossenschaft bei den Kasselanern umso weniger die Rede sein, da besonders nach § 3 der Verordnung vom 30. Dezember 1823 Privatgottesdienst den Israeliten untersagt ist. Endlich liegt es ganz im Sinne des § 29 der Verfassungsurkunde, dass eine jüdische Reformgenossenschaft in Kurhessen auf staatsbürgerliche Rechte keinen Anspruch zu machen haben wird. Die Kasseler Juden, welche den Nutzen ihrer Emanzipation zu schützen wissen, sind keine Toren, um eines Rabbinen willen ihre Gleichstellung im Staate zu verlieren, und somit fällt die ganze Sache in ein großes Nichts zurück."  

  
Zweite Richtigstellung des obigen Artikels (1847)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. November 1847: "Kassel, 1. November. Der in dieses Blatt übergegangene Artikel aus dem Frankfurter Journal vom 25. September erstattet über die hiesige Rabbinerwahlangelegenheit einen Bericht und knüpft daran Bemerkungen über Kanzelvorträge, welche hierselbst am letztverflossenen Versöhnungsfeste gehalten wurden. Der Berichterstatter will aus der Beschaffenheit dieser Vorträge auf einen beklagenswerten Zustand der hiesigen Gemeinde schließen. Wiewohl nun das Unlogische eines solchen Schlusses von selbst einleuchtet und hiernach allein schon jener Bericht, insoweit er den Zustand der hiesigen Gemeinde und den am Versöhnungsfeste aufgetretenen Redner einer Beurteilung unterwirft, seine beste Würdigung finden wird, so halten wir uns doch im Interesse der Wahrheit zu der Erklärung verpflichtet, dass wir, gleich vielen anderen hiesigen israelitischen Gemeindegenossen den eventuellen Abhang jenes in dem erwähnten Berichte recht geflissentlich herabgesetzten Redners umso mehr herzlich bedauern, als derselbe mehrfach in hiesiger Gemeinde gehaltvolle Kanzelvorträge gehalten, sich um das hiesige Schulwesen sehr verdient gemacht und sich überhaupt durch Charakter und das musterhafteste, eines Religionslehrers würdige Verhalten ausgezeichnet hat. (Folgen die Unterschriften von einem Kreisvorsteher, drei Gemeindeältesten und elf Gemeindemitgliedern)."       


Drei Rabbiner sind als Kandidaten um die Rabbinatsstelle in Kassel  im Gespräch (1847)   
Anmerkungen zu den im Abschnitt genannten Rabbinern: 
-  zu Rabbiner Dr. Feuchtwang siehe bei Oettingen
-  zu Rabbiner Lipschütz: es handelte sich um Rabbiner Dr. Isidor (Baruch Isaak) Lipschütz (geb. 1812 in Wronik, Provinz Posen, gest. 1877 in Berlin); dieser war 1833 bis 1838 Rabbiner in Wronki, danach Studium in Berlin; 1843 bis 1846 Prediger in Posen; danach Rabbiner in Landsberg a. d. Warthe; 1847 bewirbt er sich in Kassel, wurde 1848 von der kurhessischen Regierung zum Landesrabbiner ernannt, konnte aber wegen der Revolutionswirren sein Amt nicht antreten; anschließend war er als Privatlehrer in Amsterdam tätig; 1850 Rabbiner in Frankfurt/Oder, 1853 in Schwerin; ab 1858 Privatgelehrter und Prediger in Hamburg, ab 1870 in Berlin.
-  zu Rabbiner Fassel siehe oben (Artikel von 1846).     

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 21. Dezember 1847: "Kurfürstentum Hessen. Kassel. Dieser Tage hat Dr. Feuchtwang, Rabbiner zu Oettingen, früher Konkurrent um die hiesige Rabbinerstelle, und als solcher von der Regierung gewünscht, dem V.A. die Mitteilung gemacht, wie er sich nicht ferner als Bewerber um gedachte Stelle angesehen wissen möchte. Die Wahl schwankt daher diesen Augenblick nur, falls nicht neue Kandidaten hinzugezogen werden, zwischen Herrn Rabbiner Lipschütz, den die Regierung vorzieht, und Herrn Fassel, der dem V.A. genehmer wäre."    

     
Der
aus Wanfried stammende Rabbiner Dr. Abraham Stein ist Kandidat um die Rabbinatsstelle (1850)        
Anmerkung: Rabbiner Dr. Abraham Stein (geb. 1818 in Wanfried als Sohn des Nathan Stein, gest. 1884 in Prag) lernte bei seinem Onkel in Eschwege auf das Lehramt; 1831 war er Hauslehrer in Osterode und verband dies mit Privatstudien; 1832/33 war er an der israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Kassel, 1833 kurze Zeit Lehrer in Felsberg, danach Adjunkt von Rabbiner Wetzlar in Gudensberg; 1834 Lehrer in Rodenberg; 1835 in Hannover, wo er bei Landesrabbiner Nathan Adler Talmudstudien betrieb; 1839 Hauslehrer in Fulda; studierte 1842 bis 1844 in Bonn und Marburg; 1845 Oberlehrer am jüdischen Lehrerseminar in Kassel; seit Anfang 1848 Rabbiner und Prediger in Filehne (Wieleń), Posen; 1850 war er (siehe nachfolgender Artikel) offenbar kurze Zeit im Gespräch als möglicher Landerabbiner in Kassel; doch wurde er 1850 Rabbiner in Stare Szkoty (Altschottland; Vorstadtgemeinde von Danzig); 1864 Rabbiner an der Meisel-Synagoge in Prag.          

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 1. Februar 1850: "Kurhessen. Der Abwechslung halber, haben wir denn einmal wieder einen neuen Kandidaten für unsere leider immer noch verwaiste Landrabbiner-Stelle, und zwar diesmal einen geborenen Kurhessen selbst erstehen sehen. Stein, aus Wanfried in Kurhessen, zur Zeit Prediger in Filehne, heißt der Auserkorene, der am jüngste Schabbat in Kassel als Debüt gepredigt hat. Die 'Hornisse', ein in Kassel erscheinendes Demokratisches Blatt aus der 48er-Periode hat sich des Kandidaten besonders angenommen, und Hessen derb dafür abgekanzelt, dass es solches Lumen, und zwar aus dem eigenen Vaterlande bis jetzt ganz unberücksichtigt gelassen haben. Man hat nun zwar, um solchen Vorwurf nicht auf sich sitzen zu lassen, Stimmen zu sammeln begonnen, doch scheint von einer wirklichen Anstellung noch wenig die Rede zu sein. - Die Lehrer in den verschiedenen Provinzen haben bei den Ständen um Gleichstellung petitioniert, man bezweifelt indessen sehr den Erfolg."
Der weitere Text bezieht sich nicht auf Kassel.   

    
Rabbiner Dr. Lazarus Adler wurde zum Landrabbiner in Kurhessen (Kassel) ernannt (1852)    
Anmerkung: die nachfolgende Kritik an Rabbiner Dr. Adler wurde von orthodox-konservativer Seite aus geäußert.   

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 21. Mai 1852: "Kurfürstentum Hessen. Kassel. Dr. Adler, früher Rabbiner zu Kissingen, später als Prediger nach Mainz erwählt, ist endlich zum Landrabbiner vorgeschlagen und genehmigt worden. Derselbe gehört der bekannten saft- und kraftlosen Mittelpartei an, wie denn auch überhaupt der Charakter des Mittleren vorzüglich in ihm vertreten sich darstellt. Unsern tüchtigen Provinzial- und Kreisrabbinern gegenüber, möchte demselben kein sonderlich behaglicher Zustand zu prophezeien sein."    

  
Über Rabbiner Dr. Lazarus Adler nach seinem Dienstantritt in Kassel (1852)  

Kassel AZJ 08111852a.jpg (158262 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. November 1852: "Ich kam nach Kassel. Die wundervolle, im schönsten und erhabensten Stile erbaute Synagoge wird allgemein zu den Sehenswürdigkeiten der Hessichen Residenz gezählt und ergötzt sich mein Auge aufs Neue jedes Mal daran, so oft ich sie sehe. Je imposanter aber der Eindruck ist, den dieses Gotteshaus auf den Beschauer macht, umso fühlbarer und den Effekt herabstimmend ist gerade die Schwäche des darin tätigen Chors. Ich vermisste durchweg einen kräftigen Grundbass und mitunter glaubte ich auch einmal keinen Sopran zu vernehmen. Am Gelungensten schienen mir die Gesänge beim Ein- und Ausheben der Tora gewesen zu sein. Zu gleich Zeit hatte ich Gelegenheit, eine treffliche Predigt über Haftarat Chason, die, wie der Redner sehr richtig bemerkte, selbst eine Predigt ist, von dem dortigen Landrabbinen Herrn Dr. Adler zu hören Es wird Ihren Lesern bekannt sein, dass derselbe, nachdem der Rabbinerstuhl viele Jahre verwaist stand und die Gemeinde während dessen die verschiedensten Gastpredigten vernommen hat, im Laufe dieses Sommers erst von Kissingen nach Kassel kam. Schon als Rabbinatskandidat hat unser Landrabbiner eine jüdische Zeitschrift, 'die Synagoge' redigiert, und als vor wenigen Jahren bei Gelegenheit der Kammerverhandlungen in München, mittelalterliche Schmähungen und Beschuldigungen auf Judentum und Talmud von einigen geistlichen Ständemitgliedern gehäuft wurden und mehrere bayerische Rabbinen gegen solche Anschuldigungen sich erhoben, da ergriff auch Herr Dr. Adler die Feder und verteidigte seinen Glauben. Diese Broschüre ward damals als die gelungenste und schlagendste allgemein anerkennt. Gegenwärtig beschäftigt sich derselbe mit Herausgabe der Pirkei Awot (Sprüche der Väter) mit einem sehr ausführlichen, deutschen Kommentar."   

    
Anzeige für eine Predigt von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler (1876)        

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Juni 1876: "Religiös und Zeitgemäß. 
Eine Predigt, gehalten von Herrn Landrabbiner Dr. L. Adler in Kassel. 
Auf besonderes Verlangen niedergeschrieben und herausgegeben. 
Zu beziehen von der Buchdrückerei von Gebr. Gotthelft in Kassel. Preis 50 Pfennige."          

  
25-jähriges Amtsjubiläum von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler (1877)       

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Juni 1877: "Kassel, 20. Mai (1877). Heute feierte hierselbst Herr Landrabbiner Dr. Adler das Fest seines fünfundzwanzigjährigen Dienstjubiläums. Schon gegen 9 Uhr Morgens begaben sich die Gemeindeältesten in die Wohnung des Jubilars und überreichten demselben einen prachtvollen silbernen Pokal nebst einer künstlerisch ausgeführten Adresse. Der Pokal, reich vergoldet, ist mit kunstvollen Arabesken, sowie mit aus massivem Silber getriebenen Figuren aus der biblischen Geschichte geschmückt und trägt an seinem oberen Rande die Widmung: 'Der israelitische Gemeinde zu Kassel ihrem hochverehrten Landrabbinen Herrn Dr. Lazarus Adler zu seinem fünfundzwanzigjährigen Jubiläum, den 20. Mai 1877.' Die Adresse, in einer reich verzierten und vortrefflich gearbeiteten Mappe, war auf das Würdigste abgefasst und die darin angebrachten allegorischen Tableaux veranschaulichten die Tätigkeit des Jubilars in seiner Eigenschaft als Prediger. Beide Geschenke wurden mit einer passenden Ansprache dem Jubilar übergeben. Im Laufe des Vormittags brachten die Vorstände des Vorsteheramtes, der israelitischen Krankenpflegevereine, der Humanitätsgesellschaft, der Philipp Feidel'schen Waisenhausstiftung, der Speiseanstalt etc. ihre Glückwünsche dar und überreichten ebenfalls Adressen und verschiedene Geschenke. Von den Lehrern der israelitischen Schulen aus der Provinz, sowie der hier am Platze befindlichen Schule und Seminar wurde dem Jubilar ein prachtvolles Album mit den Bildern der Geber verehrt; auch die Kreisvorsteher überreichten im Namen ihrer Gemeinden demselben ein silbernes Schreibzeug, und ein gleiches Geschenk erfolgte von den Gemeinden in Gudensberg, Fritzlar, Niedenstein, Jesberg, Zimmersrode. Außerdem wurden dem Jubilar noch von anderen Gemeinden aus der Provinz, sowie von Personen aus hiesiger Stadt zahlreiche Beweise der Anerkennung zuteil. - Mittags um 12 Uhr fand in der mit Blumen und Girlanden geschmückten Synagoge ein feierlicher Festgottesdienst statt, zu welchem Spitzen der Behörden und die Vertreter der auswärtigen Gemeinden, an welche Einladungen ergangen waren, sowie viele Freunde und Gönner des Jubilars sich eingefunden hatten. Nachdem der Letztere von zwei Mitgliedern der Gemeinde, welchen weißgekleidete Kinder vorausgingen, feierlichst eingeführt war, wurde der Festgottesdienst mit einem Chorale und der Absingung eines Psalms eingeleitet, worauf Herr Dr. Stein die Anrede hielt, in welcher er dem Jubilar den Dank und Glückwunsch der Gemeinde aussprach und zugleich die vielen Verdienste, welche sich derselbe während seiner hiesigen Amtstätigkeit um die Gemeinde erworben, mit warmen Worten feierte. Tiefbewegt dankte der Jubilar dem Redner und wandte sich hierauf an die Versammlung, um in einer ergreifenden Rede einen Rückblick auf die bisherige Zeit seiner Wirksamkeit zu werfen. Mit einem Gebete und der Absingung eines Chorals fand sodann die erhebende Feier ihren Abschluss. - Abends vereinigten sich die Mitglieder der hiesigen Gemeinde mit ihren auswärtigen Gästen zu einem Festessen."            
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Juni 1877: "Kassel, im Juni (Privatmitteilung). Vorgänge, welche in gewöhnlicher Zeit nur ein örtliches und persönliches Interesse haben, können durch besondere Zeitverhältnisse eine weitere, ja sogar allgemeine Bedeutung erhalten. Aus diesem Gesichtspunkte gestatten Sie wohl, auf die Feier des 25-jährigen Amtsjubiläums unseres Landrabbiners, Herrn Dr. Lazarus Adler, noch einmal zurückzukommen. Sie wissen, welche Intrigen in jüngster Zeit von der neu-orthodoxen Seite sowohl in der hiesigen Gemeinde als in der Provinz angesponnen wurden, um eine Spaltung hervorzurufen. Man wollte einen besonderen Rabbiner einschmuggeln; um diesen sollte sich eine Gemeinde scharen; man wollte Stadt und Land trennen und jeden Rest von Organisation vernichten. Alle diese Versuche, welche das Judentum in seinem innersten Heiligtum zu entweihen und zu schädigen angetan waren, misslangen und als einen ostensibeln Beweis dieses Misslingens darf man mit Fug und Recht diese einheitliche und warme Feier ansehen. An dem kostbaren und künstlerisch schönen Geschenke, dass dem Jubilar überreicht wurde, beteiligten sich sämtliche zehn Kreisvorstände des Sprengels; es richteten zehn Vereine und Anstalten die anerkennendsten Glückwunschadressen an den Jubilar; auch von den Kreisrabbinen selbst streng orthodoxer Richtung liefen die herzlichsten Zuschriften ein. Vor allem aber ist die Adresse des hiesigen Vorstandes im Namen der ganzen Gemeinde charakteristisch und darum von allgemeinem Interesse, so dass sie hier wiedergegeben zu werden verdient. Sie ist zugleich ein kalligrafisches Meisterstück, verfertigt von einem Mitgliede der hiesigen Gemeinde, Herrn Adam Rosenzweig, und in möglichst kostbarer Ausstattung. Sie lautet:
'Hochwertiger Herr Landrabbiner Dr. Lazarus Adler! Wenn wir Sie heute im Namen der Gemeinde an ihrem Ehrentage begrüßen, so sind wir vollständig von der Erkenntnis durchdrungen, dass ihre 25-jährige Tätigkeit in unserer Mitte noch besonders durch die Zeit an Bedeutung gewinnt, in welche dieselbe gefallen. Denn wenige Perioden in der Geschichte des jüdischen Volkes haben der Wirksamkeit eines Rabbiner in eine so schwierige Aufgabe gestellt, wie die Jahre seit dem Beginne der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts. Auch auf dem religiösen Gebiete machten sich die großen Gegensätze merklich, welche damals die Welt bewegten.
Es galt hier, mit verständigem Sinn die Vermittlung zu üben, die widerstrebenden Meinungen auszugleichen, 'die Parteien miteinander zu versöhnen'.
Hochehrwürdiger Herr Landrabbiner! Der Friede, welcher in unserer Gemeinde herrscht, ist das deutlichste Zeichen, wie sehr sie ihren Beruf nach dieser Seite hin erfüllt haben. Aber auch nicht minder haben Sie die anderen Aufgaben erfasst und treulich gelöst. Wahrhaft Meister des Wortes haben sie im Gotteshause, an der Wiege, am Traualtar und am Grabe die Herzen erhoben und mit Regungen der Tugend erfüllt.
Indem wir uns beehren, Ihnen als Beweis dankbarer Anerkennung das beifolgende Angedenken, gewidmet von hiesigen Gemeindemitgliedern, zu überreichen, wünschen wir zugleich, dass der Allgütige noch viele Jahre lang ihre Wirksamkeit uns erhalten und segnen möge.
Mit Hochachtung und Ergebenheit verharren wir
Die Ältesten der Synagogengemeinde: (gezeichnet) A. Gotthelft, V. Hahn. H. Bubensohn.
Kassel, am 8. Siwan 5637.
Vielleicht gereicht es jüngeren Amtsgenossen des Jubilars zur Aufmunterung, um vor der Zaghaftigkeit bewahrt zu bleiben, dass sie sich durch Reformbestrebungen, seien diese auch noch so besonnen und im Geiste der Gemeinde, unbeliebt machten, und zuletzt sich in das Lager der Heuchelei hinüberziehen lassen, wenn wir hinzufügen, dass die Kreisvorsteher der Provinz dem Jubilar ein außerordentlich prachtvolles Schreibzeug widmeten, ein ebensolches die Gemeinde des Kreises Fritzlar, die sehr kleine Gemeinde Grebenstein eine Marmorvase, ein hiesiges Gemeindemitglied ein Exemplar der Philippson'schen Bibelübersetzung* mit den Doré'schen Bildern in Prachtband und viele andere Geschenke von Wert, deren Hauptbedeutung natürlich in der dadurch kund gegebenen Gesinnung liegt. "
*Anmerkung: die "Israelitische Bibel" des Rabbiners und Philosophen Ludwig Philippson (1811-1889) prägte das jüdische Leben des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Vgl. zu Ludwig Philippson  https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Philippson; zu Doré siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Gustave_Doré.                  

   
70. Geburtstag von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler (1880)        

Kassel AZJ 23111880.jpg (158223 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. November 1880: "Bonn, 14. November (Notizen). Am zehnten dieses Monats beginnt der Landrabbiner Rabbiner Dr. Adler in Kassel seinen 70. Geburtstag. Das 'Kasseler Tageblatt' schreibt darüber: Einfach und schlicht, wie das ganze Leben des würdigen Mannes ist, sollte der Geburtstag wohl nur im Kreise der Familie gefeiert werden; doch die zahlreichen Freunde und Verehrer des Herrn Dr. Adler ließen es sich nicht nehmen, der Feier eine weitere Grenze zu ziehen. So war es zunächst das Sängerchor des 'Kasseler Beamtenvereins', welcher abends zuvor unter Leitung seines Dirigenten, Herrn Gutkind, als Zeichen der Verehrung und Anerkennung dem Herrn Dr. Adler ein Ständchen brachte, bei welcher Gelegenheit der Vorsitzende des Vereins, Herr Sekretär Stock, in herzlichster Weise mit gefühlvollen Worten den Wünschen der anwesenden Sänger nicht nur, sondern des ganzen Vereins beredten Ausdruck gab. Tief gerührt sprach Herr Dr. Adler mit innigen und wie bei solchem Rednertalente nicht anders zu erwarten, in schwungvollen Worten seinen Dank aus, versichernd, dass er niemals aufhören werde, dem Beamtenverein seine vollsten Sympathien entgegen zu bringen. Am anderen Morgen liefen aus nah und fern, aus Deutschland, aus Wien, Pest und vielen anderen ungarischen Städten Telegramme, Briefe und Adressen ein, von welchen ganz besonders diejenigen des Ausschusses des deutschen israelitischen Gemeindebundes zu Leipzig und des Rabbinerseminars zu Breslau Erwähnung verdienen. Namens der israelitischen Lehrer Hessens, überreichte der Ausschuss derselben eine Adresse, welche von dem Vorsitzenden, Herrn Dr. Stein, verlesen wurde. Vorsteheramt und Gemeindevorstand zu Kassel überbrachten ihre Glückwünsche persönlich und es war eine Freude, zu sehen, wie der 70-jährige Herr, körperlich rüstig und in jugendlicher Geistesfrische, jedem Gratulanten in treffenden Worten auf die dargebrachten Glückwünsche erwiderte. Am Abend brachten sodann die Zöglinge des Seminars und die des israelitischen Waisenhauses, ebensowohl unter Leitung des Herrn Lehrer Gutkind, Herrn Dr. Adler ein Ständchen, bei welcher Gelegenheit der Seminarlehrer Herr Dr. Stein den Wünschen der benannten Anstalt und deren Lehrer in trefflich in Worten Ausdruck verliehen. Wir schließen unseren Bericht mit dem Wunsche: 'Möge es Herrn Dr. Adler vergönnt sein, so wie er stets getan, noch viele Jahre in Wort und Schrift zur 'Förderung der Humanität' zu wirken und zu lehren."          

   
Danksagung von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler für die Glückwünsche zum 70. Geburtstag (1880)     

Kassel AZJ 30111880.jpg (84400 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. November 1880: "Vorläufige Danksagung.
Zur Feier meines Eintritts in das achte Jahrzehnt, Dank dem Allmächtigen! sind wir von hier und von auswärts so viele Beweise der Teilnahme, der Anerkennung und Liebe geworden, dass ich außer Stande bin, schon jetzt die Adressen, Telegramm und Briefe einzeln zu beantworten. Wenn Gott mir ferner Leben schenkt und mein Amt mir Zeit übrig lässt, so soll es aber gewiss geschehen. In dessen kann ich es mir nicht versagen, einstweilen auf diesem Wege für alle Glückwünsche meinen innigsten, tief gefühlten Dank auszusprechen.
Kassel, am 12. November 1880. Dr. Adler, Land Rabbiner. "        

  
Ausschreibung der Stelle des Land-, Provinzial- und Gemeinderabbiners (1884)   

Kassel Israelit 03031884.jpg (92632 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. März 1884:  "Das durch die Pensionierung des Herrn Dr. Adler erledigte Land-, Provinzial- und Gemeinderabbinat zu Kassel soll anderweitig besetzt werden.
Bewerber um dasselbe wollen ihre Gesuche und Zeugnisse über ihre akademische Ausbildung und über ihre bisherige amtliche Tätigkeit baldigst bei unterzeichneter Stelle einreichen.
Das bisherige ständige Einkommen beträgt 4.500 M. nebst einem ansehnlichen unständigen und ständigen Diensteinkommen.
Die Bestellung ist eine definitive mit Anspruch auf Ruhegehalt bei eintretender Dienstunfähigkeit.
Kassel, am 14. Januar 1884. Vorsteheramt der Israeliten."       
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Februar 1884: dieselbe Anzeige wie oben in "Der Israelit"; interessanterweise wurde damit die Stelle sowohl in der konservativ-orthodoxen Zeitschrift "Der Israelit" wie auch in der liberalen "Allgemeinen Zeitung des Judentums" ausgeschrieben.        

  
Zum Tod von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler und seine Beisetzung in Wiesbaden (1886)      

Bad Kissingen AZJ 19011886.jpg (101967 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Januar 1886: "Wiesbaden, 5. Januar (1886). Abermals ist einer der Veteranen der gemäßigten, auf dem historischen Boden verharrenden Reform dahingeschieden. Heute verstarb Dr. Lazarus Adler, früher Rabbiner in Unzenhausen (unklar: war Rabbiner Adler kurze Zeit Rabbiner in Gunzenhausen?), dann Bezirksrabbiner in Kissingen und zuletzt Landesrabbiner in Kassel, welches Amt er vor wenigen Jahren wegen Kränklichkeit und Altersschwäche niederlegte. Nachdem er die treue Gefährtin seines Lebens verloren, ließ er sich in Wiesbaden bei einer Verwandten nieder. Seine literarische Wirksamkeit begann er durch Herausgabe einer Zeitschrift, die jährlich in 6 Heften erschien, zur Belehrung und Erbauung (München, 1839-45). Später veröffentlichte er Vorträge und Predigten, deren Hauptthema die Humanität war. Einen tätigen Anteil nahm er an den beiden Rabbinerversammlungen zu Kassel und Berlin und an den beiden Synoden. Er war ein milder, friedliebender Charakter, der wahre Menschenfreundlichkeit betätigte und von gründlicher rabbinischer Gelehrsamkeit. Wenn irgend Jemanden, so machte ihn 'das Herz zum Redner', und, wenn Anfangs seine Rede langsam und breit dahinfloss, so schwoll sie durch die Gefühlserregung, die sich seiner bemächtigte, bald zu einem Strome an, der die Zuhörer mit fortriss. Seine Ehe blieb kinderlos, und nun wird seine Leiche am 7. dieses Monats auf dem hiesigen Friedhof beerdigt."    
 
Kassel AZJ 26011886.jpg (160924 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Januar 1886: "Wiesbaden, 14. Januar (Privatmitteilung). Am Donnerstag den 7. dieses Monats trugen wir hier einen Mann zu Grabe, der sich in der jüdisch-theologischen Welt eines ausgezeichneten Rufs erfreute und an den religiösen Bewegungen innerhalb des Judentums stets einen hervorragenden Anteil genommen hat, den Landrabbiner Dr. Lazarus Adler aus Kassel, der seit dem April vorigen Jahres hier sein Domizil genommen hatte. Die Leichenfeier bekundete die hohe Achtung, die derselbe in nahen und fernen Kreisen genoss. Der Vorstand der hiesigen israelitischen Kultusgemeinde hatte im Hinblick auf die hohe Bedeutung des Verstorbenen die Gemeindegenossen zur Beteiligung am Leichenbegängnisse durch die Tagesblätter eingeladen; der Synagogen-Gesangverein erhöhte die Feier durch trefflich exekutierte Trauergesänge. Die Rabbiner Dr. Dr. Brüll aus Frankfurt am Main (vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Nehemiah_Brüll), Steckelmacher aus Mannheim, Goldschmidt aus Weilburg, Enoch aus Kreuznach erwiesen dem Verklärten die letzte Ehre. Das Provinzialvorsteheramt in Kassel, sowie der Gemeindevorstand hatten Deputierte gesandt, ersteres in der Person des Landrabbiners Dr. Prager von dort. Bezirksrabbiner Dr. Silberstein feierte in seiner Grabrede, anknüpfend an das unmittelbar nach der Mendelssohn-Feier erfolgte Ableben Dr. Adlers denselben als einen echten und wahren Jünger Moses Mendelssohns. Am Schlusse seiner tief ergreifenden Rede sprach er Namens und im Auftrage der All. isr. univ. (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Alliance_Israélite_Universelle) und des deutsch-israelitischen Gemeindebundes, welch letzterer einen Kranz niederlegen ließ, dem Verblichenen Dank und Anerkennung für sein denselben gewidmetes segensreiches Wirken aus. Dr. Prager widmete hiernach seinem Amtsvorgänger tiefempfundene Worte der Liebe und der dankbaren Anerkennung. - Adler gehörte zu jenen Männern, die ein starkes Friedensbedürfnis in sich tragen und stets versöhnend zu wirken bestrebt sind. - Hoffentlich findet sich unter seinen zahlreichen Freunden eine berufenen Feder, die dem Verstorbenen einen seiner würdigen Nekrolog schreiben wird.  "           

  
Beisetzung des Landrabbiners Dr. Isaak Prager (1905)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Oktober 1905: "Kassel, 11. Oktober. Heute wurden die sterblichen Überreste unseres allgemein beliebten Landrabbiners Dr. Prager, nachdem sie von Berlin hierher überführt worden waren, auf dem Friedhof in Bettenhausen zur ewigen Ruhe bestattet, geleitet von einem nach Hunderten zählenden Gefolge. Die Leiche war in der Synagoge aufgebahrt worden, woselbst auch vor der Überführung der Leiche nach dem Friedhof Herr Rabbiner Dr. Eschelbacher - Berlin die Trauerfeier abhielt. Sie gestaltete sich sehr ergreifend. Nachdem der Vorsänger der israelitischen Gemeinde Herr Lehrer Horwitz unter Begleitung des Chors den 91. Psalm gesungen, hielt Dr. Eschelbacher dem Verstorbenen die Gedächtnisrede, nach deren Ende die gesamte, bei dieser Gelegenheit circa 1000 Personen zählende Gemeinde einen Choral anstimmte. Ihr schloss sich der Vorsänger an mit den schmerzbewegten Worten des Psalmisten: 'Herr, was ist der Mensch, dass Du sein gedenkest.' Unter den Anwesenden bemerkten wir die Herren Oberbürgermeister Müller und Stadtrat Bödeiker, Provinzialschulrat Dr. Ott, Regierungsrat Goedecke. Unter den Klängen eines Orgelpräludiums wurde dann der schlichte, mit einem schwarzen Tuch verhüllte Sarg hinausgetragen auf den Leichenwagen. Dann setzte sich der imposante Zug in Bewegung. Unmittelbar hinter dem Sarge schritten Rabbiner Dr. Eschelbacher und fünf andere Rabbiner, denen sich das große übrige Trauergefolge, vorwiegend aus Mitgliedern der hiesigen israelitischen Gemeinde bestehend, anschloss. Auf dem Friedhof angekommen, widmeten noch die Herren Provinzialrabbiner Dr. Munk - Marburg, Justizrat Dr. Rothfels - Kassel und Oberrabbiner Dr. Bassfreund - Trier dem Dahingegangenen tiefempfundenen Nachruf. Bevor die Gruft geschlossen ward, sprachen noch die Herren Seminardirigent Dr. Lazarus (für die hiesige israelitische Lehrerbildungsanstalt), Senator Fischer und Landrabbiner Dr. Gronemann (für die Gemeinde Hannover), Dr. Knoller, der Direktor des hannoverschen Lehrerseminars, Dr. J. Horowitz aus Frankfurt am Main im Namen seines Vaters. Alle Redner feierten den Charakter und die Geistesgaben des Verstorbenen, dessen Andenken nicht verlöschen wird in unserer Gemeinde."          

    
Rabbiner Dr. Doktor wurde zum Landrabbiner in Kassel ernannt (1906)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. April 1906: "Kassel, 8. April (1906). Das verwaiste hiesige Rabbinat ist nun besetzt. Bezirksrabbiner Dr. Doktor aus Bruchsal ist Allerhöchst zum Landrabbiner bestellt worden und wird am 1. Mai hierher kommen. Möge er 'ein Mann über die Gemeinde' sein, denn leicht ist es nicht. Schon regt sich die Orthodoxie gegen die Wahl, aber diese ist nicht mehr rückgängig zu machen, da sie durch Kabinettsorder erfolgt ist. Eine Petition von hier und einzelner Landgemeinden um Anstellung eines zweiten, und zwar orthodoxen Rabbiners ist von der Regierung abgelehnt worden."       
 
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 20. April 1906: Kassel. Herr Bezirksrabbiner Dr. Doktor - Bruchsal ist zum Nachfolger unserer verewigten Landrabbiner Dr. Prager gewählt worden."      

   
Anzeige der Frau von Landrabbiner Dr. Max Doctor (1912)  
Anmerkung: der Hinweis auf ein vorhandenes christliches Mädchen bedeutet, dass vor allem für die notwendigen Arbeiten am Schabbat eine nichtjüdische Kraft vorhanden war.        

Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 25. Oktober 1912: "Jüngeres, jüdisches
Mädchen
auf sofort gesucht. Christliches Mädchen vorhanden.
Frau Landrabbiner Dr. Doctor  Kassel."        

 
Zum Tod von Landrabbiner Dr. Max Doctor (1918)         

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Februar 1918: "Kassel. Mit dem im 48. Lebens Jahre verstorbenen Landes Rabbiner Doktor Max Doktor ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit hin gegangen. Warmes jüdisches Gefühl und das Bestreben, dem traditionellen Judentum gerecht zu werden, gaben ihm sein jüdisches geprägt. Er war ein guter Redner, ein hervorragender Schulmann und ein Regel tätiger Schriftsteller. Wir nennen von seinen Arbeiten: die Religions Philosophie des Josef eben Sadik, Beitrag zur Methodik des Unterrichts in der hebräischen GrammatikUnd eine Jugend Erzählung Abram. Auch hat er das Lehrbuch der jüdischen Geschichte und Literatur von Hecht und Kaiserling neue herausgegeben.  "     

   
Rabbiner Dr. Leo Bärwald wird als Nachfolger von Landrabbiner Dr. Doctor berufen (1918)  
Rabbiner Dr. Leo Bärwald (geb. 1883 in Saaz, Böhmen, gest. 1970 in New York) war von 1911 bis 1918 zweiter Rabbiner in München; nach seiner Zeit als Feldrabbiner wurde er 1918 erneut Rabbiner in München, einen Ruf als Landrabbiner nach Kassel (siehe Artikel) lehnte er ab.     

Kassel AZJ 31051918.jpg (26164 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. Mai 1918: " Rabbiner Doktor Bärwald in München ist zum Nachfolger des verstorbenen Land Rabbiners Doktor Dr. in Kassel gewählt worden. "        


Ausschreibung der Stelle des Land-, Provinzial- und Gemeinderabbiners (1936)   

Kassel JuedRundsch 26061936.jpg (55094 Byte)Artikel in der "Jüdischen Rundschau" vom 26. Juni 1936: "Die Stelle des
Land-, Provinzial- und Gemeinderabbiners

in Kassel ist infolge Pensionierung des bisherigen Stellen Inhabers frei geworden. Bewerber, die nach den gesetzlichen Bestimmungen die deutsche Reichsangehörigkeit besitzen müssen, wollen ihre Gesuche mit Lebenslauf und Zeugnisabschriften alsbald an das unterzeichnete Vorsteheramt einreichen.
Unter Umständen kommt zunächst ein Verweser der Stelle infrage.
Kassel, den 23. Juni 19:36 Uhr.
Vorsteheramt der Israeliten."      

    
    
    
Aus Geschichte der Lehrer und weiterer Kultusbeamten in der jüdischen Gemeinde in Kassel sowie Berichte aus der jüdischen Schule      
Zur Geschichte der jüdischen Volksschule in Kurhessen beziehungsweise in Kassel (1930)     

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 13. Mai 1930: "Vom Werdegang der jüdischen Volksschule in Kurhessen beziehungsweise Kassel. Von L. Horwitz.
Unsere Provinz hatte noch am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts eine sehr dichte jüdische Bevölkerung. Wie deren rechtliche Stellung innerhalb der Starts Gemeinschaft war, ist an dieser Stelle oft geschildert worden. Die napoleonische Zeit, welche den Juden im Königreich Westfalen die volle bürgerliche Gleichberechtigung brachte, setzte eine jüdische Volksschule von Staats wegen ein. Jene viel verkannte Behörde, das kann sich Thorium der Israeliten zu Kassel, wie dessen Präsident Israel Jacobs Sohn, erachten es als wichtigste Aufgabe, Schulen zu gründen und setzten fest:
1. in jeder Stadt wo eine bedeutende Anzahl Kinder israelitischer Lehrer sich befindet, soll eine öffentliche Leeranstalt errichtet werden. Zweitens in jedem kleineren Orte oder in solchen Städten, wo nur wenige Israeliten wohnen und die Anzahl der Kinder klein ist, sollen die Kinder von christlichen Lehrern des Ortes betreut werden, der Ihnen den deutschen Unterricht erteilt. Für den Religionsunterricht wird ein Lehrer vom Konsistorium angestellt.
3.Bis zur vollen Durchführung der Schulverbesserung ist jede Tätigkeit der Privatlehrer verboten. Am 15. August 1810 wurde die erste öffentliche jüdische Schule in Kassel mit 50 Knaben, meist nur aus der Stadt, feierlich eröffnet. Die Schülerzahl stieg nach 1800 auf 76 und 1811 auf 100. Das Schullokal befand sich 1812 am Zeughausplatz. Zu gleicher Zeit wurde hier ein Lehrerseminar errichtet, das erste in Deutschland. Vom inneren Aufbau der Schule und des Seminars wird in einem Sonderwerk berichtet werden. Man hoffte, die Schule später in eine niedere und höhere ausbauen zu können. Die Schule wurde aus der Konsistorialkasse erhalten, die Eltern zahlen Beiträge. Eine vollkommene Freischule war die Anstalt nicht. Auch eine Schule für israelitische Mädchen wurde vom Konsistorium ins Auge gefasst. (25. August 1810). "       
Kassel JuedWZKassel 13051930a.jpg (123720 Byte)Der Sturz Napoleons und die Wiederherstellung des Kurfürstentums bereiteten dem jüdischen Volksschulwesen ein jähes Ende. Politische, rechtliche Gleichstellung hörten auf. Schulen wurden geschlossen und Lehrer entlassen. Dem Zeitfortschritt konnte sich die kurhessische Regierung nicht verschließen, den Israeliten wurden teilweise Bürgerrechte durch die Verordnung vom 14. Mai 1816 zugestanden und die jüdische Jugend wieder in öffentliche Schulen eingeschult: 'Sämtliche jüdische Glaubensgenossen, ohne Unterschied, sind verpflichtet, ihre Schüler in die öffentlichen Schulen der Christen, mit Ausnahme der für den Religionsunterricht bestimmten Stunden, zu schicken. Den Lehrern der Schulen wird es zur Pflicht gemacht, keine Äußerung liebloser Gesinnung so wenig von der einen als der anderen Seite zu dulden. (Wer denkt dabei nicht an die Vorkommnisse der Gegenwart?)
Somit war eine Gemeinschaftsschule vorhanden, welche bis Ende 1823 dauerte. Den Bemühungen des unvergesslichen Dr. Jakob Pinhas gelang es, eine Wendung herbeizuführen. Am 30. Dezember 1823 gestattete ein kurfürstlicher Erlass den Juden, 'eigene, mit geprüften Lehrern gehörig zu besetzende öffentliche Schulen zu errichten'. Die Aufsicht hatten das Vorsteheramt, das Kreisamt und die Provinzialregierung. Die Staatskasse bezahlte für die Schulen ebensowenig einen Heller, wie zur französischen Zeit. Im Laufe der Jahrzehnte ändert sich auch dieses. Selbsthilfe und Staatshilfe erhielten die jüdischen Schulen gemäß der gesetzlichen Bestimmungen. Durch Ministerialbeschluss vom 14. Oktober 1824 wurde eine mit einem Lehrerseminar verbundene Schulanstalt ins Leben gerufen, die den Namen 'Schul- und Schullehrer-Bildungsanstalt' führte. Letztere wurde ein Opfer der Inflation, aber die Schule blieb und zeugt von dem ernsten Willen unsere Gemeinde, das Erbe der Väter zu erhalten.
Die Gemeinden in der Provinz werden bis auf wenige Ausnahmen stets kleiner. Die Großstädte nehmen zu und damit auch die jüdischen Schulen, wenngleich die Schülerzahl noch größer sein könnte. Geburtenrückgang und nichtige Gründe entvölkern die Schulen. Gern sei an dieser Stelle der Verdienste der einzelnen Vorsteherämter gedacht, die Schulen in der Provinz zu erhalten, wo es nur irgend geht. Man muss nur Fühlung mit jenen lehrerlosen Gemeinden haben, um zu sehen und zu hören, wie sehr darin das religiöse Leben darniederliegt. Die sogenannten kulturellen Bestrebungen der letzten Jahre können das Übel nicht verkleinern. Und wir stehen vor einem Rätsel, wie die Rettung unserer heiligsten Güter, die einst hier groß waren, erfolgen soll."     

 
Ausschreibung der Stelle eines Kantors (1852)    

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Mai 1852: "Die Stelle des Kantors an der hiesigen israelitischen Gemeinde soll wieder definitiv besetzt werden. Bewerber um dieselbe, welche neben der andern erforderlichen Befähigung auch musikalische Kenntnisse besitzen müssen, wollen sich baldigst, spätestens bis Ende Mai dieses Jahres, schriftlich an die Unterzeichneten wenden, und dabei ihre Qualifikations- und Sittenzeugnisse anfügen.
Kassel, den 16. April 1852.
Die Ältesten der israelitischen Gemeinde dahier.
Goldschmidt. Honnet. Horschitz."          

   
Ausschreibung der Stelle des Vorsängers (1874)    

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Juni 1874: "Für die Gemeinde Kassel, Provinz Hessen-Nassau, wird pro 1. September dieses Jahres ein tüchtiger, musikalisch gebildeter Vorsänger gesucht, der im Stande ist mit Orgelbegleitung die Gebete vorzutragen.
Der Gehalt ist vorläufig auf 600 Thaler pro anno fixiert. Bewerbungen nebst Zeugnissen sind baldigst franco an seine Ehrwürden Herrn Landrabbinen Dr. Adler in Kassel einzusenden.
Kassel
, den 31. Mai 1874.
Die Gemeindeältesten.
"     

    
Ausschreibung der Stelle des Religions- und Elementarlehrers (1876)     

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Juni 1876: "Lehrer-Vakanz.
18 Familien hiesiger Gemeinde suchen baldmöglichst einen unverheirateten Religions- und Elementarlehrer, zunächst auf drei Jahre zu engagieren.
Der Anzustellende muss nebst den nötigen Kenntnissen im Hebräischen, eine solche akademisch-wissenschaftliche Bildung besitzen, die ihn befähigt, seine Schüler, welche sämtliche höhere Lehranstalten besuchen, in ihren Schularbeiten unterstützen, respektive sie darin unterrichten zu können.
Gehalt 2000 Mark pro Jahr.
Nur solche Bewerber, die sich über einen religiösen, sittlichen Lebenswandel genügend ausweisen können, denen vorzügliche Zeugnisse und Empfehlungen zur Seite stehen, wollen ihre Anträge dem Unterzeichneten baldigst einreichen.
Kassel
, im Juni 1876. M. Schwarzschild. "         

    
 Werbung für ein Pensionat für jüdische Schüler in Kassel (1884)         

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar 1884: "Knaben, welche Kasseler Schulen besuchen sollen, finden zu Ostern oder auch früher in einer gebildeten israelitischen Familie liebevolle Aufnahme.
Vorzügliche körperliche und geistige Pflege, strenge Beaufsichtigung der Schularbeiten werden zugesichert und beste Referenzen gegeben.
Meldungen sub H. 100 befördert Rudolf Mosse, Kassel."                   

 
Zwei Schächter werden gesucht (1885)      

Kassel Israelit 08101885.jpg (49682 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober 1885: "Vakanz.
In hiesiger Gemeinde sollen zwei bewährte in religiöser und sittlicher Führung unbescholtene Schächter
mit je einem Gehalt von 1600 - 1800 M. angestellt werden.
Bewerber (Inländer) wollen möglichst bald ihre Zeugnisse dem Unterzeichneten einsenden.
Kassel, im Oktober 1885. Landrabbiner Dr. Prager. "         

     
Zum Tod von Hauptlehrer und Prediger Raphael Lazarus (1906) 
      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 30. März 1906: "Kassel. Hier verschied im 76. Lebensjahre der ehemalige Hauptlehrer und Prediger Raphael Lazarus. "       


50-jähriges Amtsjubiläum von Lehrer E. Gutkind (1906) 
         

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Juni 1906:  "Kassel. Jubiläum. Am 15. Mai war es Herrn Lehrer E. Gutkind vergönnt, in Frische sein 50-jähriges Amtsjubiläum zu feiern."     

   
Vortrag von Lehrer Horwitz im "Hessichen Geschichtsverein" (1908)
      

Kassel Israelit 19031908.jpg (88586 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. März 1908: "Kassel, 4. März. Im 'Hessichen Geschichtsverein' dahier sprach letzten Montag vor einem sehr zahlreichen Publikum Herr Lehrer Horwitz über 'Die Geschichte der Hofjuden in Hessen'. Von den Kämpfen der Juden in Deutschland um ihre gesetzliche Gleichstellung ausgehend, schilderte der Redner die eigentümliche Stellung der Hofjuden. Ihre den Landesfürsten geleisteten Dienste galten nicht allein der Hofgesellschaft zur Besorgung von Edelsteinen, kostbaren Seidenstoffen und so weiter, sondern sie schafften auch die Kapitalien an, die zur Kriegführung nötig waren, versorgten die Armeen mit Proviant und waren auch in diplomatischen Diensten tätig. Der älteste, der Hoffaktor Benedikt Goldschmidt, der aus Frankfurt stammte und 1642 starb, gehört noch in die Zeit des Landgrafen Moritz. Ein weiterer Hoffaktor war Abraham David, der 1711 den Schutzbrief für Kassel erhielt; es folgen die Gebrüder Moses und Sussmann Abraham, Baruch Holländer, David Feidel, Sussmann Hertz, Josef Levy und Wolf Breidenbach. Der Vortrag war reich an historischem Material, das der sympathische Redner sehr lebensvoll und fesselnd darzubieten verstand und bildete den Glanzpunkt des an noch anderen interessanten Darbietungen reichen Unterhaltungsabends."      

  
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers und zweiten Vorsängers (1908)
      

Kassel Israelit 08101908.jpg (92740 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober 1908: "In der Synagogengemeinde Kassel soll die Stelle eines
Religionslehrers und zweiten Vorsängers
besetzt werden. Anfangsgehalt 3000 Mark. Der Bewerber muss auch musikalisch sowie gebildet sein, dass er erforderlichenfalls den Synagogenchor dirigieren kann. Auch würde ihm bei genügender Befähigung die Erteilung des Musikunterrichts am Lehrerseminar gegen eine Vergütung von 600 Mark vom Vorsteheramt der Israeliten übertragen werden.
Reflektiert wird auf einen im Toralesen und in den traditionellen Gesängen durchaus geübten Herrn, der auch die zweite Lehrerprüfung bestanden haben muss.
Bewerbungsgesuche sind bis zum 1. November 1908 einzureichen.
Kassel, den 2. Oktober 1908.
Die Gemeinde-Ältesten."         

   
Klärung des Beitrages der Stadt zur Finanzierung der israelitischen Volksschule (1913)
       

Kassel AZJ 29081913.jpg (76465 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. August 1913: "Kassel, 22. August. In der Stadtverordnetenversammlung berichtete Stadtrat Dr. Bartels über eine Magistratsvorlage, die 14.000 Mark zwecks Nachzahlung der Beiträge an die israelitische Gemeinde entsprechend dem Volksschulunterhaltungsgesetz verlangt. Die hiesige israelitische Gemeinde unterhält eine eigene Schule und hat nach gesetzlichen Bestimmungen das Recht, nach dem Volksschulunterhaltungsgesetz einen Unterhaltungszuschuss zu fordern. Diesen Zuschuss hat die die jüdische Gemeinde auf jährlich 5000 Mark berechnet. Nach Verhandlungen mit der Stadt einigte man sich auf 3500 Mark jährlich; dieser Betrag war, da das Volkschulunterhaltungsgesetz vom 1. April 1908 datiert, seit diesem Zeitpunkt nachzuzahlen. Dazu wurden in der Magistratsvorlage die Mittel gefordert und auch debattelos bewilligt. "           


In der jüdischen Elementarschule wird auf den Schabbat wenig Rücksicht genommen (1922)      

Kassel Israelit 04051922.jpg (55051 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Mai 1922: "Kassel, 26. April. Ein Kuriosum aus Kassel. Unter diesem Titel wird uns geschrieben: seit einiger Zeit besteht hier eine jüdische Elementarschule, gewiss sehr schön; aber am Heiligen Schabbat wird Unterricht erteilt und der Sonntag ist schulfrei. Die Kinder tragen ihre Bücher zur Schule und aus der Schule; auch manche andere Entweihung des Schabbat dürfte dabei unvermeidlich sein. Eine Familie, deren Kind neulich schulpflichtig wurde, sah sich daher in der merkwürdigen Lage, ihren Kleinen die christliche Schule, die Schabbat-Dispens erteilte, besuchen zu lassen, da es ihr zu komisch erschienen, an einer jüdischen Schule Befreiung vom Unterricht am Schabbat verlangen zu müssen."        

 
60. Geburtstag von Lehrer Ludwig Horwitz (1922)    

Kassel Israelit 16021922ho.jpg (47424 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Februar 1922: "Kassel, 12. Februar. Zum 60. Geburtstage des unseren Lesern aus seinen interessanten kulturhistorische Beiträgen wohlbekannten Herrn Ludwig Horwitz widmeten die Kasseler 'Neuesten Nachrichten' diesem verdienten Jugenderzieher und Geschichtsforscher einen sehr ihren vollen Feuilletonartikel. Horwitz wirkt seit 40 Jahren in Kassel als Lehrer und Kantor und entfaltet nebenbei eine reiche, literarische Tätigkeit. Alles Gute bis 120 Jahre."     

 
Ausschreibung der Stelle eines Religionslehrers und Vorsängers (1924)
       

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 7. Februar 1924: "In unserer Gemeinde (Orgelsynagoge) ist die Stelle eines
Religionslehrers und Vorsängers
zu besetzen. Bewerber muss befähigt sein, in hergebrachter Weise aus der Tora vorzulesen und Schofar zu blasen. Die pensionsberechtigte Stelle wird nach Gruppe VI (?) R.B.O (Reichsbesoldungsordnung) besoldet. Frühere Dienstjahre können angerechnet werden. Meldungen mit Zeugnissen und Lebenslauf sind bis zum 20. Februar dieses Jahres an uns zu richten.
Kassel, 25. Januar 1924.
Die Ältesten der Synagogengemeinde
. "       

   
30-jähriges Lehrerjubiläum von Lehrer Joseph Moses (1929)
     
Anmerkung: Joseph Moses ist am 25. Juli 1879 in Treysa geboren als Sohn von Salomon Moses und seiner Frau Karoline geb. Flörsheim. Er war verheiratet mit Emma geb. Höxter aus Gemünden/Wohra (geb. 14. Dezember 1882 als Tochter von Elias Höxter und der Betty geb. Strauß. Joseph Moses war nach dem Besuch des Lehrerseminars in Hannover Lehrer am Lehrerseminar Kassel, danach in der Israelitischen Volksschule in Kassel. Joseph und Emma Moses hatten einen Sohn Karlheinz (geb. 16. Juni 1909 in Kassel). Beim Novemberpogrom 1938 wurde Joseph Moses verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt, wo er mehrere Monate festgehalten wurde. Nach seiner Freilassung emigrierte das Ehepaar Moses nach London (England), wo bereits seit 1933 der Sohn Karlheinz war. Joseph Moses starb am 14. September 1944 in London und wurde auf dem Marlowe Road cemetery ebd. beigesetzt. Seine Frau Emma starb am 22. März 1974 in London. Quelle: "Descendants of Hirsch Moses from Gross-Ropperhausen and Frielendorf".  

Kassel Israelit 01081929.jpg (30871 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August 1929: "Kassel, 29. Juli. Am Heiligen Schabbat beging Herr Lehrer Joseph Moses dahier sein 30-jähriges Lehrerjubiläum und gleichzeitig seinen 50. Geburtstag. In Treysa geboren, besuchte er das Lehrerseminar zu Hannover. Lange Jahre wirkte er am hiesigen Lehrerseminar und nach Auflösung desselben trat er in die hiesige israelitische Volksschule ein. "       

    
Danksagung von Salomon und Erich Neumann (1930)       

Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 25. April 1930: "Allen lieben Freunden und Bekannten danken wir herzlichst für die uns überwiesenen Aufmerksamkeiten.
Kassel, den 24. April 1930. Schillerstraße 23
Salomon Neumann     Erich Neumann. "    

  
25-jähriges Ortsjubiläum des Leiters der Israelitischen Volksschule Joseph Moses (1931)     
Anmerkung: wie oben zum 30-jährigen Lehrerjubiläum 1929.  

Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 7. Januar 1931: "Kassel. (Persönliches). Am 1. Januar 1931 beging der Leiter der hiesigen israelitischen Volksschule, Herr Seminarlehrer Joseph Moses sein 25-jähriges Ortsjubiläum. Aus diesem Anlass wurden dem Jubilar von den Behörden, ehemaligen Schülern und zahlreichen Gemeinde Mitgliedern mancherlei Beweise der Wertschätzung seines erzieherischen Wirkens zuteil."         

 
Zum 25-jährigen Ortsjubiläum des Lehrers Salomon Neumann in Kassel (1931, geb. 1880)   

Fotos, erhalten im August 2010 
von Fredel Fruhman, 
eine Enkelin von 
Lehrer Salomon Neumann
Salomon Neumann 1931 010.jpg (69522 Byte) Salomon Neumann 1934 010.jpg (38155 Byte) Frieda Dorfzaun Neumann -1936 010.jpg (30930 Byte)   
     Lehrer Salomon Neumann in 
Kassel mit den zu seinem 25-
jährigen Ortsjubiläum 1931 in 
Kassel erhaltenen Geschenken; 
im nachfolgenden Abschnitt wird 
ein Teil davon erwähnt.
Lehrer Salomon Neumann 
(Foto von 1934) und seine 
Frau Frieda geb. Dorfzaun, eine
 Tochter des Kantors Leopold Dorfzaun 
(zuletzt in Fischach
   
  
  
Gochsheim Israelit 22101931.jpg (197943 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1931: "Kassel, 19. Oktober (1931). Am 16. Oktober waren 25 Jahre verflossen, seitdem Herr Lehrer Salomon Neumann in den Dienst der Kasseler Israelitischen Gemeinde trat. Der Jubilar ist in Burgpreppach als Lehrersohn geboren und hat im Würzburger Seminar seine Ausbildung erhalten. Die Tradition des Elternhauses war richtunggebend für seine religiöse Auffassung, und der Pflege streng orthodoxer Anschauungen hat Lehrer Neumann seine Arbeitskraft gewidmet. Nachdem er mehrere Jahre in Gochsheim, Rabbinat Schweinfurt, als Lehrer, Chason und Schauchet tätig war, dann am Schüler- und Lehrlingsheim in Marburg a.d. Lahn die Erziehertätigkeit ausgeübt, übernahm er im Oktober 1906 die Schechitah in unserer Gemeinde. Schon nach kurzem Wirken zog man Herrn Neumann auch als Lehrer heran. Man übertrug ihm den hebräischen Unterricht an der dem Seminar angegliederten Präparandenschule. Einige Jahre später unterrichtete Neumann auch profane Fächer an der jüdischen Volksschule. Zur Zeit ist Neumann als Religionslehrer und Bibliothekar der Israelitischen Gemeinde tätig. Seine großen talmudischen Kenntnisse stellte er oft in den Dienst der Jugenderziehung und des Vereinslebens. So sind mehrere Schiurim von ihm abgehalten worden, und zur Zeit wird der von dem Chewras Emunim-Verein eingerichtete Schiur von ihm geleitet. Dem Vorstand der 'Brüderschaft' gehört er seit einigen Jahren an, ebenso auch anderen Vereinen, die auf orthodoxer Grundlage errichtet wurden, wie dem Vorstand des 'Speisevereins' und der 'Sterbekasse'. In der Absicht, auswärtige und in hiesigen Krankenhäusern untergebrachte Patienten in religiöser Hinsicht betreuen zu können, hat Lehrer Neumann den 'Bikkur chaulim-Verein' gegründet, der sich wiederholt als segensreiche Einrichtung bewährt hat. Für die praktische Ausbildung junger Fachgenossen stellte er sich gerne und oft zur Verfügung.   
Am Jubeltag fand in der Wohnung des Jubilars eine erhebende Feier statt. Für Schächtkommission und Schule sprach Herr Landrabbiner Dr. Walter, für die Gemeindeverwaltung Herr Rechtsanwalt Dalbert, für die verschiedenen Vereine und die Fleischermeister Herr Gemeindeältester Löb. An Ehrengaben wurden überreicht: ein prachtvoller, silberner Brotkorb mit Gravierung, eine herrliche silberne Esrogbüchse, ein großer silberner Pokal, ein in Silber gefasster Hawdolohteller, Weine, Liköre und sonstige Geschenke. Das Festzimmer glich einem Blumenhain, alles ein Beweis für die Liebe und Verehrung, die man in allen Kreisen Herrn Neumann entgegenbringt. Am Schluss nahm Herrn Neumann das Wort, um allen Organisationen aufs herzlichste zu danken und zu geloben, im bisherigen Sinne seine Kräfte weiterhin zur Verfügung zu stellen. (Alles Gute) bis 120."  
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 16. Oktober 1931: 
Ähnlicher Bericht wie in der Zeitschrift "Der Israelit" (siehe oben).    
  
Anmerkung: nach Angaben einer Enkelin von Lehrer Salomon Neumann (Fredel Fruhman) war Salomon Neumann auch weiterhin in Kassel tätig. Beim Novemberpogrom 1938 wurde er verhaftet und für einige Zeit in ein Konzentrationslager verschleppt. Erst im Mitte September 1941 (!) verließ er Deutschland und emigrierte über Barcelona nach Südamerika, wo er sich in Quito, Ekuador niederlassen konnte. Seine Frau Frieda geb. Dorfzaun (geb. 1883 in Schwanfeld) wurde nach der Deportation 1942 ermordet. Nach 1945 ließ sich Salomon Neumann in den USA nieder, lebte zunächst in New York City, danach in Trenton, New Jersey. Er starb 1971 in New York im Alter von 91 Jahren.       

  
75. Geburtstag von Lehrer und Kantor i.R. Ludwig Horwitz (1937)     

Kassel Israelit 04021937.jpg (192838 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1937: "Kassel, 31. Januar. Ein Mann eigener Prägung und Wesensart, der Lehrer und Kantor i.R. Ludwig Horwitz begeht am 28. Februar den 75. Geburtstag. In ganz Deutschland bekannt, beliebt im Kreise der Lehrer und Kantoren, geschätzt in dem der Geschichts- und Ahnenforscher, dankbar verehrt von einem großen Schüler- und Bekanntenkreis, beginnt für ihn bei sonnigstem Humor, bei unermüdlichem geistigen Streben und Schaffen, der Herbst des Lebens in einem Zeitpunkte, in dem sich wohl die meisten Erdenbürger längst der verdienten Ruhe erfreuen. Seit dem April 1898 wirkte der treue, unermüdliche Beamte als Lehrer und Kantor in Kassel. In aller Erinnerung steht noch die besondere Note, die er 'seinem' Chasonus (Art des Vorbetens als Kantor) zu geben wusste, die hervorragend gute, korrekte Aussprache des hebräischen Wortes. Wer etwa glaubte, dass sich Horwitz mit seiner Pensionierung im Jahre 1924 in den Ruhestand begeben würde, der sollte sich gewaltig irren. Jetzt arbeitet er unermüdlich auf dem Gebiet, dass ihm seit frühester Jugend besonders liegt - die Erforschung der Geschichte der Juden. Tagtäglich wandelt er, ihn erschreckt weder Kälte, noch Hitze, zur Landesbibliothek, wo er seit vielen, vielen Jahren gern gesehener Stammgast ist. So entwickelt er sich zum Meister der Geschichte der Juden in Hessen, so wird er ein lebendiges Lexikon in Familienforschung. Manche seiner Arbeiten liegen gedruckt vor, und immer wieder verweisen die Geschichtsforscher der jüngeren Zeit auf ihn. Auch an dem seitens der Israelitischen Gemeinde zu Kassel herausgegebenen Geschichtswerk hat unser Jubilar rege mitgearbeitet, wie er auch in dem in aller Kürze erscheinenden zweiten Teil seine in langen Jahren gesammelten Geschichtsforschungen einem großen, interessierten Publikum zugänglich machen wird. Seine liebenswerte Art, das stets schlagfertige, aber nie verletzende Wort, das immer hilfsbereite und zuvorkommende Wesen, seine große Friedensliebe, sind wesentliche Charakterzüge 'unseres Horwitz'.
Möge ein gültiges Geschick ihm noch ungezählte Jahre geistiger und körperlicher Gesundheit, bei allem erdenklichen Familienglück schenken. Möge er mit seiner Gattin im israelitischen Altersheim zu Kassel all das reichlich finden, was er für den Lebensabend ersehnt. Alles Gute bis 120 Jahren."         

    
Zum Tod von Studienrat Dr. Otto Heß (1938)   

Kassel JuedGBl Kassel 18031938.jpg (448774 Byte)Artikel im "Jüdischen Gemeindeblatt Kassel" vom  18. März 1938: "Otto Heß.
Am 27. August 1937 ist Studienrat Dr. Otto Heß, Vorsitzender des Provinzialvorsteheramtes der Israeliten zu Kassel, von einer Bergtour, die er von Meran aus unternommen hatte, nicht mehr zurückgekehrt. - Wochenlange Nachforschungen nach seinem Verbleib, die mit Hilfe bekannter Bergführer und in Anwesenheit eines seiner Brüder unternommen wurden, blieben ohne Ergebnis. - Über dem letzten Schicksal von Otto Heß waltet das Geheimnis; nach menschlichem Ermessen ist mit seiner Rückkehr nicht mehr zu rechnen. Die Zurückgebliebenen müssen sich damit abfinden, dass die Trennung, die nur ein Abschied für einen Erholungsurlaub schien, der letzte und endgültige Abschied von ihm war.
Nach langem Zögern hat nunmehr auch das Provinzialvorsteheramt diese schmerzliche Tatsache  anerkannt und den Herrn Regierungspräsidentin zu Kassel gebeten, einen Nachfolger für Otto Heß als Vorsitzenden des Provinzialvorsteheramtes zu bestellen.
Das Provinzialvorsteheramt fühlt die Pflicht, in der Stunde, in der es endgültig von seinem früheren Vorsitzenden Abschied nimmt, in Dankbarkeit und Anerkennung seiner zu gedenken. Otto Heß hat dem Provinzialvorsteheramt 9 Jahre als Schriftführer und - nach dem Tode von Justizrat Dr. Rothfels - 1 Jahr lang als Vorsitzender angehört. Die segensreiche Tätigkeit von Otto Heß ist nur voll zu ermessen, wenn man die gesamte Persönlichkeit dieses ungewöhnlich klugen, bescheidenen und gütigen Menschen kennt.
Wie so manche wertvolle Juden seiner Zeitepoche war auch Otto Heß tief in den jüdischen Dingen verwurzelt, während er gleichzeitig das ganze europäische Wissen seiner Zeit in sich aufgenommen hatte. Dieses aus so tiefem Urgrund erwachsene Wissen lässt Menschen entstehen, die das Beste verkörpern, was die Judenheit zu geben hat: Menschen mit weisem Herzen. - Diese ungewöhnliche Güte war es, die das Leben, den Schaffensbezirk, den Freundeskreis von Otto Heß bestimmte.
Otto Heß, dem die glänzendste akademische Laufbahn offen stand, nachdem er bei Abschluss seiner Studien das Examen in Mathematik, Physik und Chemie mit Auszeichnung bestanden hatte, zog es vor, Oberlehrer zu werden, um bescheiden - in Reih und Glied - aus dem Schatz seines reichen Wissens seinen Schülern kostbare Gabe zu geben; junge Schüler sind scharfe Kritiker; sie erkennen sehr schnell menschliche Schwächen eines Lehrers; aber sie fühlen auch instinktiv den Wert und Charakter eines ungewöhnlichen Menschen. So ging es bei Otto Heß. Seine Schüler liebten ihn; noch nach Jahren kamen sie in ihren Nöten und Sorgen zu ihm, um ihn um seinen Rat zu bitten; sie wussten, dass sie nicht vergeblich kamen.
Freundschaft aus den Schuljahren hatte Otto Heß bis zu seinem Lebensende gehalten und diese Freundschaft wurde in gleicher Weise erwidert. Wie so viele wertvolle, nachdenkliche Menschen liebte Otto Heß die Einsamkeit, weil er Befriedigung fand am Reichtum seiner inneren Natur. Er war ein bekannter Bergsteiger; ein 'Einzelgänger', wie der technische Ausdruck lautet; manche schwierigen Bergbesteigungen sind durch ihn ausgeführt worden. Sehr frühzeitig hat er auch auf dem Gebiet der Aviatik sich aktiv betätigt und hat manchen Flug unternommen. Auch hatte er das Examen als Führer eines Freiballons bestanden.
Der Segensquell, der uns dieser Persönlichkeit entsprang, wurde auch wirksam im Bezirk der jüdischen Gemeinschaft. Es gab bei Otto Heß keine Niedrigkeit der Gesinnung; eine Versammlung, die er leitete, eine Debatte, an der er sich beteiligte, war sofort in die Sphäre dieser Reinheit gehoben. Es passte alles zusammen: diese unantastbar reine Gesinnung war verwandt mit der feierlichen Einsamkeit der Berge, die Otto Heß so sehr geliebt hat und in die er am Ende seiner Tage zurückgekehrt ist. Es gab für Otto Heß bei der Entscheidung persönlicher, disziplinarer, kultureller Fragen immer nur die Entscheidung aus strengster Objektivität; die Schulung des glänzenden Mathematikers zeigte sich in mustergültiger Unvoreingenommenheit.
Im Provinzialvorsteheramt galt seine Sorge allen Fragen der weit verzweigten Verwaltungstätigkeit dieser Behörde: Etatsfragen, Sozialfragen, Schulfragen. - Die Berufung des Herren Landesrabbiners Dr. Geis, die Errichtung einer jüdischen Schule in Abterode und die Vorarbeiten für die Begründung einer Bezirksschule in Rotenburg Fulda gehen noch auf Otto Heß zurück. Im Krankenhauskomitee war Otto Heß nach dem Ableben von Leo Lazarus erster Vorsitzender; ein Notizheft, dass sich in seinem Nachlass fand, beweist, wie sorgfältig und liebevoll er sich der Betreuung verarmter jüdischer Kranker annahm. In der gemeinnützigen Gesellschaft der 'Humanität' gehörte er dem Verwaltungsrat an; bei der Goldschmidt'schen Stipendienstiftung hatte er den Vorsitz.
Über all dieser Tätigkeit waltete der Segen dieses reinen Menschen.
In tiefer Trauer und mit wehem Schmerz nehmen wir von ihm Abschied.
Er hatte das Herz eines Kindes, die Klugheit des Mannes, die Güte und Weisheit des Alters. Das Provinzialvorsteheramt der Israeliten in Kassel."        
 
Kassel JuedGBl Kassel 24061938h.jpg (44516 Byte)Artikel im "Jüdischen Gemeindeblatt Kassel" vom 24. Juni 1938: "Dr. Otto Heß gefunden!
Die Angehörigen des Studienrats Dr. Otto Heß, über dessen Vermisstsein wir im vorigen Jahre in diesem Blatte berichteten, bekamen auf telegrafischen Wege die Mitteilung aus Meran, dass der Leichnam desselben am Iffingerberg bei Meran gefunden wurde.
Auf telefonischen Anruf des in Frankfurt wohnenden Bruders des Verunglückten wurde demselben mitgeteilt, dass die sterblichen Überreste einwandfrei als die des bis jetzt vermissten Dr. Otto Heß festgestellt wurden. Gewiss eine traurige Botschaft für die Angehörigen, aber sie bringt die Gewissheit, dass Dr. Heß durch Absturz ums Leben gekommen ist."       

      
      
      
Lehrerkonferenzen in Kassel    
21. Jahresversammlung der israelitischen Lehrerkonferenz Hessens in Kassel (1889)    

Kassel AZJ 22081889.jpg (297533 Byte) Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. August 1889: "Kassel, 8. August 1889.
Die 21. Jahresversammlung der israelitischen Lehrer Konferenz Hessens.

Eine stattliche Anzahl von Lehrern, stattlicher als je zuvor, hatte sich am 8. Juli dieses Jahres zur Jahresversammlung der israelitischen Lehrerkonferenz Hessens in Kassel eingefunden.
Am 8. Juli begann zur festgesetzten Zeit die Hauptversammlung. Da glänzte das Auge des Vorsitzenden in heller Freude, denn so groß war die Versammlung, dass der zur Verfügung gestellte Saal des Arbeiter-Fortbildungsvereins dicht besetzt war. Die Präsenzliste weist 89 Besucher auf, darunter 69 Mitglieder der Konferenz, die zum größten Teile Schüler des Vorsitzenden waren. Nachdem die Versammlung den Choral 'Segne treuer Gott und stärke' gesungen hatte, hielt der Vorsitzende, Herr Dr. Stein - Kassel, die Eröffnungsrede. Die Konferenz der israelitischen Lehrer Hessens tritt, so führte Redner aus, mit dieser Jahresversammlung in ihr drittes Jahrzehnt, und wenn dies zu Ende geht, so scheidet auch unser Jahrhundert, vor dem die kommenden Geschlechter ob des Umschwungs in allen Lebensverhältnissen, der Höhe des Geisteslebens und der moralischen Gesinnung, die es erzeugt hat, staunen werden. Alle Kräfte sind in Spannung und Ringen nach Anerkennung. Auch auf pädagogischem Gebiete herrscht solch rastlose Tätigkeit, die ja auch solche Anerkennung gefunden hat, dass unser Jahrhundert wohl das pädagogische genannt werden kann. Die allgemeine Volksschule, die sich erst nach Niederwerfung der Fremdherrschaft und Aufhebung der Hörigkeitsverhältnisse und Standesunterschiede entwickeln konnte, ist ein Kind unseres Jahrhunderts. Vollständig ein Kind dieses Jahrhunderts ist die israelitische Volksschule, die ja erst nach Emanzipation der Israeliten entstehen konnte, und da ist gerade unser inneres Vaterland (Hessen) allen Ländern vorangeschritten. Hier aber hat sich die israelitische Schule - trotz mancher Hindernisse so gut entwickelt, dass sie mit der Christlichen gleichen Schritt halten kann und auch gleiche Anerkennung gefunden hat. Haben beide doch auch das gleiche Ziel, neben der Ertüchtigung fürs Leben und neben der Förderung wahrer Religiosität auch wahre Vaterlandsliebe zu pflegen. Redner glaubt, dass wie die christliche so auch die israelitische Schule noch eine Zukunft habe, und schließt mit dem Wunsche, dass sich diese Hoffnung erfüllen möge, seine mit vielem Beifalle aufgenommene Eröffnungsrede.
Nachdem die Unterzeichneten zu Schriftführern ernannt worden waren, begrüßt Herr Dr. Stein die diesmal besonders zahlreich erschienenen Gäste. Außer einer Anzahl Kollegen aus den angrenzenden Provinzen hatten Herr Adolf Gotthelft, Delegierter des Deutschen Israelitischen Gemeindebundes, sowie die Herren Rabbiner Dr. Prager - Kassel, Dr. Munk - Marburg und Dr. Rosenberg - Brandenburg, wie auch Herr Rechtsanwalt Dr. Rosenfels, ein warmer Verehrer des Lehrerstandes, die Versammlung durch ihr Erscheinen geehrt.
Hierauf verlas der Vorsitzende den Jahresbericht. Dieser gedachte zuerst mit Dank der erhabenen Fürsorge der königlichen Staatsregierung für das Gedeihen der Volksschule. Das Schulentlastungsgesetz erleichtere zwar zunächst nur die Lasten der Gemeinde, aber es sei doch auch eine Wohltat für die Schule selber, besonders für die israelitische, denn der Weiterbestand mancher israelitischen Schule sei durch den Wegzug der begütertsten Familien und die dadurch verminderte Steuerkraft der Gemeinden ernstlich gefährdet gewesen und erst durch das Schulentlastungsgesetz gesichert worden. - Der Jahresbericht brachte dann zur Kenntnis, dass der Ausschuss der Lehrerkonferenz bei den vier Vorsteherämtern vorstellig geworden sei, dieselben möchten die ihnen unterstellten Gemeinden in geeigneter Weise veranlassen, einen Teil der oben genannten Zuschüsse zur Ausbesserung des Einkommens ihrer Lehrerstellen zu verwenden. - Weiter teilt er mit, dass der Deutsch-Israelitische Gemeindebund auch in diesem Jahre wieder 150 Mark zu den Kosten der Versammlung verwilligt habe, und spricht dem Ausschuss des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes hierfür wärmsten Dank aus. Einen warmen Nachruf widmet der Jahresbericht dem im Oktober vorigen Jahres verstorbenen Senior der israelitischen Lehrer Hessens, dem überall beliebten Gutkind - Zierenberg, der noch vor zwei Jahren als Greis von 82 Jahren zur Jahresversammlung in Kassel gekommen war. Die Versammlung ehrte sein Andenken durch Erheben von den Sitzen.
Herr Gutkind - Kassel erstattete nun den Kassenbericht, der ein nicht unerhebliches Defizit ergab, das selbst durch die fast vollständig erfolgte Einziehung aller rückständigen Beiträge bei Weitem nicht gedeckt werden kann.
Jetzt ergriff Herr Perlstein - Zwesten das Wort zu dem Vortrage:
Die Pflege des religiösen Sinnes in unseren Schulen. Einleitend meinte der Vortragende, das Thema sei ein zeitgemäßes, da es besonders in der Jetztzeit, wo auf der einen                        
Kassel AZJ 22081889a.jpg (342749 Byte)Seite Indifferentismus, auf der anderen Seite kaltes Formenwesen herrsche und wahre Religiosität nicht zu gedeihlicher Entwicklung kommen lasse, heilige Pflicht der Schule sei, diesen Übeln entgegentreten, das Judentum, wie es von den Vätern uns überkommen ist, zu pflegen und heilige Begeisterung für die väterliche Religion und ihre Satzungen in die Herzen der Kinder zu verpflanzen. Um dies zu erreichen, stellt der Vortragende den Grundsatz auf, den Religionsunterricht praktisch zu gestalten, fürs Leben, nicht nur für die Schule zu unterrichten. Deshalb möchte er den systematischen Religionsunterricht anders gestalten und in denselben nur das spezifisch Jüdische und Zeremonielle verlegt wissen. 'Den ethischen Teil des Religionsunterrichts, die Bürgerpflichten etc. verweist er in den Bibelunterricht. Auch dem Gebetübersetzen misst der Vortragende einen großen erziehlichen Wert bei, und verlangt er, dass alle Gebete des Schiur, selbst einige Stücke des Machsor, müssten in der Schule durchgenommen werden. Zu den nicht spezifisch religiösen Unterrichtsgegenständen, die der Pflege des religiösen Sinnes dienen, übergehend, will der Vortragende besonders das Lesebuch in den Dienst dieser Sache gestellt wissen und wünscht deshalb, dass es Lesestücke enthalte, die - aus dem jüdischen Leben genommen - geeignet sind, für die jüdische Sache zu erwärmen und zu begeistern. Auch ein für israelitische Schulen geeignetes Choralbuch und eine Sammlung von Schulgebeten hält der Vortragende für wünschenswert. Die Schwierigkeit der Lösung dieser Aufgabe (Pflege des religiösen Sinnes) beleuchtend, fordert er dann vom Lehrer, dass er sich, wenn ihm auch durch mannigfache missliche Verhältnisse, besonders die pekuniären, manchmal aller Mut geraubt werde, doch mit aller Kraft dieses Ziel erstreben, denn: 'Der Lohn der guten Tat ist die gute Tat selbst'. Mit diesem Talmudworte schloss der mit vielem Fleiße und echter Begeisterung ausgearbeitete Vortrag, für den der Vorsitzende dem Vortragenden den Dank der Versammlung aussprach, worauf Herr Katz - Nentershausen sein Korreferat verlas.
In der Hauptsache decken sich die Ausführungen der beiden Herren; jedoch trägt Korreferat manchen einseitigen Ansichten und zu weit gehenden Forderungen des Referenten entgegen. Insbesondere will er weder den Vorwurf des Indifferentismus noch des kalten Formenwesens in Bezug auf unsere hessischen Gemeinden gelten lassen, und erblickt er den Grund zu dieser erfreulichen Wahrnehmung in dem Umstände, dass wir israelitische Elementarschulen haben und religiöse und weltliche Ausbildung dadurch eine harmonische ist. Im Gegensatz zu neuerdings mehrfach hervorgetretenen den Bestrebungen, die israelitischen Elementarschulen durch Religionsschulen zu ersetzen, hält es Korreferent für eine religiöse und pädagogische Pflicht, die allgemeine Einführung israelitischer Elementarschulen anzustreben. Während Herr Perlstein mehr der dozierenden Lehrweise das Wort redet, empfiehlt Herr Katz gerade für den Religionsunterricht die katechetische Lehrform. Zu Schulgebeten schlägt er geeignete Stücke aus dem Gebetbuche vor. Für die kurz gefassten, treffenden und von der Versammlung mit großem Beifall aufgenommenen Ausführungen stattet ihm der Vorsitzende verbindlichen Dank ab.
Die Debatte, die sich an die Vorträge schloss, wurde besonders durch das Eingreifen des Herrn Dr. Munk, welches viele Konferenzbesucher zur Beteiligung veranlasste, sehr lebhaft. Der Gegenstand kam auch zu seiner Klärung, ohne dass gerade über Leitsätze abgestimmt wurde.
Nach einer längeren Pause wurden die gestellten Anträge besprochen und zwar zuerst ein von dem Mitunterzeichneten Amram begründete Zuschussantrag, nach welchem in Zukunft die Anträge zu den Jahresversammlungen und die Leitsätze zu den Vorträgen durch Umlaufschreiben zur Kenntnis der Mitglieder gebracht werden sollen, der fast einstimmig angenommen wurde. - Es folgte dann der von Herrn Neumark - Felsberg gestellte Antrag, den Ausschuss der Lehrerkonferenz zu beauftragen, geeigneten Ortes vorstellig zu werden, dass der Vorsängerdienst besonders honoriert werde. Der Antrag wird im Einverständnis mit dem Antragsteller dahin abgeändert, dass in Rücksicht auf ein die christlichen Lehrer als Kirchendiener betreffendes Ministerial-Reskript um eine Berücksichtigung der durch den Vorsängerdienst dem Lehrer entstehenden besonderen Arbeitslast bei Bemessung der Lehregehälter zu petitionieren sei, mit welcher Abänderung der Antrag zur Annahme gelangte.
Die Bestimmung des Ortes der nächsten Jahresversammlung bleibt dem Ausschuss vorbehalten. Der Unterzeichnete Amram hat das Referat, Herr David - Jesberg das Korreferat über 'Der ethische Inhalt der Gebete des Siddur' übernommen. - Bei der Ausschusswahl wurden die beiden unterzeichneten Ausschussmitglieder ausgelost und durch Zettelwahl wiedergewählt. - Herr Dr. Stein schloss nun die Versammlung, für deren umsichtige Leitung ihm auf Anregung des Herrn Cornelius - Rotenburg ein Hoch ausgebracht wurde. Die Schriftführer: Amram - Borken, Oppenheimer - Treysa."     

  
22. Jahresversammlung der Israelitischen Lehrerkonferenz Hessens in Kassel (1890)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Juli 1890: "Kassel, 7. Juli. Unter sehr großer Beteiligung fand heute die 22. Jahresversammlung der israelitischen Lehrer Hessens im großen Saale des Arbeiter-Fortbildungsvereins dahier statt. Es hatten sich wohl 80 Teilnehmer aus dem Regierungsbezirk Kassel sowie aus den Nachbarprovinzen eingefunden. Die Nachricht, dass der Vorsitzende des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes, Herr Geheimer Sanitätsrat Dr. Kristeller aus Berlin, der Konferenz beiwohnen würde, hatte nicht allein das Interesse der Lehrer erregt, sondern auch viele Freunde des Schulwesens herbeigeführt. Unter Letzteren bemerkten wir die Herren Rabbiner Dr. Prager aus Kassel und Herr Dr. Munk aus Marburg, Herren Realschuldirektor Dr. Bärwald aus Frankfurt am Main, Herrn Dr. Rothfeld und Herrn Rechtsanwalt Hirsch, sowie viele andere namhafte Männer aus Kassel. Der Vorsitzende, Herr Seminardirektor Dr. Stein, begrüßte die Versammlung und widmete in seiner Eröffnungsrede dem Begründer des Deutschtums bei den Israeliten unseres Vaterlandes und somit auch dem Begründer der neueren israelitischen Volksschule, dem Philosophen Moses Mendelssohn, ein ehrendes Andenken. Insbesondere hob er hervor, wie Mendelssohn auch in Kassel würdige Nachfolger gefunden habe, und wie gerade von hier zuerst in Deutschland die gesetzlich geregelte israelitische Schule ausgegangen sei. Nach Erstattung des Jahres- und des Kassenberichts erhielt sodann Herr Amram - Borken das Wort zur Verlesung seines Referats über das Thema: 'Der ethische Inhalt der Gebete'. Derselbe hatte eine reichhaltige Arbeit geliefert, die nur in wenigen Punkten von dem Herren Korreferenten ergänzt zu werden brauchte. Die Versammlung beschloss die Drucklegung derselben, sowie Beschlussfassung betreffs der aufgestellten Thesen in der nächstjährigen Konferenz. Nach einer kurzen Pause fesselte Herr Geheimrat Dr. Kristeller alle Anwesenden in einem fast zweistündigen Vortrag über: 'Die ethische Maxime in Pirke-Aboth II,1'. Die Worte des Redners, untermischt mit mancher humoristischen Bemerkung, wurden mit der größten Spannung angehört und die Klarheit der philosophischen Deduktion allgemein bewundert. Man fand in den Sprüchen der Väter einen ungeahnten Sinn, der gewiss manche Lehrer zum weiteren Nachdenken veranlassen und zur unterrichtlichen Verwertung dieses Weisheitsschatzes führen wird. Rauschender Beifall folgte dem Inhalt reichen Vortrag. Es kam nur noch der Antrag des Herren Kornelius - Rotenburg, die Einführung der vom Gemeindebunde verbreiteten 15 ethischen Grundsätze in den Religionsunterricht zur Besprechung. Nach einem lebhaften Gedankenaustausche einigte man sich dahin, dass dieselben zur Zusammenfassung des Unterrichts am Ende des Schuljahres, sowie zu einem Repetitorium für abgehende Schüler geeignet seien. Nachdem das Thema für die nächstjährige Konferenz bestimmt und Fulda zum Versammlungsort gewählt worden war, schloss der Vorsitzende die Verhandlungen, welche mit geringer Unterbrechung von 9 Uhr morgens bis Nachmittag 3 Uhr angedauert hatten. Herz Buchdruckereibesitzer Gotthelft aus Kassel dankte dem Vorsitzenden für die anstrengende Leitung derselben. Um 4 Uhr fand hierauf ein gemeinschaftliches Mahl statt, an welchem auch Damen teilnahmen. Das erste von dem Vorsitzenden ausgebrachte Hoch galt Seiner Majestät dem Kaiser. Ernste und heitere Trinksprüche folgten sodann in bunter Abwechslung, bis in später Abendstunde die Zeit zur Trennung herangekommen war."   
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. August 1890: "Kassel, 10. August. Über die Jahresversammlung der hessischen Lehrerkonferenz, welche am 7. Juli hier stattgefunden hat, ist in Nr. 27 der 'Allgemeinen Zeitung des Judentums' schon berichtet worden. Es sei heute gestattet, den damaligen Bericht durch Mitteilung noch einige Einzelheiten zu ergänzen. Die Thesen, welche Herr Amrum - Borken seinem Vortrage über den ethischen Inhalt der jüdischen Gebete zu Grunde liegt, lauten folgendermaßen: 1. die Gebete der Israeliten sind ihrem Inhalt nach ganz den ethischen Grundsätzen der Heiligen Schrift und den Morallehren aller Kulturvölker entsprechend. 2. die Gebete der Israeliten haben einen großen erzieherischen Wert für den Betenden, indem sie zu innerer Heiligung führen. 3. Die Gebete der Israeliten unterstützen und fördern den Religionsunterricht und die religiöse Erziehung durch die Schule, deshalb muss die Schule deren Verständnis ganz besonders pflegen. Die nächste Jahresversammlung soll in Fulda stattfinden. Bei der Auswahl eines Referates sprach Herr Geheimrat Dr. Kristeller den Wunsch aus, die israelitischen Lehrerkonferenzen Deutschlands möchten sich wegen der aufzustellenden Referate untereinander verständigen. Auf diese Weise lasse sich ein wahres Bild von den Bestrebungen der Lehrerwelt erzielen. Herr Plaut - Grebenstein übernahm das Referat, Herr Levy - Hofgeismar das Korreferat über: 'Die soziale Stellung der israelitischen Lehrer in Hessen und die sozialen Aufgaben, die Ihnen obliegen'. Der Ausschuss bleibt auf Antrag des Herrn Heiser - Niedenstein in seiner jetzigen Zusammensetzung auch fürs nächste Vereinsjahr. Das gemeinschaftliche Mahl, an dem sich auch eine größere Anzahl von Damen beteiligte, wurde im Palais-Restaurant eingenommen. Die gehobene Stimmung, welche während der ganzen Dauer der Versammlung vorgeherrscht hatte, setzte sich auch hier fort. Trinksprüche brachten - meist in längerer Rede - aus: Herr Dr. Stein auf Seine Majestät den Kaiser, Herr Kornelius auf Herrn Dr. Stein, Herr Gutkind auf Herrn Geheimrat Dr. Kristeller, dieser auf die Lehrer in ganz Deutschland, Lehrer Oppenheim auf die Gäste, Herr Gotthelft auf die Frauen und Herr Dr. Munk auf den Ausschuss der Lehrerkonferenz. Nachdem Herr Dr. Prager das Tischgebet gesprochen, trennte man sich mit dem Wunsch eines frohen Wiedersehen in Fulda."     

        
35. Jahresversammlung der Israelitischen Lehrerkonferenz Hessens in Kassel (1903)         

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. Juni 1903: "Kassel, 27. Mai. Am Donnerstag den 21. dieses Monats fand in Schaubs Garten dahier die 35. Jahresversammlung der israelitischen Lehrerkonferenz Hessens statt. Es waren 55 Mitglieder und 7 Gäste anwesend, unter Letzteren die Herren Landrabbiner Dr. Prager und Bankier Blumenthal - Kassel und Provinzialrabbiner Dr. Munk - Marburg, sowie als Vertreter des Hauptausschusses des hessischen Volksschullehrervereins Herr Lehrer Brede - Kassel. Der Vorsitzende, Herr Lehrer Amram - Borken, begrüßt die Erschienenen und ermahnt zu treuem Festhalten am Verein. In seine Ausführungen flocht der Vorsitzende interessante Mitteilungen aus einer vor kurzem seitens des Verbandes der jüdischen Lehrervereine in deutschen Reiche veranstalteten Enquete über die Zahl der jüdischen Volks- und Religionsschulen, sowie über die Zahl der dieselben besuchenden Schüler im Regierungsbezirke Kassel.
Der Jahresbericht gibt zunächst dem Gefühle der Erbitterung im hessischen Lehrerstande über das bei der Besetzung der jüdischen Lehrerstellen eingehaltene Verfahren Ausdruck. In den meisten Fällen werden ganz junge Bewerber, die noch nicht im Volksschuldienste des Regierungsbezirks gestanden haben, solchen vorgezogen, die schon Jahrzehnte auf gering notierten Stellen an vom Verkehr abgelegenen Orten ausgehalten haben und denen eine Beförderung notwendig wäre. Der Bericht teilt dann mit, dass der Ausschuss in dieser Angelegenheit, ohne erst einen Konferenzbeschluss herbeizuführen, eine Eingabe an die königliche Regierung gerichtet habe. - Weiterhin enthält der Bericht Mitteilung darüber, was betreffs der besonderen Besoldung des Vorsängerdienstes geschehen ist. Leider blieb sowohl die Eingabe an den Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten, wie auch die Petition an den Landtag erfolglos. In der Angelegenheit des einjährigen freiwilligen Dienstes, zu dem bisher das Zeugnis der Privatseminare - also auch der jüdischen - nicht berechtigte, ist ein besserer Erfolg erzielt worden. Die Petition, welche in dieser Angelegenheit von 134 jüdischen Volksschullehrern Preußens (darunter etwa 40 hessische)          
Kassel FrfIsrFambl 05061903n.jpg (457195 Byte)an den Reichstag gerichtet wurde, ist von diesem dem Herrn Reichskanzler zur Erwägung überwiesen worden. - Während der Bericht nun weiter mitteilt, dass der Ausschuss an den emeritierten und bei dieser Angelegenheit mit dem Adler des hohenzollerischen Hausordens dekorierten Kollegen Emmerich - Rhina, sowie an den um die jüdische Lehrerschaft Deutschlands hochverdienten Vorsitzenden der 'Achawa', Herren Konsul Adolf Bär-Goldschmidt zu Frankfurt am Main, zu dessen 70. Geburtstag eine Adresse überreicht habe, widmet er Worte ehrenden Gedenkens den im Berichtsjahre verstorbenen Kollegen Katzenstein - Langendiebach, Goldschmidt - Frankenberg, Rothschild - Kassel und Engelbert - Kassel, daran einen Nachruf für Seine Exzellenz, den verstorbenen früheren Ministerialdirektor Dr. Kügler, den hochverdienten Freund der Volksschule und des Volksschullehrerstandes, den toleranten Beschützer der jüdischen Volksschule, anreihend. Mit der Mahnung, die der Selbsthilfe dienenden Veranstaltungen des hessischen Volksschullehrervereins und der Achawa zu fördern, sowie an die Erledigung der reichhaltigen Tagesordnung im Geiste der Eintracht und der Brudertreue heranzugehen, schließt der Jahresbericht.
Es folgte nun der Vortrag des Kollegen Oppenheim - Treysa: 'Der Unterricht in der jüdischen Geschichte in Verbindung mit demjenigen in Weltgeschichte und Geographie'. Zunächst ausführend, wie notwendig und wichtig eine eingehende Pflege dieser Unterrichtsdisziplin sei für die Erhaltung und Wiederbelebung des religiösen Sinne, schlug der Vortragende vor, den Teil der jüdischen Geschichte, der die Zeit bis zum Abschluss des Talmud behandelt, an den biblischen Geschichtsunterricht anzuschließen, die Geschichte der Juden unter den Völkern jedoch und damit insbesondere die Geschichte der deutschen Juden mit dem Unterricht in der Weltgeschichte, und wo er sich hier nicht leicht einrichten lasse, mit demjenigen in Geographie und verwandten Fächern zu verbinden, schon weil sich dieser Teil der Geschichte der Juden unter den Völkern nicht loslösen lasse von der Geschichte und dem Lande der betreffenden Völker. Die Leitsätze hatten folgenden Wortlaut: '1. Die jüdische Geschichte verdient in der israelitischen Volksschule eine sorgfältige Pflege. 2. Mit Rücksicht auf die für den Religionsunterricht zur Verfügung stehende geringe Stundenzahl empfiehlt es sich, von einer systematischen Behandlung des Unterrichts in der jüdischen Geschichte abzusehen und denselben an den Unterricht in Geschichte und Geographie anzulehnen. 3. Die Stoffauswahl hat den Lehrzweck und das Lehrziel zu berücksichtigen. 4. Die methodische Behandlung des jüdischen Geschichtsunterrichts ist dieselbe wie diejenige des Unterrichts in der vaterländische Geschichte. 5. Zur Erreichung bleibender Unterrichtsergebnisse ist die Einführung eines geeigneten Leitfadens zu empfehlen'.
Die Leitsätze fanden nach kurzer Debatte einstimmige Annahme.
Sodann wurde auf Antrag des Nestors der Versammlung, des Kollegen Brandes - Oberaula, der trotz seiner 67 Jahre und trotz der 5 Stunden bis zur nächsten Bahnstation zu den treuesten Besuchen und Mitarbeitern der Konferenz gehört, der Ausschuss beauftragt, an zuständiger Stelle zu beantragen, dass jeder definitiv Angestellte erste oder alleinige israelitische Lehrer zum Mitglied des Schulvorstandes für seine Schule ernannt werde. - Von Bedeutung insbesondere für die nicht an einer Volksschule wirkenden hessischen Lehrer war eine Mitteilung des Kollegen Strauss - Gelnhausen. Diese an einer Religionsschule angestellten Lehrer unterstehen weder dem Besoldungs- noch dem Pensionsgesetze; sie sind auf das Wohlwollen ihrer Gemeinden angewiesen, denen, soweit es sich um die Alters- und Reliktenversorgung handelt, wenn nicht der gute Wille, so doch meist die Mittel fehlen. Es wollte bisher nicht gelingen, den Kollegen aus dieser Notlage zu helfen, bis sich jetzt die durch den hessischen Kommunalverband neu zu schaffende Pensionskasse für Kommunal- und Gemeindebeamten usw. bereit erklärt hat, auch sie auf desfallsigen Antrag aufzunehmen.
Auf Antrag der Kollegen Lotheim - Falkenberg und Raab - Merzhausen wurde der Ausschuss beauftragt, für den Wegfall der Probegottesdienste zum Zwecke der Bewerbung um erledigte Stellen einzutreten. Es möge, so führte der Antragsteller aus, in das Abgangszeugnis auch eine Note über die Befähigung zum Vorsängerdienst aufgenommen werden, die dann bei einer etwaigen Bewerbung genügen müsse; nur auf diesem Wege können den Übelständen bei den Stellenbesetzungen abgeholfen werden. Gerade dieser Teil der Tagesordnung fand eine lebhafte Besprechung, weil unter den obwaltenden Übelständen zu weite Kreise der jüdischen Lehrerschaft Hessens zu leiden haben. - Auf Antrag des Vorsitzenden wurde beschlossen, im nächsten Winter eine neue Bittschrift in Sachen der besonderen Besoldung des Vorsängerdienstes an den Landtag zu richten. - Endlich fand noch ein Antrag Brandes - Oberaula Annahme, durch den der Ausschuss beauftragt wird, Erhebungen über den Umfang der Akzidentien zu veranstalten, um auf Grund derselben eine gesetzliche Festsetzung der Gebühren für dieselben in die Wege zu leiten.
Herr Architekt Eppstein - Kassel teilte mit, dass er im Auftrage der Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Kunstdenkmäler in Frankfurt am Main den Regierungsbezirk bereisen werde, um hervorragende Synagogen,  
Kassel FrfIsrFambl 05061903o.jpg (52597 Byte)Grabdenkmäler und dergleichen aufzunehmen, zu welchem Zwecke er die Unterstützung der Lehrerschaft erbittet.
Die nächste Jahresversammlung wird in Hanau stattfinden. Für dieselbe übernahmen die Kollegen Oppenheim - Wehrda und Braunschweiger - Erdmannrode das Referat, respektive Korreferat über 'Die Verwendung der Pirke Aboth (Sprüche der Väter) beim Religionsunterricht'. Nachdem noch durch Zuruf die Wiederwahl des bisherigen Ausschusses (Amram - Borken, Oppenheim - Treysa, Rosenstein - Rotenburg, Schwarzschild - Schlüchtern und Spiro - Fulda) erfolgt war war die reichhaltige Tagesordnung erledigt."     
 
Kassel Israelit 27081903.jpg (427270 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1903: "Kassel, 24. August (Bericht über die 35. Jahresversammlung der israelitischen Lehrerkonferenz Hessens). Am 21. Mai dieses Jahres fand dahier die 35. Jahresversammlung der israelitischen Lehrerkonferenz Hessen statt. Eine stattliche Anzahl von Vereinsmitgliedern, wie wir sie seit einer Reihe von Jahren zu sehen nicht gewohnt waren, hat sich zur diesjährigen Versammlung eingefunden, was zweifellos auf die wichtige und reichhaltige Tagesordnung zurückzuführen ist. Auch die Vorsteherämter zu Kassel und Marburg hatten Ihr Interesse an den Bestrebungen der hessischen jüdischen Lehrerschaft dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie, wie bisher, so auch diesmal, ihre Vertreter zu den Verhandlungen entsandten. Als Vertreter des Vorsteheramtes zu Kassel waren die Herren Landrabbiner Dr. Prager und Bankier Blumenthal, als Vertreter des Vorsteheramtes zu Marburg Herr Provinzialrabbiner Dr. Munk erschienen. Ferner waren als Gäste anwesend: Herr Gemeindeältester Karl Plaut - Kassel und Herr Lehrer Brede - Kassel als Vertreter des hessischen Volksschullehrervereins. Um 10 Uhr morgens wurde die Versammlung durch einen Eröffnungschoral eingeleitet, worauf der Vorsitzende, Herr Amram - Borken, die Erschienenen mit herzlichen Worten begrüßte. Er ermahnte zu treuem  Festhalten am Vereinswesen, da es gelte, mühsam Errungenenes zu erhalten, sowie Notwendiges und Wünschenswertes auch weiterhin anzustreben. Hierauf entboten die Herren Dr. Prager, Dr. Munk und Plaut - Kassel der Versammlung ihre Grüße und wünschten gedeihlichen Erfolg der Verhandlungen. Bei der nun folgenden Konstituierung des Büros wurden Oppenheim - Treysa zum stellvertretenden Vorsitzenden und die Unterzeichneten zu Schriftführer ernannt. In dem zur Verlesung kommenden Jahresberichte gab der Vorsitzende dem Gefühle der Erbitterung in der jüdischen Lehrerschaft Hessens über das bei der Besetzung der Lehrerstellen geübte Verfahren Ausdruck. Es müsse im höchsten Grade verstimmend wirken, wenn, wie das so oft geschieht, junge Bewerber, die nicht einmal im diesseitigen Regierungsbezirke im Volksschuldienste gestanden, älteren, im Amte bewährten Lehrern des Bezirks vorgezogen werden. Der Ausschuss habe sich deshalb veranlasst gesehen, in einer Eingabe an die königliche Regierung auf diese betrübende Tatsache hinzuweisen. Die Bemühungen des Ausschusses um Herbeiführung einer Besoldung des Vorbeterdienstes hatten leider nicht den gewünschten Erfolg, indem sowohl der Herr Kultusminister, als auch der Landtag ablehnenden Bescheid erteilten. Ein günstigerer Erfolg scheint in der Angelegenheit des Einjährig-Freiwilligen Dienstes in Aussicht zu stehen, da die bezügliche Petition vom Reichstage dem Reichskanzler zur Erwägung überwiesen worden ist. Anlässlich des 70. Geburtstages des verdienten Vorsitzenden der 'Achawah', Herrn Konsul Adolf Bär-Goldschmidt, Frankfurt am Main, hatte der Ausschuss ein Glückwunschschreiben übersandt, dass der Herr Jubilar mit einem warm empfundenen Dankschreiben erwiderte. Den aus dem Leben geschiedenen Kollegen Katzenstein - Langendiebach, Goldschmidt - Frankenberg, Rothschild - Ziegenhain und Engelbert - Eschwege, wie auch dem unvergesslichen Freunde der jüdischen Volksschule, Ministerialratdirektor Dr. Kügler, widmete der Vorsitzende Worte ehrender Erinnerung. Die Versammlung gab ihre Teilnahme durch Erheben von den Sitzen zu erkennen. Das Referat für die Versammlung hatte in dankenswerter Weise Kollege Oppenheim - Treysa übernommen. Das Thema lautete: 'Der Unterricht der jüdischen Geschichte in Verbindung mit demjenigen in Weltgeschichte und Geographie'. Die gediegene Arbeit fand den ungeteilten Beifall der Versammlung und wurden sämtliche Leitsätze auf Antrag des Seminarlehrers Katz - Kassel einstimmig angenommen. Da die Arbeit demnächst zur Veröffentlichung gelangt, so erübrigt es sich, in eine ausführliche Besprechung derselben einzugehen. Nach einer kleinen Frühstückspause schritt die Versammlung zur Beratung der eingegangenen Anträge. Herr Brandes - Oberaula beantragt: 1. Der Ausschuss wolle Erhebungen über den Umfang der Akzidentien der vor Vorsänger anstellen, um aufgrund derselben eine gesetzliche Festsetzung der Gebühren für dieselben in die Wege zu leiten; 2. der Ausschuss wolle bei Königlicher Regierung dahin vorstellig werden, dass jeder endgültig bestellte jüdische Lehrer im Bezirk Kassel zum Mitgliede des Schulvorstandes für seine Schule ernannt wird. Beide Anträge wurden angenommen, ebenso der von Herrn Lotheim - Falkenberg und Raab - Merzhausen gestellte Antrag auf Wegfall des Probegottesdienstes, wie auch der des Ausschusses um Ermächtigung zur Einleitung weiterer Schritte in der Besoldung des Vorsängerdienstes.
Damit war die reichhaltige Tagesordnung erschöpft. Von besonderer Bedeutung war auch eine Mitteilung des Kollegen Strauß - Gelnhausen, nach welcher auch den nicht staatlich angestellten Lehrern Aussicht auf ein Ruhegehalt und Versorgung der Hinterbliebenen eröffnet wird durch die Begründung einer Pensionskasse für Kommunalbeamte im Regierungsbezirk Kassel. Die nächste Jahresversammlung, für welche Kollege Oppenheim - Wehrda das Referat: 'Die Verwendung der Pirke Aboth (sc. Sprüche der Väter) beim Religionsunterricht', und Kollege Braunschweiger - Erdmannrode das Korreferat übernommen haben, soll in Hanau stattfinden. Nachdem durch Zuruf der bisherige Ausschuss wiedergewählt worden war, schloss der Vorsitzende mit einem begeistert aufgenommen Hoch auf Seine Majestät den Kaiser die Sitzung, deren Teilnehmer sichtlich befriedigt ob des schönen Verlaufs der Verhandlung auseinanderging. Herr Kollege Plaut - Grebenstein hatte zuvor vorher dem Vorsitzenden für seine erfolgreiche Leitung den Dank der Konferenz ausgesprochen. Ein gemeinschaftliches Mahl vereinigte viele Lehrer und Ehrengäste im Saale des Hotel Meier, woselbst man sich, dank der heiteren Stimmung, der guten Speisen und Getränke, recht behaglich fühlte. Ernste und heitere Toaste würzten das Mahl. Nur zu bald schlug die Scheidestunde, der ein frohes Wiedersehen in Hanau folgen möge. Spiro - Fulda. Rosenstein  - Rotenburg."    

    
Verbandstag des Verbandes der Israelitischen Lehrervereine im deutschen Reich in Kassel (1905)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Januar 1905: "Kassel, 2. Januar. Der dritte Verbandstag des Verbandes der israelitischen Lehrervereine im deutschen Reiche fand am 28. und 29. vorigen Monat hier statt. Die Verhandlungen, welche im Festsaal des Zentral-Hotels abgehalten wurden und von 180-200 Personen aus ganz Deutschland besucht waren, leitete der Verbandsvorsitzende Herr Dr. Fiegel - Berlin und dessen Stellvertreter Herr Steinhardt - Magdeburg. Aus der Berichterstattung des Verbandsvorstandes über die Verwaltungsperiode der drei Jahre 1902, 1903 und 1904 ist hervorzuheben, dass der Verband sich günstig weiterentwickelt hat und bis jetzt 20 Vereine mit 1100 Mitgliedern umfasst. Einer der Hauptgegenstände der umfangreichen Tagesordnung war der Vortrag, welchen der Ehrenvorsitzende des Verbandes, Herr Realschuldirektor Dr. Adler Frankfurt am Main über das Thema 'Das preußische Schulunterhaltungsgesetz und die jüdische Volksschule' hielt. Nach dem anderthalbstündigen Vortrage, in welchem der gewandte Redner die Materie in lichtvollster Weise behandelte, wurde einstimmig die Resolution angenommen, die wir in der 'Woche' mitgeteilt haben. Einen weiteren interessanten Vortrag über die Errichtung von Fortbildungskursen hielt Herr Realschullehrer Feiner - Hamburg. Auch dieser erschöpfende Vortrag wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Die Versammlung nahm am Schlusse eine Resolution an, worin sie sich für die Errichtung von Fortbildungskursen ausspricht, da sie dieselben für unumgänglich notwendig hält. In den Vorstand wurden gewählt die Herren: Realschuldirektor Dr. Adler - Frankfurt am Main (Ehrenvorsitzender); Dr. Fiegel - Berlin (1. Vorsitzender); Steinhardt - Magdeburg (2. Vorsitzender); Realschullehrer Feiner - Hamburg (Schatzmeister); Amram - Borken Hessen (1. Schriftführer); Hauptlehrer Graf - Essen (2. Schriftführer); Professor Dr. Blaschke - Berlin, Prof. Dr. Badt  - Breslau, Direktor Driesen - Karlsruhe in Baden (Beisitzer). Im Laufe der ersten Nachmittagssitzung des Kongresses hielt dann noch Herr Lehrer Horwitz aus Kassel (anstelle des am Erscheinen verhinderten Herrn Lehrers Jacobsohn aus Leipzig) einen Vortrag über die Bildung einer Kantoren-Sektion und wurden die Darlegungen ebenfalls sehr beifällig aufgenommen. Das Schriftführeramt während des Kongresses versahen die Herren Lehrer Amram - Borken in Hessen, Lehrer Horovitz - Kassel und Lehrer Waldbott - Leipzig. Nach Schluss der Beratungen trat auch der gemütliche, gesellige Teil in seine Rechte. Zunächst vereinigte die große Zahl der hiesigen und auswärtigen Teilnehmer des Kongresses ein Festmahl. Darauf folgte ein Festkommers. Durch Trinksprüche ernsten und launigen Inhalts wurde die festliche Stimmung wesentlich erhöht. Der erste Trinkspruch galt dem Kaiser, ausgebracht in zündenden Worten von dem Seminardirigenten Herren Dr. Lazarus - Kassel. Weitere Trinksprüche wurden in beredter Weise auf den Verband, auf das Vorsteheramt und die Gemeinde Kassel ausgebracht, ebenso auch ein Hoch auf die Verdienste des Lokalausschusses etc. Der Festkommers schloss sich an das Mahl an. Zöglinge des hiesigen israelitischen Seminars ließen es sich angelegen sein, durch musikalische und dramatische Darbietungen das Fest zu verschönern. Ein von Herrn Lehrer Katz in Gelsenkirchen gedichteter, formvollendeter Prolog von einem Seminarabiturienten mit gutem Ausdruck vorgetragen, erregte, ebenso wie das am Schlusse der Verse gestellte 'Lebende Bild', das den Treuschwur der jungen Lehrer, in den Bahnen der alten zu wandeln, darstellte, lebhaften Beifall. Das folgende, von großer dichterischer Begabung zeugende Stück, Einakter, der Lehrerfreuden und Lehrerleiden sehr humorvoll schilderte, hatte ebenfalls Herrn Katz zum Verfasser und erregte in der sorgsam vorbereiteten Darstellung durch die Seminaristen stürmische Heiterkeit."          

  
55. Jahresversammlung der Israelitischen Lehrerkonferenz Hessens in Kassel (1927)
     

Kassel Israelit 30061927.jpg (39418 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom  30. Juni 1927:   

    
    
    
Aus der Geschichte des Israelitischen Lehrerseminars in Kassel   
Empfehlung des talmudgelehrten Fuldaer Lehrers Philipp Stern als Nachfolger von Lehrer Lasson am Lehrerseminar (1859)   

Fulda AZJ 20061859c.jpg (141818 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Juni 1859: "Unter den in Fulda in Garnison befindlichen Soldaten befinden sich auch ungefähr 40 Israeliten, welche in Fulda sämtlich von Privaten koscher verköstigt werden. Ein nicht unbedeutendes Opfer, welches die Fuldaer Israeliten hierdurch bringen. Überhaupt ist in dieser Gemeinde, die viele sehr ehrenwerte Mitglieder zählt, noch viel religiöser Fond und ein sehr reger Wohltätigkeitssinn. In Verbindung mit dem talmudgelehrten und auch sonst sehr gebildeten Herrn Philipp Stern wirkt der Provinzialrabbiner Dr. Enoch auch eifrig für die Vorbereitung talmudischer Studien und haben diese beiden gelehrten Männer eine ganze Schar wissbegieriger Knaben und Jünglinge um sich versammelt, welchen sie in hebräischen Fächern gründlichen Unterricht erteilen. Herr Philipp Stern widmet mit bewundernswerter Aufopferung täglich 6-8 Stunden dieser Wirksamkeit, was umso anerkennenswerter ist, als dieser Unterricht von beiden Herren gratis erteilt wird, obgleich Herr Stern selbst pekuniär nicht glänzend gestellt ist Unwillkürlich drängte sich mir der Gedanke auf, welch ein Gewinn es für unser Lehrerseminar in Kassel wäre, wenn für das hebräische Fach für dasselbe ein Mann von dem Wissen und Lehreifer des Herrn Stern an die Stelle des unlängst verstorbenen Lehrers Lasson gewonnen werden könnte. Es würde sicher dazu beitragen, demselben einen neuen Aufschwung zu geben und die Gemeinden würden eine solche Erwerbung für das Seminar nur freudig begrüßen.  B.H."   

   
25-jähriges Amtsjubiläum des Seminarlehrers Dr. Salomon Leviseur (1864)  
Anmerkung: Salomon Leviseur (geb. 13. Oktober 1809 in Kassel) besuchte die Jacobsohn-Schule in Seesen/Harz und trat 1827 in das Kasseler Seminar ein. 1832 wurde er als provisorischer Lehrer eingestellt. 1837 legte er die Lehrerprüfung am Seminar ab. 1841 wurde er von der philosophischen Fakultät in Marburg promoviert auf Grund  einer Arbeit zum Thema "Religionsbegriff bei Kant und Schleiermacher".  Vgl. Google-Books. Am Seminar war er bis zu seiner Zurruhesetzung 1883 tätig. Danach ist er in die USA ausgewandert, wo er 1899 im Alten von 90 Jahren in New York verstorben ist (Quelle: New York Times vom 14.2.1899).      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. Oktober 1864: "Kassel, 3. Oktober (1864). Am 1. Oktober wurde hier das 25-jährige Amtsjubiläum des Lehrers am hiesigen israelitischen Seminar, Herrn Dr. Salomon Leviseur gefeiert. Außer vielen Beglückwünschungen von nah und fern empfing der Jubilar auch von 27 Schülern, jetzt sämtlich angestellte Lehrer in der Provinz NiederHessen, einen prachtvollen silbernen Pokal mit der Inschrift: 'Zum 25-jährigen Amtsjubiläum, aus Liebe und Dankbarkeit von seinen Schülern gewidmet, am 1. Oktober 1864!'. 'Herrn Dr. Sal. Leviseur', nebst einem ehrenvollen, seine Verdienste und Wirksamkeit anerkennenden Schreiben."          

   
Anzeige von Lehrer Dr. Salomon Leviseur (1864)      

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. November 1864: "Eine Dame, israelitischer Religion, welche die Erziehung dreier erwachsener Kinder übernehmen und deren Schulausgaben beaufsichtigen, auch auf Verlangen einem geordneten Haushalte vorstehen kann, wird auf sogleich oder spätestens auf 1. Januar 1865 gesucht. Dieselbe muss wissenschaftlich gebildet, der französischen und englischen Sprache mächtig und in der Musik etwas bewandert sein, sowie einen guten Charakter besitzen. Die Bedingungen sind angenehm. 
Frankierte Anmeldungen, denen Referenzen und Zeugnisse beizufügen sind, nimmt entgegen Dr. S. Leviseur in Kassel."          

 
25-jähriges Jubiläum von Dr. Jacob Stein als Direktor des Jüdischen Lehrerseminars (1891)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. April 1891:                 

     
Zum Tod von Seminardirigent a.D. Dr. Jacob Stein (1898)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Februar 1898: "Kassel, 10. Februar (1898). Am 6. dieses Monats verschied hierselbst der Seminardirigent a. D. Dr. Jacob Stein. In ihm verlieren wir einen in vielfacher Hinsicht ausgezeichneten Mann, der sich in den weitesten Kreisen hohen Ansehens und großer Beliebtheit erfreut hat. Geboren 1835 in dem Dorfe Holzhausen bei Marburg, zeigte er früh lebhafte Neigung und natürliche Anlage zum Lehrerberuf, dem er denn auch sein ganzes Leben treu geblieben ist. Nachdem er zuerst in Roppershausen und Adelebsen gewirkt hatte, kam er 1862 nach Göttingen, wo er sich neben seinem Lehramte mit eisernem Fleiße akademischen Studien widmete, die er mit einer Arbeit über den Koran abschloss. Von Göttingen wurde er als Lehrer an die Jacobsonschule nach Seesen berufen, und von dort folgte er 1866 einem Rufe nach Kassel, um die Leitung des israelitischen Seminars zu übernehmen. Dieses Amt hat er bis 1897 verwaltet und demnach fast ein Menschenalter im Dienste der Volksschule unserer Provinz gewirkt. Eine große Anzahl israelitischer Lehrer Hessens und der Nachbarprovinzen sind seine Schüler gewesen, die mit unbegrenzter Liebe und Verehrung an ihm hingen, da sie in ihm jederzeit ihren besten Freund und weisesten Berater fanden. Bald nach seinem Amtsantritt gab er die tatkräftige Anregung zur Gründung der israelitischen Lehrerkonferenz für Hessen und ist bis zu seinem Tode ununterbrochen ihr Vorsitzender gewesen. Überhaupt widmete er sich mit dem größten Eifer allen Bestrebungen zur Förderung der Volksschule, für die er eine Reihe Schulbücher verfasst hat, wie des Lehrerstandes, dem er mit ganzem Herzen ergeben war. Als im Jahre 1891 das 25-jährige Jubiläum seiner hiesigen Amtstätigkeit gefeiert wurde, zeigte sich in zahlreichen Kundgebungen, wie viel Liebe er gesät hatte. Denn so sehr ihn sein Amt in Anspruch nahm, so eifrig beteiligte er sich an zahlreichen humanen und gemeinnützigen Bestrebungen, jedes Amt mit der gleichen Treue und Gewissenhaftigkeit versehend. Eine lange Reihe von Jahren war er u.a. erst Armenpfleger und dann Armenrat der Stadt, für diese Tätigkeit durch seine Herzensgüte und Menschenfreundlichkeit, sein sanftes und liebevolles Wesen besonders geeignet. Ein schweres Herzleiden zwang ihn, Ostern 1897 seine Pensionierung nachzusuchen, und bei dieser Gelegenheit wurde er durch Verleihung des Roten Adlerordens ausgezeichnet. Leider sollte er sich des Ruhestandes nicht erfreuen. Seine Krankheit verschlimmerte sich unaufhaltsam und führte schließlich zu qualvollem Leiden, die er mit der großartigen Ergebung eines Dulders ohne Klagelaut ertrug. Er war ein Mann nach dem Herzen Gottes, eine anima candida, wohin er kam, Liebe säend und Segen stiftend, eine Zierde des Lehrerstandes, der Pestalozzi der israelitischen Schule Hessens. Die große Beliebtheit, deren sich der Verstorbene zu erfreuen hatte, gab sich bei der gestern Nachmittag stattgefundenen Beerdigung kund, die unter überaus zahlreichem Geleite erfolgte. Die Kinder des israelitischen Waisenhauses, denen sich die Zöglinge des hiesigen Seminars anschlossen, welch Letztere den Sarg zur Gruft trugen, eröffneten den langen Zug, in dem auch viele israelitische Lehrer aus der ganzen Provinz, frühere Schüler des Verblichenen, vertreten waren. In warmen Worten hoben bei der Feier auf dem Friedhofe zuerst Herr Landrabbiner Dr. Prager und sodann Herr Rabbiner Dr. (Benno) Jacob aus Göttingen, der Schwiegersohn des Verstorbenen, seine hohen Tugenden hervor. Möge ihm die Erde leicht sein; ein treues Andenken ist ihm in weiten Kreisen sicher."          

 
Erfolgreiche Prüfungen am Israelitischen Lehrerseminar in Kassel (1902)           

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. November 1902: "Kassel, 2. November (1902). Am Donnerstag voriger Woche war am hiesigen israelitischen Lehrerseminar die zweite Prüfung beendet. Diese hatte in jeder Hinsicht ein gutes Ergebnis, denn alle sieben Lehrer, die sich prüfen ließen, bestanden. Es waren die Herren: Abt aus Gesecke in Westfalen, Crohn aus Mengeringhausen in Waldeck, Heilbronn aus Hora in Westfalen, Levi aus Salzkotten in Westfalen, Oppenheim aus Wehrda in Hessen, Pineas aus Frankfurt am Main, Plaut, Lehrer in Rybnik in Oberschlesien.
Das Königliche Provinzial-Schulkollegium in Kassel gestattet fast ohne Ausnahme Lehrern anderer Bezirke, hier die Prüfung abzulegen. In der schriftlichen Prüfung war den neueren Bestimmungen gemäß nur eine Arbeit zu schreiben. 'Haus und Schule' lautete das Thema. Lehrproben waren: 1) Belsazar; 2) Frau Hütt; 3) der Stechheber; 4) der Zahlenkreis über 1000 hinaus; 5) die Schulstäbe; 6) Knabe und Vogel; 7) Gustav Adolf - ein Lebensbild.  
Da sämtliche Lehrproben zur Zufriedenheit ausfielen, erhielt kein Kandidat eine zweite. Recht eingehend wurde mündlich geprüft, sowohl in Geschichte, Pädagogik, Psychologie, Didaktik und Methodik der einzelnen Fächer. Zum ersten Male hatten die jungen Lehrer nachzuweisen, in welchem Lieblingsfache sie sich fortgebildet und welches wissenschaftliche Werk sie beim Studium benutzt hatten. Zur Orientierung sei Folgendes erwähnt: 1) Geschichte des 19. Jahrhunderts, 2) Mathematische Geographie, 3) die zweite Blüteperiode in der deutschen Literatur, 4) die Elektrizität und so fort. Ein Gegenstand, der schon im Seminar eingehend behandelt wurde, z.B. 'ein Drama Schillers', wird als wissenschaftliche Fortbildung für nicht genügend angesehen. Auch diese Prüfung bewies, dass die Ausbildung jüdischer Lehrer keineswegs eine minderwertige ist und die Staatsbehörden werden sich wohl bald entschließen müssen, die jüdischen Seminare den christlichen gleichzustellen, da gleiche Pflichten, gleiche Rechte erfordern. Die Prüfungskommission bildeten folgende Herren: Provinzial-Schulrat Otto, Geheimer Regierungs- und Schulrat Sternkopf, Landrabbiner Dr. Prager, Seminardirektor Dr. Lazarus und Seminarlehrer Katz."          
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. November 1902: "Kassel, 2. November (1902). Am Donnerstag voriger Woche war am hiesigen israelitischen Lehrerseminar die zweite Prüfung beendet..." 
Derselbe Text wie in der Zeitschrift "Der Israelit" siehe oben.   

       
Abschluss der zweiten Lehrerprüfung (1903)         

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. November 1903:                   

 
Aufnahmeprüfung an der Lehrerbildungsanstalt (1904)          

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. April 1904:                  

 
Lehrerprüfung am israelitischen Seminar (1911)           

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. März 1911:       

   
Nachrichten aus dem israelitischen Seminar (1911)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Februar 1911:        

  
Entlassungsprüfung am israelitischen Seminar (1913)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. April 1913:         

 
25-jähriges Jubiläum von Seminarlehrer Hermann Katz (1913)       

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. November 1913: "Kassel, 31. Oktober (1913). Zur Feier des 25-jährigen Jubiläums des Herrn Seminarlehrers Katz fand im Hotel Meier ein von dem Kollegium des Seminars und ehemaligen Schülern veranstalteter Kommers statt, an dem auch Vertreter des Vorsteheramts der Israeliten und jüdischen Gemeinde teilnahmen. Im Namen der ehemaligen Schüler begrüßte Herr Waisenhausinspektor Heilbrunn den Jubilar und brachte das Kaiserhoch aus. Weitere Ansprachen, in denen die Verdienste des Jubilars hervorgehoben wurden, hielten Herr Seminardirigent Dr. Lazarus namens des Kollegiums des Seminars, Herr Bankier Blumenthal im Namen des Vorsteheramts der Israeliten, Herr Rechtsanwalt Dr. Katzenstein für den Vorstand der jüdischen Gemeinde, Herr Lehrer a.D. Plaut (Grebenstein) als Vorsitzender der Freien Vereinigung israelitischer Lehrer im Regierungsbezirk Kassel. Lehrer Spier (Einbeck) weihte sein Glas den Damen. Der Jubilar dankte mit herzlichen Worten und schloss mit einem Hoch auf das Seminar."           

   
Der Leiter des israelitischen Lehrerseminars Dr. Felix Lazarus erhält den Titel "Seminardirektor" (1914)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. März 1914:          


Zum Tod von Seminarlehrer Hermann Katz (1921, seit 1888 Seminarlehrer in Kassel)         

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Juli 1921: "Kassel, im Juli (1921). 'Rasch tritt der Tod den Menschen an, es ist ihm keine Frist gegeben; es stürzt ihn mitten in der Bahn, es reißt ihn fort vom vollen Leben'. Schillers Mahnwort mussten wir hier kürzlich in seiner ganzen Tragik durchleben. Im Begriff, den Weg zur gewohnten Pflicht anzutreten, endete am 29. vorigen Monats ein Gehirnschlag das Leben des Seminarlehrers Katz, eines Mannes, von dem man sagen konnte, sein Erdenwallen war köstlich, denn es war Mühe und Arbeit bis zum letzten Atemzuge, immer an andere denkend, nie an sich. In tiefer Trauer steht eine deutsche Großgemeinde an seiner Bahre. Seine Schüler blickten zu ihm voller Liebe und Verehrung auf. Mit seiner großen Erfahrung, seinem reichen Wissen, seinem gütigen und versöhnlichen Wesen war er ein Freund und Berater der Jungen und Alten seiner Gemeinde länger als drei Jahrzehnte. Wer will die stille, hingebende Arbeit schildern, die der Verstorbene als Lehrerbildner in dieser so langen Zeit leistete? Mehrere hundert jüdischer Lehrer, die im In- und Auslande für und mit Israels Zukunft arbeiten, sind seine Schüler gewesen, und alle gedenken in aufrichtigster Dankbarkeit ihres Freundes und Helfers. Als Pädagoge stand er nicht in erster Reihe; er gehörte nicht zu den Pfadfindern, deren Ideen er Gestalt geben wollte. Seine Kraft legte er in der stillen, planmäßigen, erprobten und bewährten Arbeit an. Sein Seminaristen wurden immer und immer darauf hingewiesen, die Schule nicht als Tummelplatz der Meinungen, die Schüler nicht als Versuchsobjekte von neuen Methoden und Wegen zu benutzen. Die Stetigkeit war seine eigenste Art. Darum war auch sein Erfolg der gleich gute. Mit belehrender Wärme nahm er sich der wenig Begabten an, denn er wusste von diesen, dass sie im Leben bei gutem Willen und treuer Pflichterfüllung ihren Manns stellen werden. Diese seine festeste Überzeugung fand er fast immer bestätigt. Darum genoss er die uneingeschränkte Verehrung aller, die er für den Lehrberuf vorbereitete, und deren Dankbarkeit wird ihm über das Grab hinaus bleiben. Katzens Lebensweg führte nicht über Felsen und Klippen. Aus einer ostpreußischen Kantorenfamilie stammend, wirkten der talmudisch gebildete fromme Vater und seine ideal veranlagte Mutter frühzeitig auf den empfänglichen Knaben, der nach mehrjährigem Gymnasiumsbesuch auf der Präparandie und im Seminar zu Hannover seine Ausbildung erhielt. Nach bestandener erster Lehrerprüfung blieb er daselbst so lange als Lehrer und Internatsaufseher, bis ihn Dr. Prager 1888 als Seminarlehrer nach Kassel berief, welches Amt er bis zur Auflösung der Anstalt im Juli 1920 bekleidete. Die Gemeinde Kassel übertrug ihm die Leitung der Religionsschule. Mit vollem Recht konnte das Lehrerkollegium der Religionsschule und der israelitischen Volksschule ihm nachrufen; Hermann Katz war der pflichttreueste Beamte, der warmherzigste Freund, der selbstloseste, edelste Mensch, ein Meister der Lehrkunst, ein wahrer Vater seiner Schüler. Als solcher wird er in den Herzen aller, die ihn kannten, fortleben, und sein Andenken wird dauernder sein als ein Denkmal von Stein und Erz. 'Er war ein Lehrer.' Möge ihm die Erde leicht sein!"         

   
Zum Tod von Dr. Robert Pähler, Leiter des Provinzialschulkollegiums (1926)   
Anmerkung: Es handelt sich um den (nichtjüdischen) Provinzialschulrat Dr. Robert Pähler (1842-1925): 1865 Lehrer am Gymnasium in Bochum, 1868 Rektor des Progymnasiums in Montabaur, 1874 Gymnasialdirektor in Wiesbaden, 1894 Provinzialschulrat in Kassel, 1904 Direktor des Provinzialschulkollegiums. .       

Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 15. Januar 1926: "Kassel. (Der Leiter des Provinzialschulkollegiums gestorben.) Der langjährige Vorsitzende des hiesigen Provinzialschulkollegiums, Geh. Provinzialschulrat Dr. R. Pöhler, ist im 83. Lebensjahre verstorben. Während seiner Amtstätigkeit hat er sich als Förderer der ihm unterstellten jüdischen Lehranstalten, zu denen u.a. auch das Philanthropin in Frankfurt am Main gehörte, den Dank weiter Kreise jüdischen Bekenntnisses erworben."        

    

    

    

    

    

    

    

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020