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Geschichte / Geschichte der Synagogen
in Karlsruhe
Karlsruhe (Stadtkreis)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt im 19./20. Jahrhundert
Hier: Berichte zu einzelnen Personen der jüdischen Gemeinden (auch der
Israelitischen Religionsgesellschaft)
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Karlsruhe wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Das Abschreiben der Texte und das Ergänzen der Anmerkungen hat dankenswerterweise
Susanne Reber (Mannheim)
übernommen.
Übersicht:
| Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
- Der
Messerschmied Isaak Hirsch in Karlsruhe wird ausgezeichnet (1837)
- Abraham
Ettlinger aus Karlsruhe steht im türkischen Kriegsdienst und scheint
zum Islam übergetreten zu sein (1837)
- Zum Tod von Kaufmann
Wormser (1861)
- Ministerialrat
Moritz Ellstädter wird badischer Finanzminister (1868)
- Postkarte
von Oberrat Raphael Wormser nach Leutershausen (1874)
. Zum Tod des Oberrates
Joseph Altmann (1874)
- Unangemessenes
Auftreten des orthodoxen Rabbiners Dr. Lehmann (Mainz) bei der Beisetzung
des Oberrates Joseph Altmann (1874)
- Erinnerung
an den 100. Geburtstag von Naphtali Epstein (1882)
- Zum
Tod von Medizinalrat Dr. Homburger (1883)
- Zum
Tod von Kreisgerichtsrat a.D. Meir Heimerdinger (1883)
- 70.
Geburtstag von Oberrat Benjamin Willstätter (1884)
- Schreiben
des Großherzoglichen Geheimen Kabinetts aus Anlass der goldenen Hochzeit
von Stadtrat Adolf Bielefeld (1890)
- Oberprimaner
Heinsheimer erhielt die goldene Medaille des Fichte-Preises des
Großherzogs (1890)
- Bankier
Fritz Homburger wurde als Nachfolger von Oberrat Adolf Bielefeld in den
Stadtrat gewählt (1890)
- Die
Kaufleute Rudolf Herrmann und Leopold Ettlinger werden zu
Handelsrichtern ernannt (1890)
- 50-jähriges
Dienstjubiläum von Oberrat Benjamin Willstätter (1892)
- Beisetzung
der Hofgoldstickerin Hannchen Heimerdinger (1893)
- Hinweis
auf das rituell geführte jüdische Hotel von K. Strauß
"Europäischer Hof" (1893)
- Alt-Synagogenratsvorsteher
Bar. Bernheim wird ausgezeichnet (1894)
- Zum Tod von Baronin
Julie von Haber (1896)
- Anzeige
der Gumbel Mosbacher'schen Stiftung (1900)
- Zum
Tod von Raphael Wormser, Sohn des Gründers der Israelitischen
Religionsgesellschaft Baruch Wormser (1901, IRG)
- Zum
Tod von Bella Homburger, Witwe von Bankier Veit L. Homburger (1901)
- David
Rudolf Homburger, Inhaber einer Weingroßhandlung wird Großherzoglich
Badischer Hoflieferant (1902)
- Goldene
Hochzeit von Meier Strauß und Frau (1902)
- Zum
Tod von Auguste Willstätter (1903)
- Gedächtnisfeier
für Samuel Strauß (Karlsruhe) in Fulda (1904)
- Zum Tod
von Fabrikant Max Würzburger (1905)
- Zum
Tod von Finanzminister a.D, Moritz Ellstädter (1905)
- Trauerfeier
für Finanzminister a.D. Moritz Ellstädter (1905)
- Erinnerungen
an Dr. Moritz Ellstädter (Artikel von 1905)
- Zum
Tod von Rechtsanwalt Dr. Max Friedberg (1907)
- Auszeichnung
für Chefredakteur Julius Katz (1907)
- Zum Tod
von Baurat Prof. Ludwig Levy (1907)
- Zum Tod von Therese
Thalmann (1908)
- Zum Tod
des Chemikers Dr. Reinherz (1909)
- Über
den Reichstagsabgeordneten Dr. Ludwig Haas (Artikel von 1912 und 1914)
- Stadtrabbiner
Dr. Meier Appel, Bertha Friedberg und Sara Meier (alle aus
Karlsruhe) werden mit der Friedrich-Louisen-Medaille ausgezeichnet (1912)
- Über
die Sängerin und Gesangspädagogin Emilie Kaula geb. Ettlinger (geb. 1833 in
Karlsruhe, gest. 1912 in München; Artikel von 1920)
- Zum
Tod von Firmenchef Leopold Ettlinger und von Chefredakteur Julius
Katz (1912)
- Zum
Tod von Ehrenrabbiner Dr. Alexander Stein (früher in Worms, gest. in
Karlsruhe, 1914)
- Rechtsanwalt
Ludwig Marum folgt dem gefallenen Rechtsanwalt Dr. Frank im Landtag nach
(1914)
- Dr.
Max Meyer lehnt eine Berufung an die TH Karlsruhe auf Grund der
antisemitisch geprägten Studentenschaft ab (1920)
- Im
November 1918 wurde die großherzogliche Familie durch den jüdischen Innenminister
Dr. Ludwig Haas mit 40 Soldaten beschützt (1921)
- Antisemitischer
Angriff des Studentenausschusses der Technischen Hochschule gegen Direktor
Dr. Max Mayer (1920)
- Mord
an der 22-jährigen Frau Fuchs im Trödlerladen Fuchs (1923)
- Zum Tod von Moses
Goldberg (1923)
- 70. Geburtstag von
Dr. David Mayer (1924)
- Zum Tod
von Liebmann Strauß (1927)
- 60.
Geburtstag von Isak Thalmann (1928)
- Artikel zum Tod
von Ludwig Haas (geb. 1875 in Freiburg, gest. 1930 in Karlsruhe)
- Zum
Tod von Kaufmann Saly Rothschild (1934)
- 70.
Geburtstag von Dr. Eduard Biberfeld (1934)
- Zum
Tod von Minna Kaufmann geb. Ascher, Gattin von Emil Kaufmann (1934)
- Ergänzung
zum Nachruf für Minna Kaufmann geb. Ascher (1934)
- Zum Tod von Rabbi
Josef Heller (1935)
- Zum Tod von Aron
Hanauer (1936)
- Über
einen Briefwechsel zwischen Dr. Richard Fuchs (Karlsruhe) und Karl
Wolfskehl (1937)
- Wegzug von Max
Heinemann (1937)
- Zum Tod
von Gertrude Heinemann (1938)
- Zum Tod von Nathan Bär
(1938)
- Zum Tod von Isak
Ettlinger (1938)
- Todesanzeige
für den nach der Deportation umgekommenen Adolf Heimberger (1942) |
| Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
- Anzeige
des Manufakturwarengeschäftes S. Guggenheim (1872)
- Anzeige
des Mehl-, Produkten- und Kolonialwaren-Engros-Geschäftes N. J.
Homburger (1914)
- Anzeige
der Ledergroßhandlung Haber & Klein (1920)
- Hochzeitsanzeige
für Jakob Altmann und Ruth Falk (1930) |
| Sonstiges zu jüdischen Personen /
Persönlichkeiten aus Karlsruhe
- Literaturhinweis
und Straßenbenennung zu Julius Hirsch
- Literaturhinweis
zu Gustav Landauer
- Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: Grabstein
in New York für Emilie Bruno geb. Hochstädter aus Karlsruhe
(1834-1889)
- Dokument
zur Geschichte der Familie Model in Karlsruhe |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Der
Messerschmied Isaak Hirsch in Karlsruhe wird ausgezeichnet (1837)
Anzeige
im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis"
von 1837 S. 330 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Bekanntmachung.
Die Verteilung von Prämien an israelitische Ackerbauer, Handwerker und
Taglöhner.
In Bezug auf das Ausschreiben vom 18. Juli vorigen Jahres wird hiermit zur
öffentlichen Kenntnis gebracht, dass durch Beschluss der hierzu besonders
gewählten Kommission vom 13. vorigen Monats
1) die für einen Ackerbauer bestimmte Prämie dem Bürger und Bauer Wolf
Moses Wolf in Königsbach, Amts Durlach,
2) die für einen Handwerker bestimmte Prämie dem Bürger und
Messerschmied Isaak Hirsch dahier, und
3) die für einen Taglöhner bestimmte Prämie dem Bürger Jakob Reiß in
Nußloch, Amts Wiesloch, zuerkannt wurde.
Das Ausschreiben der Prämien für 1837 wird seinerzeit erfolgen.
Karlsruhe, den 27. März 1837.
Der Verein zur Verbesserung der bürgerlichen Verhältnisse der Juden in
Baden." |
Abraham Ettlinger aus Karlsruhe steht im türkischen
Kriegsdienst und scheint zum Islam übergetreten zu sein
(1837)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitschrift des Judentums"
vom 16. September 1837: "Die türkische Artillerie hat sich
in neuester Zeit mit einem jungen Karlsruher, und zwar einem
Israeliten, bereichert. Er ist der Sohn eines dortigen Handelsmannes, Abraham
Ettlinger, und hatte sich vor einiger Zeit, von kriegerischer
Tatenlust getrieben, in griechische Dienste anwerben lassen. Aus
Griechenland desertierte er, kam nach mancherlei Abenteuern auf
türkischem Gebiete nach Larissa, und wurde dort bei der reitenden
Artillerie eingereiht. Als seine Verwandten davon Kunde erhielten, wandte
sich der Vater an die Regierung mit der Bitte, auf diplomatischem Wege
dessen Losgebung zu erwirken. Die badische Regierung wandte sich zu diesem
Zwecke an die österreichische, welche sofort die geeigneten Schritte in
Konstantinopel tun ließ. Die Antwort des türkischen Kabinetts ist
nunmehr eingetroffen. Der requirierte Artillerist scheint vom
mosaischen Glauben zum Islam übergegangen zu sein, und sich so gut im
türkischen Kriegsdienst zu gefallen, dass er gar nicht mehr wegverlangt.
Er soll versprochen haben, wenn er einmal Pascha von drei Rossschweifen
sei, auf Urlaub einen Besuch dort abzustatten." |
Zum Tod von Kaufmann Wormser
(1861)
Hinweis: bei "Kaufmann" handelt es sich um einen Vornamen.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar
1861: "Karlsruhe. Herr Kaufmann Wormser dahier starb
am Ausgang des Heiligen Schabbat eine leichten und sanften Todes in dem
seltenen Alter von 87 ½ Jahren. Mit ihm hat die Familie Wormser ihr teures
Oberhaupt, ihre Krone, die hiesige Gemeinde mindestens eines ihrer
ehrwürdigsten und achtbarsten Mitglieder, unzählig viele aber sowohl im In-
als im Auslande ihren Freund und Wohltäter verloren. Hat auch der Selige in
seinem Testament sich jeden Hesped - Trauerrede, sowie jede
Leichenrede verboten, so können wir es doch dem Drange unseres Herzens nicht
versagen, wenigstens auf diesem Wege, ihm einen Nachruf zu widmen, den uns
der Verewigte um so eher vergeben wird, als er auch bei der ausführlichsten
Darstellung immer nur ein sehr schwaches Schattenbild dessen sein wird, was
Herr Wormser in Wahrheit war und wirkte.
Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit zu üben, hatte sich der
Verewigte im vollsten Sinne des Wortes zur Lebensaufgabe gemacht. Schon von
früher Jugend an war er gewöhnt, täglich einige Stunden im Gesetze zu
studieren und selbst in der langen Reihe von Jahren seines Geschäftslebens
einige Zeit abzugewinnen, die er dem Studium der Tora widmete. Seitdem er
sich aber von seinen Geschäften zurückgezogen, bildete dieses Studium fast
seine ausschließliche Beschäftigung.
Winter wie Sommer konnte man ihn bis zu seinen letztem Tage schon eine
Stunde vor dem Morgengottesdienste antreffen, Mischnajoth lernend und den
bedauernden Bemerkungen seiner Kinder gegenüber, ihn oft alleine lassen zu
müssen, hatte er immer die rührende und erhebende Antwort: 'Ich bin nicht |
allein,
wenn ich mein Sefer vor mir habe.' Wie viel und wie großartig aber hat er
das Torastudium unterstützt! Gar manche, die jetzt als Rabbiner fungieren,
sind durch die Freigebigkeit des Herrn Wormser in den Stand gesetzt worden,
ihre Studien zu vollenden und später noch sorgenfrei Tora zu lernen. Viele
Talmudgelehrte von nah und fern hatten sich seiner steten, unausgesetzten
Unterstützung zu erfreuen.
Hat er so viel für die Verbreitung der Kenntnisse der göttlichen Lehre
getan, so war sein Streben nicht minder glanzvoll bezüglich des
Gottesdienstes. Ja, wir dürfen es sagen, sein ganzes Leben war ein
fortgesetzter, ununterbrochener Gottesdienst. Gegen dreißig Jahre hat er als
Vorsteher der israelitischen Gemeinde in segenbringender Weise gewirkt und
sein redlicher Wille, seine strenge Rechtlichkeit, gepaart mit Milde und
gewinnender Freundlichkeit haben ihm die allgemeinste Achtung und
Anerkennung erworben. Aber auch in den Tagen des Kummers, von welchem er
selbst in seinen letzten Jahren leider nicht befreit blieb, bewahrte er jene
seltene Ruhe und Ergebung, die nur das unbedingteste, über alles erhabene
Gottvertrauen zu geben vermag. Sein Leben und Verhalten war eine lebendige
Darstellung des Spruches unserer Weisen: Alles, was Gott tut, ist zum Guten.
Wir wenden uns nun zum Glanzpunkte seines Wirkens (hebräisch und
deutsch:) Üben von Wohltaten. Wir sagen absichtlich Üben von
Wohltaten, denn her hat persönlich wie auch mit finanziellen Mitteln
große und wesentliche Dinge geleistet. Viele Hunderte wissen es zu erzählen,
wie er ihnen in den Tagen der Not beigestanden und von vielen Hunderten
glaubt jeder Einzelne, gerade ihm habe Herr Wormser besonders hilfreiche
Hand geleistet. Einer augenblicklichen Verlegenheit abzuhelfen, war der
Verewigte nicht selten zu sehr beträchtlichen Darlehen bereit.
Unterstützungsbedürftige fanden bei ihm stets offene Hand, welcher
reichliche Gaben entflossen. Witwen war er ein treuer Fürsorger, unendlich
viele Waisen haben in ihm einen edlen, schützenden Vater verloren. Sein Haus
war der Gastfreundschaft weit geöffnet und sicher hat er seit vielen Jahren
kaum mehr eine Mahlzeit genossen, an der nicht Arme teilgenommen. In seinem
Hause wurde der Hungrige gesättigt, der Ermattete erquickt, und wie viele,
die es mit Tränen des Kummers betreten, haben es mit Tränen der Dankbarkeit
verlassen.
Was aber dieser glänzenden und seltenen Freigebigkeit die Krone aufsetzte,
war die Heiterkeit, die liebevolle Freundlichkeit, mit der er seine Gaben
begleitete. Er ward des Gebens nicht müde, er gab viel und gab immer mit
Freuden. Darum ist der Schmerz ob dieses Verlustes auch ein allgemeiner, der
weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus empfunden wird. Viele
Tränen werden ihm nachgeweint, aber sie sind seltener einem Gerechteren
geflossen.
Er hinterlässt einen Sohn und drei Töchter, zahlreiche Enkel und Urenkel,
deren unbegrenzte Verehrung ihm des Lebens Abend erheiterten. Eine Tochter,
welche mit Oberrabbiner Ettlinger in Altona verheiratet war, ist ihm bereits
seit 18 Jahren zum ewigen Leben vorangegangen. Zu erwähnen dürfte noch sein,
dass es ihm in erfreulicher Weise vergönnt war, seinen seltenen Tugenden bis
zu den letzten Tagen seines Lebens einer fast ungeschwächten Gesundheit
erfreute, bis ein schneller, aber sanfter Tod diesem segensreichen Wirken
ein Ende setzte. Seine Seele schwang sich rein nach oben, wo sie jetzt die
Früchte ihres Wirkens genießt. Seine Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens!"
Anmerkungen: - Hesped
https://www.juedische-allgemeine.de/glossar/hesped/
- Mischna:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mischna
- ..eine Tochter, welche mit Oberrabbiner Ettlinger...:
https://www.geni.com/people/Nanette-Ettlinger/6000000007507591448
- Oberrabbiner Ettlinger:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Ettlinger
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0611
- Zu Familie Wormser:
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/gedenkbuch/kontakt/wormser.de.
|
Ministerialrat Moritz Ellstädter wird badischer
Finanzminister (1868)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
19. Februar 1868: "Karlsruhe. Unser Glaubensgenosse, Herr
Ministerialrat Ellstädter von Karlsruhe, wurde zum badischen Finanzminister
ernannt." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 26. Februar 1868: "Deutschland
Karlsruhe, den 13. Februar. Eine Neuigkeit durchläuft unsere Stadt und
bildet ausschließlich das Tagesgespräch. Ein Israelite ist zum Präsidenten
des Finanzministeriums ernannt worden.
Moritz Ellstädter, der Sohn eines hiesigen Möbelhändlers und Schwager des
Rabbiners Willstätter, ist in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre
geboren, studierte Rechtswissenschaft und wurde 1850 als Rechtspraktikant
rezipiert. Da es ihm unter dem Ministerium Wechmar schwer geworden war, eine
Advokatur zu erlangen, so ging er nach Berlin und arbeitete dort
gemeinschaftlich mit dem als badischem Abgeordneten Mathy in einem der
größten Kreditinstitute unter den Augen von Hansemann. Nach mehreren Jahren,
da sich indessen die Verhältnisse in Baden für die Israeliten günstiger
gestaltet hatten, kehrte er zurück, übernahm eine Advokatur in
Durlach
und bald darauf in Karlsruhe. Im Jahre 1863 wurde er in den Staatsdienst
berufen und als Assessor bei dem Hof- und Kreisgerichte
Mannheim
verwendet. Als jedoch im Juli 1866 bei der neuen Wendung der Dinge Mathy zur
Präsidentschaft des Staatsministeriums gelangte, was es eines seiner ersten
Geschäfte, den ihm wohl befreundeten und als tüchtig erprobten Ellstädter
als juristisches Mitglied in das Finanzministerium zu berufen. Er ist also
kaum zwei Jahre als Ministerialrat im Finanzministerium tätig (er ist
jedenfalls an Dienst- vielleicht aber auch an Lebensjahren der jüngste Rat
im Kollegium) und schon hat ihn das Vertrauen seines Fürsten an die Spitze
des Finanzministeriums gestellt. Sie werden begreiflich finden, dass diese
Ernennung nach allen Seiten überraschte, namentlich seine Glaubensgenossen
und zahlreichen Freunde des Ernannten in freudige Aufregung versetzte. Seine
juristische Tüchtigkeit und bewährte politische Gesinnung sollen ihm diesen
wichtigen Posten eingebracht haben. Möge es ihm gelingen, das Wohlwollen
unseres Fürsten und das in ihn gesetzte Vertrauen sich dauernd zu erhalten."
Anmerkungen: - zu Moritz Ellstätter:
https://www.geni.com/people/Moritz-Ellst%C3%A4tter/6000000056105813821
- Mathy: Karl Mathy
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Mathy
- Hansemann: David Hansemann
https://de.wikipedia.org/wiki/David_Hansemann |
Postkarte
von Oberrat Raphael Wormser nach Leutershausen (1874)
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries; zusätzliche Angaben
gleichfalls von Peter K. Müller)
An "den löblichen
Synagogenrat"
in Leutershausen..." |
|
|
Die Zwei-Kreuzer-Postkarte (Ganzsache) mit
Poststempel Carlsruhe - Bahnhof, 25.5.74 wurde "An den löblichen
Synagogenrath" in Leutershausen
bei Ladenburg von Raphael Wormser aus Karlsruhe verschickt. Der Text der Karte:
Hiermit beehre ich mich einem löblichen
Synagogenrath den Empfang der an
Herrn Oberrath Altmann gesandten
16,47 Gulden als Ergebnis einer Collecte in der
dortigen isr. Gemeinde für die Nothleidenden in
Palästina anzuzeigen.
Carlsruhe 24 May 1874 Ergebenst
Raphael Wormser.
Raphael Wormser und Oberrat Altmann waren beide Mitglieder der Israelitischen Religionsgesellschaft Karlsruhe.
Josef Altmann (1818 - 1874; Bericht zu seinem Tod siehe unten) war Stiftsrabbiner
und Rabbiner der Israelitischen Religionsgesellschaft in Karlsruhe von 1849
bis 1874 und Mitglied des Oberrats der Israeliten Badens. Raphael Wormser (ca. 1839 - 1901;
Bericht zu seinem Tod siehe unten) war Gemeindevorsteher (Parnass) und Mohel der Israelitischen Religionsgesellschaft
Karlsruhe.
Genealogische Informationen zu Oberrat Raphael Wormser vgl.
https://www.geni.com/people/Rafael-Wormser/6000000021702012411 |
Zum
Tod des Oberrates Joseph Altmann (1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 24. November 1874: "Aus dem Badischen, 10. November
(Privatmitteilung). Der Oberrat Joseph Altmann in Karlsruhe ist den
31. vorigen Monats aus dem Leben geschieden; er war fast das einzige
Mitglied in der jüdisch-kirchlichen Behörde, das der Orthodoxie huldigte. -
Geigers Tod hat auch in hiesiger Gegend bei allen Bessergesinnten Bestürzung
hervorgerufen; sie wissen, was das Judentum an ihm verloren hat. Auch bei
diesem Verluste zeigen sich die Orthodoxen in der ganzen Niedrigkeit ihrer
Gesinnung; sie können ihre Freude über das Hinscheiden dieses tatkräftigen
Mannes kaum unterdrücken. So lässt sich Herr Lehmann in Mainz ein
Verdammungsurteil über Geiger aus Berlin schicken, auf dieses Gewäsch näher
einzugehen, hieße denn doch dieser Clique zu viel Ehre erweisen. Welchen
Grad von Wissen und Bildung dieser Kritiker hat, ergibt sich am deutlichsten
aus folgender Stilprobe: 'Er gehörte jener älteren Richtung der Neologie an,
welche, irregeleitet durch die damaligen Verhältnisse, wo den Völkern ein
schwaches Dämmerlicht aufging, dass die Juden noch etwelche Rechte auf
Menschlichkeit zu beanspruchen hätten, doch dabei von ihnen verlangte, dass
sie diese Rechte erst durch Annäherung an die christliche Welt, durch
Lossagen von ihren strengen Sondergesetzen selbst zu verschaffen suchen
müssten, wähnte, man könne die…' So schreibt nun ein Hildesheimer, der sich
freilich Rektor einer Rabbinerschule nennt, sich aber weniger durch
talmudische oder andersweitige Gelehrsamkeit, als durch sein abstruses Wesen
und seinen verworrenen schülerhaften Stil auszeichnet. Ein solcher Mensch
wagt es, über Geiger ein Urteil zu fällen! Dass dieser Expektoration eine
vollständige Unwahrheit einwohnt, brauchte ich wohl kaum zu bemerken. In
Deutschland hatten sich zahllose Juden längst schon vor den
mittelalterlichen Formen des Judentums entfernt, bevor der Kampf um die
bürgerliche Gleichstellung begann und niemals haben die sogenannten 'Neologen'
eine Bedingung angenommen, die darauf hinausgelaufen wäre, die bürgerlichen
Rechte nicht für die gesamte Judenheit, 'sondern nur für die aufgeklärten
Juden zu erzielen.' Nicht irgendein Vorteil hat die Juden diesen
mittelalterlichen Formen entsagen lassen, sondern die Erkenntnis und das
Leben, die Überzeugungen und die gesellschaftlichen Verhältnisse und
Pflichten, welche mit jenen sich nicht mehr vereinbaren ließen.
Anmerkungen: - Jüdisch-kirchliche Behörde: Oberrat der Israeliten
https://de.wikipedia.org/wiki/Oberrat_der_Israeliten_Badens
- Joseph Altmann:
https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Altmann_(Rabbiner)
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/53.html
https://www.wikiwand.com/de/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
- Geiger: Rabbiner Abraham Geiger:
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Geiger
https://www.deutsche-biographie.de/pnd11933304X.html
https://www.alemannia-judaica.de/frankfurt_hauptsynagoge.htm
- Herr Lehmann: Rabbiner
- Neologie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Neologie gemeint hier:
Reformjudentum:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liberales_Judentum
- Hildesheimer: Rabbiner Esriel Hildesheimer
https://de.wikipedia.org/wiki/Esriel_Hildesheimer
- Expektoration:
https://www.duden.de/rechtschreibung/Expektoration |
Unangemessenes
Auftreten des orthodoxen Rabbiners Dr. Lehmann (Mainz) bei der Beisetzung des
Oberrates Joseph Altmann (1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. Dezember 1874: "Karlsruhe, 15. November. Hier ist jüngst ein
Skandal vor sich gegangen, über welchen wir der Unparteilichkeit wegen den
Bericht der 'Karlsruher Nachrichten' vom 13. Nov. wiedergeben: 'Am 2. dieses
Monats fand hier das Leichenbegräbnis des Herrn Joseph Altmann,
geistlichen Mitglieds der israelitischen Oberrats, der höchsten
israelitischen Religionsbehörde in Baden, unter außerordentlich starker
Beteiligung statt. Drei Rabbinen hielten Leichenreden. Es ist nicht unsere
Absicht über dieselben en detail zu referieren und bemerken wir nur, 'dass
dem 'de mortuis nihil nisi bene' von den Rednern gebührend Rechnung getragen
wurde. Die schneidenden Gegensätze in religiöser Anschauung und in der Art
und Weise, derselben Ausdruck zu geben, welche bei dieser Gelegenheit
hervortraten, sollen und dürfen jedoch nicht unerörtert bleiben. Herr
Rabbiner Willstätter hielt sich lediglich an die Personalien des
Verblichenen und vermied es in seinem Takte, wie er es in seiner Stellung
als hiesiger Rabbiner für angemessen hielt, jede Berührung der hiesigen
Gemeindezustände. Herr Rabbiner Friedmann von
Mannheim
gedachte der Verdienste des Verewigten, seines intimen Freundes, in warmen
Worten, mit der ihm eigenen Beredsamkeit. Er rühmte seine religiöse Toleranz
und wie der Verewigte die goldene, aber auch dornenvolle Mittelstraße
zwischen den Zeloten und Gleichgültigen eingehalten habe. Er nahm davon
Veranlassung, die verschiedenen Parteien, die sich hier bezüglich religiöser
Anschauung bildeten, zum Frieden zu ermahnen, da doch der Frieden in allen
jüdischen Gebeten als das höchste Gut bezeichnet, und von den berühmten
Religionslehrern dessen eifrigstes Festhalten und Erstreben jedem Israeliten
zur Pflicht gemacht worden sei. Ganz anders aber behandelt dieses Thema Herr
Dr. Lehmann, der Rabbiner der orthodoxen Gemeinde in
Mainz. Ihm
ist der Friede nur ein Gefäß, das erst durch seinen Inhalt Wert erhalte, und
dieser Inhalt dürfe kein anderer sein, als der starre, orthodoxe Glaube, das
zähe, rücksichtslose Festhalten, auch an dem unbedeutenden, veralteten
Ritual. Wenn dieser köstliche Inhalt fehle, habe das Gefäß keinen Wert. So
gibt Redner, gegen die Forderungen der Humanität sowohl, wie gegen die
Satzungen der jüdischen Religion, stets seine Friedensliebe beteuernd, doch
dem Unfrieden den Vorzug, falls der Friede nur durch Konzessionen an die
Forderungen der Zeit und der Vernunft erhalten werden könne und den starren
Wortglauben beeinträchtige. Und mit welchem Tone, mit welchen
Gestikulationen wurden diese Auslassungen der Trauerversammlung ins Gesicht
geschleudert. Man wurde durch dieselben unwiderstehlich an Goethes 'Ich hab'
öfters rühmen hören, Ein Komödiant könnt' einen Pfarrer lehren', erinnert.
Wir enthalten uns einer jeden weiteren Bezeichnung eine solchen Auftretens
in einer Gemeinde, in welcher der Sprecher sich als Gast zu betrachten
hätte, dem man auch nur als solchem das Reden gestattete, und überlassen es
dem Publikum sich selbst ein Urteil über das Gebaren zu bilden, durch
welches eine Leichenfeier gewiss die ergreifendste Veranlassung Frieden und
Einigkeit zu predigen, zum Tummelplatze religiös-fanatischer Leidenschaften
herabgewürdigt wurde.
(Man sieht diese neuorthodoxen Heißsporne sind ein völliger Abklatsch der
Ultramontanen, ohne alle Originalität. Derselbe Mangel an wahrhaft
religiösem und sittlichem Sinn die gänzliche Rücksichtslosigkeit gegen die
heiligsten Gefühle, die unbedingte Herrschlust , welche jede andere Meinung
mit Gewalt, mit Benutzung jedes Moments, wo der Gebildete sie nicht
hinauswerfen kann unterbrechen will, dabei dasselbe starre Verharren in den
engsten Fesseln des Geistes und Gewissens. Nun, ihre Tage sind doch nur
gezählt! Redaktion.)
Anmerkungen: - Joseph Altmann:
https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Altmann_(Rabbiner)
- De mortuis nihil nise bene – über die Toten rede man nur gut
- Rabbiner Willstätter:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0652
- Rabbiner Friedmann = Rabbiner Dr. phil. Bernhard Friedmann vgl.
Artikel zum Tod von Rabbiner Dr. Friedmann
- Rabbiner Dr. Lehmann:
https://de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Lehmann
https://www.kreiszeitung.de/lokales/verden/verden-ort47274/heute-jahren-verstarb-april-1890-verden-aufgewachsene-marcus-lehmann-rabbiner-zeitungsherausgeber-4903778.html
Ultramontane:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ultramontanismus |
Erinnerung an den 100. Geburtstag von Naphtali Epstein
(1882)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. September
1882: "Karlsruhe, 13. August (1882). Am 11. dieses Monats war
ein Jahrhundert umlaufen, seitdem Napthali Epstein in Karlsruhe
geboren wurde. Dieses Ereignis feierte Bezirks- und Konferenzrabbiner Dr.
Schwarz in der Predigt, welche er gestern bei dem Gottesdienste in der
hiesigen größeren Synagoge hielt. Von der siegreichen Macht der Wissenschaft
und Bildung, welche sich die Juden von jeher anzueignen suchten, ging er auf
das segensreiche Wirken Epsteins über, welcher mit einer vielseitigen,
allgemeinen Bildung und mit den gründlichsten talmudischen und juristischen
Kenntnissen ausgestattet, 40 Jahre hindurch im großherzoglichen Oberrat der
Israeliten die jüdischen Angelegenheiten besorgte und sich die höchsten
Verdienste um die Regelung des jüdischen Kirchen- und Gemeindewesens, sowie
um die Gründung und Hebung der jüdischen Schulen erworben hat. Auch vergaß
Rabbiner Schwarz nicht die außeramtliche Tätigkeit des verewigten Epstein,
namentlich in den Zeiten, in welchen er sich um die Verteidigung der Rechte
seiner Glaubensgenossen, sowie um die Gewinnung der allgemeinen
Rechtsgleichheit handelte und die fortwährend nachwachsenden Früchte dieser
umfassenden Wirksamkeit, in der anerkennendsten Weise zu würdigen.
Anmerkungen: - Rabbiner Napthali Epstein:
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/periodical/pageview/248774
- Rabbiner Dr. Schwarz:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0340
https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Schwarz_(Rabbiner)" |
Zum Tod von Medizinalrat Dr. Homburger
(1883)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Juni 1883: "Bonn,
10. Juni. (Notizen). Die 'Badische Landeszeitung' schrieb aus
Karlsruhe vom 25. Mai: Verflossenen Sonntag wurde die irdische Hülle des für
seine Familie, seine Freunde und seine Vaterstadt zu früh verstorbenen
Medizinalrats Dr. Homburger zu Grabe getragen. Ein unabsehbarer
Leichenzug bewegte sich durch die Kaiserstraße, nach dem
israelitischen Friedhofe. Außer
den Mitgliedern des großherzoglichen Oberrats der Israeliten, den beiden
Bürgermeistern, Vertretern des Stadtrats und der Stadtverordneten, waren
beinahe sämtliche Kollegen des Verblichenen anwesend und von allen Schichten
der Einwohner von Karlsruhe und Umgebung wurde durch die ehrenvolle
Begleitung die allgemeine Hochachtung, welche derselbe genossen,
kundgegeben. Medizinalrat Dr. Homburger, im Jahre 1818 hier geboren, bezog,
nachdem er eine sorgfältige Erziehung erhalten und das hiesige Lyzeum
absolviert hatte, die Universität
Heidelberg und nach längerer Tätigkeit in den großen Spitälern von
Berlin, Wien, Paris und London ließ er sich hier als praktischer Arzt
nieder. Bei Gründung der freiwilligen Feuerwehr trat er als Arzt in dieselbe
ein und blieb bis zu seinem Tode Mitglied dieses Corps. Die für die zwanzig-
bzw. fünfundzwanzigjährige Tätigkeit für die Feuerwehr gestifteten Medaillen
sind ihm zuteil geworden. Nach dem Kriege von 1870/71 wurde er von Seiner
Königlichen Hoheit dem Großherzog durch das Ritterkreuz 1. Klasse des
Zähringer Löwenordens ausgezeichnet und ihm zugleich das für geleistete
Dienste während des Krieges gestiftete Ehrenzeichen verliehen. Später wurde
er von Seiner Königlichen Hoheit in Anerkennung seiner ersprießlichen
Tätigkeit zum Medizinalrat ernannt. Medizinalrat Dr. Homburger war viele
Jahre tätiges Mitglied des großherzoglichen Oberrats der Israeliten, des
Bürgerausschusses und des Ortsgesundheitsrats und hatte stets sein
umfangreiches Wissen allen wohltätigen und humanitären Anstalten und
Einrichtungen in uneigennütziger Weise gewidmet; er war neben seiner
ausgedehnten ärztlichen Praxis nicht allein Arzt und Berater der Armen,
sondern auch deren steter Wohltäter. Sein Andenken wird bei seinen
Mitbürgern stets ein ehrenvolles sein und bleiben, denn er hat sich durch
sein menschenfreundliches Wirken ein Denkmal in deren Herzen errichtet. Möge
er in Frieden ruhen!"
Anmerkungen: - Bürgermeister in Karlsruhe: Wilhelm Florentin
Lauter, 1821 – 1892 und Karl Schnetzler, 1846 -1906
- Lyzeum:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bismarck-Gymnasium_Karlsruhe
- Großherzog: Friedrich I. vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog) )
- Zähringer Löwenorden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Orden_vom_Zähringer_Löwen. |
Zum Tod von Kreisgerichtsrat a.D. Meir Heimerdinger
(1883)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. Juli
1883: "Bonn, 8. Juli. (Notizen) Die 'Karlsruher Zeitung'
schreibt unterm 23. Juni: Am 19. Juni hat sich das Grab über einem treuen
Sohne der Stadt Karlsruhe, einem in langjähriger Wirksamkeit als
Rechtsanwalt und Richter hochverdienten und geehrten Rechtsgelehrten, einem
wackern Vaterlandsfreunde, einem warmherzigen, für alles Gute begeisterten
Biedermann geschlossen.
Kreisgerichtsrat a. D. Meir Heimerdinger wurde am 12. November 1813
zu Karlsruhe geboren. Er hatte sich der liebevollen Unterweisung und
Förderung seitens seines Onkels mütterlicher Seite, des Oberrats Napthali
Epstein, zu erfreuen, der sich um die Ordnung und Leitung der Religions-
und Schulangelegenheiten der badischen Israeliten in mehr als
vierzigjähriger Tätigkeit wohlverdient gemacht hat. 1819 in die Vorschule
des Lyzeums eingetreten, bezog er 1831 die Universität
Heidelberg. Im Herbste 1835 unterzog er sich der juristischen
Staatsprüfung und wurde am 12. Januar 1836 mit dem Prädikate 'gut' unter die
Zahl der Rechtspraktikanten aufgenommen.
Seine ganze Anlage und Richtung wies ihn auf den Richterberuf hin, allein
diese Laufbahn war damals noch seinen Glaubensgenossen verschlossen, und er
war darauf angewiesen, seine juristischen Kenntnisse dem Anwaltsberufe zu
widmen. Auf sein Ansuchen wurde ihm am 18. Januar 1838 das
Schriftverfassungsrecht in Administrativsachen, am 23. Februar 1838 das
gleiche Recht in gerichtlichen Angelegenheiten verliehen. Er blieb als
Schriftverfasser in seiner Vaterstadt, genoss in seiner Tätigkeit großes
Vertrauen bei den Rechtssuchenden, hohe Anerkennung bei den Gerichten und in
den Kreisen seiner Kollegen. Das Ministerium der Justiz verlieh ihm am 7.
Oktober 1843 den Titel eines Advokaten, jedoch ohne die Rechte der
Prokuratur, da er sich nicht entschließen konnte, zur Ausübung der letzteren
an das damals in Rastatt befindlichen Hofgericht überzusiedeln.
Als im Jahre 1864 die neue Gerichtsorganisation ins Leben trat, sollte der
Wunsch seiner jungen Jahre in Erfüllung gehen. Wiederholten maßgebenden
Aufforderungen mit Freude Folge leistend, meldete er sich zur Übernahme
einer Richterstelle und wurde durch die Gnade Seiner Königlichen Hoheit des
Großherzogs auf 1. Oktober 1864 zum Kreisgerichtsrate bei dem
Großherzoglichen Kreis- und Hofgerichte Karlsruhe ernannt. In der neuen
Stellung entfaltete er eine so segensreiche hervorragende Tätigkeit, dass er
bei der im Jahre 1867 erfolgten Einrichtung der Handelsgerichte zum
Vorsitzenden des Handelsgerichts Karlsruhe - Pforzheim befördert wurde.
Fünfzehn Jahre hindurch war es ihm vergönnt, den Richterberuf auszuüben,
während welcher Zeit er auch wiederholt den Vorsitz in der Strafkammer und
im Schwurgerichte zu versehen hatte. Für den Beruf des Anwalts wie des
Richters durch Scharfsinn, Rechtskenntnis und umfassende allgemeine Bildung
vorzüglich befähigt, zeichnete er sich durch eine seltene Gewissenhaftigkeit
aus, welche ihm jede Arbeit zur ernsten Aufgabe machte.
Seiner Wirksamkeit wurde auch höchsten Ortes die wohlverdiente Anerkennung
gezollt. Im Jahre 1875 wurde ihm vom Großherzog das Ritterkreuz 1. Klasse
des Zähringer Löwenordens verliehen. Im Februar 1877 geruhte der Kaiser, ihn
mit Gemäßheit der vom Bundesrate vollzogenen Wahl zum Mitglied der
Kaiserlichen Disziplinarkammer Karlsruhe für die Dauer des von ihm
bekleideten Staatsamtes zu ernennen. Anlässlich der Einführung der
Reichsgerichtsverfassung wurde der Heimgegangene im Mai 1879 mit Wirksamkeit
vom 1. Oktober 1879 zum Landgerichtsrat und Vorsitzenden der Kammer für
Handelssachen bei dem Landgerichte Karlsruhe ernannt. Allein seine schon
längere Zeit aufgetretene Kränklichkeit steigerte sich gerade in jenen Tagen
so, dass er sich genötigt sah, um seine Zurruhesetzung zu bitten. Unterm 12.
Juni 1879 versetzte der Großherzog den Kreisgerichtsrat Heimerdinger unter
Anerkennung seiner geleisteten Dienste auf 30. September 1879 in den
Ruhestand.
Nur kurze Zeit sollte dieser Ruhestand währen und zugleich wurde diese Zeit
von schweren körperlichen Leiden erfüllt. Kreisgerichtsrat Heimerdinger war
nicht verheiratet; an der Stelle von Weib und Kind umstanden aber seine
treuen Schwestern mit hingebender Sorgfalt sein Schmerzenslager und machten
ihm den Abschied vom Leben leicht. Nachdem er in philosophischer Ruhe sein
Haus bestellt hatte, starb er am 17. Juni 1883, ein 'voller und ganzen Mann'
wie der Redner am Grabe hervorhob."
Anmerkungen: - Prokuratur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Prokurator
- Zähringer Löwenorden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Orden_vom_Zähringer_Löwen |
70.
Geburtstag von Oberrat Benjamin Willstätter (1884)
Anmerkung: Benjamin Willstätter (1813-1895) war ein Bruder des Rabbiners
Elias Willstätter.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22.
Januar 1884: "Oberrat Willstätter, der in Karlsruhe geboren
ist und nun schon eine 48-jährige Tätigkeit als Lehrer, Rabbiner und
Mitglied der Badischen obersten israelitischen Religionsbehörde seiner
Vaterstadt und seinem engeren Vaterlande gewidmet hat, feierte am 23.
Dezember vorigen Jahres seinen 70. Geburtstag. Trotzdem der Jubilar in
seiner Bescheidenheit jede öffentliche Feier gern vermieten hätte, so
ließen es sich seine Freunde doch nicht nehmen, diesen Tag festlich zu
begehen. Am vorhergehenden Sabbat hielt Herr Rabbiner Dr. Schwarz
in der Synagoge die Festrede und sprach für den Gefeierten ein inniges
Gebet. Abgesehen von zahlreichen Privatkundgebungen der Teilnahme von Nah
und Fern überbrachten am Jubeltage Deputationen die Glückwünsche und
Geschenke der Gemeinden, der Rabbiner und Lehrer Badens. Mögen dem seiner
amtlichen und gesellschaftlichen Stellung wegen hochangesehenen und als
Mensch vielverehrten Jubilar noch viele Jahre frischen Schaffens und
ungetrübten Glückes beschieden sein."
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Schwarz:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0340 und
https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Schwarz_(Rabbiner) .
|
Schreiben
des Großherzoglichen Geheimen Kabinetts aus Anlass der goldenen Hochzeit von
Stadtrat Adolf Bielefeld (1890)
Anmerkung: zu Adolf Bielefeld (1812-1895) siehe den Artikel
im Stadtwiki Karlsruhe "Adolf Bielefeld"
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13.
Juni 1890: "Aus Baden, 6. Juni. Besonders jetzt ist das Anschreiben,
welches Stadtrat Bielefeld in Karlsruhe, Mitglied des Oberrates der
Israeliten, bei Gelegenheit seiner goldenen Hochzeit aus dem
Großherzoglichen Geheimen Kabinett erhalten hat, für weitere Kreise
bemerkenswert. Es lautet:
Hochgeehrter Herr Oberrat!
Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog ist es bekannt geworden, dass Euer
Hochwohlgeboren morgen, den 4. Mai dieses Jahres mit Ihrer Frau Gemahlin die
Feier der goldenen Hochzeit begehen.
Seine Königliche Hoheit nehmen an diesem seltenen Familienfeste den
herzlichsten Anteil; zugleich gedenken Höchstdieselben bei diesem Anlass
Ihrer langjährigen erfolgreichen Tätigkeit im Dienste Ihrer Glaubensgenossen
als Mitglieder des Synagogenratskollegiums und dessen Vorsteher, Ihrer
Wirksamkeit für das Gedeihen der hiesigen Gemeinde als Stadtrat, sowie für
die Interessen des Bezirks und Kreises Karlsruhe als Bezirksrat und Mitglied
des Kreisausschusses. Es ist deshalb Seiner Königlichen Hoheit ein wertes
Anliegen, im Hinblick auf die bevorstehende Feier der Anerkennung erneuten
Ausdruck zu geben, welche der Großherzog Ihrer während einer Reihe von 48
Jahren auf den verschiedensten Gebieten des öffentlichen Lebens geübten
segensreichen Wirksamkeit widmen in dieser Gesinnung haben Sich Seine
Königliche Hoheit bewogen gefunden, Euer Hochwohlgeboren das Kommandeurkreuz
Höchstihres Ordens vom Zähringer Löwen zu verleihen.
Im Vollzug dieser höchsten Entschließung beehre ich mich, Euer
Hochwohlgeboren die Insignien und Statuten des Ordens sowie die
Verleihungsurkunde im Anschluss zu überreichen, und bitte Sie, die
Versicherung meiner vorzüglichen Hochachtung zu genehmigen.
Karlsruhe, den 3. Mai 1891. Freiherr von
Ungern-Sternberg."
Anmerkungen: - Großherzog:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog)
- Orden vom Zähringer Löwen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Orden_vom_Zähringer_Löwen
- Ungern-Sternberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ungern-Sternberg.
|
Oberprimaner
Heinsheimer erhielt die goldene Medaille des Fichte-Preises des Großherzogs
(1890)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
27. Juni 1890: "Karlsruhe, 24. Juni. Vor 27 Jahren hat der
Großherzog zur Erinnerung an den Philosophen J.G. Fichte und zur Pflege
vaterländischen Sinnes unter der studierenden Jugend eine Stiftung gemacht,
deren Erträgnis alljährlich hiesigen Gymnasiasten für die besten
Bearbeitungen eines gegebenen Themas zuteil werden soll. In diesem Jahre
lautete das Thema 'Platäa und Leipzig, eine geschichtliche Parallele.' Den
ersten Preis, eine goldene Medaille nebst Reden Fichtes an die deutsche
Nation, erhielt ein jugendlicher Glaubensgenosse, Oberprimaner Heinsheimer,
während fünf andere Bewerber silberne Medaillen erhielten. Wenn man sich
erinnert, dass gerade Fichte dem Juden den nationalen Idealismus und den
geschichtlichen Sinn abgesprochen hat, so wird man in dieser mitgeteilten
Tatsache auch sicher etwas vom Humor der Weltgeschichte erblicken."
Anmerkungen: - Großherzog:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog)
J.G. Fichte:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gottlieb_Fichte
Platäa:
https://de.wikipedia.org/wiki/Plataiai
Leipzig:
https://de.wikipedia.org/wiki/Völkerschlacht_bei_Leipzig. |
Bankier
Fritz Homburger wurde als Nachfolger von Oberrat Adolf Bielefeld in den Stadtrat
gewählt (1890)
Anmerkung: Bankier Fritz Homburger (1850-1920). war zeitweise (1918-1920)
Vorsitzender des Synagogenrats der jüdischen Gemeinde Karlsruhe und Mitglied
des Oberrats der Israeliten sowie - wie hier berichtet - ab 1890 Karlsruher
Stadtrat. Foto
auf einer Seite von schule-bw.de.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4.
Juli 1890: "Bei der vor kurzer Zeit in Karlsruhe stattgehabten
Neuwahl in den Stadtrat wurde Herr Bankier Fritz Homburger, unser
Glaubensgenosse, an Stelle des wegen vorgerückten Alters ausgeschiedenen
Herrn Oberrats Adolf Bielefeld,
gewählt." |
Die
Kaufleute Rudolf Herrmann und Leopold Ettlinger werden zu Handelsrichtern
ernannt (1890)
Anmerkung: zu Leopold Ettlinger (1844-1912) siehe den Wikipedia-Artikel
Leopold Ettlinger (Kaufmann).
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4.
Dezember 1890: "In Baden hat der Großherzog folgende
Glaubensgenossen zu Handelsrichtern ernannt; die Kaufleute Rudolf
Herrmann und Leopold Ettlinger in Karlsruhe; Viktor Lenel und Louis
Hirsch in Mannheim." |
Die
Leiche von Oberlandesgerichtsrat Max Heinsheimer wird gefunden (1892)
Anmerkung: zu Oberlandesgerichtsrat Heinsheimer siehe Wikipedia-Artikel
"Max Heinsheimer"
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20.
Mai 1892: "Die Leiche des seit Ende vorigen Jahres
verschwundenen Oberlandesgerichtsrat Heinsheimer - Karlsruhe wurde im
Rhein bei Speyer gelandet." |
50-jähriges
Dienstjubiläum von Oberrat Benjamin Willstätter (1892)
Anmerkung: Oberrat Benjamin Willstätter (1813-1895) war ein Bruder des
Rabbiners Elias Willstätter
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16.
Dezember 1892: "Am 9. Dezember beging in Karlsruhe in aller
Stille Herr Oberrat Willstätter sein 50-jähriges Dienstjubiläum.
Bei dieser Gelegenheit verlieh der Großherzog dem Jubilar das Kommandeurkreuz
des Zähringer Löwenordens." |
Beisetzung der Hofgoldstickerin Hannchen Heimerdinger
(1893)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 26. Juni 1893: "Karlsruhe. Ein stattlicher Leichenzug geleitete
die irdischen Überreste der Hofgoldstickerin Fräulein Hannchen
Heimerdinger zur letzten Ruhestätte. In der Verstorbenen verliert
Karlsruhe eine edle, mit Tugenden des Geistes und des Herzens aufs Reichste
begabte Mitbürgerin, die Armen stets eine hilfsbereite Fürsorgerin war. Aber
auch die Kunst beklagt in ihr den Verlust einer Genossin, die in ihrem
Gebiete das Höchste leistete und sich dadurch nicht nur in ihrer Vaterstadt,
sondern sogar weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus einen
geachteten und ehrenvollen Namen erwarb.
Den jüdischen Gemeinden war sie besonders bekannt, durch Anfertigen von
kunstvollen Schulchan- und Parochet- Decken und Mäntelchen."
Anmerkung: - Decken: Decke für die Bima (Vorlesetisch = Schulchan)
https://de.wikipedia.org/wiki/Bima
- Mäntelchen: Toramäntel
https://de.wikipedia.org/wiki/Toramantel - Parochet ist der Vorhang vor
dem Toraschrein. |
Hinweis auf das rituell geführte jüdische Hotel von K.
Strauß "Europäischer Hof" (1893)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 31. August 1893: "Aus dem Großherzogtum Baden wird uns
geschrieben: Die Haupt- und Residenzstadt unseres Landes 'Karlsruhe' besaß
bisher trotz ihrer großen Umgebung leider kein jüdisches Hotel feineren
Stiles, in dem größere Festlichkeiten abgehalten werden können. Diesem
Bedürfnis wird jetzt durch den Neubau des Herrn L. Strauß abgeholfen.
Derselbe errichtet ein Hotel in einer Weise, die allen gerechten
Anforderungen entspricht. Verschiedene größere komfortable Säle zur
Abhaltung von Hochzeiten usw., elegante und einfache Zimmer zum Logieren,
lassen bei streng koscher Küche hoffen, dass dieses Hotel, welches
den Namen 'Europäischer Hof' führen wird, sich alsbald die Gunst des
Publikums erobern wird und wünschen wir dem Unternehmer Segen und
Glück." |
Alt-Synagogenratsvorsteher
Bar. Bernheim wird ausgezeichnet (1894)
Zum
Tod von Baronin Julie von Haber (1896)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Februar 1897:
"Karlsruhe, 5. Februar (1897). Eine sehr interessante Frau,
die letzte ihres Stammes, ist hier im hohen Alter gestorben, nämlich die Baronin
Julie von Haber. Sie war, wie gesagt, die letzte dieses adeligen
Namens, welche auf dem israelitischen Friedhofe beerdigt wurde. Die
zahlreichen Teilnehmer bei dem Leichenbegängnisse waren, mit Ausnahme des
Herrn Stadtrabbiners Dr. Appel und einiger anderen Funktionäre, fast alle
Christen, meist Adelige. Die Verstorbene war allein dem Judentum treu
geblieben. Sie hatte testamentarisch angeordnet, dass nach ihrem Ableben
2.000 Mark an jüdische Arme verteilt werden sollen. In ihrem Hause fand
man hebräische Gebetbücher mit deutscher Übersetzung, die von einem
öfteren Gebrauche zeugten. Sicher ist es nur ihrem Einflusse zu
verdanken, dass ihr im Tod vorangegangener Gemahl Max von Haber und ihr
einziger Sohn, der als Offizier den Krieg von 1870/71 mitgemacht hatte und
einige Jahre später ebenfalls verstorben ist, dem Judentum treu geblieben
sind. Der Schwiegervater der Verstorbenen, Salomon von Haber, im Jahre
1760 in Breslau geboren, war der Sohn armer Eltern; er hatte sich durch
seinen Unternehmungsgeist eingroßes Vermögen erworben und ließ sich
Ende des Jahrhunderts in Karlsruhe häuslich nieder. Habers
Unternehmungsgeist verdankt Baden seine bedeutendsten Fabriken.
Großherzog Karl ernannte ihn zum Hofbankier, und Großherzog Ludwig
verlieh ihm 1829 den erblichen Adel. Er starb im Jahre 1840. Als ein Sohn
desselben, Moritz von Haber, sich mit einem Offizier, Freiherrn von Göler,
duellierte und dieser fiel, erregte dies in Karlsruhe großen Unwillen,
und Haber musste fliehen. Ein anderer Sohn, Louis von Haber, hatte nach
dem Tode seines Schwiegervaters eine Zuckerfabrik in Böhmen übernommen.
Er war Begründer großer industrieller Institute in Österreich. In
Anerkennung seiner Verdiente hat ihn der Kaiser von Österreich in den
erblichen Freiherrenstand erhoben und zum Mitglied des Herrenhauses
berufen"
Anmerkungen: Julie von Haber war eine Schwiegertochter von Salomon von
Haber:
https://www.geni.com/people/Julie-von-Haber/6000000002803056731
https://de.wikipedia.org/wiki/Salomon_von_Haber#Geschichte und
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/periodical/pageview/248869. |
Anzeige der Gumbel Mosbacher'schen Stiftung
(1900)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
19. Juli 1900: "Israelitische Religionsgesellschaft Karlsruhe.
Aus der Gumbel Mosbacher’schen Schenkung ist eine Brautaussteuer von
Mk. 500,- zu vergeben. Bewerberinnen müssen Kinder unbescholtener, religiös
lebender Israeliten und ebenso selbst unbescholtene, religiös lebende
Israelitinnen sein, welche das 17. Lebensjahr erreicht und das 40. noch
nicht überschritten haben. Anverwandte der Familie Mosbacher wollen ihre
Gesuche unter Anschluss eines Verwandtschaftsnachweises sowie eines Geburts-
, Führungs- oder Verwandtschaftsnachweises sowie eines Geburts-, Führungs-
und Vermögenszeugnisses von Seiten des betreffenden Rabbiners binnen 3
Wochen an den Unterzeichneten richten.
Karlsruhe, 15. Juli 1900
Der Vorstand. I. V. Raphael Wormser." |
Zum Tod von Raphael Wormser, Sohn des Gründers der Israelitischen
Religionsgesellschaft Baruch Wormser (1901, IRG)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Mai
1901: "Leitender Artikel. Raphael Wormser. Seine Ruhe sei Wonne.
Mainz, 1. Mai. Einen großen Verlust hat die mit jugendlicher Frische stets
aufstrebende, rastlos um den weiteren Ausbau ihrer Institutionen bemühte
Religionsgesellschaft in Karlsruhe erlitten. Einer der besten Männer, einer
der hingebungsvollsten Arbeiter ist nach Gottes unerforschlichem
Ratschlusses jäh aus ihrer Mitte herausgerissen worden. Als man am Sabbat
den immer wieder aufs Neue ergreifenden Einleitungsvers las: 'Und Gott
sprach zu Moscheh nach dem Tode der beiden Söhne Arons, als sie hintraten zu
Gott und starben', als die Karlsruher altjüdische Gemeinde in ihrer
herrlichen Synagoge andachtsvoll der Vertiefung dieses ernsten Anfangs der
Sidra? lauschte, stand Raphael Wormser in der Mitte seiner Brüder,
die stolz und freudig in zu den Ihrigen rechneten. Und vierundzwanzig
Stunden waren kaum vorübergegangen, da erfüllte Wehgeschrei die Stadt,
Raphael Wormser war hingetreten vor Gott, um priestergleich eine Mitzwah zu
erfüllen und kaum war er hingetreten die Mitzwah war eben ausgeführt, da
hatte der Allgütige sich geheiligt durch Einen der Ihm nahe stand, hat Er -
Gott sei gepriesen - einen Brand entzündet, den ganz Israel beweinen
soll. Die Freude in der Erfüllung göttlicher Gebote war das höchste
Lebensglück des Mannes, um den wir heute klagen; und die Mitzwah, auf die
der Schriftvers (Psalm 119,162 'Froh bin ich über Deine Verheißung...')
besonders Anwendung findet, die Mitzwah Miloh, fand in ihm einen reinen,
edlen Priester. Festlich hergerichtet war am Samstag Raphael Wormsers
Wohnung: Ein fremdes Kind wollte der Hausherr einführen in den Bund
Abrahams. Laut und kräftig sprach er die Brachah mit gewohnter Meisterschaft
vollzog er die Miloh, die Mitzwah war eben vollendet, da stürzte er
zusammen. Gott hatte ihn zu sich genommen. An seinen drei letzten
Lebenstagen Freitag, Schabbos und Sonntag durfte er noch an drei Knaben den
Bund der Beschneidung ausführen, besonders viele Gemeindeangelegenheiten,
wie von einer Ahnung getrieben, mit seinen treuen Freunde und Genossen den
Gott uns noch lange erhalten möge, besprechen und ordnen; und als am ersten
Wochentage die Sonne ihren Hochstand noch nicht erreicht hatte, da wurde er
zu Denen gezählt, von denen stolz verkündet werden kann (hebräisch und
deutsch aus 3. Mose 16,1) sie traten zu Gott hin und her – starben. Was
unser dahingeschiedener Bruder seiner Familie war, was die Armen und Kranken
an ihm verloren, seine emsige Tätigkeit, seine unbestechliche Ehrlichkeit
und Wahrheitsliebe, all das zu schildern, ist überflüssig; bei einem Manne
mit dem jüdischen Pflichtgefühl, mit der jüdischen Menschenfreundlichkeit,
bei einem Jehudi, wie Raphael Wormser es war, spricht man davon nicht. Wir
wollen nur von den Pflichten sprechen, die er freiwillig auf sich genommen
durch die er seinen Pflichtkreis nach eigener Wahl erweitert hatte und die
er beispielgebend mit Umsicht, Ausdauer und Opferfreudigkeit lange Jahre
hindurch mit stets regem Eifer erfüllte. Da war vor allem die
Religionsgesellschaft, die sein Vater, der unvergessliche Baruch Wormser
s. A. unter schweren Kämpfen und unglaublichen Schwierigkeiten vor drei
Jahrzehnten hat gründen helfen. Es ist keine Übertreibung, wenn wir sagen,
nächst seiner Familie war die Religionsgesellschaft der Gegenstand seiner
größten Sorge und seiner immerwährenden Hingebung. Wenn ein Freund und
Gesinnungsgenosse bei ihm zu Besuch weilte, so verlief die Zeit in
anregendem, belehrendem Gespräch. Mit besonderem Stolze wies er dann auf die
Fortschritte |
und
neuen Errungenschaften der Religionsgesellschaft hin, und gar oft konnte er
erzählen von großen Dingen, die da verbessert und verschönert oder
neugeschaffen waren. Ihn gerade musste die aufsteigende Geschichte seiner
Gemeinde mit besonderer Genugtuung erfüllen, denn ein Verein mit treuen,
gleichstrebenden Genossen führte er die Angelegenheiten der gesetzestreuen
Juden in Badens Hauptstadt von Erfolg zu Erfolg zu neuen, unverhofften
Siegen. Als gestern die zahlreichen Freunde und Verehrer des uns zu früh
Entrissenen hinausgeeilt waren zum Friedhof der Religionsgesellschaft, um,
was sterblich war an ihm, der Erbe zu übergeben, da wurden an der Stätte der
Wehmut viele Worte der Anerkennung den musterhaften Einrichtungen der
Karlsruher Religionsgesellschaft gewidmet, man war erstaunt, auch an der Art
der Gebäulichkeiten und der Anlage des Friedhofs zu erkennen, in welch
vollkommener Weise eine kleine Schar überzeugungstreuer, opferbereiter
Männer all das ins Leben zu rufen verstanden hat, was unser heiliges Gesetzt
von einer Gemeinde verlangt. O Lobesworte für seine Religionsgesellschaft,
wie freute es Raphael Wormser, wenn er bei Lebzeiten solche von aufrichtigen
Freunden hören durfte! Gestern hörten wir aus dem Lobe der Karlsruher
Religionsgesellschaft das Lob des Mannes heraus, der unermüdlich daran
gearbeitet hatte, die Erfolge der Religionsgesellschaft möglich zu machen
und dessen entseelte Hülle man jetzt dem heiligen Baden übergab, den er sich
zur Grabesstätte ausersehen.
In Karlsruhe wird viel Tora gelernt; viele Geschäftsleute dort glauben mit
Recht die Stunden der Muße nichts Besserem widmen zu können als dem Studium
unseres heiligen Gesetzes. Unter die Ersten, die dort mit Begeisterung und
angestrengtem Denken Tora lernten und lehrten, wird Raphael Wormser gezählt.
In der Religionsschule der Religionsgesellschaft wirken neben dem
hochverehrten Rabbiner Dr. Schiffer - sein Licht leuchte - eine Reihe
tüchtiger Lehrkräfte, die es verstehen, in die Herzen der Kinder die Saat
reichsten Segens zu legen. Auch an diesen Erfolgen hat unser teurer Freund,
als umsichtig sorgender Schulvorsteher, unablässig mitgearbeitet. Die
zahlreichen Wohltätigkeitsvereine, die ihm ihre Verwaltung anvertrauten die
Chevra Kadischa, deren Vorsteher er war, die Lernvereine und
Klausstiftungen, die Gemeindebibliothek, die Kaschruseinrichtungen, die
seiner Fürsorge unterstanden. Alles hat er wohlgeordnet in blühendem Zustand
seinem Nachfolger hinterlassen. Ein Parnes und ein Manhig ist mit ihm
dahingegangen, den man den Großen aus Israels Vergangenheit zur Seite
stellen darf. Wie nicht anders zu erwarten, war die Beteiligung an dem
Leichenbegräbnis eine außergewöhnlich große, nicht nur die Zahl der
Teilnehmer, sondern mehr noch die aufrichtige Teilnahme, der lebhafte
Schmerz, der sich auf dem Gesichte der zahlreichen Leidtragenden, besonders
bei allen Karlsruher zeigte, verkündete laut und eindringlich, da hier eine
ganze Gemeinschaft einmütig einen herben Verlust beklagt. Die ergreifenden
Reden, die an der Bahre gesprochen wurden, gaben diesen Gefühlen lauten
Ausdruck. Zuerst sprach tiefbewegt und alle Herzen bewegend, Herr Rabbiner
Dr. Schiffer. Er vor allem war berufen, auf die Lücke hinzuweisen,
die durch den Verlust eines solchen Mitgliedes in seiner Gemeinde klafft.
Der Schwager des Dahingeschiedenen, Herr Rabbiner Wagenaar aus
Arnheim in Holland, folgte als Redner; kein Auge blieb bei den beredten
Worten dieses liebevollen Verwandten tränenleer. Ein weiterer Schwager, Herr
Benjamin Hirsch aus Halberstadt, sowie ein Freund und Kollege in der
Gemeindeverwaltung, Herr Samuel Straus aus Karlsruhe, verstanden es, in
meisterhaften Reden den großen Verdiensten des Vielbetrauerten gerecht zu
werden. Viele Nachbargemeinden hatten Vertretungen zum Leichenbegräbnisse
geschickt, besonders nennen wir die Religionsgesellschaften von
Frankfurt,
Darmstadt und
Mainz.
Außer den genannten Herren Rabbinern waren noch zugegen die Herren Rabbiner
Appel und Posner – Karlsruhe, Bamberger -Schildberg.
Bondi –
Mainz, Buttenwieser -
Straßburg, Löwenstein -
Mosbach,
Marx –
Darmstadt, Unna -
Mannheim.
Anwesend waren auch der Geheime Regierungsrat Meyer und der
Synagogenrat Fritz Meyer. Im Trauerhause widmete Herr Stiftsrabbiner
Dr. Blumengrund dem treuen Freunde einen tiefempfundenen Nachruf.
Einer der Trauerredner hatte mit Hinweis auf den Schlüssel des Heiligtums,
den der Hohepriester bei der Zerstörung des Tempels zum Himmel reichte,
ausgeführt, dass mit dem letzten Hauche Raphael Wormser der ihm anvertraute
Schlüssel des Heiligtums zu Boden fiel. Dem Wunsche des Redners, dass treue
Hände diesen Schlüssel aufheben und führen mögen, schließen wir uns mit der
sicheren Überzeugung an, dass man dort wetteifern wird, dahin zu arbeiten,
dass der große Riss möglichst wenig fühlbar werde. Der Allgütige möge Kraft
senden der schwergeprüften Familie, Segen der ganzen wackeren Karlsruher
Religionsgesellschaft. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens.
Anmerkungen: - Moscheh:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mose
- Mitzwah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mitzwa
- Milah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Brit_Mila
- Schabbos: (jiddisch für) Sabbat
- Brachah: Segen
https://de.wikipedia.org/wiki/Bracha
- Religionsgesellschaft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
- Rabbiner Dr. Schiffer:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer
- Chevra Kadischa: Beerdigungsbruderschaft
https://de.wikipedia.org/wiki/Chewra_Kadischa
- Kaschruseinrichtungen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdische_Speisegesetze
- Parnes. Gemeindevorsteher
https://de.wikipedia.org/wiki/Parnas_(Judentum)
- Manhig: Gemeindevorsteher
- Israel: hier gemeint: jüdische Gemeinschaft
- Rabbiner Wagenaar: Rabbiner Lion Wagenaar
https://www.encyclopedia.com/religion/encyclopedias-almanacs-transcripts-and-maps/wagenaar-lion
- Rabbiner Appel:Rabbiner Dr. phil. Meier Appel
https://de.wikipedia.org/wiki/Meier_Appel
- Rabbiner Posner: Rabbiner Dr. phil. Salomon Posner
http://www.steinheim-institut.de:50580/cgi-bin/bhr?id=2491
- Rabbiner Bamberger: Rabbiner Dr. phil. Moses Bamberger
http://steinheim-institut.de:50580/cgi-bin/bhr?id=1986
- Rabbiner Bondi: Rabbiner Dr. phil. Jonas Marcus Bondi (1862-1929)
- Tempel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Salomonischer_Tempel. |
Zum Tod von Bella Homburger, Witwe von Bankier Veit L.
Homburger (1901)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
14. März 1901: "Karlsruhe, 12. März. Auch hier hat der
unerbittliche Tod ein teures Opfer gefordert. Wie ein Lauffeuer verbreitete
sich Donnerstag, den 7. des Monats die traurige Nachricht vom Hinscheiden
der Frau Bankier Bella Homburger, Witwe des Begründers der hiesigen
Bankfirma Veit L. Homburger.
Vermöge ihrer seltenen Tugenden, besonders wegen ihrer Gottesfurcht und
Wohltätigkeit, war sie eine der hervorragenden Zierden der ganzen Stadt. Von
der Verblichenen kann man mit Recht sagen (hebräisch und deutsch:). Heil
dem, der sich seinem edlen Herzenstrieb folgend, des Armen annimmt, denn
ohne Rücksicht auf ihr großes Ansehen und hohes Alter suchte sie Arme und
Kranke in ihren Wohnungen auf, um deren Schmerzen durch reichliche Gaben und
Trostesworte zu lindern, wodurch sei sich als langjähriges Vorstandsmitglied
des 'Israelitischen) Frauenvereins'.
Die ungewöhnlich zahlreiche Trauerversammlung, die zu Ehren der verewigten
Frau Bella Homburger in der Leichenhalle des alten israelitischen Friedhofes
anwesend war, ist der untrügliche Beweis, welche aufrichtige Verehrung
dieselbe in allen Kreisen genossen hat. Die Leichenrede hielt Herr Stadt-
und Konferenzrabbiner Dr. Appel."
Anmerkung: zu Rabbiner Dr. phil. Meier Appel vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Meier_Appel |
David Rudolf Homburger, Inhaber einer Weingroßhandlung wird
Großherzoglich Badischer Hoflieferant
(1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
24. Juli 1902: "Karlsruhe i. B., 22. Juli. Seine Königliche
Hoheit der Großherzog von Baden hat den Inhaber der Weingroßhandlung D.R.
Homburger dahier dem Herrn David Rudolf Homburger, das Prädikat
eines Großherzoglichen Badischen Hoflieferanten verliehen."
Anmerkung: zum Großherzog:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog) |
Goldene Hochzeit von Meier Strauß und Frau
(1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. August
1902: "Karlsruhe, Ende Juli. Vorige Woche feierte Herr Meier
Strauß mit seiner Ehefrau im engen Familienkreise das Fest der goldenen
Hochzeit. Welche Achtung das Ehepaar genießt, erfuhr man durch die herzliche
Teilnahme, die ihm von allen Kreisen der hiesigen Gemeinde erwiesen wurde.
Auch Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden ließ ihnen die in
Lebensgröße ausgeführten Portraits des großherzoglichen Paares huldvoll
überreichen. Möge es Herrn M. Strauß und seiner Gemahlin noch eine lange
Zeit von Jahren beschieden sein, ihre gottesfürchtige und rechtschaffene
Lebensweise im ungestörten Glücke fortzuführen und durch das Wohlergehen
ihrer Kinder und Enkel jederzeit erfreut zu werden." |
Zum Tod von Auguste Willstätter
(1902, Bericht von Januar 1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
15. Januar 1903: "Karlsruhe, im Dezember (1902) Unter überaus
großer Beteiligung wurde am Freitag, 19. dieses Monats Frau Auguste
Willstätter, Witwe des Herrn Oberrats Benjamin Willstätter und Schwester
des Herrn Finanzminister a. D. Dr. Moritz Ellstätter, im hiesigen
alten israelitischen Friedhofe
beerdigt. In der Leichenhalle hielt deren Schwiegersohn, Herr Stadt- und
Konferenzrabbiner Dr. Appel, eine tiefgreifende Rede, in welcher er
das musterhafte Leben und Wirken der Verblichenen schilderte. Auch ein
Vorsteher des hiesigen israelitischen Frauenvereins, Herr Rudolf Hermann,
widmete Frau Oberrat Willstätter einen Nachruf und dankte für die
segensreichen Erfolge, die sie während mehrerer Dezennien als
Vereinsvorsteherin erzielt hat."
Anmerkungen: - zu Benjamin Willstätter:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0652
- zu Moritz Ellstätter:
https://ka.stadtwiki.net/Moritz_Ellstätter
- zu Rabbiner Dr. phil. Meier Appel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Meier_Appel |
Gedächtnisfeier für Samuel Strauß
(Karlsruhe) in Fulda (1904)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 26. Februar 1904: "Fulda, den 22. Februar (1904). Im
Anschluss an den Minchah-Gottesdienst hielt unser allverehrter Herr
Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn eine Gedächtnisfeier für den der Erdenwelt
so früh entrückten Herrn Samuel Strauß, Karlsruhe, ab, die auf
die zahlreichen Anwesenden einen überwältigenden Eindruck hervorbrachte.
Ausgehend von dem Worte unserer Weisen, dass der Mensch verpflichtet sei,
auch Gott zu danken, wenn ein schweres Geschick ihn niederbeuge, zeichnete
der Herr Redner unter Zugrundelegung der Bibelstelle: 'Und der Knabe
Samuel wurde immer größer und wohlgefälliger sowohl bei Gott, wie bei
den Menschen,' ein Lebensbild des Entschlafenen so klar und wahr, dass
auch derjenige, der den großen Toten nicht kannte, schmerzbewegt ausrufen
musste: 'Wehe, dass dieser Fromme von uns genommen, wehe, dass der Tod
eine solche Lücke gerissen.'
Wir hoffen und wünschen aufrichtig, dass die herrliche Rede dem Drucke
übergeben werde." |
Zum Tod von Fabrikant Max Würzburger
(1905)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 10. März 1905: "Karlsruhe in Baden. Die hiesige israelitische
Religionsgesellschaft erlitt verflossene Woche einen schweren Verlust durch
das Hinscheiden ihres langjährigen, eifrigen Mitglieds, des Herrn
Fabrikanten Max Würzburger s. A. In
Heidelberg, wo er Heilung von einem schweren Leiden suchte, verschied er
am 27. vorigen Monats (= Februar 1905). Zu der am 1. dieses Monats
hier stattgehabten Beerdigung waren Freunde und Bekannte aus Nah und Fern,
besonders aber auch sehr zahlreiche Nichtjuden mit denen er im Verkehr
gestanden, erschienen.
Sein Ehrwürden, Herr Rabbiner Dr. Schiffer verlieh in seiner nach
Form und Inhalt meisterhaften Leichenrede dem Schmerz der
Religionsgesellschaft über den herben Verlust dieses edlen Mannes Ausdruck,
hervorhebend seine innige Frömmigkeit und insbesondere seine vielseitige,
reichliche Wohltätigkeit, strenge Rechtlichkeit in Handel und Wandel,
gepaart mit rastloser Tätigkeit, ferner noch mit besonderem Nachdruck sein
gewissenhaftes und eifriges Wirken als 20jähriges Mitglied der Chewra
Gemisuß Chesed (= Wohltätigkeitsverein). In dem Verblichenen betrauert
die Gemeinde ein wahrhaft frommes, edles Mitglied, die Armen und Bedürftigen
einen warmen Freund und Unterstützer. Nach dem Herr Rabbiner sprachen zwei
Verwandte in Namen der Familie. Von der Liebe und Verehrung für den
Entschlafenen zeugt auch, dass außer seinen Verwandten und Freunden, viele
hervorragenden Geschäftsfreunden, die Angestellten und Arbeiter seiner im
benachbarten Eggenstein befindlichen Fabrik und der vollzählige Gemeinderat
dieses Ortes, der Bürgermeister an der Spitze ihm die letzte Ehre erwiesen.
Möge unsere in letzter Zeit so schwer heimgesuchte Gemeinde viele solch
brave, edle Männer zählen."
Zu Max Würzburger:
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/4845.html |
Zum Tod von Finanzminister a.D. Moritz Ellstädter
(1905)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 16. Juni 1905: "Karlsruhe, 14. Juni. Finanzminister a. D.
Moritz Ellstädter ist heute im Alter von 78 Jahren gestorben.
Ellstädter, geboren 1827 in Karlsruhe, studierte die Rechte, lernte
bei der Discontobank in Berlin das Bankgeschäft, ließ sich in
Durlach, dann in Karlsruhe als
Rechtsanwalt nieder, wurde 1864 Assessor am Kreis- und Hofgericht in
Mannheim,
1865 Kreisgerichtsrat. 1866 von Matthy als Rat in das Finanzministerium
berufen, wurde er 1868 dessen Nachfolger als Chef des Finanzministeriums und
1871 Mitglied des Bundesrats, in dem er als Referent über die Münzgesetze
auftrat. Im März 1893 trat er in den Ruhestand." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. Juni
1905: "Die Woche
Berlin, 20. Juni. Der Tod des ehemaligen badischen Finanzministers Dr.
Moritz Ellstädter könnte allen unseren Freunden wie unseren Gegnern in
diesen Tagen willkommene Veranlassung bieten, darüber nachzudenken, wie
herrlich weit wir es in Deutschland gebracht haben. Wäre es heute wohl nur
denkbar, dass ein Jude selbst im kleinsten Duodezstaate zum Minister ernannt
wurde und 25 Jahre lang in dieser Stellung sich behaupten könnte? Eine
Antwort auf diese Frage mag sich jeder selbst geben. Dass aber ein Jude zu
dieser Stellung nicht geeignet sei, wird selbst die Kreuzzeitung nicht
behaupten können, wenn sie das Leben des Verstorbenen an sich vorüberziehen
lässt. Wir geben in Kurzem die wichtigsten Daten wieder:
Dr. Moritz Ellstädter, der am 14. dieses Monats in Karlsruhe gestorben ist,
wurde am 11. März 1827 daselbst geboren, hat also ein Alter von 78 Jahren
erreicht. Er trat 1850 in den badischen Justizdienst und kam 1856 nach
Berlin, um hier eine Stelle bei der Diskontogesellschaft zu übernehmen, aus
der er die Jahre später nach Baden zurückkehrte. Er ließ sich als Anwalt in
Durlach nieder, siedelte von dort 1863
nach Karlsruhe über und wurde im folgenden Jahre als Assessor bei dem Kreis-
und Hofgericht in
Mannheim,
wo er 1865 zum Rat befördert wurde. 1866 wurde Ellstätter als Ministerrat in
das Finanzministerium berufen und im Februar 1868 bereits zum Präsidenten
dieses Ministeriums als Nachfolger Karl Mathys ernannt. Von da ab hatte er
das badische Finanzwesen ein Vierteljahrhundert lang geleitet und die
organisatorischen Umgestaltungen, die der Eintritt Badens in das Deutsche
Reich, sowie die neuen Finanz- und Steuergesetze mit sich brachten, in
umsichtiger und verdienstlicher Weise durchgeführt. Seit 1881 war auch das
gesamte Eisenbahnwesen ihm unterstellt. Dem Bundesrat gehörte er seit 1871
als Bevollmächtigter an und ist in diesem mehrfach, besonders als Referent
in Fragen der Münzverfassung hervorgetreten. Im März 1893 war Ellstätter in
den Ruhestand getreten.
Wie der edle Fürst, der ihn zu dieser Stellung berufen, über Ellstätters
Wirken dachte, beweist das nachstehende Handschreiben, das der Großherzog
von Baden anlässlich seines 20jährigen Amtsjubiläums an ihn richtete:
Mein lieber Geheimer Rat Ellstätter!
Mit dem heutigen Tage sind 20 Jahre verflossen, während welcher Sie als
Präsident meines Finanzministeriums den Staatshaushalt geleitet haben. In
dieser langen Zeit und unter recht schwierigen Verhältnissen haben Sie das
Vertrauen, mit welchem Ich Sie auf diese verantwortungsvolle Stelle berufen
habe, durch Ihre ebenso geschickte wie umsichtige als gewissenhafte und
treue Amtsführung in vollem Maße gerechtfertigt und dem Staat durch die
sorgsame Pflege und Ausbildung seines Finanzwesens die ersprießlichsten
Dienste geleistet. Der heutige Rückblick auf diese lange bewährte Tätigkeit
legt es mir nahe, Ihnen einen neuen Beweis Meiner Wertschätzung und
Dankbarkeit zuteil werden zu lassen. Ich habe mich deshalb bewogen gefunden,
Ihnen den Charakter als Finanzminister zu verleihen und erteile gleichzeitig
dem Staatsministerium den Auftrag, das zur Ausführung dieser Entschließung
Erforderliche vorzukehren.
Karlsruhe, den 11. Februar 1888 Ihr wohlgeneigter Friedrich
Als Ellstätter 1893 seine Entlassung nahm, geschah dieses unter den
ehrenvollsten Kundgebungen seitens seines Herrn und des Landes. Moritz
Ellstätter, der ein Schwager des früheren Rabbiners und späteren Oberrates
Ephraim Willstätter war, ist als Jude gestorben. Er war der erste jüdische
Minister in Deutschland! Wann wird er einen Nachfolger finden?"
Anmerkungen: - Discontobank: https://de.wikipedia.org/wiki/Disconto-Gesellschaft
- Matthy: Karl
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Mathy
https://www.deutsche-biographie.de/sfz59002.html
https://www.mannheim.de/de/tourismus-entdecken/stadtgeschichte/stadtpunkte/demokratie-arbeiterbewegung-widerstand/wohnhaus-von-karl-mathy
- Duodezstaat:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwergstaat
- Kreuzzeitung:
https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Preußische_Zeitung_(Kreuzzeitung)
- Großherzog:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog)
- ...seines Herrn: Großherzog Friedrich von Baden
https://ka.stadtwiki.net/Friedrich_I._von_Baden
- Rabbiner Ephraim Willstätter: Vgl. Artikel in einer Seite zu
Gailingen
zum Tod von Rabbiner Ephraim Willstätter von 1862; Eigentlich war
Minister Willstätter Schwager von Rabbiner Benjamin Willstätter:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0652; es
könnte aber auch Rabbiner Elias Willstätter:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0867
Oberrat:
https://de.wikipedia.org/wiki/Oberrat_der_Israeliten_Badens
|
Trauerfeier für Finanzminister a.D. Dr. Moritz Ellstätter
(1905)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. Juni
1905: "Karlsruhe, 16. Juni. In der Halle des
neuen israelitischen Friedhofes
hatte sich Vormittag um 11 Uhr eine zahlreiche Trauerversammlung
eingefunden, um dem nach reich gesegnetem Leben hochbetagt dahingeschiedenen
Staatsmann Dr. Moritz Ellstätter, dem man in seinem badischen
Vaterlande dauernd ein dankbares Gedenken bewahren wird, die letzte Ehre zu
erweisen. Den anwesenden Angehörigen wurde von allen Seiten herzliches
Beileid ausgesprochen. Der Großherzog war durch Oberschlosshauptmann
Kammerherrn von Offensandt-Berckholtz, die Großherzogin durch
Oberstleutnant a.D. Schlosshauptmann von Stabel, Prinz Karl durch
Rittmeister von Frisching. Außerdem waren anwesend sämtliche
Staatsminister und Honoratioren der Verwaltung der Stadt und des
öffentlichen Lebens, sowie Mitglieder des Landtages, des Bürgerausschusses
und viele Vertreter von Handel und Industrie. In der Halle hielt
Stadtrabbiner Dr. Appel die Trauerrede, in der er das schöne Bild des
reich gesegneten Lebens des Verstorbenen in warm empfundenen Worten
vorführte. Wir bedauern lebhaft, dass der karg zugemessene Raum dieses
Blattes es uns nicht gestattet, diese würdige und ausgezeichnete Rede ganz
abzudrucken, aber wenigstens einen Passus wollen wir doch den Lesern
mitteilen, der für sie besonders interessant ist. Herr Dr. Appel sagte unter
anderem: 'Danken wollen wir auch, die Glaubensgenossen des
Dahingeschiedenen, der göttlichen Vorsehung dafür, dass wir ihn den unseren
nennen durften. Denn, wenn auch Moritz Ellstätter nicht direkt an dem
kirchlichen Leben seiner Glaubensgemeinschaft teilgenommen hat, so hat er
doch nie aufgehört, sich als Jude zu fühlen und sein Interesse für seine
leidenden Glaubensbrüder an den Tag zu legen. Und wenn auch die Interessen
seiner Glaubensgemeinschaft durch seinen Einfluss in hoher amtlicher
Stellung niemals eine unmittelbare Förderung erhalten haben, so war doch
schon der Umstand, dass ein Jude, der nie aufgehört hat ein Jude zu sein,
von unserem Landesfürsten mit einem der höchsten Staatsämter betraut wurde,
für uns von erhebender Wirkung. Hat er doch nicht bloß durch seine
Leistungen, sondern auch durch seine Charaktereigenschaften und sein ganzes
Auftreten so manche Vorurteile gebannt, unter denen seine Glaubensgenossen
zu leiden hatten. Gott allein wollen wir danken. Denn dem Dahingeschiedenen
Worte des Dankes zu weihen, wäre dem bescheidenen Sinne zuwider, den er im
Leben an den Tag gelegt und der alles, was er tat, nur als Pflichterfüllung
betrachtete.'
Die Rede machte auf die große Trauerveranstaltung einen tiefen Eindruck."
Anmerkungen: Großherzog:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog)
Kammerherr Offensandt-Berckholtz: Wilhelm von Offensandt-Berckholtz:
https://www.berckholtz-ka.de/geschichte.html
Großherzogin:
https://de.wikipedia.org/wiki/Luise_Marie_Elisabeth_von_Preußen
Oberstleutnant von Stabel: Wahrscheinlich ein Nachkomme von Anton von Stabel
https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_von_Stabel
Prinz Karl:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_von_Baden_(General)
Rabbiner Appel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Meier_Appel sowie
https://www.geni.com/people/%D7%9E%D7%90%D7%99%D7%A8-%D7%90%D7%A4%D7%A2%D7%9C/6000000022863309548 |
Erinnerungen an Dr. Moritz
Ellstätter (Artikel von 1905)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Juli
1905: "Erinnerungen an Finanzminister Ellstätter
Von S. Rothschild – Worms.
Die Ernennung Moritz Ellstätters fällt in die Zeit, in welcher ich in
Karlsruhe das evangelische Lehrerseminar besuchte. Seminardirektor Stern,
ein Schüler Pestalozzis, war in seinem 80. Lebensjahre in den Ruhestand
getreten und an seiner Stelle 1866 der seit zwei Jahren ebenfalls
pensionierte Geh. Hofrat Lentz berufen worden. Für die jüdischen
Seminaristen bedeutete der Direktionswechsel den Beginn einer neuen Ära,
denn Direktor Stern hatte, wie ein älterer Lehrer damals öfters erzählte,
nicht selten sich bemüht, jüdische Seminaristen, besonders, wenn sie in
Geldverlegenheiten waren, dem Judentum zu entfremden und dem Christentum
zuzuführen. Sein Nachfolger Lentz dachte über diesen Punkt ganz anders, und
wenn jetzt im Allgemeinen, ein freierer Geist einzog, so empfanden die
jüdischen Seminaristen besonders angenehm, dass ihr Direktor einen
Unterschied zwischen christlichen und jüdischen Seminaristen nicht kannte.
Diesen wohltuenden Umstand hatte ich es zu verdanken, dass Hofrat Lentz mich
als Privatlehrer einer christlichen Familie empfahl, die zu den ersten
Familien Karlsruhes zählte. Ein früherer Minister, hohe Offiziere,
bedeutende Professoren waren die nächsten Verwandten dieser Familie, die aus
Mutter und Sohn bestand, das ich zu unterrichten hatte. Einschalten möchte
ich hier noch, dass dieser frühere Schüler, der heute in hoher
Staatsstellung sich befindet, die Beziehungen zu dem früheren Seminaristen
immer noch aufrecht erhält.
In damaliger Zeit war Karl Mathy Staatsminister. Er musste zur Zeit
des politischen Druckes Deutschland verlassen, wirkte als Volksschullehrer
in der Schweiz, war dann eine Zeit lang Buchhändler, in welcher Eigenschaft
er Berthold Auerbach (vgl.
Seite zu Nordstetten) den Weg zur Herausgabe seiner 'Schwarzwälder
Dorfgeschichten' ebnete und trat später in die Diskontobank ein, wo er, wenn
ich nicht irre, Ellstätter, der ebenfalls dort beschäftigt war,
kennenlernte. Seinem Einflusse war es jedenfalls zuzuschreiben, dass dieser
an die Spitze des Finanzministeriums gestellt, sehr bald veranlasste, dass
Ellstätter als Ministerialrat in sein Ministerium berufen wurde. Man war
über diese Berufung in jüdischen Kreisen sehr erfreut, denn die Anstellung
von Juden in damaliger Zeit war selten und die Berufung an eine
hervorragende Stellung schien fast unmöglich.
Im Jahre 1868 erkrankte Mathy sehr gefährlich, sein Ende stand bevor. Als
ich eines Tages meinem Schüler Unterricht erteilte, sagt mir die Mutter:
'Heute weiß ich Ihnen eine sehr wichtige Mitteilung zu machen, die gewiss
großes Interesse für Sie hat, aber Sie müssen diese Mitteilung für sich
behalten. Ein Glaubensgenosse von Ihnen wird Minister werden. Meinem
Schwager ist das Portefeuille angeboten worden, aber er ist sehr
augenleidend und hat es deshalb abgelehnt. Mathy hat auf dem Todesbette
Ellstätter warm empfohlen, aber man soll ob seiner Konfession Bedenken
tragen. Der Großherzog und Prinz Wilhelm (der Bruder des Großherzogs)
bestehen aber darauf, und so wird Ellstätter Minister werden. Dass der
Großherzog von der Konfession Ellstätters keinen Anstoß nahm, hatte man erst
kurz vorher erfahren. Der spätere Generalmusikdirektor Levi aus Gießen war
zum Kapellmeister ernannt worden. Man hatte damals in Karlsruher Kreisen
davon gesprochen, dass, als die Ernennung Levis offiziell bekannt wurde,
Kapellmeister K. Den Großherzog darauf aufmerksam machte, dass Levi Jude
sei, der Großherzog habe aber geantwortet: ‚Ich habe nicht den Juden,
sondern den tüchtigen Musiker angestellt.‘ '
Ich weiß nicht mehr, wie viele Wochen vergangen waren, seitdem die Mutter
meines Schülers mir jene vertraulichen Mitteilungen gemacht hatte. Im
Seminar fand eine 'Orgelstunde' statt. Die Seminaristen, welche in dieser
Stunde nicht an die Reihe kamen, durften sich mit anderen Arbeiten
beschäftigen. Da kommt der Musiklehrer, ein sehr braver, aber sehr
pietistisch gesinnter Herr auf mich zu, mit der Frage: 'Kennen Sie
Ellstätter?' 'Nein.' 'Haben Sie schon ihn schon gesehen?'
'Einmal hat ein mir fremder Herr das Seelengebet für verstorbene Eltern (Maskir)
neben mir verrichtet. Man hat mir später gesagt, dass dies der
Ministerialrat Ellstätter gewesen sei.' 'Geht er öfters zur Synagoge?' 'Das
weiß ich nicht, weil ich sonntags zur Zeit des Gottesdienstes im Seminar und
an den Feiertagen nicht hier bin.' 'Ist er im Ministerium des Innern oder im
Finanzministerium?' 'Auch das weiß ich nicht.' 'Wissen Sie, warum ich Sie
frage? Man spricht in der Stadt viel davon, dass Ellstätter Finanzminister
werden soll.'
Es dauerte nicht lange und die 'Karlsruher Zeitung' brachte die offizielle
Ernennung Ellstätters zum Präsidenten des Finanzministeriums. Manche Kreise
haben sich ob dieses Fortschrittes gefreut, aber in vielen anderen herrschte
tiefe Verstimmung, die in manchem 'offenen Brief', wie ich mich noch dunkel
erinnere, zum Ausdrucke kam, am deutlichsten in einer in Offenburg http://www.alemannia-judaica.de/offenburg_synagoge.htm
tagenden Versammlung der nationalliberalen Partei, die damals wirklich
liberal war und gar manches offene Wort an die Regierung richtete, besonders
wegen der damaligen Kaltstellung des liberalen Ministerialrates Kiefer. Man
hat natürlich in jener Versammlung die Konfession Ellstätters nicht berührt,
wohl aber den Umstand, warum man den Finanzminister nicht aus dem Kreise der
Kameralisten, wie dies sonst zu geschehen pflegt, sondern aus dem Kreise der
Juristen. Ob bei manchem Teilnehmern jener Versammlung dies der Hauptgrund
der |
Interpellation
gewesen, wer vermochte dies zu entscheiden? Im Übrigen hat – und auch das
war nur eine Ironie der Geschichte – Ellstätters Ernennung zum Minister auf
Jollys Vorschlag Lamey, den badischen Judenemanzipator, derart
verblüfft und verdrossen, dass er, wie in einem bayerischen Blatte erzählt
wird, abends in den 'Darmstädter Hof' zu Karlsruhe gestürmt kam und dem Wirt
wütend zurief: 'Herr Cerf, nennen Sie sich Hirsch, dann werden Sie
Minister.' In unverfälschtem Karlsruher Dialekt wurde ihm aber aus der
Tafelrunde zugerufen: 'Deß hasch jetzt dervon mit Deine Judde. Da hasch ja
kain Ruh g’habbt, bis d’emanzibiert g’habbt hasch!' Tatsache ist, dass den
edlen Landesfürsten in seinem Entschlusse nichts beirren konnte, dass
Ellstätter, wie man hörte, sich sehr bald die Wertschätzung der Beamten
seines Ministeriums erworben hatte.
So lange ich im Seminar war, hatte ich keine Gelegenheit, den Minister
Ellstätter zu sehen, so sehr ich mich auch darum bemüht hatte. Da stand
eines Tages in der zweiten Kammer der Landstände ein interessanter
Gegenstand auf der Tagesordnung und dieser, sowie der Umstand, dass ich noch
nie einer Kammerverhandlung angewohnt hatte, führten mich aus einem
Karlsruhe benachbarten Dorfe, wo ich als Lehrer angestellt war, nach dieser
Stadt. Auf der Galerie hatte ich lange vor dem Beginn der Verhandlungen
Platz genommen. Die Abgeordneten unterhalten sich sehr lebhaft miteinander.
Da tritt ein Mann ein, den alle freundlich begrüßten. Ich frage einen neben
mir Sitzenden: 'Wer ist der Herr, dem man von allen Seiten so freundlich
entgegenkommt?' 'Das ist Minister Ellstätter.'
Anmerkungen: - S. Rothschild: Samson Rothschild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Samson_Rothschild
http://www.warmaisa.de/stolpersteine/rothschild-samson-1848-1939/
http://alemannia-judaica.de/worms_texte.htm
- Lehrerseminar: https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:ins-1557
http://www.alemannia-judaica.de/karlsruhe_texte.htm#Das%20israelitische%20Landesstift
- Seminardirektor Stern: https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Stern_(P%C3%A4dagoge)
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0988
- Pestalozzi: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Heinrich_Pestalozzi
- Karl Mathy:https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Mathy
https://www.deutsche-biographie.de/sfz59002.html
- Berthold Auerbach:
https://de.wikipedia.org/wiki/Berthold_Auerbach
- Diskontobank:
https://de.wikipedia.org/wiki/Disconto-Gesellschaft
- Portefeuille: Ressort
https://de.wikipedia.org/wiki/Ministerium#Portefeuille
- Großherzog:
https://www.wikiwand.com/de/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog)
https://ka.stadtwiki.net/Friedrich_I._von_Baden
- Generalmusikdirektor Levi: Hermann Levi, 1839 -1900:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Levi
https://www.deutsche-biographie.de/pnd118865900.html
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0329
Auf der Seite zum Rabbinat Gießen die
Artikel über
Die Vorfahren des Generaldirektors Hermann Levi... (1933), den Artikel
über
Hofkapellmeister Hermann Levi, Sohn des Rabbiners Dr. Levi erhält den Titel
eines General-Direktors der Königlichen Hofkapelle (1889).
- Kapellmeister K.: wahrscheinlich Wilhelm Kalliwoda:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Kalliwoda
- Maskir:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jiskor
- Karlsruher Zeitung:
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/zeitungen/periodical/titleinfo/1790223
- Ministerialrat Kiefer:Friedrich Kiefer
https://dewiki.de/Lexikon/Friedrich_Kiefer_(Politiker)
- Kameralisten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kameralismus
- Interpellation:
https://de.wikipedia.org/wiki/Interpellation
- Jolly: Isaak Jolly
https://de.wikipedia.org/wiki/Isaak_Jolly
- Lamey: August Lamey
https://de.wikipedia.org/wiki/August_Lamey
- Darmstädter Hof: Kreuzstraße 2, Karlsruhe
- Cerf: Französisch für 'Hirsch'
'- Deß hasch…': Das hast du jetzt von deiner Zuneigung zu den Juden.
Du hast ja keine Ruhe gegeben, bis du sie emanzipiert hattest.'
- Landstände:
https://de.wikipedia.org/wiki/Landstände . |
Zum Tod von Rechtsanwalt Dr. Max Friedberg
(1907)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
21. Februar 1907: "Karlsruhe, 13. Februar. In der Nacht zum
vergangenen Schabbat leSidra Mischpatim (= Nacht zum 9. Februar 1907)
verschied hier ganz unerwartet in Folge Herzschlags Herr Dr. Max Friedberg.
Der Verstorbene, der neben der Pflege seiner ausgedehnten
Rechtsanwaltspraxis eine rege Tätigkeit auf verschiedensten Gebieten des
öffentlichen Lebens entfaltete, gehörte zu den bekanntesten Persönlichkeiten
Karlsruhes. Im Stadtverordnetenkollegium, dem er lange Jahre angehört hatte
und wo selbst eine Reihe wichtiger Referate, seiner Sachkenntnis anvertraut
war, ebenso in der Anwaltskammer, die in ihm ihren langjährigen Vorsitzenden
verliert und im Anwaltsverein hinterlässt der Verstorbene empfindliche
Lücken. In der israelitischen Landessynode, die ihm bei der letzten Tagung
zum Präsidenten gewählt hatte, war Herr Dr. Friedberg, obwohl nicht streng
orthodox, alle Zeit bemüht, mit dem ganzen Gewichte seines Ansehens für die
konservativen Bestrebungen einzutreten und sein Abgang wird in den Kreisen
des gesetzestreuen Judentums Badens noch lange schmerzlich empfunden werden.
Die Wertschätzung, der sich der Verstorbene bei seinen Mitbürgern und
zunächst bei seinen Glaubensgenossen erfreut hatte, kam in einer imposanten,
alle Kreise umfassenden Beteiligung der am letzten Montag stattgefundenen
Beerdigung zum Ausdruck. In der Leichenhalle der israelitischen
Religionsgesellschaft, auf deren
Friedhof der Verstorbene seine letzte Ruhe gefunden hat, hielt
Rabbiner Dr. Schiffer dem ihm freundschaftlich nahe gestandenen
Gemeindemitglied einen tiefempfundenen Hesped (Trauerrede). Nach ihm
sprachen die Rechtsanwälte Dr. Binz und Kusel namens der
Anwaltskammer und des Anwaltsvereins, Herr Bezirksrabbiner Dr. Löwenstein
– Mosbach namens des Kuratoriums der
Baron von Rothschild’chen Lungenheilstätte
Nordrach, Herr Stadtrabbiner Dr. Appel – Karlsruhe für die Vereinigung
badischer Israeliten und Geheimer Oberregierungsrat Herr Dr. Mayer für
die israelitische Synode. Ihnen schloss sich noch eine Anzahl von Rednern
an, welche namens mehrerer gemeinnütziger Institutionen und
philanthropischer Vereine Worte des Dankes und Abschieds sprachen. Der
Verstorbene hat ein Alter von 59 Jahren erreicht. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des ewigen Lebens.
Anmerkungen: - Dr. Friedberg:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0667 und (vor
allem zum Sohn Dr. Hans Friedberg)
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/1049.html
- Schabbat leSidra Mischpatim: Schabbat mit dem Tora-Abschnitt Mischpatim,
vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Mischpatim, das war 1907: Samstag, 9.
Februar 1907 = 25. Schwat 5667, der letzte Schabbat im Monat Schwat.
- Hoftheater:
https://ka.stadtwiki.net/Hoftheater_Karlsruhe
- Israelitische Religionsgesellschaft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
- Rabbiner Dr. Schiffer:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer
- Dr. Binz:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0916
- Rechtsanwalt Kusel: Wahrscheinlich ein Nachfahre von Rudolf Kusel:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0641
- Rabbiner Dr. Löwenstein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Löwenstein
- Lungenheilstätte Nordrach:
https://www.stadtanzeiger-ortenau.de/nordrach/c-panorama/mekka-fuer-tuberkulosekranke_a16446
- Stadtrabbiner Dr. Appel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Meier_Appel
- Geheimer Oberregierungsrat Dr. Mayer: Dr. David Mayer |
- Vgl. auch genealogische Informationen
https://www.geni.com/people/Max-Friedberg/6000000174902141869 und
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/1049.html
|
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Februar
1907: "Karlsruhe. Rechtsanwalt und Stadtverordneter Dr. Friedberg,
der unerwartet an einem Herzschlag verschied, nahm im öffentlichen Leben
eine sehr geachtete Stellung ein. Seine Tochter, die sich durch mehrere
literarische Arbeiten bekannt gemacht hat, ist mit dem dramatischen Sekretär
des Hoftheaters Dr. Wolff verheiratet." |
Auszeichnung
für Chefredakteur Julius Katz (1907)
Zum Tod von Baurat Prof. Ludwig Levy
(1907)
Zum Tod von Therese Thalmann (1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. September
1908: "Karlsruhe, 29. Sept. Eine echte Repräsentantin der guten
alten Zeit wurde am 16. Elul (= 12. September 1908) auf dem
Friedhofe der hiesigen israelitischen
Religionsgesellschaft zur Ruhe geleitet. Frau Therese Thalmann,
die ihren Lebensabend in
Frankfurt a. M. im Kreise ihrer Kinder und Enkel verbrachte, wurde ihrer
letztwilligen Verfügung entsprechend hier in Karlsruhe bestattet, wo sie an
der Seite ihres ausgezeichneten Gatten, des Herrn Stiftsrabbiners Ephraim
Thalmann, genannt R. Gumpel - das Gedenken an den Gerechten sei zum
Segen - und nach seinem vor 28 Jahren erfolgten Hinscheiden, in seinem
Geiste selbständig eine segensreiche Wirksamkeit entfaltet hat. Die
zahlreiche Beteiligung an dem letzten Geleite legt ein Zeugnis ab für die
allgemeine Hochachtung und Liebe, die man trotz jahrzehntelanger Abwesenheit
für sie bewahrt hatte und die meisterhaften Reden, die an ihrer Bahre von
dem ehrwürdigen Rabbiner Dr. Schiffer, von ihrem Schwiegersohne, Herr
Prof. Dr. Fink und von einem Freunde des Hauses, Herrn Jeidel,
gehalten wurden, gaben ein lebenswahres Bild der Verstorbenen. Wir sollen
sie als wahre Eschet Chajil (= tüchtige Frau im biblischen
Sinn, vgl. Sprüche 31) im Hause schalten und wirken. Glaubensgenossen vom
Lande, die ihre Kinder zur Fortbildung in die Hauptstadt brachten, suchten
gerne das Thalmann’sche Haus auf - und nicht ohne Nutzen. Von den
Pfleglingen dieses Hauses hat der eine oder andere die höchsten der den
Juden zugänglichen Stellungen in der Beamten- und Gelehrtenlaufbahn
erreicht. Dass ihnen ihre Religion das Höchste blieb, dass sie zu Führern
der deutschen Judenheit wurden, daran hat die kluge, tüchtige Frau auch
ihren bescheidenen Anteil. Der Tod ihres Gatten zwang sie, ihr Können und
Wissen zu entfalten. So konnte man sie sehen, 'Jüdisch' unterrichten. Ihre
Söhne zur Bar Mitzwah vorbereiten, das Bild einer Mutter, die ihrem
Sohn Kriegswaffen anlegend, ins Jüdische übertragen! - Wir konnten sie
beobachten bei der Erfüllung ihrer schweren Pflichten und sie bei ihrer
Erholung und Zerstreuung belauschen. Ihre Unterhaltung war geistreich –
Bilder, Vergleiche, Anekdoten, tiefe Weisheitssprüche standen ihr für jede
Gelegenheit zur Verfügung. Der ganze Inhalt von Deutsch-Chumasch (= Tora;
vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Chumasch), Ze'enah U-Re'enah (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ze'enah_u-Re'enah) und Menorat haMeor
(vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Isaac_I._Aboab) war ihr zum geistigen
Eigentum geworden, die Psalmen, 'ihr Tehilim', konnte sie
wortwörtlich auswendig, sie sprach immer in Toraworten, ohne es zu betonen,
meistens ohne, dass sie es selber merkte. Bewusst tat sie es nur bei Tisch.
Bei keiner Mahlzeit durften Toraworte fehlen. Man sollte wirklich bei
Zeiten das getreue Lebensbild dieser edlen Frau festhalten, zum Muster und
Vorbild der kommenden Generationen. Ihre Seele sei eingebunden in den
Bund des Lebens.
Anmerkungen: - Rabbiner Ephraim Thalmann:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0864
- Rabbiner Dr. Schiffer: Rabbiner Dr. phil Sinai Schiffer
https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer
- Bar Mitzwah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bar_Mitzwa |
Zum Tod des Chemikers Dr. Reinherz
(1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar
1909: "Karlsruhe, 3. Januar. Eine Trauerkunde hat vorige Woche
unsere Gemüter erschüttert. Der Chemiker Dr. Reinherz ist ganz
plötzlich – infolge eines Herzschlages – im 63. Lebensjahre verschieden.
Seit mehr als dreißig Jahren als Assistent an der hiesigen Großherzoglichen
Chemischen Untersuchungsanstalt tätig, hat er sich als ein
Gottesfürchtiger, Friedliebender und als ein um das Wort Gottes
Zitternder (vgl. Esra 9,4) im wahrsten Sinne des Wortes bewährt.
Aus Russland stammend, kam er seinerzeit als armer, bescheidener Student in
unsre Stadt und dank seinem Fleiße brachte er es bis zu einer staatlichen
Anstellung, in der er bis zur letzten Stunde beharrte. Nur seiner
außerordentlichen Bescheidenheit und einer beispiellosen Anspruchslosigkeit
ist es zuzuschreiben, dass der Mann außerhalb des Kreises unserer Gemeinde
fast unbekannt geblieben ist. Leute, die ihm näherstanden, wissen, dass nur
die peinliche Rücksicht mit den Satzungen unserer Tora nicht in Konflikt zu
geraten, ihm den Ehrgeiz zum Avancement abstumpfte. Trotz aller großer
Opfer, die sein staatlicher Beruf ihm auferlegte, blieb seine peinliche
Pünktlichkeit in Bezug auf den Schabbat und Teilnahme an dem
Gottesdienst eine unveränderliche, sodass Herr Rabbiner Dr. Kramer in
seiner ergreifenden Trauerrede, die Psalmsätze 'Wer geht hinauf auf den
Berg des Ewigen...' (Psalm 24,3) im buchstäblichen Sinne auf ihn
anwenden konnte.
Welch hohe Anerkennung dieser fromme, schlichte Jehudi bei seinen hohen
staatlichen Vorgesetzten trotz seiner strengen Beobachtung des Sabbats stets
gefunden hat, konnte die ihm im Leben Fernstehenden erst an seinem
Leichenbegräbnis ersehen. Die höchsten Vertreter der staatlichen Anstalt,
deren Mitglied er war, ließen es sich, trotz der frühen Morgenstunde und der
grimmigen Kälte, sowie trotz des Neujahrsfestes - nicht nehmen, ihrem
Kollegen die letzte Ehre zu erweisen.
An der Bahre widmete ihm Herr Geheimer Hofrat Prof. Bunde, Mitglied
der Ersten Kammer, einen sehr warmen Nachruf, in dem er die edle Gesinnung,
sowie das unerschütterliche Pflichtbewusstsein des Verblichenen rühmte und
hervorhob. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
Anmerkungen: - Avancement: (hier) Karriere, berufliches Fortkommen
- ...peinlich: Gemeint ist hier 'mit Akribie, Genauigkeit'
- Rabbiner Dr. Kramer: Rabbiner Dr. phil. Jakob Kramer vgl.
Artikel "Zum Tod des Stiftsrabbiners Dr. Jakob Kramer (1921)
- Jehudi: hebräisch für 'Jude', gebraucht meist für "frommer Jude"
- Neujahrsfestes: Gemeint ist hier das Neujahrsfest des gregorianischen
Kalenders, nicht des jüdischen Kalenders. |
Stadtrabbiner
Dr. Appel, Bertha Friedberg und Sara Meier (alle aus Karlsruhe) werden mit der
Friedrich-Louisen-Medaille ausgezeichnet (1912)
Über
den Reichstagsabgeordneten Dr. Ludwig Haas (Artikel von 1912 und 1914)
Anmerkung: zu Ludwig Haas vgl. Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Haas_(Politiker)
neuere Literatur: Ewald Grothe /Aubrey Pomerance / Andreas Schulz (Hrsg.):
Ludwig Haas, Ein deutscher Jude und Kämpfer für die Demokratie. Droste,
Düsseldorf 2017 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der
politischen Parteien. Band 174).
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 5. April 1912: "Die jüdischen Reichstagsabgeordneten
- Erste Serie
In Nr. 12 brachte ich ein, wie ich glaubte, ein authentisches Verzeichnis
der jüdischen Mitglieder des gegenwärtigen deutschen Reichstags. Da ich
glaubte, dass es meinen Lesern von Interesse sein dürfte, die jüdischen
Vertreter des Reichstags im Bilde vor sich zu sehen, so wandte ich mich an
die sieben dort genannten Herren zugleich mit der Bitte, mir kurze
Nachrichten über ihren Lebensgang und womöglich auch über ihre Stellung zum
Judentum zu machen. Bisher hatten dieser nur vier der Angegangenen
entsprochen. Einzelne haben gar nicht geantwortet, von einer Seite ist mir
nahegelegt worden, zu erwägen, 'ob es wirklich dem Judentum nützlich sei,
die jüdischen Reichstagsabgeordneten sozusagen korporativ zu behandeln.'
Darauf möchte ich antworten, dass aus dem zufälligen Umstande, dass die
Mehrzahl der dem Judentum entstammenden oder dem Judentum treugebliebenen
Reichstagsabgeordneten der Sozialdemokratie angehören, durchaus kein Schluss
auf die Stellung des Judentums zur Politik gezogen werden kann und soll.
Jeder politisch gebildete Leser weiß, dass die jüdischen Sozialdemokraten
weder ausschließlich von Juden gewählt noch deswegen der Ehre ihres Mandats
teilhaftig geworden sind, weil sie Juden sind; sondern, dass die Partei
bestimmte Kandidaten aufstellt, und dass die Wähler im Allgemeinen gewohnt
sind, der Parteileitung zu folgen. Es kann daher lehrreich sein, dass die
dem Judentum angehörigen Sozialdemokraten in solchen Wahlkreisen
durchgedrungen sind, in denen sie vielleicht nicht eine jüdische Stimme auf
sich vereinigt haben. Aber immerhin ist es ein Zeichen der Zeit, dass die
sozialdemokratische Parteileitung keinen Unterschied im Glauben macht. Dass
nur zwei unserer Reichstagsabgeordneten der Volkspartei, kein einziger der
nationalliberalen angehört, soll nicht der Leitung dieser Parteien Schuld
gegeben werden. Es standen namentlich in der Volkspartei manche jüdischen
Kandidaten zur Wahl; der Zufall oder widrige Umstände haben gegen sie
entschieden. Jedenfalls wollen wir hoffen und wünschen, dass die jüdischen
Abgeordneten, welcher Partei sie auch angehören, wo es Not tut, ihre Stimmen
für die Juden erheben werden.
L. G.
1. Vertreter der Volkspartei - Dr. Ludwig Haas, Rechtsanwalt
und Stadtrat in Karlsruhe in Baden. |
'Ich
bin am 16. August 1875 in
Freiburg
im Breisgau geboren. Ich besuchte die Volksschule in Freiburg und
Landau
(Pfalz) und
Bruchsal.
Während meines Universitätsstudiums war ich Mitglied der Verbindungen K. C.
Badenia in
Heidelberg, Licaria in München und der Freiburgia in Freiburg i. Brg.
Ich hatte mich diesen Verbindungen angeschlossen und für sie gearbeitet,
weil ich schon als Student der Auffassung war, dass der Kampf gegen den
Antisemitismus Pflicht eines selbstbewussten deutschen Studenten jüdischer
Konfession sein müsste. Ich habe auch die in den Verbindungen im K. C.
geleistete Erziehungsarbeit als wertvoll erkannt. Nach beendigtem
Staatsexamen promovierte ich in Freiburg in Baden und war dann badischer
Rechtspraktikant. Seit 1901 bin ich Rechtsanwalt in Karlsruhe und seit dem
Jahre 1909 ehrenamtlicher Stadtrat. Ich bin Expräsident der Carl-Friedrich
Loge U.O.B.B. (= Unabhängiger Orden Bne Beriss, vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/B'nai_B'rith) und im Vorstand des
badischen Landesverbandes des Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen
Glaubens. Unter Ablehnung zionistischer Anschauungen erblicke ich im
deutschen Judentum eine historisch gewordene Gemeinschaft, die dem deutschen
Volksganzen wertvolle Dienste geleistet hat und wertvolle Dienste leistet.
Das deutsche Judentum darf nicht aus Gründen des Rechts und der
Gerechtigkeit, sondern aufgrund seiner wertvollen wirtschaftlichen
Leistungen die endliche Durchführung der Gleichberechtigung in der Praxis
erlangen.
Ehrenpflicht eines jeden deutschen Juden ist es, gerade im Hinblick auf die
mannigfachen Kränkungen und Zurücksetzungen nicht nur die Zugehörigkeit zum
Judentum zu bewahren, sondern für seine Gleichberechtigung und soziale
Hebung zu arbeiten.'"
Anmerkungen: - Nationalliberale Partei:
https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalliberale_Partei
K.C. Badenia: Benannte sich 1902 in K.C. Bavaria um:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bavaria_Heidelberg
K.C.:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kartell-Convent
Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens: vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Central-Verein_deutscher_Staatsbürger_jüdischen_Glaubens |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. Dezember 1914: "Wie sein badischer Landsmann und Kollege
Ludwig Frank hat sich auch Dr. Ludwig Haas, der bekannte demokratische
Politiker und fortschrittliche Reichstagsabgeordnete für Karlsruhe,
gleich nach Kriegsbeginn als Kriegsfreiwilliger gemeldet.
Der 'Unteroffizier des Landsturms' wollte nicht nur zur Bahnbewachung
dienen, sondern er, der in Bern und Basel mitgearbeitet hatte, um das
Verhältnis zu Frankreich freundschaftlicher zu gestalten, wollte nun, da
das Vaterland angegriffen war, an die Front vor den
Feind.
Mit dem neugebildeten Regiment 'Karlsruhe 109' kam er auch sehr bald in
die schweren Kämpfen um Ypern, wo er mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet
wurde. Schon nach wenigen Tagen hatte die Kompanie keine Offiziere mehr,
und so bekam er, der indessen Vizefeldwebel geworden war, als
Offizierstellvertreter die Führung der Kompanie.
Wir haben schon früher einmal das Bild des verehrten Mannes gebracht,
stellen aber gern unseren Lesern den wackeren Kämpfer für Recht und
Freiheit noch in Uniform vor. J.G." |
Über
die Sängerin und Gesangspädagogin Emilie Kaula geb. Ettlinger (geb. 1833 in
Karlsruhe, gest. 1912 in München; Artikel von 1920)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1.
Oktober 1920: "Emilie Kaula. Am 29. September 1912 schied
Emilie Kaula, eine der hervorragendsten Gesangsmeisterinnen des
neunzehnten Jahrhunderts, die auf das Münchener Musikleben Jahrzehnte
hindurch den weitesttragenden Einfluss ausgeübt hat, fast achtzigjährig
von dieser Erde. Das Lebensbild dieser Glaubensschwester, über die bisher
nur sehr wenig bekannt war, dem geschätzten Leserkreise dieses Blattes
nahe zu bringen, soll die Aufgabe dieser kleinen Skizze sein. Emilie
Kaula wurde am 9. Juli 1833 als die Tochter des Karlsruher Hofgerichtsadvokaten
Veit Ettlinger und seiner Gattin Sarah Sophie Kaula aus Augsburg
geboren. Inmitten einer zahlreichen Geschwisterschar wuchs sie im
Sonnenschein zärtlichster Elternliebe und Fürsorge heran und genoss eine
vorzügliche Erziehung. Frühzeitig zeigte sich bei ihr ausgesprochene
musikalische Begabung und namentlich eine auffallend schöne Stimme. Der
Gedanke an eine künstlerische Ausbildung lag in jener Zeit den höheren
jüdischen bürgerlichen Familienkreisen noch fast gänzlich fern. Der Cäcilien-Verein
ihrer Vaterstadt, in dem Händel'sche und Mendelssohn'sche Oratorien und
Schumann'sche Chorkompositionen aufgeführt wurden, gab dem jungen
Mädchen häufig Gelegenheit zum Solosingen und in Schumanns 'Paradies und
Peri' hatte sie einen großen Erfolg. Der Dirigent des Vereins war auch
Emiliens Gesanglehrer, verstand jedoch wenig von Stimmbildung und nur die
glücklichen Anlagen seiner Schülerin bewahrten diese vor Gefährdung
ihrer Stimmmittel. Ein Solo aus Mozarts 'Idomeneo', das Emilie singen sollte,
gab ihrer Mutter Veranlassung, diese dem ehemals berühmten, in Karlsruhe
lebenden Tenor Haizinger zuzuführen, der mit lebhaftem Interesse
die Partie mit der jungen Kunstnovize studierte. Schon früher hatte Liszt
sie in Karlsruhe gehört; bei einem ihm zu Ehren veranstalteten Konzert,
in dem sie mitwirkte, wurde ihr die Auszeichnung zuteil, dem berühmten
Gast einen Lorbeerkranz überreichen zu dürfen, wofür sie Liszt mit
schmeichelhaften Worten auf die Stirn küsste.
Von außerordentlicher Bedeutung für Emiliens musikalische Ausbildung war
ein längerer Aufenthalt in Paris, im Hause ihres dort verheirateten
älteren Bruders. Sie blieb von 1858 bis 1861 dort und kam namentlich
durch ihren Vetter, den Komponisten Friedrich
Gernsheim, der seinen Studien eine Reihe von Jahren in der
französischen Metropole oblag, mit vielen musikalischen Größen in Berührung,
u.a. auch mit dem berühmten Gesangsmeister Julius Stockhausen.
Dieser hatte in Paris einen vorzugsweise aus Deutschen bestehenden kleinen
Gesangverein gegründet, den er leitete; Emilie sang in diesem Chor und Stockhausen
erklärte, er höre stets sofort ihre schöne Stimme heraus. Durch diesen
Verein lernte sie auch Frau Pauline
Viardot-Garcia kennen, die ihre Stimme sehr schön fand und sie
einlud, bei ihr zu singen und ihren Unterrichtsstunden zuhörend
beizuwohnen. Fraglos haben diese beiden Gesangsgrößen bedeutenden
Einfluss auf Emilie gehabt. Bei Gernsheim
traf sie u.a. auch Saint-Saëns,
Colonne, die Milanollo
und viele andere Musiker und Sänger von Ruf. Unter den deutschen
Musikern, die ihr schon damals näher traten, war vor allem der spätere Hofkapellmeister
in Karlsruhe und Generalmusikdirektor Hermann
Levi und dessen Bruder, der unter dem Namen Lindeck
in Paris wirkte. In den Pariser Aufenthalt Emiliens fiel auch die
berüchtigte erste Tannhäuser-Aufführung, der auch Emilie mit ihrem
Bruder beiwohnte.
Heimgekehrt vermählte sich Emilie noch in demselben Jahre 1861 mit einem
Verwandten ihrer Mutter, dem damaligen Bankdirektor Hermann Kaula aus
Harburg. Kurze Zeit darauf übersiedelten jedoch die Gatten nach München,
der Vaterstadt Kaulas, wo dieser ein Bankgeschäft gründete. Die junge
Frau setzte hier eifrig ihre musikalischen Studien fort, nahm noch längere
Zeit Gesangunterricht, gründete ein Gesangquartett und in ihrem Hause
fanden oft musikalische Aufführungen statt, die sich später zu einem
glänzenden musikalischen Salon erweitern sollten. Im Jahre 1872 kam Hermann
Levi von
Karlsruhe nach München und durch ihn wurde sie mit Brahms bekannt, dem
sie mit ihren Quartettmitgliedern seine 'Liebeswalzer' vorsang, die dieser
und Levi begleiteten.
Nachdem 1876 Emiliens Gatte nach längerer Krankheit gestorben war, begann
sie ihre Kunst als Beruf auszuüben. Ihr Gesangsquartett entfaltete sich
zu einem Gesangverein, für den sie junge Dirigenten von musikalischer
Bedeutung zu gewinnen wusste, unter anderem auch Joseph Rubinstein.
Emilie Kaula gebührt das Verdienst, in einer Zeit in München für Brahms
eingetreten zu sein, als dieser noch unbeachtet war; viele seiner
Kompositionen erfuhren in ihrem Hause ihre erste Aufführung, ebenso
später die Blumenmädchenszene aus dem 'Parsifal', wie die ersten
Kompositionen des jungen Richard
Strauß. Als Hermann
Levi die
glänzenden gesangspädagogischen Erfolge seiner Freundin wahrgenommen
hatte, empfahl er sie warm jungen Gesangstudierenden. Ihre erste Schülerin
war die spätere Konzertsängerin Pia von Sicherer, zahllose andere
folgten, die überall in deutschen Landen auf der Bühne und im
Konzertsaal den Ruhm der Kaulaschen Gesangschule verkündeten. In den
achtziger Jahren veranstaltete Frau Kaula mit ihrem Schülerkreise und
ihrem Gesangverein auch einige Opernaufführungen; später fanden nur
öffentliche und private Konzerte statt und schließlich löste sie ihren
Gesangverein auf. Bis kurz vor ihrem Tode bildete ihr Salon nicht nur den Mittelpunkt
der musikalischen Welt Münchens - die Komponisten Ludwig
Thuille, Max
von Schillings und andere mehr verkehrten oft und gern in ihrem
Hause -, auch viele Persönlichkeiten, die in den literarischen,
wissenschaftlichen und künstlerischen Kreisen Münchens Ruf und Ansehen
genossen, scharten sich um die hochgebildete, geist-, gemüht- und
taktvolle Frau, von der sie reiche Anregungen empfingen und die es in
einzigartiger Weise verstand, ihr Heim zu einer Stätte edelster Geselligkeit
zu gestalten. Bis in die späteste Zeit konnte Frau Kaula ihren Schülern
alles selbst vorsingen, was ja bei jedem Gesangunterricht besonders
wichtig ist. Als Gesanglehrerin war sie überhaupt nicht hoch genug zu
schätzen; niemals hat sie Talentlosigkeit beschönigt. Max
Zenger, der Komponist des 'Kain', sagte von ihr kurz vor seinem
Tode: 'sie ist die gewissenhafteste Lehrerin, die ich kenne, sie hat
noch nie eine Stimme verdorben und hat noch nie versprochen, was sie nicht
gehalten'. Niemals hat sie wenig behabten Schülern trügerische
Hoffnungen auf dereinstige reiche künstlerische Erfolge vorgespielt. So
ist es ihr natürlich nicht erspart geblieben, auch vielfach Undank zu
ernten, jedoch bei weitem mehr Dank und Anhänglichkeit ist ihr zuteil
geworden. Sie war ihrem großen Schülerkreise nicht nur die ernste
strenge, rastlose Lehrerin, sondern auch eine wahrhaft mütterliche
Freundin und Beraterin, und wo sie nicht selbst mit Geldmitteln helfen
konnte, suchte sie ihre einflussreichen Verbindungen für die ihrer
musikalischen Erziehung anvertrauten jungen Talente |
nutzbar
zu machen. Bis zum letzten Hauche ging ihr die Kunst über alles. Sie
hatte die Freude, ihre musikalische Begabung auf ihre beiden Kinder
verehrt zu sehen. Ihr Sohn Friedrich Kaula, Direktor der
München-Dachauer Papierfabrik, ist ein bekannter Mäzen der Münchener
Gesellschaft. Ihre Tochter Magdalene Muncker geb. Kaula (sc.
geb. 1861 in München), die Gattin des bedeutenden
Literaturhistorikers der Münchener Universität Professor Franz
Muncker, hatte sich schon als junges Mädchen als Pianistin Ruf
erworben und die pianistische Begleitung bei den Gesangstunden wie bei den
öffentlichen Aufführungen der Kaulaschen Schülerinnen übernommen. Nach
dem Tode ihrer Mutter hat sie deren verwaister Schülerinnenschar die
liebevollste mütterliche Fürsorge angedeihen lassen. In ihrem letzten
Lebensjahrzehnt hatte Frau Kaula noch die Genugtuung, dass ihre verwitwete
Schwester, Frau Helene Wertheimer, die ihr an Geist und Güte,
Bildung und echter Weiblichkeit ebenbürtig war, von Wien nach München
übersiedelte und in ihrem Hause eine neue Heimat fand. Geistig und
körperlich frisch und rege bis zu ihrem Ende hat sich Frau Kaula in allen
Schichten einer ungewöhnlichen Verehrung erfreuen dürfen und ihr
Heimgang bedeutete nicht nur für das musikalische München einen
schmerzlichen Verlust. Ihr segensreiches Wirken als Gesangspädagogin wie
ihre edle Persönlichkeit leben im Andenken aller derer, die sie gekannt
und geschätzt, unvergessen fort. Ihrer Schwester Anna
Ettlinger in Karlsruhe danken wir wertvolle Nekrologe auf Hermann
Levi und den der Familie ebenfalls eng befreundeten Felix
Mottl. Sie genießt in ihrer Vaterstadt hohes Ansehen durch ihre
literarischen Vorträge wie als Schriftstellerin, und ihr Übersetzungen
aus dem Englischen und Polnischen gelten als vorbildlich.
Breslau - Regina Reißer."
Anmerkungen: - 1878 wohnte Emilie Kaula in der Fürstenstraße 1. Emilie
Kaula betrieb 1891 in der Münchner Theatinerstraße 18 III eine
Gesangsschule. Siehe Information über den
Link.
-
Franz Muncker war ihr Schwiegersohn: siehe Information über den
Link;
1891 wohnhaft in der Amalienstraße 92.
- Tenor Haizinger:
https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Haizinger
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0348
https://www.swr.de/swr2/programm/article-swr-14220.html
- Julius Stockhausen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Stockhausen_(Musiker)
https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1351
- Tannhäuser: Gemeint ist der Theaterskandal im März 1861.
- Joseph Rubinstein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Rubinstein
https://www.wagner200.com/biografie/biografie-joseph-rubinstein.html
- Hermann Hirsch Kaula (1821 -1876), Münchner Bankier, siehe:
https://dewiki.de/Lexikon/Kaulla_(Unternehmerfamilie): Hermann
Kaula eröffnete im April 1862 in München ein Bank- und
Wechselgeschäft in der Residenzstraße 231.
- München-Dachauer Papierfabrik:
https://de.wikipedia.org/wiki/München-Dachauer_Papierfabriken.
|
Siehe auch Beitrag von Susanne Reber
(Mannheim):
Emilie
Kaula geb. Ettlinger (1833-1912). Eingestellt als pdf-Datei (2023)
|
Zum
Tod von Firmenchef Leopold Ettlinger und von Chefredakteur Julius Katz (1912)
Zum Tod von Ehrenrabbiner Dr. Alexander Stein (früher in
Worms, gest. in Karlsruhe (1914)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Februar
1914: "Im Alter von 71 Jahren starb in Karlsruhe der Ehrenrabbiner Dr.
Alexander Stein, der 40 Jahre Rabbiner in
Worms war, wo
er sich allgemeiner Verehrung erfreute. Bei seinem Rücktritt wurde er zum
Ehrenrabbiner ernannt. Seit seiner Pensionierung lebte Dr. Stein in
Karlsruhe."
Anmerkung: - vgl.
Artikel zum Tod von Rabbiner Dr. Alexander Stein, eingestellt in der
Wormser Seite. |
Rechtsanwalt
Ludwig Marum folgt dem gefallenen Rechtsanwalt Dr. Frank im Landtag nach (1914)
Dr.
Max Meyer lehnt eine Berufung an die TH Karlsruhe auf Grund der antisemitisch
geprägten Studentenschaft ab (1920)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 20. Februar
1920: "Karlsruhe. Dr. Max Meyer – Berlin hat die Berufung an
die hiesige technische Hochschule abgelehnt, trotzdem die antisemitische
Studentenschaft ihren Protest gegen seine Berufung zurückgezogen hat."
|
Im November 1918 wurde die großherzogliche Familie durch den
jüdischen Innenminister Dr. Ludwig Haas mit 40 Soldaten beschützt
(1921)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 29. September 1921: "Karlsruhe. Staatspräsident Trunk
sagte im Landtag in einer großen politischen Rede: 'Als in der Nacht vom 9.
auf den 10. November die großherzogliche Familie im Karlsruher
Schlosse bedroht war, hat sich nicht einer von den vielen hunderten in
Karlsruhe wohnenden Offizieren zum Schutze des Großherzogs eingefunden. Nur
der damalige Minister des Innern, Dr. Ludwig Haas, ein Jude, hat an
der Spitze von 40 Soldaten den Großherzog geschützt.'"
Anmerkungen: - Staatspräsident Trunk:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Trunk
- Großherzog:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(Baden,_Großherzog) |
Antisemitischer Angriff des Studentenausschusses der
Technischen Hochschule gegen Direktor Dr. Max Mayer
(1920)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. März
1920: "Karlsruhe, 3. März. Bekanntlich hat der Studentenausschuss an
der Technischen Hochschule in Karlsruhe an den Direktor Dr. Max
Mayer ein Schreiben gerichtet, in dem es heißt, dass sein Erscheinen an
der Hochschule als Semit unerwünscht sei und dass, falls er die
Berufung noch annehme, er die Konsequenzen tragen müsse. Der Rektor hat sich
scharf gegen das Auftreten der Studenten gewendet und verlangt, dass dieser
Brief zurückgenommen werde, da er einen unerlaubten Eingriff in das
Berufsrecht von Rektor und Senat bedeute und gegen die studentischen Sitten
verstoße. Eine jüngst abgehaltene Studentenversammlung kam zu dem Ergebnis,
dass der Brief nicht zurückgenommen werden würde, da er keinen Eingriff in
das Berufsrecht des Rektors bedeute, sondern nur die Überzeugung der
Studentenschaft zum Ausdruck bringe."
Anmerkung: - Technische Hochschule:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hochschule_Karlsruhe |
Mord an der 22-jährigen Frau Fuchs im Trödlerladen Fuchs
(1923)
Anmerkung: nach der "Karlsruher Zeitung" vom 5. Juli 1923 handelte es sich um um
die 24-jährige Ehefrau des in der Durlacherstraße 93 wohnenden Händlers Hermann
Fuchs, die von dem 22jährigen Tagelöhne Fritz Reiher ermordet wurde. Hermann
Fuchs (geb. 1. Dezember 1897 in Będzin, heute Polen)
wurde 1938 nach Polen abgeschoben und wurde 1943 vermutlich in Auschwitz
ermordet. Weiteres zur Familie siehe im Karlsruher Gedenkbuch:
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/1113/seite/3/suche/F.html
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 26. Juli 1923: "Karlsruhe in Baden, 9. Juli. Mittwoch, den 4.
Juli, nachmittags 5 Uhr, hat sich hier ein erschütterndes Verbrechen
zugetragen. Der hier geborene und hier wohnhafte Tagelöhner Fritz Reither
ging in den Trödlerladen der Eheleute Fuchs, um dort angeblich ein
Paar Schuhe zu kaufen.
Die junge Frau Fuchs war allein im Laden. Reither durchschnitt ihr den Hals
und eilte davon. Nach wenigen Minuten verstarb Frau Fuchs in den Armen ihrer
Mutter mit den Worten: 'Mutter, man hat mich abgeschlachtet, ich will nicht
sterben, nimm das Kind.' Der Mörder wurde als der oben erwähnte Tagelöhner
erkannt. Es gelang jedoch bis jetzt nicht, ihn festzunehmen. Man nimmt an,
dass er ins besetzte Gebiet geflohen sei. Eine große Erregung herrscht in
der hiesigen gesamten, sowohl jüdischen als auch nichtjüdischen Bevölkerung,
über diese grauenhafte Mordtat. Bei der Beerdigung dieser so jählings und
meuchlings aus dem Leben gerissenen, kaum 22 Jahre alten jungen Frau, sah
man eine enorme Menschenmenge, sowohl Juden als auch Nichtjuden, die tief
ergriffen dem Sarge folgte. Da der Mörder flüchtig gewesen ist konnte man
bis jetzt noch nicht feststellen, ob es sich um einen Raubmörder handelt,
oder ob der Mörder ein Geheimsendling der Hitlerbande ist, die auch hierher
ihre Verbrecherhorden zu verbreiten gedenkt." |
Hinweis: ergänzender Bericht in der
"Karlsruher Zeitung" vom 11. Juli 1923: "Verhaftet. Der Taglöhner Fr.
Reither aus Karlsruhe-Beiertheim, der am 4. Juli die Frau Fuchs in der
Durlacher Straße ermordet hat und dann flüchtig gegangen ist, konnte gestern
in Hanau verhaftet werden. Er wurde ins hiesige Amtsgefängnis eingeliefert."
|
Zum Tod von Moses Goldberg
(1923)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Oktober
1923: "Karlsruhe, 27. September. Dicht vor der Schwelle des
neuen Jahren schied mit Moses Goldberg eine der markantesten
Persönlichkeiten der Religionsgesellschaft und einer der bestgeachtetsten
Männer der badischen Hauptstadt im Alter von 66 Jahren aus diesem irdischen
Leben. Aber nicht nur den Seinen, auch für einen weiten Kreis von Menschen,
sank mit ihm der Freund, Berater und tatenfrohe Förderer allzu früh in die
Gruft. Durch mehr als 50 Jahre hatte er dem bekannten Bankhause Strauß u.
Co., in das er als Lehrling eingetreten war, die Treue gewahrt und zu der
stolzen Entwicklung dieses angesehenen Unternehmens an leitender Stelle
wesentlich beigetragen. An den materiellen Erfolgen, die ihm berufliche
Tätigkeit und vorbildliche wirtschaftliche Gesinnung eintrugen, hatte auch
die Allgemeinheit, voran seine Gemeinde, doch auch die an irdischen Gütern
Armen in allen Teilen Deutschlands und der Welt einen die Vorschriften
unserer heiligen Religion weit übersteigenden Anteil. Die Wenigsten wussten,
wie reich dieser in der Stille und frei von Ehrgeiz wirkende, gütige Mensch
schenkte, viele wussten, wie froh er es tat, wie es ihm Herzenssache war,
und dass er die Freude des Schenkens auf andere zu übertragen wusste. Die
zwingendste Wirkung, die von ihm ausging, war nicht zum wenigsten auf die
Harmonie seines Wesens zu beziehen. Allem Extremen widerstrebte er nicht
minder, wie dem Lauten und Grellen, dem Neid und der Lieblosigkeit.
Dieser Adel zog vor allem auch viele junge jüdische Menschen in seine Nähe
denen er aus reichem jüdischen Wissen, froher Gottinnigkeit und tiefer
Weltkenntnis beglückend und beglückte spendete. Mancher Chaluz wird dem
Heimgang dieses Chasid (frommer Jude) drüben im Lande der Väter eine
Träne weihen. Denn in vielen stärkte er die Liebe zu Erez Israel, für das er
sich als Vertrauensmann von 'Lema’an Zijon' so manchesmal werbend einsetzte.
Die Jungen in seiner Gemeinde aber werden noch gar oft in den erhabenen
Tagen des jüdischen Jahres seiner in Wehmut gedenken, als eines würdigen
Schaliach Zibur (= 'Abgesandter der Gemeinde', der beim Gottesdienst
bestimmte Gebete spricht), der ihnen mit wohllautenden Sange, die
frommen Weisen im Ohr und Seele sang, und der ihnen zumal an Simchat Tora
(= Torafreudenfest) unermüdliche, immer wieder die segnenden Worte
des scheidenden Moses vortrug und danach den Segen des Ewigen auf ihre
eigenen jugendliche Häupter herabflehte. So mancher Zug, den unser Buch der
Bücher der erhabenen Gestalt des 'Vaters der Propheten' nachrühmt,
vornehmlich das Anu Meod wird sich in der Erinnerung seiner jungen
und alten Freunde mit dem Bilde des entschlafenen Moscheh Goldberg verbinden
und es in ihrer Brust frisch erhalten. Seine Seele sei eingebunden in den
Bund des Lebens."
Anmerkungen: - '..vor der Schwelle des neuen Jahres': Gemeint ist
das jüdische Neujahrsfest im Frühherbst. vgl. 'Hohe Feiertage' (Rosch
Haschana-Neujahr und Jom Kippur- Versöhnungstag)
https://de.wikipedia.org/wiki/Rosch_ha-Schana
https://de.wikipedia.org/wiki/Jom_Kippur
- Religionsgesellschaft: https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
- Vorschriften unserer heiligen Religion: Hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Zedaka
- Chaluz: Pionier, gemeint sind die frühen Siedler im damaligen Palästina
- Erez Israel: Das Gelobte Land, das damalige Palästina
- Lema’an Zijon: 'Um Zions Willen'
- ...in den erhabenen Tagen: die Hohen Feiertage, siehe oben
- "Vater der Propheten" = Mose |
70. Geburtstag von Dr. David Mayer (1924)
Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 24. Juli 1924: "Dr. David
Mayer, Geheimer Oberregierungsrat in Karlsruhe, vollendet am 25. Juli
sein 70. Lebensjahr. Sein Name wird nicht nur in Baden mit stolzer
Verehrung genannt, sondern seine unermüdliche, rastlose Tätigkeit auf
allen Gebieten öffentlich jüdischen Lebens hat ihm die Wertschätzung
weitester Kreise verschafft. Ein leuchtendes Denkmal seiner umsichtigen
Fürsorge ist das 1912 gegründete Friedrich-Luisen-Hospiz
in Bad Dürrheim, eines der schönsten jüdischen Heime unseres
Vaterlandes. Allezeit ist ihm seine Gattin eine verständnisvolle
Mitarbeiterin bei seinem segensreichen Schaffen gewesen. Wir gratulieren
herzlichst!" |
|
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des Central-Vereins)
vom 28. August 1924: "Für die zum 70. Geburtstage mir gewidmeten
Zuschriften und sonstigen Liebesbeweise sage ich, auch namens meiner
Gattin, allerherzlichsten Dank.
Karlsruhe, 15. August 1924.
Geh. Oberregierungsrat Dr. D. Mayer." |
Zum Tod von Liebmann Strauß
(1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. November
1927: "Karlsruhe, 30. Okt. In der Stunde, in welcher der
Jom HaKippurim (Jom Kippur = Versöhnungstag) bereits die Strahlen
seiner Heiligkeit über die Welt sandte, trug man in Karlsruhe einen Mann zur
ewigen Ruhe, welcher, geliebt von den Seinen, betrauert von einer Gemeinde,
eine große Lücke in dem Kreise der gesetzestreue Judenheit in Karlsruhe
hinterlassen hat. Liebmann Strauß, dessen Name weit über die Grenzen
dieser Stadt als eines wahrhaften Gottesfürchtigen bekannt war, wurde
im hohen Alter von 85 Jahren aus dieser Welt abberufen. Gebürtig aus
Külsheim, einem kleinen, aber heute
noch gut jüdischen Städtchen in Baden, gelang es ihm, die hier erworbenen
jüdischen Kenntnisse im Frankfurt – in dem
Frankfurt Samson Raphael Hirschs – zu erweitern und zu vertiefen.
So war er wie kein anderer dazu geeignet, bei der Gründung der
Israelitischen Religionsgesellschaft in Karlsruhe, wohin er seinen Wohnsitz
verlegt hatte, in die Reihe der Männer zu treten, welche es unternahmen, den
Nivellierungsbestrebungen des damaligen Oberrats der Israeliten und des
Synagogenrats Karlsruhe mit dieser Gründung ein Paroli zu bieten. Mit ihm
hat die Adass Jeschurun (= Israelitische Religionsgesellschaft) ihren
letzten Gründer verloren. So war Liebmann Strauß zu allen Zeiten seines
gesegneten Lebens ein Mann der Tat, ein Mann der treuen Pflicht und dieses
hohe Pflichtbewusstsein zeichnete ihn nicht nur in seinem Berufe aus,
welcher ihm die Sorge für die Erfüllung eines heiligen Gebetes (Hebräisch)
für viele Tausende in jedem Jahr aufs Neue auferlegte, sondern auch sonst im
Leben war die Weisung Gottes ihm alleiniger Wegweiser zu allen seinen
Handlungen. Wir erinnern uns an den Brand, welcher im Juni 1871 die
Karlsruher Synagoge bis auf den Grund zerstörte und aus welchem Liebmann
Strauß unter Lebensgefahr sämtliche Torarollen (Sifrei Tora) rettete,
ohne zu beachten, dass sein neben dem brennenden Gotteshause liegendes
Anwesen, welches sein gesamtes Eigentum beherbergte, ebenfalls in hellen
Flammen stand. Der 'Israelit', welcher damals ausführlich über diesen Brand
berichtete, würdigte die hohe Tat dieses edlen Mannes in geziemender Weise.
Liebmann Strauß war ein Mann der Tat, so leitete er Jahrzehnte hindurch im
Vorstand und auch als ihr Präses, die Chewrah Kadischa (Heilige
Bruderschaft) in Karlsruhe, die Chewra Dawar tow
('Gesellschaft Gute Sache'), welche sich die heiligen Pflichten der
Nächstenliebe zur hohen Aufgabe gestellt hat. Jahrzehnte hindurch war er 1.
Vorsitzender der 'Frühsynagoge' und hat in dieser Zeit unermüdlich bis in
die letzten Jahre seines Lebens als Baal Tokea (Schofarbläser)
und ehrenamtlicher Vorbeter gewirkt. Gewiss war Liebmann Strauß durch
die Bescheidenheit seines Charakters nie der Mann der hohen Worte, aber
durch sein Leben und Wissen, durch seinen klugen und lebenserfahrenen Rat,
welcher sich auf tiefes jüdisches Wissen gründete, war er eine
Persönlichkeit, welche in Karlsruhe eine Stütze all derer bedeutete, welche
treu zu der Fahne des überlieferten Judentums hielten. Das Leben dieses
seltenen Mannes liegt heute abgeschlossen vor uns, möge es allen denen,
welche in seinem Sinne, in dem einzig richtigen Sinne, das Judentum
verstehen, als ein Beispiel fortwirken. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens."
Anmerkungen: - Liebmann Strauß:
https://de.wikipedia.org/wiki/Matzenfabrik_Strauss
- Samson Raphael Hirsch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Samson_Raphael_Hirsch
- Israelitische Religionsgesellschaft = Adass Jeschurun:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
- Synagogenbrand 1871: Siehe
https://www.alemannia-judaica.de/karlsruhe_synagoge_a.htm über den Brand
in der Weinbrennner-Synagoge, Kronenstraße. |
60. Geburtstag von Isak Thalmann
(1928)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember
1928: "Karlsruhe, 17. Dezember. Herr Isak Thalmann, ein
Sohn des unvergessenen R. Gumpel Thalmann, - das Gedenken an den
Gerechten ist zum Segen -, ein verdientes Mitglied der hiesigen
Religionsgesellschaft, feiert am Heiligen Schabbat Paraschat Wajigasch
seinen 60. Geburtstag. Bemerkenswert ist, dass er als erster Barmizwoh jetzt
vor nahezu 50 Jahren (im Jahre 1880) in der damals neuen Synagoge Karl
Friedrichstraße sein Sidroh vortrug. Unter anderem war er stets eifriges
Mitglied des Chores, an dem er sich durch unermüdliche Mitarbeit verdient
gemacht hat und dem er seit über 40 Jahren angehört.
Seine vielen Bekannten in Nah und Fern dürfte es interessieren, dass Herr
Thalmann seit etwa 50 Jahren ununterbrochen Teilnehmer des noch bestehenden
historischen (Hebräisch) der Familie Ettlinger, Herrenstraße, ist. Auch dort
ist er beispielgebend und pünktlich.
Möge der Jubilar in gleicher Rüstigkeit und Frische diesen schönen jüdischen
Pflichten nachkommen (Alles Gute) bis 120 Jahre."
Anmerkungen: - R. Gumpel Thalmann: eigentlich Gabriel Thalmann
- Religionsgesellschaft
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
- Paraschat Wajigasch
https://de.wikipedia.org/wiki/Wajigasch
- Barmizwoh:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bar_Mitzwa
- Sidroh: Wochenabschnitt aus der Tora = Parascha
https://de.wikipedia.org/wiki/Parascha
- Ettlinger: Gemeint ist wohl die Familie von Rabbiner Jakob Ettlinger
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0611 |
Artikel zum Tod von Ludwig Haas
(geb. 1875 in Freiburg, gest. 1930 in Karlsruhe)
Anmerkung: zu Ludwig Haas vgl. Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Haas_(Politiker)
neuere Literatur: Ewald Grothe /Aubrey Pomerance / Andreas Schulz (Hrsg.):
Ludwig Haas, Ein deutscher Jude und Kämpfer für die Demokratie. Droste,
Düsseldorf. 2017 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der
politischen Parteien. Band 174).
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 8. August 1930: "Die Trauer um Ludwig
Haas. Das am Sonnabend, den 2. August, nachmittags in Karlsruhe
erfolgte Ableben des deutschen demokratischen Führers Ludwig Haas, Mitglied
des Reichstages, hat die republikanischen Kreise Deutschlands in Trauer
versetzt. Seit der Jahreswende lag Ludwig Haas schwerkrank darnieder. Seine
politische Tätigkeit als Reichstagsabgeordneter und Vorsitzender der
demokratischen Fraktion des Reichstags hatte seitdem geruht. Doch stand er
bis zuletzt mit der Leitung der Deutschen Demokratischen Partei brieflich in
Fühlung. Er hatte dem Parteivorsitzenden Koch-Weser mitgeteilt, dass sein
Gesundheitszustand ihm eine ernste Spitzenkandidatur in seinem Wahlkreise
Thüringen nicht gestatte, er hatte sich aber bereiterklärt, auf der
Reichsliste zu kandidieren.
Dr. Ludwig Haas wurde am 16. April 1875 in Freiburg geboren, hat also ein
Alter von 55 Jahren erreicht. Er war einer der angesehendsten Rechtsanwälte
in Karlsruhe, seit 1912 gehörte er dem Reichstags an. Bei Kriegsausbruch
ging er als Freiwilliger ins Feld und erwarb an der Front sehr bald das
Eiserne Kreuz zweiter und erster Klasse. In den letzten Kriegsjahren war er
eine Zeit lang Leiter des jüdischen Dezernats bei der deutschen
Zivilverwaltung in Polen. 1918 war er in der badischen 'vorläufigen
Volksregierung' Minister des Innern und Staatsrat. 1919 wurde er in die
Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, später in den Reichstag
gewählt. Er wurde einer der aktivsten Führer des Reichsbanners
Schwarz-Rot-Gold. Er gehörte dem Hauptvorstand des Central-Vereins deutscher
Staatsbürger jüdischen Glaubens an und stritt bei jeder sich bietenden
Gelegenheit für jüdische Ehre und jüdische Bürgerrechte.
Nachrufe der führenden deutschen Presse: Die führende deutsche Presse
widmet Ludwig Haas ehrende Nachrufe.
Die 'Frankfurter Zeitung' schreibt: Allen demokratischen Menschen
Deutschlands über die Parteigrenzen hinaus, allen überzeugten
Gesinnungsdemokraten wird das Scheiden von Ludwig Haas in diesem Augenblick
schmerzlich sein und bangere Sorge erwecken als das zu anderer Zeit der Fall
wäre. Vielen deutschen Menschen wird er in seiner selbstlosen Hingabe, in
seinem leidenschaftlichen Bekenner- und Kämpfer- und Wirkungswillen für den
deutschen Volksstaat, für sein und unser Vaterland ein lebendiges Vorbild
bleibe. Ludwig Haas war Jude, liberaler Jude, stark seines Judentums sich
bewusst. Für sein Bewusstsein war es keine gewaltsam hergeholte historische
Konstruktion, wenn er immer wieder daran erinnerte, dass ein Großteil der
deutschen Juden seit tausend Jahren mit diesem Boden, vornehmlich dem Boden
der deutschen Rheinlande im weitesten Sinne, verbunden und verwachsen ist,
und dass selbst die im Mittelalter aus Deutschland vertriebenen Ostjuden an
ihrer damaligen deutschen Sprache (eben an der mittelalterlichen Form des
Jiddisch) treuer festgehalten haben als viele nichtjüdische deutsche
Auswanderer, es fertigbrachten.
Im 'Berliner Tageblatt' schreibt Ernst Feder; 'Mit Ludwig Haas
scheidet einer der besten aufrechten Männer, einer der reinsten und
vornehmsten Persönlichkeiten der republikanischen Demokratie. Für diesen
Mann, dem die Demokratie nicht nur Sache des Gedankens, sondern des
lebendigen Mitfühlens und des Miterlebens war, stand die Idee des Rechts und
der sozialen Gerechtigkeit im Mittelpunkt jeder politischen Arbeit. Von
dieser Zentralidee kämpfte er für die Gleichberechtigung aller Staatsbürger,
aller Klassen und Schichten, trat er in Deutschland und im Ausland für die
Annäherung und Verständigung der Nationen ein. Auch im Reichsbund jüdischer
Frontsoldaten stand dieser Hauptmann in der vordersten Front. Für den
demokratischen Gedanken, für die Entwicklung der parlamentarischen Republik,
für die deutsche Nation, ist sein Tod ein herber Verlust.
Wie aus Karlsruhe telegrafiert wird, ist in Baden die Trauer um Ludwig Haas
allgemein. Als Mensch wie als Politiker genoss er in ganz Baden
außerordentlich hohes Ansehen. Auch seine politischen Gegner schätzten seine
von Idealismus getragene Selbstlosigkeit. Die gesamte Presse Badens bis zu
den Blättern, die ausgesprochen rechts stehen, gedenkt in ausführlichen
Nachrufen des Wirkens des Verstorbenen und erinnern daran, dass Haas es war,
der in den Revolutionstagen 1918 mit Einlass des eigenen Lebens für Leib und
Leben der damaligen großherzoglichen Familie eintrat. Bei Ausbruch der
Revolution wurde Haas vorläufiger Volkskommissar, Minister des Innern und
damit zugleich Polizeiminister. Als am 11. November 1918 eine Matrosengruppe
Schüsse auf die Schlossfassade abgab, eilte Haas persönlich in die
Eingangshalle des Schlosses und wehrte mit einer Abteilung Soldaten den
Angriff ab. Zugleich sorgte er für die unbehelligte Abreise des
Großherzogspaars."
Anmerkungen: - Dr. Ludwig Haas:
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick115/haas.de
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Haas_(Politiker,_1875)
- Koch-Weser:
https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Koch-Weser
- Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold:
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsbanner_Schwarz-Rot-Gold
- Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens:
https://de.wikipedia.org/wiki/Central-Verein_deutscher_Staatsbürger_jüdischen_Glaubens
- Ernst Feder:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Feder
- Revolution:
https://www.leo-bw.de/themen/landesgeschichte/baden-im-19./20.-jahrhundert/baden-und-wurttemberg-in-der-novemberrevolution-1918
- Großherzogspaar: Großherzog Friedrich II. und Großherzogin Hilda von Baden
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(Baden,_Großherzog)
|
Zum Tod von Kaufmann Saly Rothschild
(1934)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Mai
1934: "Karlsruhe, 6. Mai. Wehmut und Träne bei vielen löste
der Tod des schlichten und doch so innig frommen Kaufmann Saly Rothschild
aus. Seine Bescheidenheit, seine freundlich zuvorkommende Liebenswürdigkeit
erwarben ihm die Zuneigung vieler, die des Verlustes sich bewusst geworden.
Die Israelitische Religionsgesellschaft verliert in ihm ein treues Mitglied,
auf das sie, wann immer es war, bei der Lösung ihrer Aufgaben zählen konnte.
Die Chewra Kadischa (Heilige Bruderschaft) wusste, dass sie zu jeder
Zeit bei der Erfüllung ihrer Ehrenpflichten auf seine Mitarbeit rechnen
durfte. Die Armen von nah und fern, die zu ihm kamen, verlieren einen
stillen Wohltäter, der in geheimer Verborgenheit Liebestätigkeit geübt.
Im Elternhaus hatte er es vor sich gesehen, gestützt und gefördert wurde er
hierin durch seine gleichgesinnte Gattin, die schlichte Frömmigkeit als
Familientradition ihm zugeleitet hat. (Nach Micha 6,8 'demütig wandeln
vor Gott' = ). Ein keusches Wandeln mit G'tt (= Gott) war sein Leben,
dem ein kurzes, schweres Leiden eine Grenze gesetzt hat. - Eine große
Beteiligung bei der Beerdigung legte Zeugnis ab von dem Ansehen, dass er
genoss. In ergreifenden Worten gab der Rabbiner der Israelitischen
Religionsgesellschaft Ausdruck dem Schmerz und der Trauer um den edlen Mann.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
Anmerkungen: - Zur Familie von Saly Rothschild:
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/3652.html
Israelitische Religionsgesellschaft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
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70. Geburtstag von Dr. Eduard Biberfeld
(1934)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Oktober
1934: "Personalien. Dr. phil. et med. Eduard Biberfeld, ein
Siebzigjähriger
Frankfurt a. M., 9. Oktober
Es ist sonst nicht unsere Gewohnheit, Geburtstagsfeiern einen besonderen
Artikel zu weihen. Wenn aber der 70. Geburtstag einem Manne gegönnt ist, der
mehr als irgend einer unserer Zeitgenossen, mit der Geschichte der
Orthodoxie in Deutschland verknüpft ist, dann ist es journalistische
Ehrenpflicht dieses Tages zu gedenken. Dies gilt doppelt von unserem Organ,
welches der Jubilar in früheren Zeiten so stark geistig befruchtet hat.
Breslau - Karlsruhe - Berlin, in diesen drei Brennpunkten des jüdischen
Lebens wurde und lehrte und wirkte Dr. Eduard Biberfeld.
Das alte Beshamedrasch (= Beth HaMidrasch) in Breslau! Wir wissen nicht, ob
noch ein Schatten von ihm vorhanden ist, aber in dem Jubilar lebt es. Dort
war stetige Einkehr der Toragrößen aus dem alten Litauen, und der
unerbittliche Wahrheitsgeist des Lernens dieser Männer, das auch die
Forschungsmethode des Siebzigjährigen kennzeichnet, ward dort dem Kinde
schon und dem Knaben eingeflößt. Zu den Füßen seines unvergesslichen Vaters
- das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen -, betreut von einer
Mutter altjüdischen, großen Formates, lernte er in Breslau bis zum
anbrechenden Jünglingsalter unermüdlich und kam, des Wissens und der
Ehrfurcht vor den Toragelehrten voll, nach Berlin. Es war die Blütezeit von
Rabbi Esriel Hildesheimer - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen
-, die Maienblüte des Rabbinerseminars, dessen Gründer den Jüngling alsbald
liebte und liebend beeinflusste. Was dem Beshamedrasch in Breslau fern
geblieben war, in der Adaß Jisroel Berlin pulste und flutete es damals
mächtig das gemeindepolitische Kämpfen um die Geltung der Toratreue. Die
innige Freundschaft, welche dem Jubilar stets mit dem gütigen Dr. Hirsch
Hildesheimer - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen - verband,
machte alsbald aus dem Lernenden eine Lehrenden; Dr. Biberfeld wurde
Journalist, wozu er kraft seines literarischen Feingefühls und
Ahnungsvermögens besonders begabt ist. Da zeigte es sich, dass die Luft des
alten Beshamedrasch eine ganz vorzügliche Vorschule für die öffentliche
Vertretung der orthodoxen Interessen ist und bleibt.
Man sagt in der Welt, dass Dr. Biberfeld eine schwer zugängliche, ja
manchmal schroffe Natur sei. Das entspricht den Tatsachen nicht. Wie hätte
er sonst überall die Besten an seinem jeweiligen Wirkungsort zu ehrlichen,
hingebenden Freunden gewinnen können. So in Karlsruhe, um nur einige zu
nennen: Die verewigten Vorkämpfer der Orthodoxie, einen Samuel Strauß, einen
Rafael Wormser. Dort hat der Jubilar mit dem prunklosen, aber um so
ehrlicheren Ausdruck seiner von Lebensbejahung durchglühten
Überzeugungstreue, lehrend Jung und Alt beglücken, kämpfend die Achtung der
Gegner erworben.
Bald ward ihm Gelegenheit geboten, zu beweisen, dass er auch zur technischen
Führung einer großen toratreuen Gemeinschaft die trefflichste Eignung
besitzt. Es nahte der Lebensabend seines großen Lehrers und die Adass
Jisroel berief den Jubilar zu Wardein der religiösen Betreuung der Gemeinde.
Da wurde Mustergültiges vorbereitet und geschaffen und von diesem Tage
verkörpert Dr. Biberfeld die Geschichte der Adass Jisroel.
Um Berlin, um der Sache der Orthodoxie in Deutschland sich ganz frei von
persönlichen Interessen widmen zu können, entschloss sich Dr. Biberfeld ganz
in den Spuren von Rabbi Akiba Eger, einen Beruf zu ergreifen, der ihn
befähigte, helfend und heilend in unabhängiger Weise zu schaffen. Doch ist
die medizinische Tätigkeit auch heute seine Nebentätigkeit. Seine
Haupttätigkeit gilt dem Leben der Tora. Ob er in den altehrwürdigen Räumen
der Berliner Beshamedrasch lehrt und forscht und schreibt, ob er hinaustritt
in die Arena des Kampfes für die unerschütterliche Grundlage der Reinheit
des Gemeindelebens, ob er mannhaft für die Größe und Wahrheit des religiösen
Lebens eintritt (vgl. Xanten und den Tierschutzkongress in Kopenhagen), ob
er die Gemeinde Adass Jisroel unermüdlich und allen Schwierigkeiten trotzend
mit einem mustergültigen Schulwerk begabt, ob er (vergl. Insbesondere seine
Tätigkeit bei der Reorganisation der Freien Vereinigung im Jahre 1907) den
ehrlichen Ruf nach gemeinsamer Interessenvertretung aller wahrhaft
Toratreuen erhebt, es ist immer dasselbe: Eine autark heroische Emunas
Chachamim (Vertrauen in die Weisen), ein tiefes Eindringen in deren
Geist und Leben.
Der Jubilar hat es stets abgelehnt, in den äußeren Formen an der Führung der
Orthodoxie teilzunehmen. Aber in seiner ungebrochenen Jugend ist und bleibt
er einer unserer besten Führer. (Alles Gute) bis 120 Jahre. P.K.
Anmerkungen: - Beshamedrasch = Beth HaMidrasch = Lehrhaus: zur Einrichtung
in Breslau siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdisch-Theologisches_Seminar_in_Breslau
- "seines unvergesslichen Vaters": gemeint Abraham Biberfeld
- Zum Enkel Rabbiner Pinchas Paul Biberfeld vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Pinchas_Paul_Biberfeld
- Rabbi Esriel Hildesheimer:
https://de.wikipedia.org/wiki/Esriel_Hildesheimer
- Adaß Jisroel:
https://adassjisroel.de/gestern/schulwerk-der-adass-jisroel/
https://adassjisroel.de/
- Dr. Hirsch Hildesheimer:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hirsch_Hildesheimer
- Raphael Wormser: vgl. Artikel "Zum
Tod von Raphael Wormser" (1901)
- Samuel Strauß: vgl. Artikel
"Gedächtnisfeier für
Samuel Strauß (Karlsruhe) in Fulda (1904)"
- Wardein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wardein
- Rabbi Akiba Eger:
https://de.wikipedia.org/wiki/Akiba_Eger
https://www.ojm.at/blog/2018/09/20/akiba-eger-der-geburtstag/ |
Zum Tod von Minna Kaufmann, Gattin von Emil Kaufmann
(1934)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November
1934: "Karlsruhe, 1. Nov. Eine der rechtschaffenen Frauen
hat das gesetzestreue Judentum, hat insbesondere die Israelitische
Religionsgesellschaft in Minna Kaufmann, geb. Ascher, der Gattin
ihres Vorstandsmitglieds Emil Kaufmann, verloren. Ihr inhaltsreiches Leben,
ganz ausgefüllt von (Gottes-)furcht und Liebe hat durch einen
plötzlichen Tod einen unerwarteten Abschluss gefunden. In einem regelmäßigen
Schiur bei dem Lehrer der Religionsgesellschaft bemühte sie sich, in
die Gebote der Tora, in den Sinn der Gebete einzudringen. Mit einer
aufopfernden Hingebung und Genauigkeit hielt sie die Weisungen (der Tora),
mit der ganzen Inbrunst ihres frommen Herzens flehte sie zu ihrem Schöpfer
im Gebet, mit vollendeter Hochherzigkeit übte sie Wohltätigkeit. Haus
und Hand öffnete sie Armen und Leidenden aus Nah und Fern, mitfühlend
linderte sie mit Rat und Tat Not und Schmerz. Jeder, der sie gekannt,
vermochte das Weh des Gatten und der Kinder nachzuempfinden und
mitzuempfinden. Die Halle vermochte das gewaltige Trauergefolge nicht zu
fassen. An der Bahre ließ Rabbiner Dr. Michalski, anknüpfend an die
Tage und Jahre des Lebens der Sarah die Tage und Jahre ihres Lebens mit
ihrem köstlichen Inhalt noch einmal vorüber gleiten. Herr Lehrer
Rabinovitz gab dem Schmerze der Familie, Herr Max Mayer dem der in dem
Geschäfte Tätigen in beredten Worten Ausdruck. Das Andenken an diese seltene
Frau lebt in ihrer Gemeinde fort. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens."
Anmerkungen: - Israelitische Religionsgesellschaft.
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
- Rabbiner Dr. Michalski:
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Michalski
- Sarah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sara_(Erzmutter)
- Lehrer Rabinovitz: Isaak Rabinovitz:
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/3450.html |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
8. November 1934: "Unerwartet und plötzlich verschied heute Nacht ½ 3
Uhr nach einem segensreichen, rastlosen Wirken meine innigstgeliebte Frau,
unsere herzensgute, treubesorgte Mutter, Großmutter, Schwester und Tante
Frau Mina Kaufmann, geb. Ascher
im Alter von 57 Jahren. Wer die allzufrüh Verblichene kannte, weiß unseren
Verlust zu ermessen.
Karlsruhe, den 28. Oktober 1934
Nowackanlage 13 Der tieftrauernde Gatte Emil Kaufmann nebst Kindern und
Geschwistern." |
Ergänzung zum Nachruf für Frau Minna Kaufmann geb. Ascher
(1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
15. November 1934: "Karlsruhe, 12. Nov. Zu dem Nachruf auf Frau
Minna Kaufmann geb. Ascher sei noch ergänzend nachgetragen, dass am
Grabe auch Herr Jakob Altmann im Namen der Verwaltung der
Israelitischen Religionsgesellschaft tiefempfundene Worte der Trauer
gesprochen hat."
Anmerkung: - Jakob Altmann:
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/51.html |
Zum Tod von Rabbi Josef Heller
(1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 31. Januar 1935: "Karlsruhe, 29. Jan. Am letzten Sonntag
wurde hier Rabbi Josef Heller zu Grabe getragen. Der Heimgegangene war, ein
Nachkomme von Rabbi Jomtow Lipmann Heller, Verfasser des Tossefot
Jom tow und hatte sich als Toragelehrter und Mann der Tat sehr verdient
in seinem Kreise gemacht. Am Grabe rühmt Herr Rabbinner Dr. Michalski
die Eigenschaft des Heimgegangenen, worauf Rabbi Herz Steinmetz in
einer tief zu Herzen gehenden Hespedrede ein umfassendes Bild Rabbi Hellers
entwarf und den gewaltigen Verlust besonders für die östliche Kolonie der
badischen Hauptstadt schilderte. War er doch einer der ersten Gründer, der
hier segensreich wirkenden Talmud Tora-Schule und ging doch sein
höchstes Streben dahin, im Rahmen dieser Schule die Jugend zur Tora und zur
Gottesfurcht zu erziehen. Von seiner chassischen Begeisterung übertrug er
auf seine Umgebung, und kann ohne Übertreibung festgestellt werden, dass es
seinem Verdienste zuzuschreiben ist, wenn, im Gegensatz zu anderen Städten,
die östliche Jugend in Karlsruhe im Ganzen noch treu zur Thora hält. Rabbi
Josef Heller wird bei uns in gesegnetem Andenken bleiben. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens."
Anmerkungen: - Rabbi J.L. Heller: Rabbiner Jomtow Lipmann Heller
https://de.wikipedia.org/wiki/Jomtow_Lipmann_Heller
- Hespedrede: Trauerrede:
https://www.juedische-allgemeine.de/glossar/hesped/
- Rabb. Dr. Michalski: Rabbiner Dr. phil. Abraham Michalski:
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Michalski
- Rabbi Herz Steinmetz: Rabbiner Naftali Herzel Steinmetz:
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/4152.html |
Zum Tod von
Aron Hanauer (1936)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. August
1936: "Karlsruhe, 6. Aug. In ungeminderter Stärke
wird in den religiösen Kreisen unserer Stadt der Verlust eines wahren treuen
und lieben Jehudi beklagt: Aron Hanauer, in die Familie des Rabbi
Jakow Ettlinger hineinreichend, ist, von
Frankfurt, wo er im Krankenhause Hilfe von einem schmerzhaften Leiden
suchte, nicht lebend zurückgekehrt. Wie sein Vater war auch er ein gesuchter
Mohel. Neben seiner Berufstätigkeit fand er stets Zeit, in die Chewroh Dowor
tauw und in der Chewroh Kadischoh tätiges, eifriges Mitglied zu sein, nichts
vermochte ihn zurückzuhalten, seinen Pflichten als Jehudi Genüge zu leisten.
An seiner Gattin hatte er die gleichgesinnte Lebensgefährtin, in seinen
Kindern die Freude und den Stolz seines Lebens gefunden. In der
Israelitischen Religionsgesellschaft, in der Frühschul und in dem
Ettlinger’schen Minjan wusste man, dass man beim Lernen und beim Beten auf
ihn als einen der Pünktlichsten und Regelmäßigsten zählen konnte, dessen
Andenken erhalten bleibt bei all denen, die ihn gekannt. Seine Seele sein
eingebunden in den Bund des Lebens."
Anmerkungen: - Jehudi: frommer Jude
- Rabbi Jakow Ettlinger:https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Ettlinger
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0611
- Minjan:
https://de.wikipedia.org/wiki/Minjan
- Mohel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mohel
- Chewro Kadischoh:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chewra_Kadischa
- Israelitische Religionsgesellschaft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
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Über einen Briefwechsel zwischen Dr. Richard Fuchs
(Karlsruhe) und Karl Wolfskehl (1937)
Artikel
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 27. Mai 1937: "Dichter und
Komponist
Ein Briefwechsel zwischen Richard Fuchs und Karl Wolfskehl
Dr. Richard Fuchs (Karlsruhe) hat, wie wir in Nr. 19 vom 13. Mai mitteilten,
für sein Opus 'Vom jüdischen Schicksal' den Preis des Reichsverbandes der
jüdischen Kulturbünde in Deutschland für ein Chorwerk mit
Orchesterbegleitung erhalten. Diesem Werk liegen Texte von Karl Wolfskehl
und Süsskind von Trimberg
zugrunde. Zwischen dem Komponisten und dem Dichter Wolfskehl fand vor
Einreichung der Partitur und nach Bekanntgabe des Preisausschreibens ein
Briefwechsel statt, den wir nachstehend auszugsweise wiedergeben.
Die Schriftleitung
Karlsruhe, 2. Januar 1937. Herrn Karl Wolfskehl. Recco b. Genua
Sehr verehrter Herr,
Sie müssen diese trockene Anrede entschuldigen, Titel kenne ich von Ihnen
keine, und 'verehrter Herr Dichter' kann ich doch nicht schreiben, obwohl
ich das gerne tun würde…
Ich habe einen Teil ihrer Gedichte in Musik gesetzt, zusammen mit einem
alten Gesang des Süsskind von Trimberg.
In der Reihenfolge, wie es auf beiliegendem Durchschlag zu sehen ist.
Die Worte des Süsskind überbrücken geistig einige Jahrhunderte und bringen
sie mit dem gewaltigen Klang Ihres Gedichtes zusammen, wobei gewisse Zitate
in der Musik einen inneren Sinn aufdecken, den kein Mensch hat ahnen können…
Süsskinds Worte wirken textlich und in der Musik wie eine Beschwörung eines
Geistes aus dem Mittelalter und es hat für mich, vielleicht auch für Sie? -
einen wehmütigen Reiz, einem Ur- vor Alten geistig gewissermaßen die Hand
reichen zu dürfen…. Dr. Richard Fuchs.
'Recco (Genua), 6. Januar 1937
Sehr verehrter Herr Komponist,
Sie sehen, ich tue das, was Sie sich nicht verstatten und damit mir
vorenthielten. Wie könnten zwei Künstler sich besser, richtiger, ehrender
anreden als mit dem Werknamen, der und nur der macht doch ihren Charakter
aus. Dies soll beileibe kein Einwand sein oder gar eine Zurechtrückung,
sondern bloß unmittelbarer Ausdruck meiner Sinnesart. Und freilich darüber
hinaus noch etwas anderes: Der Ausdruck meiner Freude über, den Spannung auf
Ihr Werk. Nach der dichterischen Seite ist die Gruppierung Ihres Chorwerkes
ganz vortrefflich. Der starke Auftakt, das elegische Fluten und endlich der
beides vereinende, in sich fassende und dabei doch ferngewiss verdrängende
Schlusschor, das ist als Struktur sehr schön. Ein ganz besonders
lieblich-wehmütiger und rein ästhetisch als Fermate wirksamer Einfall ist
es, gleich hinter dem Auftakt die melancholischen Zeiten des Trimbergers zu
bringen; Ebenklang und Gleichgeschehen, das durch sieben Jahrhunderte
herübertönt!…
Ihr sehr ergebener Karl Wolfskehl.'
'Karlsruhe, 12. Januar 1937
Sehr verehrter Dichter,
diese Anrede gibt einem doch einen Schock, einfach deshalb, weil zu jedem
anderen Künstlerberuf eine gewisse Art von Handwerk gelernt werden muss,
während jedes Kind glaubt, die Sprache als solche zu können.
Ihr Antwortbrief hat mich zu meinem freudigen Schreck empfinden lassen, dass
Sie die künstlerische Idee der gewählten Reihenfolge der Gedichte, schon
ohne die Musik zu kennen, intuitiv erfasst haben. Aus Ihren weiteren Worten
entnehme ich, wie groß Ihre Aufnahmefähigkeit für Musik überhaupt ist, und
da inzwischen die Photokopien angekommen sind, überlege ich nicht lange,
sondern sende Ihnen anbei eine Partitur und einen Klavierauszug….
Am liebsten würde ich selbst einmal zu Ihnen nach Recco kommen, vielleicht
kann ich es in diesem Winter ermöglichen. Ich habe das Werk, wie ich schon
schrieb, zu einem Preisausschreiben eingesandt und kann natürlich jetzt
meinen Namen nicht öffentlich nennen. Davon abgesehen, jedoch wird eine
Aufführung nicht nur materielle Schwierigkeiten haben… Und nun empfehle ich
mein Werk Ihrer Kritik.
In ausgezeichneter Hochachtung Ihr sehr ergebener Dr. Richard Fuchs'
Am 19. Januar bestätigt Wolfskehl den Empfang der Noten. Am 10. Mai teilt
Richard Fuchs dem Dichter Wolfskehl die Tatsache mit, dass das Chorwerk
preisgekrönt worden sei und fügt hinzu: 'Es drängt mich, Ihnen zu danken,
für die anregende Kraft Ihrer gewaltigen Dichterworte und ich glaube, dass
in der gefundenen Vertonung uns beiden ein Werk gelungen ist das einmal
dereinst kein schlechtes Zeugnis geben wird für den heroischen Geist, mit
dem wir unser ungeheures Schicksal zu erleiden befähigt waren…
Und nun bitte ich Sie herzlichst, mir bald zu sagen, ob und wie Sie selbst
schon Gelegenheit hatten, das Werk am Klavier zu hören.'
Der Dichter erwidert am 12. Mai:
'Ihr Brief heischt und erhält sofortige Antwort! Antwort? Mehr: Widerhall
und freudigen Glückwunsch! Wie schön, dass der Spruch der Wissenden so
einhellig, so stark für Sie zeugt und für Ihr Werk! Ich habe Ihnen von
Herzen zu danken, dass, was ich gesprochen, in Ihnen schöpferisch gewaltet
hat. 'Muss nicht der Schenkende danken, dass der Empfangende nahm?' Und
welche Wechselwirkung bei solchem Zusammenspiel! Jeder gibt, jeder empfängt.
Noch brennender ist nun mein Verlangen, Ihr Werk kennen zu lernen. Noch
brennender und doch immer noch in Entfernung gerückt seine Erfüllung. Keinen
Menschen habe ich finden können, trotz vielfachen Bemühens, der Sie mir
hätte interpretieren mögen…
Nur so viel für heute. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden oder machen
Sie mich zum Mitlaufenden auf dem Geburtsweg und Werdegang Ihres Werkes. Ich
folge mit größter Spannung und Sympathie.'
Anmerkungen: - Über Dr. Richard Fuchs:
https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Fuchs_(Komponist)
https://ka.stadtwiki.net/Richard_Fuchs
https://www.geni.com/people/Richard-Fuchs/6000000000387830078
Dr. Richard Fuchs war der Bruder des bekannten Fußballnationalspielers
Gottfried Fuchs:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Fuchs
http://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/gesellschaftswissenschaftliche-und-philosophische-faecher/landeskunde-landesgeschichte/module/bp_2016/der_industrialisierte_nationalstaat/beitraege_karlsruher_juden_zur_modernisierung_ihrer_stadt/ab4b.pdfadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0503
https://www.youtube.com/watch?v=o3wQCTVAXpA
https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Fuchs_(Komponist)
https://ka.stadtwiki.net/Richard_Fuchs
https://www.geni.com/people/Richard-Fuchs/6000000000387830078
- Über Familie Fuchs:
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/1124.html
- zu Karl Wolfskehl:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Wolfskehl
https://www.p-stadtkultur.de/der-verbannte-dichter-karl-wolfskehl-1869-1948/
https://www.darmstadt-stadtlexikon.de/w/wolfskehl-karl.html
https://www.lagis-hessen.de/pnd/118634976
- Süsskind von Trimberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Süßkind_von_Trimberg
http://www.alemannia-judaica.de/trimberg_juedgeschichte.htm
http://www.minnesang.com/Saenger/suesskind.html
https://www.hss.de/news/detail/portraits-juedischer-persoenlichkeiten-news7908/ |
Wegzug von Max Heinemann
(1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juli
1937: "Karlsruhe, 19. Juli. Durch den Wegzug des Herrn Max
Heinemann verliert die hiesige Chewrah Kadischa ihren zweiten Gabbe, der
in den 40 Jahren seiner Mitgliedschaft und in den 7 Jahren seiner
Vorstandschaft rastlos geweiht hat. Auch die Schiurim der Chewrah hat er in
Vertretung der Dozenten geleitet. In der Israelitischen
Religionsgesellschaft war er und seine ganze Familie durch eine
unübertreffliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft bekannt. Jeder, der
bei ihm lernen wollte, fand in ihm einen allzeit bereiten Lehrer. Alle
Verehrung und Dankbarkeit seiner Freunde kam bei einem von der Chewrah
Kadischa veranstalteten Abschiedsabend zum Ausdruck, an dem die Redner in
Worte kleideten, was alle Anwesenden empfanden. In die besten Wünsche für
die Zukunft klang dies aus."
Anmerkungen: - Chewrah Kadischa:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chewra_Kadischa
- Gabbe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gabbai_(Synagoge)
- Schiurim: Plural von Schiur,
https://de.wikipedia.org/wiki/Schi'ur
- Israelitische Religionsgesellschaft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
|
Zum Tod von Gertrude Heinemann
(1938)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. März
1938: "Karlsruhe, 3. März. Am 27. Adar I (= 28. Februar 1938)
hauchte Frau Gertrude Heinemann geb. Altmann, im Alter von 66 Jahren
in Marienbad, wohin sie vor einem Jahre mit Gatten und Tochter übergesiedelt
war, ihre reine Seele aus. Die Verstorbene, Tochter des altbekannten Leopold
Altmann, Kattowitz, sah ihren Stolz darin, in der Tradition dieses
Patrizierhauses weiterzuleben und in ihrer zweiten Heimat Karlsruhe,
als würdige Tochter dieses frommen Vaterhauses, weiter zum Segen aller zu
wirken, das echte Gemilas Chesed, die Zedoko in der Karlsruher
Kehilla zu fördern. In diesem Sinne erzog sie ihre Kinder an der Seite ihres
gleichgesinnten Gatten zu wahren Jehudim und übertrug diese edlen
Charaktereigenschaften auch auf Fernstehende. Ungebeugt von des Geschickes
rauher Hand stand sie aufrecht, gestärkt durch seitens G’ttvertrauen, immer
vorwärts schauend. So spornte sie ihre Kinder an und wirkte
charakterstärkend auf so viele Menschen, die ihre Gottesfurcht und
Gastfreundschaft bewunderten und ihrem hingebungsvollen Wirken ein
unvergängliches Denkmal setzten. Wir alle, die ihre Freundschaft, ihre
Uneigennützigkeit, ihre Aufopferung zu erproben, mehr als einmal Gelegenheit
gehabt haben, wollen ihr Andenken hochhalten. Ihre Seele sei eingebunden
in den Bund des Lebens. S. Th.
Anmerkungen: - Gemilas Chesed: Die uneigennützige, liebevolle Zuwendung zu
einem Menschen in Not; Hilfsbereitschaft, Wohltätigkeit. Vgl.
https://www.juedische-allgemeine.de/glossar/chesed/
- Zedoko: Zedaka, Gerechtigkeit, die nicht konfessionell gebunden ist
https://de.wikipedia.org/wiki/Zedaka
Kehilla: Gemeinde
Jehudim: Fromme und wohltätige Juden, die jedermann helfen, der in Not ist. |
Zum Tod von Nathan Bär
(1938)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
24. März 1938: "Karlsruhe, 23. März. In dem plötzlich
verstorbenen Nathan Bär - er ruhe in Frieden - verliert die
Israelitische Religionsgesellschaft ein treues, allezeit einsatzbereites
Mitglied. Unterstützt von seiner Gattin, die ihn in vielen Krankheitstagen
mit aufopfernder Hingebung gepflegt hat, hat er stets für die Interessen der
Religionsgesellschaft weitgehendstes Interesse gezeigt. Kurz vor seinem Tode
kamen seine Tochter und deren Gatte, in deren Haus er seinen Lebensabend
verbrachte, vom Grabe seines an der Somme gefallenen jüngsten Sohnes, der
Leutnant in der Maschinengewehrabteilung gewesen, zurück. Unmittelbar danach
setzte ein Herzschlag seinem Leben ein Ende. Am Heldengedenktag vereinte
sich die Trauer um ihn, der Rabbiner Dr. Michalski bewegten Ausdruck
gab, mit dem Gedanken um diesen Helden. G’ttergeben wie sein ganzes Leiden
hat N. Bär den Verlust des Sohnes getragen. Möge die innere Anteilnahme
weiter Kreise der Gattin und den Kindern zum Trost gereichen. Seine Seele
sei eingebunden in den Bund des Lebens."
Anmerkung: - Israelitische Religionsgesellschaft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
- Rabbiner Dr. Michalski: Rabbiner Dr. Abraham Michalski
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Michalski |
Zum Tod von Isak Ettlinger
(1938)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 28. Juli 1938: "Karlsruhe, 25. Juli. Durch den Heimgang
des Herrn Isak Ettlinger - das Gedenken an den Gerechten ist zum
Segen - hat die Israelitische Religionsgesellschaft einen schmerzlichen
Verlust erlitten. Einer der Treuesten wurde ihr nach kurzem Krankenlager
durch seinen Tod entrissen. Traditionen frommer Ahnen, insbesondere seines
Großvaters, des Altonaer Rabbiners Rebbe Jokew Ettlinger - das Gedenken
an den Gerechten ist zum Segen -, waren im Hause seiner edlen Eltern ihm
zugeleitet worden. In dem Verklärten waren sie unerschütterlich verankert
und verwurzelt. Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit bildeten die
Krönung seines Lebens, dessen arbeitsreicher Inhalt der Sorge für die Seinen
und für seine Mitmenschen galt. Er war ein regelmäßiger Besucher der
Schiurim (Toralehrstunden) und der Synagoge der Israelitischen
Religionsgesellschaft. In dieser, wie auch in der Frühschule, besonders aber
in dem von seinen Eltern übernommenen und mit Aufopferung aufrecht
erhaltenen Ettlinger’schen Minjan, war er ein mit großem Engagement
erfüllter ehrenamtlicher Vorbeter. Man wusste, er verstand den Sinn
der Gebete und sein Herz war dabei. Die Demut und die Innigkeit, mit der er
betete, war ergreifend. Unvergesslich aber bleibt allen Karlsruher Juden
sein rastloses Liebeswerken in der Chewra Kadischa. Jahrzehntelang
gehörte er ihr als tätiges Mitglied an, die letzten Jahre hindurch war er
ihr Gabbai, der durch hingebungsvolles, bis zur Selbstaufopferung
gegebenes Beispiel den Mitgliedern unerreichtes Vorbild war. Mit Rat und Tat
stand er jedem willig und gern zur Seite. Er hielt die Erinnerungen an die
vergangenen Geschlechter wach. Ein Stück der jüdischen Geschichte
Altkarlsruhes sank mit ihm, dessen Eltern zu den Gründern der Israelitischen
Religionsgesellschaft gehörten, ins Grab. Bei der Beerdigung, die unter der
Beteiligung weitester Kreise erfolgte, gab Herr Rabb. Dr. Michalski
dem Schmerz und der Wehmut Ausdruck, die alle erfüllte, die ihn gekannt.
Herr Lehrer J. Rabinowitz kleidete den Dank der Chewra Kadischa
in Worte, die ein getreues Bild seines Lebens widergaben. Möge sein
Verdienst der Gattin und den Kindern beistehen. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens."
Anmerkungen: - Frühschule: Frühgottesdienst
- Israelitische Religionsgesellschaft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
- Rebbe Jokew Ettlinger:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Ettlinger und
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0611
- Chewra Kadischa: https://de.wikipedia.org/wiki/Chewra_Kadischa
- Gabbai:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gabbai_(Synagoge)
- Rabbiner Dr. Michalski: Rabbiner Dr. Abraham Michalski
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Michalski
- Lehrer J. Rabinowitz: Isaak Rabinowitz
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/3450.html
|
Todesanzeige
für den nach der Deportation umgekommenen Adolf Heimberger (1942)
Anmerkung: Adolf Heimberger ist am 26. Mai 1866 in Sindolsheim
als Sohn von Aron Heimberger und Rebekka geb. Friedberger geboren. Er ist in
Sindolsheim aufgewachsen. Nach Abschluss seiner Ausbildung war er kurze Zeit
(wann?) in Kuppenheim als Religionslehrer
tätig. Danach übernahm er die Stelle des Kastellans
("Kirchendiener") in der Karlsruhe Synagoge. Adolf Heimberger
wurde am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert und starb im Lager Noé am 14.
Januar 1942 an Hunger. Seine Frau Wilhelmine hat die Lagerzeit überlebt und
starb 1952 in Baltimore/USA.
Weiteres siehe im Gedenkbuch
für die Karlsruhe Juden zu Adolf Heimberger.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Januar 1942:
"Mein geliebter Mann, unser geliebter Vater und Großvater
Adolf Heimberger
ist unerwartet im Camp Noé gestorben.
Wilhelmine Heimberger Camp Noé
Familie Niedermann Rivesaltes
Familie Straus
Emil Heimberger 1724 Ruxton Ave., Baltimore, Md." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Manufakturwarengeschäftes S. Guggenheim
(1872)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. April
1872: "In mein Manufakturwaren-Geschäft en détail, Samstag und
Feiertag geschlossen, wird gleich nach Ostern zum Eintritt ein Ladenmädchen
(Israelitin) aus guter Familie gesucht. Vorzug erhalten solche, die schon in
derartigen Geschäften konditioniert haben.
Karlsruhe, 1. April 1872. S. Guggenheim." |
Anzeige
des Mehl-, Produkten- und Kolonialwaren-Engros-Geschäftes N. J. Homburger
(1914)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. März
1914: "Lehrling gesucht
in mein Mehl-, Produkten- u. Kolonialwaren-Engrosgeschäft. Samstag und
Feiertage geschlossen.
N. J. Homburger Karlsruhe in Baden." |
Anzeige
der Ledergroßhandlung Haber & Klein (1920)
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 26. Juli 1920: "Lehrlings-Gesuch
Wir suchen zum baldigen Eintritt einen Lehrling aus achtbarer Familie.
Haber & Klein. Ledergroßhandlung. Karlsruhe i. B." " |
Hochzeitsanzeige
für Jakob Altmann und Ruth Falk (1930)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni
1930: "Zu der am Montag, 9. Juni/ - so Gott will - stattfindenden
TRAUUNG unserer Kinder
JAKOB und RUTH
beehren wir uns, Verwandte, Freunde und Bekannte höflich einzuladen
Maier ALTMANN und Frau, Karlsruhe-Pforzheim
Frau Rektor B. FALK,
Frankfurt a. M.
Trauung und Empfang: Frankfurt a. M., 1 ½ Uhr
Israelitische Volksschule, Röderbergweg 29." |
Sonstiges
zu jüdischen Personen / Persönlichkeiten aus Karlsruhe
März 2012 / Mai
2013:
Literaturhinweis
und Straßenbenennung zu Julius Hirsch |
Werner Skrentny: Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet.
Biografie eines jüdischen Fußballers. Verlag
"Die Werkstatt" Göttingen 2012.
Julius Hirsch (1892-1943, für tot erklärt 1945) wurde in Achern, Heilanstalt Illenau, geboren, und gehörte dem Karlsruher Fußball-Verein an. Als erster deutscher Fußballspieler wurde er mit zwei unterschiedlichen Vereinen Deutscher Meister (1910 Karlsruher FV, 1914 SpVgg Fürth), er war Olympiateilnehmer 1912 in Stockholm.
Bis auf die Fürther Jahre und den 1. Weltkrieg hat Julius Hirsch zeitlebens in Karlsruhe gelebt.
Der Deutsche Fußball-Bund vergibt seit 2005 alljährlich den "Julius-Hirsch-Preis" für das Engagement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Das Buch berücksichtigt auch das Schicksal von Gottfried Fuchs, Glaubensgenosse von Hirsch und bis heute erfolgreichster deutscher Torschütze in einem Länderspiel (1912 Olympische Spiele, zehn Tore gegen Russland). Gottfried Fuchs war ebenfalls Karlsruher, er siedelte 1929 nach Berlin über, emigrierte 1938 in die Schweiz, von dort nach Frankreich und 1940 nach Kanada, wo er als Godfrey E. Fochs 1972 in Montreal verstarb. |
|
Buchvorstellung ("Buch der Woche")
auf der Website des Deutschlandfunks:
Artikel von Herbert Fischer-Solms vom 3. Juni 2012: "Der jüdische
Fußballer Julius Hirsch...."
Link
zum Artikel |
|
Mitte Mai 2013:
Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe hat einstimmig beschlossen, dass am
früheren KFV-Stadion ein Stück des Karlsruher Wegs künftig Julius
-Hirsch-Straße heißt und der KFV-Gedenkplatz an der Ecke der
Berliner Straße Gottfried-Fuchs-Platz.
Vgl. die Informationen zu Julius Hirsch und Gottfried Fuchs auf der Website
des Karlsruher Fußballvereins |
|
April
2017:
Literaturhinweis zu Gustav Landauer |
Gustav Landauer ist am 7. April 1870 in Karlsruhe als zweites Kind des
jüdischen Schuhwarenhändlers Hermann Landauer und seiner Frau Rose geb.
Neuburger geboren. Er besuchte in Karlsruhe das Bismarck-Gymnasium.
Zu seiner weiteren Biographie siehe Wikipedia-Artikel "Gustav
Landauer": https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Landauer
Informationen über das Buch siehe pdf-Datei
zum Buch (Verlagsinformationen). |
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Julius Bruno aus Mannheim (1827-1886) und Emilie
Bruno geb. Hochstädter aus Karlsruhe (1834-1889)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.
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Grabstein für "Julius Bruno
Born in Mannheim Sept. 6, 1927
Died May 14. 1886" und
"Emilie Bruno née Hochstaedter
Born at Karlsruhe Nov. 8, 1834.
Died Nov. 19, 1889". |
Dokument zur Geschichte der Familie
Model in Karlsruhe
Aus alten
Tagebüchern und Erinnerungen der Familien Hirsch, Strupp,
Eisenberg
Familienchronik von 1924 - aufgezeichnet von Betty Schunk geb. Hirsch
|
Aus dem Leben meiner Eltern und Großeltern
sind mir wohl Erinnerungen geblieben, jedoch kann ich mich nicht für die
Richtigkeit der Zeitangaben verbürgen, denn es liegen Jahrzehnt
dazwischen und ich selbst bin, nebenbei bemerkt, bereits 74 Jahr. Die
Eltern meiner Mutter, Alphonse Worms und Brunette geb. Model,
lebten bis zum Jahre 1813-14 in Paris, mussten dann die Stadt verlassen
und gelangten über Straßburg, wo sich meine Mutter noch erinnert, nachts
durch das Heerlager getragen worden zu sein, durch Kehl nach Karlsruhe.
Mein Großvater, der unter der Regierung Louis XIV. Steueroberkontrolleur
in Paris gewesen, betrieb nun ein Ex- und Importgeschäft von und nach Frankreich.
Die Großmutter besaß eine, an den Baron von Haber in Karlsruhe
verheiratete Schwester, deren Sohn, Moritz von Haber, der
allbekannte Geliebte der damaligen Großherzogin von Baden war. Diesem
intimen Verhältnis ist eine Tochter, Prinzess Cäcilie, später
Großfürstin Michael Michaelowitsch von Russland entsprossen. Man nannte sie im ganzen
badischen Ländchen nicht anders als das 'Judenprinzeßel'. Sie wurde die Großmutter
unserer Kronprinzeß Cäcilie.
Meine Großmutter war eine solche Schönheit, dass es die Markgräfinnen, um sie sehen zu können,
nicht verschmähten, ihre Aufträge persönlich dem Großvater zu übermitteln.
Aus der Ehe der Großeltern sind vier Kinder, zwei Söhne, Maurice und
Henry, sowie zwei Töchter, Caroline (sc. Caroline
Worms, 1809-1885, später verheiratet mit Bernhard Hirsch) und
Thekla hervorgegangen. Der älteste Sohn, Maurice, betrieb eine
Buchhandlung in Karlsruhe, der zweite war Künstler und ein sehr talentvoller
Kupfer- und Stahlstichanfertiger. Die Tochter Thekla heiratete
einen entfernten Verwandten, den Bankier Mathieu Goudchaux in
Metz, doch starb sie schon im ersten Wochenbett und hinterließ einen Sohn
namens Gustave.
Meine Mutter (sc. Caroline Worms, 1809-1885) lebte zu ihrer
weiteren Ausbildung bei ihrer verwitweten kinderlosen Tante Goudchaux in
Metz, einer Schwester Großvaters. Derselbe besaß noch einen Bruder, der in Paris geblieben und
später von Louis Philippe geadelt wurde und sich Worms de Komilly nannte.
Außerdem hatte er noch eine Schwester, welche an einen Bankier Lassar
In Saarlouis verheiratet gelesen ist.
Auf Wunsch ihrer Tante Goudchaux sollte meine Mutter deren Neffen, den damaligen königlichen
Finanzminister Goudchaux in Paris heiraten und reiste, um ihn kennen zu
lernen nach Paris. Sie besuchte dort in seiner Begleitung einen Hofball und
hatte das Missgeschick, dass sich ihr während des Tanzes ihre schweren, langen Zöpfe
lösten, die bis zum Saumende ihres Kleides reichten. Sie erzählte, dass im
selben Augenblick sämtliche Anwesende, sogar der König, sich um sie geschart und
ihr prachtvolles Haar angestaunt hätten. Aus der Heirat wurde allerdings
nichts, da sie sich nicht entschließen konnte, die dritte Gemahlin des
Ministers zu werden, dessen beide Frauen im ersten Wochenbett gestorben waren.
Sie lernte in Metz meinen Vater, der dort Theologie studierte kennen und lieben
und so wurde statt Paris Cochem ihre zweite Heimat. Meine Mutter war ebenfalls schön: welches mir der
Stadtbaurat Becker in Leipzig, ein Cochemer Junge, bestätigte. Er erzählte
mir, dass er, als die Mutter als Neuvermählte in Cochem aus dem Schiffe gestiegen sei,
sie für die leibhaftige Jungfrau Maria gehalten habe.
Auch die Schwester meiner Mutter zeichnete sich durch große Schönheit
aus (Thekla Worms). Der Großherzog von Baden ließ sie sogar in italienischer
Tracht für seine Schönheitsgalerie im Karlsruher Schloss malen, wo mir
die Cousine meiner Mutter, Frau Oberleutnant von Klock geb. von Haber ihr
Bild gezeigt. Frau von Klock hatte zwei sehr schöne Töchter, die
älteste Amelie blieb unvermählt und studierte Kunstgeschichte, die
zweite Elise (sc. Elisabeth / Elise von Klockh) heiratete den Oberregierungsrat Behrend
(sc. Bernhard Ludwig Behrend / Berend) in Koblenz und wurde
die intimste Freundin der Königin Elisabeth von Preußen, Gemahlin
Friedrich Wilhelm IV.
Sie hatte eine Tochter Mathilde (sc. Mathilde Behrend / Berend,
1846-1897), nachherige Frau des Regierungspräsidenten von Pommer
Esche (sc. Albert von Pommer Esche, 1837-1903) und einen Sohn Louis, der trotz vollständiger Taubheit Professor
in Kiel wurde.
Von den übrigen Verwandten meiner Mutter lernte ich nur noch ihren Vetter
Louis von Haber kennen. Die Tochter desselben war mit dem Sohn des
Feldmarschall Herwarth von Bittenfeld vermählt. Ein anderer Vetter
meiner Mutter Carl Model besaß das erste und größte Konfektions-
und Modehaus in Karlsruhe und war Hoflieferant. Sein Sohn kaufte nach dem Aussterben der Familie von
Haber das Stammhaus, ein hochherrschaftliches großes Gebäude und verlegte
sein Geschäft in dasselbe.
Von den Eltern meines Vaters (sc. Wolfgang Hirsch, 1766-1844,
und Rosina Hirsch geb. Kahn) weiß ich folgendes zu berichten:
Mein Großvater soll nicht nur ein sehr schöner, stattlicher Mann gewesen
sein, sondern auch einen vornehmen Charakter besessen haben. Von ihm wusste
mir mein Vater folgende Episode zu erzählen. Zur Zeit der großen Hungersnot in
den Rheinlanden entschloss sich König Friedrich Wilhelm von Preußen zu einer Reise
dorthin, um sich persönlich von dem Stand der Dinge zu überzeugen. Mein Großvater
hatte, als die Not am größten war, seine sämtlichen Getreidevorräte unter
die Stadtarmen verteilen lassen. Als nun der König auch Cochem auf seiner Reise berühren
sollte, wurde den Bürgern vom Landrat eingeschärft, Seine Majestät
recht lebhaft hochleben zu lassen, besonders da jeder einen Thaler erhalten
sollte. Beim Herannahen des königlichen Wagens ertönte zum Entsetzen der Behörden jedoch nicht das
Hoch auf den König, sondern statt dessen ein lautes Hurrah auf den
Wohltäter Wolfgang Hirsch.
Die Großmutter, welche mir nur als eine alte, zierliche, kleine Frau im Gedächtnis geblieben ist,
soll indes eine äußerst jähzornige Frau gewesen sein, die sich gar nicht
zu beherrschen vermochte. Von ihr wusste mein Vater folgendes lustige
Geschichtchen. Eines Tages, als die ganze, sehr zahlreiche Familie um den
Esstisch versammelt war und das Mädchen gerade die Suppe hingestellt
hatte, ereiferte sich die Großmutter über eine Bemerkung so sehr, dass
sie die volle Suppenschüssel ergriff und zum offenstehenden Fenster in
den Hof hinauswarf. Alle waren entsetzt, nur der Großvater verhielt sich
vollständig ruhig. Nachdem die folgenden Speisen aufgetragen waren,
erfasste der Großvater plötzlich die vier Zipfel des Tischtuches und
beförderte es mit dem sämtlichen Inhalte gleichfalls zum Fenster hinaus.
Auf den Schreckensruf der Großmutter, was fällt dir denn ein, Wolf,
erwiderte er seelenruhig: ich nahm an, dass wir zur Abwechslung im Hof
speisen sollten.
Von meinem Vater existiert auch eine nette Anekdote. Als ungefähr
achtjähriger Knabe nahm ihn sein Vater in eine Nonnenkloster, mit dessen
Äbtissin er geschäftlich zu tun hatte. Beim Verlassen des Klosters
läutete gerade die Abendglocke und veranlasste den Knaben zu der Frage,
was das Läuten zu bedeuten habe. Die Äbtissin erklärte es ihm mit den
Worten: Jetzt schreitet die heilige Jungfrau durch die Lande und die
Glocken begrüßen sie. Nachdenklich meinte der Kleine, meine Mutter sagt
aber, dass abends kein anständiges Mädchen mehr allein
ausgeht.
Meine Großmutter muss, wie folgende Erzählung, die ich nicht von ihr
selbst hörte, beweist, nicht allein jähzornig gewesen sein, sondern auch
einen sehr energischen Charakter besessen haben. Sie lebte als Waise bei
einem alten, kränklichen, unerheirateten Onkel auf dem Westerwalde. Zu
dieser Zeit machte der berüchtigte 'Schinderhannes' die dortige Gegend
unsicher und überfiel hauptsächlich alleinstehende Häuser und Gehöfte.
Außer der Großmutter, die damals keine 17 Jahre alt war, befand sich nur
eine gleichaltrige Magd im Hause und da der alte Mann bettlägerig war,
das Haus schutzlos.
Eines Nachts, es war mitten im Winter und lag tiefer Schnee, erwachte die
Großmutter plötzlich durch ein Geräusch. Sie eilte ans Fenster und
erblickte eine Schar bewaffneter Männer, die sich an der Haustür zu
schaffen machten. Es wurde ihr sofort klar, dass es nur die Bande des
Schinderhannes sein konnte, und ebenso, dass die schwache Tür nicht lange
standhalten würde. Ohne sich lange zu besinnen, sprang sie, nur mit dem
Hemd bekleidet, zum Hinterfenster hinaus. Sie fiel dicht am Rande des
Ziehbrunnens in den tiefen Schnee, und hatte die Geistesgegenwart, schnell
das Hemd über den Kopf zu ziehen. Währenddessen plünderten die Räuber
das Haus, fesselten und knebelten die Magd und den armen Kranken und
suchten darauf nach der Großmutter. Sie hörte, wie der Anführer befahl,
alles gründlich zu durchsuchen, weil das junge Mädchen sonst zum
Verräter werden könne. Die Männer liefen mit Laternen dicht an ihr
vorbei und verließen, nachdem ihr langes Suchen ergebnislos geblieben,
unter Drohungen und Verwünschungen endlich Hof und Haus. Die Großmutter
musste noch eine Zeit lang in ihrem Schneebette ausharren, bevor sie sich
herauswagen könnte, um dann schleunigst die Gefesselten zu befreien. Die
Großmutter wurde bei der Verurteilung des Schinderhannes als eine der
Hauptzeugen vorgeladen und ihre Aussage trug wesentlich zum Todesurteil
bei.
Zum Schluss noch eine interessante Mitteilung aus dem Leben des Urahnen
Hirsch, die mir mein Vater machte.
Der Urgroßvater lebte in einem kleinen Residenzstädtchen, dessen Namen
mir leider entfallen ist, eines der damals zahlreichen Fürstentümchen.
Eines Tages erließ der Fürst, nachdem er die arme kleine Gemeinde bis
aufs Blut gebrandschatzt hatte, den Befehl, dass sämtliche Juden die
Stadt binnen drei Tagen zu verlassen hätten. Voller Verzweiflung begab
sich der Urgroßvater als Vorstand der Gemeinde mit den Ältesten zum
Fürsten, um Gnade zu erflehen. Der Fürst erklärte auf die Bitten
hohnlächelnd, er wolle sie wohnen lassen, wenn sie ihm den Namen der
Mutter Abrahams nennen könnten und ließ ihnen dazu 12 Stunden
Bedenkzeit. Nun herrschte noch größere Not und Verzweiflung, da die
Bibel den Namen der Mutter überhaupt nicht erwähnt. Nur der Urgroßvater
behielt kaltes Blut und auf seine Anordnung mussten die Gemeindeglieder
alles Geld und Wertgegenstände, die sie noch erübrigen konnten, bei ihm
abgeben, worauf er sich den folgenden Tag zur Audienz zum Fürsten begab.
Derselbe richtete sofort die Frage nach dem Namen der Mutter Abrahams an
die Gemeindevertreter. Der Urgroßvater verneigte sich tief, indem er
bemerkte, der gewünschte Name sei 'Geldchen' und überreichte
gleichzeitig den großen, vollgespickten Beutel. Der Fürst geruhte
herzlich zu lachen und gab die Richtigkeit der Deutung zu. Er ließ
alsdann den ergangenen Befehl für lebenslänglich zurückziehen.
Der dies nach den Aufzeichnungen seiner Großtante Betty Schunk im Dezember 1925 niederschrieb
und die Porträts zeichnete, heißt Alexander Eisenberg, geb. den
28. November 1888 in Leipzig, Graphiker und Photograph. Er befand sich
zwischen zwei Anstellungen in Meiningen in der Wohnung seiner
Großmutter Thekla Strupp geb. Hirsch, die in ihrem 93. Jahr von
ihren drei Töchtern gepflegt wird: Bertha Sax-Strupp, 69 Jahre, Anna
Eisenberg - des Schreibens Mutter - 66 Jahre und Selma Eisenberg,
64 Jahre. Im alten Strupp'schen Haus in der Bernhardstr. 4 befand sich die Bank für
Thüringen, begründet von Bernhard Meier Strupp." |
Informationen zur Familie Hirsch Cochem -
mit Nachkommenliste von Wolfgang Hirsch im Buch von Angelika Schleindl:
Spuren der Vergangenheit. Jüdisches Leben im Landkreis Cochem-Zell.
1996.
Online eingestellt. Ab S. 198 http://mosella-judaica.de/Gemeinden/Spuren198.html
bis Seite 202. |
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