Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Mulhouse (Mülhausen, Dep. Haut-Rhin / Alsace / Oberelsass) 
Jüdische Geschichte  /  Synagogue / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde von den 1840er-Jahren bis zu den 1930er-Jahren   
Berichte aus der Geschichte des Rabbinates in Mulhouse 
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schulen   
Das Israelitische Krankenhaus in Mulhouse    
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
bulletZur Geschichte der Synagoge 
 - Die Hauptsynagoge 
Die orthodoxen Beträume   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)     
   
In der früheren Reichsstadt Mülhausen im Elsass bestand eine jüdische Gemeinde bereits im Mittelalter. Nach 1266 werden Juden aus Mülhausen in verschiedenen Städten, um 1300 auch in Mülhausen selbst genannt. 1311 hört man von einer Synagoge in der Stadt (in der rue du Sauvage). Während der Zeiten der Judenverfolgungen ("Armlederverfolgung" 1338 und Pestzeit 1348/49) wurden die meisten Juden der Stadt ermordet. Nach 1367 zogen wieder einzelne jüdische Familien zu. Ihre höchste Zahl wird um 1418 mit neun Familien erreicht. Danach ging die Zahl wieder zurück. 
  
Um 1500 waren es noch drei Familien, bis 1512 nur noch eine Familie. Von 1515 bis 1798 gehörte die Stadt zur Schweizer Eidgenossenschaft, in der keine dauerhafte Ansiedlung von Juden geduldet wurde. In der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg konnten einzelne jüdische Personen / Familien in der Stadt leben (seit 1655), doch nahm die Zahl bis Ende des 18. Jahrhunderts auf Grund der Restriktionen nur sehr langsam zu: 1784 wurden 23 jüdische Familien mit zusammen 94 Personen in Mülhausen gezählt.    
   
Seitdem die Stadt 1798 zu Frankreich gehörte, zogen zahlreiche jüdische Familien aus elsässischen Landgemeinden zu.  
   
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1808 165 jüdische Einwohner, 1822 ca. 400, 1846 ca. 1.100, 1861 1.329, 1890 2.132, 1900 2.466, 1910 2.287.
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde im 19./20. Jahrhundert eine Synagoge (s.u.) beziehungsweise mehrere Synagogen/Beträume, Schulen (auch eine Israelitische Gewerbeschule, siehe Berichte unten), ein israelitisches Krankenhaus (seit 1866, siehe Berichte unten) u.a.m.  Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde gab es Lehrer und weitere Kultusbeamten. Im 19. Jahrhundert unterstand die jüdische Gemeinde zunächst dem Rabbinat Wintzenheim. Seit 1831 hatte Mülhausen einen eigenen Rabbiner.      
Als Rabbiner waren in Mülhausen zwischen 1831 und 1939 tätig: 
-  1831 bis 1870:  Rabbiner Salomon Dreyfuß (gest. 1870 in Mülhausen).     
-  1873 bis 1898:  Rabbiner Salomon Mook (geb. 1833 in Froeschwiller, gest. 1898 in Mülhausen; war ab 1870 Militärseelsorger, ab 1873 Rabbiner in Mülhausen, seit 1885 auch für das Rabbinat in Pfastatt zuständig; um 1885/97 Amt eines Oberrabbiners. 
-  1900 bis 1922:  Rabbiner Félix Blum (geb. 1847 in Bischheim, gest. 1925 in Straßburg): studierte an der École Rabbinique in Paris; war seit 1875 Rabbiner in Fegersheim, seit 1886 Rabbiner in Phalsbourg (Lothringen), seit 1899 Rabbiner in Mülhausen; 1922 in den Ruhestand nach Straßburg. 
-  1922 bis 1928:  Rabbiner Jacob Kaplan (geb. 1895 in Paris, gest. 1994 in Paris): studierte in Paris, unterbrochen durch den Kriegseinsatz (verwundet) im Ersten Weltkrieg; Studienabschluss 1921; von 1922 bis 1928 Rabbiner in Muhouse, danach in Synagogen in Paris; während der deutschen Besatzung nach Vichy, dann nach Lyon geflüchtet; 1950 bis 1955 Oberrabbiner in Paris, danach 1955 bis zu seiner Pensionierung 1980 Oberrabbiner von Frankreich   vgl. Wikipedia-Artikel zu Jacob Kaplan (französisch)   
-  1929 bis 1939: Rabbiner René Hirschler (geb. 1905 in Marseille, umgekommen nach KZ-Aufenthalten auf einem Todesmarsch im Frühjahr 1945): studierte in Paris; im Alter von 23 Jahren bereits zum Rabbiner in Mülhausen ernannt; 1939 Beförderung zum Oberrabbiner von Straßburg und dem Unterelsass; 1943 von Marseille nach Auschwitz deportiert.  
 
Zahlreiche Vereine prägten das jüdische Gemeindeleben. 1849 erfährt man von einem in der Wohltätigkeit sehr aktiven Frauenverein sowie einem Verein zur Beförderung des Ackerbaues und der Handwerke unter den Juden. In diesem Jahr konnte das 25-jährige Amtsjubiläum des damals ersten Gemeindevorstehers S. A. Oppé gefeiert werden.  
 
Der 1859 in Mülhausen geborene Alfred Dreyfus wurde 1894 vor einem Militärgericht wegen angeblichen Landesverrats zu lebenslanger Deportation verurteilt; der Prozess war durch antisemitische Vorurteile geprägt ("Dreyfus-Affäre"; siehe Wikipedia-Artikel Alfred Dreyfus und Wikipedia-Artikel Dreyfus-Affäre). Dreyfus wurde nach einigen Jahren vom französischen Präsidenten begnadigt und uneingeschränkt rehabilitiert.    
   
Nach Einführung einer Orgel in der Synagoge 1890 / 1892 (s.u.) bildete sich in der Gemeinde eine orthodoxe Gruppierung, die fortan einen eigenen Gottesdienst abhielt. Mittelpunkt der orthodox Gesinnten in der Gemeinde war bis zu seinem Tod 1910 Jacques Meyer. Ende des 19. Jahrhunderts werden die religiösen Verhältnisse in der Gemeinde von konservativen Kritikern als sehr liberal geschildert (vgl. Bericht unten von 1892).     
  
1936 wurden in Mülhausen 2.240 jüdische Einwohner gezählt. Diejenigen, die in den folgenden Jahren nicht mehr die Stadt verlassen konnten, wurden unter der deutschen Besatzung am 16. Juli 1940 nach Südfrankreich deportiert. Viele von ihnen wurden in den folgenden Jahren zahlreiche ermordet. 
       
 
   
Nach 1945 entstand in Mülhausen wiederum eine jüdische Gemeinde. 1953 wurden 348 jüdische Familien in der Stadt gezählt. Erster Nachkriegsrabbiner war Dr. Lucian Uhry (1872-1951). 1964 gehörten zur jüdischen Gemeinde 1.920 Personen. In den 1960er-Jahren sind viele nordafrikanische Juden nach Mülhausen zugezogen, in den 1990er-Jahren einige aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Derzeit leben zwischen 3.000 und 4.000 jüdische Personen in der Stadt.      
   
   
   
   
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde von den 1840er-Jahren bis zu den 1930er-Jahren   
Anmerkung: der Zeitraum ergibt sich durch die Auswertung von Artikeln zur jüdischen Geschichte in Mulhouse in deutschen jüdischen Periodika    
   
Berichte aus der Geschichte des Rabbinates in Mulhouse  
Rabbiner Salomon Dreyfuß wird von einem fanatischen Gemeindegliede geohrfeigt (1841)   
    

Mulhouse Israelit19Jh 21031841.jpg (54844 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 21. März 1841:  "Ein schändlicher Vorfall ereignete sich in Mühlhausen (Oberrhein). Der Rabbiner Dreyfous hielt am Samstag den 5. Dezember in der Synagoge eine Rede, welche eine große Sensation hervorgebracht haben soll. Er sprach darin von den Heuchlern, welche sich jeder Verbesserung widersetzen und von den wahrhaft Frommen, welche eine heilsame Reform wünschen. Ein Herr Wahl (ein blinder Fanatiker) glaubte in jener Rede Anspielungen auf seine Person zu finden, und um ihn zu rächen, gibt einer seiner Söhne dem Rabbiner beim Herausgehen eine - Ohrfeige."      

    
Rabbiner Salomon Mook aus Thann wird Nachfolger von Rabbiner S. Dreyfuß (1873)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. April 1873: "Mülhausen (Elsass), im März (1873). Endlich ist der hiesige Rabbinersitz, der so viele Jahre schon seit dem Tode des Rabbiners S. Dreyfuß erledigt geblieben war, wieder besetzt worden, und zwar durch Herrn Mook, bisher Rabbiner zu Thann."        

  
Auf die Ausschreibung der Rabbinatsstelle haben sich über zehn Kandidaten gemeldet (1899)      

Mulhouse Israelit 15021899.jpg (24397 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Februar 1899: "Mülhausen (Ober-Elsass), 7. Februar (1899). Für die hiesige vakante Rabbinatsstelle haben sich bis jetzt schon über zehn Kandidaten gemeldet. Es ist dies auch garnicht zu verwundern, da das hiesige Rabbinat das einträglichste des ganzen Elsass ist."      


Rabbiner Félix Blum wird Nachfolger von Rabbiner Salomon Mook (1899)       

Mulhouse Israelit 26101899.jpg (30285 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Oktober 1899: "Mülhausen (Elsass). An Stelle des im Dezember vorigen Jahres verstorbenen Rabbiners Abraham Mock (falsch für: Salomon Mook) in Mülhausen (Elsass), wurde unter den sieben Bewerbern, welche im letzten Frühjahre ihre Probepredigten abhielten, vom Konsistorium in Straßburg, Herr Rabbiner Blum von Bischheim zur Zeit Rabbiner in Pfalzburg gewählt, welches Amt von demselben Schabbat Schuwa angetreten wurde."     

  
Gedenkfeier (Jahrzeit) und Grabsteinsetzung für Rabbiner Salomon Mook (1900)      

Mulhouse Israelit 08011900.jpg (74510 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Januar 1900: "Mülhausen im Elsass, 3. Januar (1900) Auf dem israelitischen Friedhofe fand dieser Tage die Gedenkfeier für den vor Jahresfrist dahingeschiedenen, noch in bestem Andenken stehenden Oberrabbiner Mook statt, wobei in üblicher Weise der Grabstein auf seinem Grabe gesetzt wurde. Zu dieser Zeremonie, die sich zu einem tief ergreifenden Akte gestaltete, hatten sich zahlreiche Teilnehmer eingefunden, worunter die Spitzen der israelitischen Gemeinde, der Präsident des Verwaltungskomitees, Herr Ch. Bloch, der Amtsnachfolger des Verewigten, Rabbiner Blum u.a.m. Diese beiden Herren hielten Ansprachen, wobei sie die Verdienste des Verblichenen hervorhoben und ihm warme Worte treuen Gedenkens nachriefen. Die Versammlung war von diesen zu Herzen gehenden Worten tief ergriffen. Die zahlreiche Beteiligung und aufrichtige Teilnahme an dieser Feier ließ die allgemeine Beliebtheit des leider zu früh heimgegangenen Mannes erkennen."      

     
Ein zweites Rabbinat in Mülhausen wird abgelehnt (1909)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Dezember 1909: "Mühlhausen im Elsass, 25. November. Bei der von der Regierung beabsichtigten Neueinteilung der Rabbinate, ist bekanntlich für Mühlhausen ein zweiter Rabbiner in Aussicht genommen. Die Verwaltungskommission der hiesigen israelitischen Gemeinde hat sich jedoch gegen dieses Vorhaben der Regierung gewandt, in dem sie folgendes geltend machte: 'es ist in Mühlhausen kein Bedürfnis für zwei Rabbinatstellen vorhanden, nachdem der jetzt amtierende Rabbiner reichlich Zeit übrig hat, um die rituellen Funktionen in Rixheim und Habsheim mitbesorgen zu können. Sollte das Kaiserliche Ministerium eine gegenteilige Ansicht vertreten, so erscheint die Anlieferung der Gemeinden Rixheim und Habsheim zweckmäßiger an den Rabbinatsbezirk St. Ludwig, welcher eine sehr geringe israelitische Bevölkerung aufweist.'
Wie man hört will sich auch der Gemeinderat, der sich in seiner heutigen Sitzung mit der Angelegenheit befassen wird, dem Antrag der jüdischen Gemeinde anschließen."  
 
Artikel in "Die jüdische Presse" vom 14. Januar 1910: "Fast durchgehend verlieren die Gemeinden ihre bisherigen Rabbiner ungern; andererseits wird - was nicht gerade als ein Beweis opferwilligen Interesses gelten kann - der Neueinstellung eines Rabbiners wegen Mehrbelastung ihres Etats von einzelnen Gemeinden Widerstand entgegengesetzt. Letzteres ist in einer der weitaus leistungsfähigsten Gemeinden, in Mühlhausen, der Fall. Hier soll neben dem bestehenden ein zweites Rabbinat (Mühlhausen-Süd) eingerichtet werden, dass die Gemeinden Pfaffstadt, Rixheim und Habsheim mit umfasst. Gegen die Anstellung eines zweiten Rabbiners hat sich nun die Verwaltungskommission der Gemeinde Mühlhausen mit der Begründung ausgesprochen, dass der derzeitige Rabbiner zur vollsten Zufriedenheit sein Amt auch in den angeschlossenen Filialgemeinden versehen. Die Regierung holte ein Gutachten des Gemeinderats ein, das einstimmig im Sinne des Beschlusses der Verwaltungskommission lautete. Über ein gegen diesen Beschluss sich richtendes Schreiben des Herrn Konsistorialrats Bernheim wurde vom Gemeinderat zur Tagesordnung über gegangen, seine Inhalt als eine Äußerung der Antipathie gegen den derzeitigen Rabbiner bezeichnet ein Abbild der gegenwärtigen unerquicklichen Mühlhausener Gemeindeverhältnisse. Die Verwaltungskommission ihrerseits empfahl der Regierung, Habsheim und Rixheim dem Rabbinat St. Ludwig anzugliedern. "  


     
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben    
     
Verschiedene Berichte aus dem Gemeindeleben (Gründung eines Vereins zur Beförderung des Ackerbaues und der Handwerke unter den Juden, Bericht über den Frauenverein - 25-jähriges Dienstjubiläum des Gemeindevorstehers S. A. Oppé's) (1847)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar 1848: "Mühlhausen, 1. Dezember (1847). Seit langer Zeit haben Sie keine Nachricht über den Zustand unserer Gemeinde erhalten, aber seien Sie versichert, dass wenn auch nicht alles Gute und Lobenswerte, was in unserer Mitte geschieht, der Öffentlichkeit übergeben wird, so schreiten wir nichtsdestoweniger auf dem einmal betretenen Pfad weiter und die Einigkeit, die bei uns herrscht, wirkt segensreich zum Gedeihen des zeitgemäßen Fortschrittes.   
Ein Verein zur Beförderung des Ackerbaues und der Handwerke unter den Juden wurde hier vor Kurzem begründet und hat allgemeine Teilnahme gefunden. 
 Unser vor Jahren begründeter Frauenverein, der den wohltätigen Zweck hat, arme, kranke Frauen zu unterstützen und eine Mitgift an unbescholtene Jungfrauen bei deren Verheiratung zu verabreichen, ist in steter Wirksamkeit und hat schon manche drückende Not erleichtert, manche Träne des Kummers getrocknet und dabei einen Fonds gebildet, der ihm eine immerwährende Dauer sichert.   
Aber der Zweck meines heutigen Schreibens ist die Beschreibung eines Festes, das von allen Mitgliedern unserer Gemeinde aufs Herzlichste gefeiert wurde. - Unser erster Vorsteher, Herr S. A. Oppé, feierte am vergangenen 20. November sein 25-jähriges Dienstjubiläum als Vorsteher unserer Gemeinde. Viel Gutes hat der wackere Mann während seiner Amtsführung für die hiesige Gemeinde gewirkt, und er bestrebte sich stets Einigkeit und Frieden zu erhalten. Und wie sehr dieses Streben und Wirken anerkennt wurde, das zeigte die herzliche Teilnahme, die man dem Jubilar an den Tag legte. - Wenn unter unseren christlichen Mitbürgern ein vom Staat gut besoldeter Beamter sein Amtsjubiläum feiert, wird ihm von oben herab eine Belohnung dargereicht. Dem jüdischen Beamten, der honoris causa seine Stelle verwaltet, ihm reicht sein Gewissen und die Liebe seiner Gemeinde den noch schöneren Lohn, der vorzüglich im Bewusststein, Gutes und Herrliches bewirkt und für das Wohl seiner Glaubensbrüder gestrebt zu haben, besteht.   
Da das Fest gerade auf Sonnabend fiel, so wurde dasselbe auch in der Synagoge durch Predigt und passende Gesänge gefeiert. Das Thema der Predigt, die zum Texte die zweite Hälfte des 6. Verses des 29. Kapitels in Sprüche Salomons hatten, war: 'Die Freuden, welche die Tugend schon in diesem Erdenleben gewährt.'  
Nach Beendigung des Gottesdienstes begab sich eine Deputation der Gemeinde ins Haus des Jubilars und überreichte demselben einen silbernen Pokal, als einen geringen Beweis seiner vielen Verdienste und der Zuneigung und Liebe der ganzen Gemeinde. Die Anrede, die Herr David Mankiewitz bei dieser Gelegenheit an den Jubilar hielt, war schön, und schilderte das segensreiche Wirken des wackeren Greises, und tief gerührt dankte darauf der gute Mann. Abends versammelte der Herr Oppé alle Mitglieder der Gemeinde, Männer und Frauen in seinem Hause zu einem fröhlichen Mahle, dessen Freuden durch die          
Herzlichkeit, welche bei demselben herrschte, erhöht wurden, und wobei mancher schöne und treffende Toaste schallte.  So endete dieses schöne Fest, dessen Andenken noch lange bei uns sich erhalten wird, und ein Jeder von uns hegt wohl den innigen Wunsch: 'dass der liebe Gott noch lange den geliebten Jubilar in der Fülle seiner Kraft uns erhalte!'"  

    
Kritischer Bericht über die Gemeinde aus konservativ-orthodoxer Sicht (1892)      

Mulhouse Israelit 04081892a.jpg (180627 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. August 1892: "Mühlhausen im Elsass, im Juli (1892). Sie haben vor einiger Zeit die Verhältnisse in Elsass-Lothringen bezüglich unserer heiligen Religion, als nicht sehr glänzend geschildert, dass dieselben sich seither zum Besseren gewendet hätten, kann ich leider nicht behaupten. Gerade das Gegenteil ist der Fall und erlauben Sie mir einige kurze Bemerkungen, wie die Verhältnisse in hiesiger jüdischer Gemeinde liegen.  
Seit beinahe zwei Jahren ist die hiesige prachtvolle Synagoge mit einer Orgel verziert, und soll solche, soviel ich hörte, aus Mitteln die durch Umgrabung von Toten, vom alten Friedhof auf den Neuen, geflossen sind, erstanden worden sein. Mit dieser Orgel hatte man kein Glück, trotz aller Mühe konnte man ihr nur die herzzerreißendsten Töne entlocken und jetzt ist man damit beschäftigt, eine größere in den oberen Teil des Gotteshauses zu stellen; bis Rosch-haschono wird deren Einweihung stattfinden. - Ob der Herr Oberrabbiner auch bei dieser Feierlichkeit erscheint, weiß ich nicht. Einige Männer, die es mit unserer heiligen Wahrheit (Religion) noch ernst nehmen, besuchen seit Einführung der Orgel ein Privat-Minjan. Die Metzgerei-Verhältnisse sind nicht besser. Von ca. 30-40 jüdischen Metzgern ist nicht einer, der nicht öffentlich den Schabbat entheiligt, und das Fleisch wird in einem Wagen zugleich mit Schweinefleisch den Metzgern ins Haus gebracht, teilweise verkaufen sie selbst Schweinefleisch.  
Ein hiesiger Kultusbeamter hat an einer jüdischen Hochzeit, die bei einem christlichen Hotelier abgehalten wurde, öffentlich gegessen, und wird er von dem Rabbiner, der nur beim 'Dessert' zugegen war, bemerkt, auch geniert sich dieser Beamte nicht am Schabbat nach dem Gottesdienst, nach dem 2 Stunden von hier entfernten H., wo er zur Zeit mit seiner Familie zum Sommeraufenthalt weilt, zu reisen. - Das hiesige Mikwah wird von ca. 12-14 Frauen benützt, während die Gemeinde über 500 Frauen zählt.   
Die Kinder haben keine Ahnung von dem, was in unserer heiligen Tora steht, und so könnte ich noch lange erzählen, wie es hier mit unserer Religion aussieht, und das Traurigste ist, dass es täglich schlimmer wird. Möge der liebe Gott unsere Zustände bessern."     

     
 Gründung der Chewra Machsike hadaß (1899)      

Mulhouse Israelit 30101899.jpg (27018 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Oktober 1899: "Mühlhausen im Elsass, 28. Oktober (1899). Am Sabbat Parschot chajesara (= Schabbat mit der Toralesung Parascha Chaje Sara, dies war am 28. Oktober 1899) wurde durch Seiner Ehrwürden Herrn Rabbiner Struck aus Solothurn die hiesige Chewra machsike hadass eingeweiht. Herr Benedikt Weill überließ zu diesem Zwecke dem Vereine sein Betlokal. Ein ausführlicher Bericht wird später folgen."     

 
Gemara-Schiur in der Gemeinde mit Rabbiner Dr. Schüler aus Bollweiler (1901)   
Anmerkung: unter den orthodox Gesinnten der Gemeinde gab es eine Talmud-Lern-Gruppe, die sich zu regelmäßigen Lernstunden (Schiurim) traf. Der Sium wurde gefeiert, wenn das Studium eines Traktates zu seinem Ende kam und mit einem neuen Traktat begonnen wurde. Die Anwesenheit und die Worte von Rabbiner Félix Blum zeigten ein inzwischen wohl einigermaßen entspanntes Verhältnis zwischen den Orthodoxen in der Gemeinde und der Hauptgemeinde.  

Mulhouse Israelit 14031901.jpg (200811 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März 1901: "Mühlhausen im Elsass, 6. März (1901). Vor ungefähr einem Jahrzehnt fassten einige Männer den löblichen Entschluss, im Hause des verehrten Herrn Jacques Mayer hier einen Gemoroh-Schiur ins Leben zu rufen. Herr Rabbiner Schüler in Bollweiler hat auf deren Ansuchen sich als Lehrer erboten. Trotzdem dieser Schiur aus Rücksicht für einige Teilnehmer, die während der Woche geschäftlich verhindert sind, nur an Sonntag Nachmittagen stattfinden konnte, hatten wir doch das Glück, am letzten Sonntag den 'Sium' des Traktates Schabbat zu veranstalten. Diese Feier fand im Hause des Herrn Bloch-Dreyfuß in würdiger Weise statt.   
Gegen 4 1/2 Uhr versammelten sich die Teilnehmer des Schiur und dessen ehrwürdiger Rabbi, um den Traktat Schabbat zu vollenden und den Traktat Chullin zu beginnen.    
Nach Vollendung des Abendgottesdienstes wurde unserem allverehrten Lehrer als kleine Anerkennung ein prachtvoller Sessel, nebst Widmungsurkunde in unserer heiligen Sprache verfasst und von allen Schiur-Mitgliedern unterzeichnet, überreicht.    
Bei dem darauf folgenden Festessen begrüßte der Gastgeber die Gäste im Allgemeinen und insbesondere drückte derselbe Herrn Rabbiner Schüler im Namen Aller den herzlichsten Dank aus, dass er es niemals versäumt, bei Regen und Sturm, bei Wind und Wetter, uns Gelegenheit zu geben, seinen klaren Vortrag über Gemara nicht nur, sondern auch sein reiches und erprobtes Bewandertsein in allen Teilen unserer Tora zuteil werden zu lassen. Wahrlich, das Wissen des Herrn Rabbiner Schüler wäre würdig, einer größeren Gesellschaft, als wir es leider sind, gewidmet zu werden.   
Sodann hielt unser hochgeehrter Rabbi eine längere, tief durchdachte Rede, die alle Anwesenden zu einer wahren Begeisterung hinriss. Herr Rabbiner Blum von hier führte aus, wie sehr es ihn freue, dass in hiesiger Gemeinde sich noch Männer fänden, die die alttraditionelle Fahne noch hoch hielten und zeigten, dass die Tora auch in Mülhausen noch gepflegt wird. 
Herr Dr. Meyer, eines der eifrigsten Mitglieder unserer Chewrah, sowie noch andere Herren brachten mit Beifall aufgenommene Toaste aus. Es war bald Mitternacht, als sich die Gesellschaft mit dem Bewusstsein, einen herrlichen Abend zu Ehren unserer heiligen Tora verlebt zu haben, trennte.   
Gestatten Sie mir, geehrter Herr Redakteur, noch den Wunsch auszusprechen: Möge es Gott geben, dass es unserem hochverehrten Lehrer Herrn Schüler, sowie allen Teilnehmern vergönnt sein möge, den kommenden Traktat Chullin in gleicher Gesundheit zu lernen und zu vollenden, wie die Gemara Schabbat und möge sich die Gesellschaft noch vergrößern. Um groß zu machen und zu verherrlichen die Tora. Ja, so möge der Wille (Gottes) sein. Amen."     


Vortrag von Rabbiner Dr. Kroner aus Stuttgart (1901)      

Mulhouse Israelit 20051901.jpg (129411 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Mai 1901: "Mülhausen im Elsass. Herr Dr. Kroner, Kirchenrat aus Stuttgart, dessen Autorität als Rhetoriker allerseits anerkannt wird, hielt vergangene Woche zum Schlusse der Saison im hiesigen 'Verein für jüdische Geschichte und Literatur' einen Vortrag über Nationalismus und Universalismus im Judentume'.   
In seinem tief durchdachten vortrage besprach der Redner die beiden heute, durch Burenkrieg und Friedenskonferenzen so aktuell gewordenen, die Welt bewegenden Motive des 'Nationalismus und Universalismus' in der von der Geschichte und Lehre des Judentums gegebenen Beleuchtung. Trotzdem die Juden von jeher eine Nation im vollsten Sinne mit aller dem Begriffe anhängenden Abgeschlossenheit bildeten, blieben sie doch immer der Universalidee - der Gleichheit der Pflichten gegen alle Menschen - von allen Völkern am meisten eingedenk. Es würde zu weit führen, wollten wir die klaren und übersichtlichen Ausführungen des Redners, über die Erhaltung des Nationalitätsgedankens im jüdischen Volke im Laufe der Jahrtausende, wiedergeben; es sei daraus nur erwähnt, dass mit dem Beginne unseres jetzigen Exils einzig und allein das Gesetz, nämlich unsere Göttliche Tora, die Basis unserer nationalen Zusammengehörigkeit bildet.   
Dadurch geben wir das in seiner Erhabenheit einzig dastehende Beispiel, einer auf rein geistigem Gemeingut beruhenden nationalen Einheit.   In klarer und überzeugender Weise wusste Redner darzulegen, in welchen Formen die 'universelle' Weltanschauung im Laufe der Zeiten dem Judentume sich kund gab.  
Mit unserer Urgeschichte beginnend, welche die Welt als das Werk eines Gottes, die Menschheit      
Mulhouse Israelit 20051901a.jpg (204471 Byte) als Kinder einer Familie, die Sendung der Abrahamiden zum Segen aller Völker, im Gebete für fremde Nationen, uns darstellt, ging der Vortragende zur ersten Leidenszeit unserer Vorfahren in Ägypten über, deren Bitterkeit kein anderes Gefühl zurückließ, als die dankbare und mitfühlende Erinnerung an ihre Bedrücker. In der Zeit der nationalen Blüte sehen wir den 'Universalitätsgedanken' in der Auffassung Israels als Priester der Völker in wahrhaft herrlicher Weise ausgedrückt. Man lese die Psalmen 8, 15, 19 und 145, um sich von der Erhabenheit der Lehre, von der 'universellen' Stellung des Menschen - von einer universellen Ethik (vom wahrhaft Frommen) - vom Weltengott und Weltengesetze, im Munde des königlichen Sängers bewusst zu werden. Man lese im Buche der Könige wie Salomo alle Völker zum Gebet und zur Opferung im Tempel einlädt und Gott um die Erhörung des fremden Beters bittet. Man lese Jesaias, um trotz der beständigen Kämpfe mit der Übermacht der Nachbarnationen, die Lehre von der Friedensbotschaft Israels, von der Lehraufgabe Israels, von der Vereinigung aller Völker zu einem Gottesvolke zu empfangen. Man lese Jeremias, welcher trotz der Zerstörung des ersten Tempels und trotz der Verbannung durch grausame Barbaren, die volle Anerkennung der nichtisraelitischen Regierung und sogar den Befehl, für das Wohl derselben mit Gebet und Tat einzutreten, predigte. Nach der Vergeistigung des Nationalitätsgedankens im Exil sehen wir auch die 'universelle' Auffassung vom jüdischen Berufe umso greifbarere Formen annehmen, als durch die beständige Berührung mit den anderen Völkern die Gelegenheit zu ihrer Betätigung sich mehrte. Volle Hingabe an den Staat, dessen Bürger wir sind, dessen Boden unsere Heimat ist, Mitarbeit an allen einen Angelegenheiten, zu seinem Wohl und zu seiner Erhaltung, lehrt uns das Beispiel der Großen unseres Volkes, Nehemia, Mordechai, Samuel, Chisdai, Ibn-Nagrela, Arbabanel usw. Endlich gibt uns auch die ganze nachbiblische jüdische Literatur Zeugnis von demselben Gedanken in vertiefter Form. Man vergegenwärtige sich nur der Bedeutung der Gottesnamen in unseren Gebeten, die in denselben niedergelegte universelle Sittenlehre, die die ganze Menschheit umfassende Auffassung unserer Festgottesdienste, die tiefen Sprüche der Agada.   
Der in allen seinen Teilen formvollendete Vortrag wurde mit verständnisvollem Beifalle aufgenommen und schließen wir unser gedrängtes Referat mit dem Wunsche, dass bald in Erfüllung gehen mögen die Worte des Propheten Jesaja (66,23): 'Und es geschieht: je von Neumond zu Neumond, und je von Sabbat zu Sabbat wird kommen alles Fleisch, sich vor mir zu bücken, spricht der Ewige'."   

  
Ergebnis der Israelitischen Konsistorialwahlen - Zuschuss der Stadt für die Israelitische Gewerbeschule - Zuschuss zu Gehältern der Geistlichen werden gestrichen (1904)  

Mulhouse Israelit 11011904.jpg (109219 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Januar 1904: "Mülhausen (Ober-Elsass), 6. Januar (1904). Bei den israelitischen Konsistorialwahlen im Ober-Elsass vom 27. Dezember 1903 waren 2002 Wähler eingeschrieben und wurden 848 Stimmen abgegeben; gewählt und ernannt wurden Lazare Lantz mit 857 Stimmen, Dr. Hirtz mit 804 Stimmen, Lucien Mannheimer mit 789 Stimmen. Die Gründe zu erforschen, warum zwei Drittel der einegschriebenen Wähler durch ihre Abwesenheit von der Wahlurne glänzten, wäre sehr interessant.   
Am 12. November hat der hiesige Gemeinderat 4.000 Mark für die hiesige israelitische Gewerbeschule mit 15 gegen 14 Stimmen bewilligt, auch zwei Sozialdemokraten stimmten dafür. Für die nächsten Jahre aber soll der Zuschuss nicht mehr bewilligt werden. Bekanntlich hat die Ablehnung des Zuschusses zu einer Krise im Gemeinderat Anlass gegeben , in deren Verlauf das Gemeinderatsmitglied, Fabrikant Molach, aus dem Gemeinderat austrat.   
In der Sitzung vom 25. März hatte die sozialdemokratische Rathausmehrheit der hiesigen Stadt die bisherigen Besoldungen der hiesigen katholischen Vikare in Höhe von 22.000 Mark, sowie den den protestantischen und katholischen Pfarrern und dem Rabbiner bisher gewährten städtischen Zuschuss von 11.000 Mark gestrichen, weil die Gehälter der Vikare nach Ansicht der    
Mulhouse Israelit 11011904a.jpg (163897 Byte)sozialdemokratischen Gemeinderats-Fraktion keine direkten Pflichtausgaben der Stadt im Sinne der Gemeindeordnung darstellen, und der Gemeinderat in seiner Mehrheit grundsätzlicher Gegner der Bewilligung öffentlicher Mittel für konfessionelle Zwecke ist. Auf Beschwerde der geschädigten Vikare hat nun nach sehr langer - mehrmonatlicher - Erwägung der Bezirkspräsident, mit Zustimmung der Ministerium, am Tage von der christlichen Feiertagen entschieden, dass die im Budget der Gemeinde Mülhausen gestrichenen Gehälter der katholischen Pfarrer als Pflichtausgaben der Gemeinde zu betrachten seien. Für uns Israeliten hat die Entscheidung des Bezirkspräsidenten insofern eine schwerwiegende Bedeutung, als, wie ich von zuverlässiger Quelle höre, die getroffene Maßnahme nur auf die Subventionen der katholischen Vikare Bezug hat, nicht aber auch auf die Streichung des bisher dem hiesigen Rabbiner gewährten Zuschusses. Es ist nun die Frage, welche Stellung hat das israelitische Konsistorium des Ober-Elsass der Seitens des Mühlhausener Gemeinderats, bezüglich der Streichung des bisher dem Mühlhausener Rabbiner gewährten Zuschusses getroffenen Maßnahme gegenüber genommen? Es handelt sich hier nicht ausschließlich um einer Geldfrage, sondern hauptsächlich um eine Prinzipienfrage, um die Gleichberechtigung der Konfessionen, die im Reichslande bisher im Allgemeinen aufrecht gehalten wird; auch handelt es sich nicht nur um eine Frage, die im Rahmen der Gemeindepolitik von einer einzelnen STadt gelöst werden kann, sondern es ist eine Frage, die für alle mit Rabbinatssitzen größeren Gemeinden des Ober-Elsass in Betracht kommen könnte, weil die Gemeinde Mühlhausen tonangebend für ganz Ober-Elsass ist - deren Lösung einzig und allein in den Händen des israelitischen Konsistoriums des Ober-Elsass liegt. Bilden ja die drei reichsländischen israelitischen Konsistorien die vermittelnden Behörden zwischen Rabbiner und israelitische Gemeinde einerseits und Rabbiner oder israelitische Gemeinde und Regierung andererseits."     


Gründung einer Ortsgruppe der Schomre-Schabbos-Vereine (1908)       

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 11. September 1908: "Mülhausen im Elsass. Vorigen Donnerstag Abend wurde hier eine Ortsgruppe der Schomre-Schabbos-Vereine gegründet. In der von den Herren Dr. med. E. Meyer, N. Rhein und B. Bahn einberufenen, stark besuchten Versammlung übernahm der durch den Kampf gegen das badische Gebetbuch bekannte Herr Bloch-Dreyfus aus Freiburg das Referat, welches von den Anwesenden mit großem Beifall aufgenommen wurde. Es sprachen sodann die Herrn Rabbiner F. Blum, Mülhausen und Dr. S. Schüler, St. Ludwig. Sämtliche Anwesenden zeichneten sich als Mitglieder ein."      

  
Der Krieg bedroht auch viele Orte mit jüdischen Gemeinden im Oberelsass (1914)  
Anmerkung: die angegebene Zahl der jüdischen Gemeindeglieder bezieht sich auf ca. 1890.    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. September 1914: "Hagenau, 10. September (1914). Die schweren Kämpfe im Oberelsaß, die in letzter Zeit zwischen den Franzosen und Deutschen ausgefochten wurden, erinnern uns daran, dass die dortige Gegend ziemlich stark von Juden bewohnt ist, die jetzt nicht nur zum großen Teil gezwungen waren, Heim und Herd zu verlassen, sondern neben der schweren seelischen Not auch viel durch die Zerstörung von Hab und Gut zu dulden haben. Es wohnen in dem vielgenannten Altkirch 289 jüdische Seelen, Hirsingen 74, Dammerkirch (Dannemarie) 15, Hagenbach 26, Bergheim 110, Grussenheim 314, Neubreisach 102, Blotzheim 62, Bollweiler 120, Ensisheim 27, Regisheim 154, Dürmenach 205, Hegenheim 169, Hüningen 50, Kolmar 1105, Dornach 202, Mülhausen 2271, Niederhagental 145, Niedersept 124, Pfastatt 73, Markirch 147, Rappoltsweiler 134, Habsheim 73, Rixheim 69, Sennheim 151, Wattweiler (Wattwiller) 37, St. Ludwig 60, Kembs 50, Sierenz 113, Uffheim 120, Gebweiler 305, Sulz 182, Thann 163, Winzenheim 421 Juden. Die meisten Familien, besonders in der Mülhauser Gegend, haben sich flüchten müssen, viele davon haben sich während dieser schweren Zeit in der Schweiz niedergelassen.".      

 
  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schulen    
Jahresbericht der israelitischen Arbeitsschule (1847)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. September 1847: "Mühlhausen (Elsass), im September (1847). Der jährliche Bericht der hiesigen israelitischen Arbeitsschule ist diesmal ein wahrer  Hilferuf. Es sind ihr so viele Subskribenten, ohne irgendeine Rechtfertigung abgefallen, dass nur durch sehr viele Anstrengungen einige neue Subskribenten zu erlangen, und durch Unterstützung des Konsistoriums, des Maires etc. ein Defizit vermieden, und der Bestand gesichert wurde. Die Ausgaben beliefen sich auf 9.254 Frcs., die Einnahmen auf 8.408 Frcs., wozu aber 1.850 Frcs. Überschuss aus dem vorigen Jahre zur Hilfe kamen. Das schwere Jahr hat natürlich dazu beigetragen, die Ausgaben für den Unterhalt der Zöglinge zu mehren, die Einnahmen zu verringern. Bis jetzt sind 19 Handwerker und Künstler (in 5 Jahren) aus der Schule hervorgegangen, 21 befinden sich in ihr, die gänzlich erhalten werden, und 4 sind im Juli wieder aufgenommen worden. der Bericht sagt, wären alle Subskribenten treu geblieben, so könnte sie bereits 30 Schüler erhalten. 20 sind bereits im voraus eingeschrieben, und der Zudrang im Steigen. Allerdings wäre es eine unvertilgbare Schmach für die Juden im Elsass, wenn sie diese segensreiche Anstalt sinken ließen!"     

      
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1858 für die Gewerbe- und Handwerksschule in Mühlhausen (1859)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Juli 1859: "Mühlhausen, im Juni (1859). Der Rechenschaftsbericht des Comité der Gewerbe- und Handwerksschule für arme Israeliten über das Jahr 1858 ist erschienen. Es heißt darin: 'Seit der Gründung unserer Schule wurden nahe an 150 Handwerker in ihr gebildet. Diese Kinder, großenteils Waisen, und vom Lande kommen, konnten beim Eintritt kaum lesen, aber beim Austritt französisch sprechen und schreiben und besaßen gründliche Kenntnisse im Rechnen und Linearzeichnen, ohne der Spezialfertigkeit in den Handwerken, die sie ergriffen, zu erwähnen. Das gute Beispiel, welches sie geben, trägt wesentlich dazu bei, die Kinder der Mittelklasse dem Handwerke zuzusenden und die Jahrhunderte lang andauernden Gewohnheiten auszurotten, die sich der Bildung unserer Glaubensgenossen im Elsass entgegenstemmten. In diesem Jahre noch haben unsere Einnahmen aller Art sich gemehrt und uns gestattet, obgleich wir 30 Eleven in der Schule hatten, die höchste Zahl, die wir noch bis jetzt erreicht, noch Ersparnisse zu machen. Sie betrugen nämlich im Jahre 1858: 15.655 Frcs., während sie Ausgaben sich nur auf 9.306 Frcs. beliefen. Die Kasse ist daher jetzt im Besitz von 14.643 Frcs. Das Hauptbedürfnis besteht in der Errichtung eines größeren Lokals, auf welche die Direktion jetzt mit aller Macht hinarbeitet. Noch immer melden sich drei- und viermal mehr Knaben, als die Gesellschaft vermöge ihrer Mittel annehmen kann. Sie hat in diesem Jahre 21 neue Zöglinge aufgenommen, während drei die Anstalt verließen. Es steht demnach nicht zu bezweifeln, dass diese so segensreich wirkende Anstalt noch einer großen Ausdehnung in der Zukunft fähig ist."         

  
Über die Israelitische Handwerkerschule (1889)   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. Mai 1889: "Mühlhausen (Elsaß), im Mai (1889). Die hiesige israelitische Handwerkerschule verdient ein allgemeines Interesse. Ihr Zweck ist, arme Kinder besonders Waisen in Unterricht und Erziehung zu nehmen und zu Künstlern und Handwerkern heranzubilden. Sie hat bereits mehrere hundert Zöglinge ausgestellt, welche jetzt teils selbständig etabliert, teils als Werkführer und tüchtige Arbeiter in großen Etablissements angestellt sind. Im verflossenen Jahre hatte die Anstalt 35 Zöglinge. Ihre Einnahmen betrugen über 20.000 Francs, ihre Ausgaben 17.0000 Francs. Außerdem hatte die Anstalt an Spenden für den Fond 5.500 Frcs. zu verzeichnen. So kann man gewiss sein, dass diese segensreich wirkende Schule einer langen Zukunft entgegengeht."          

 
Oberlehrer Dr. H. Levy bekommt den Titel des "Professors" (1906)      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. Mai 1906: "Mülhausen im Elsass. Verleihung. Dem Oberlehrer Dr. H. Levy wurde der Titel Professor verliehen."     

 
Über den Besuch der höheren Lehranstalten durch jüdische Schüler (1873)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. September 1873: "Mühlhausen (Elsass), im August (1873). Wenn aus den preußischen und anderen deutschen Landen mehrfach berichtet wird, dass die höheren Lehranstalten, insbesondere die Gymnasien, von der jüdischen Jugend in einem numerischen Verhältnisse besucht werden, welches das der christlichen Konfessionen bei Weitem übersteigt, und sich dadurch zweifellos der bei den jüdischen Eltern vorwaltende Trieb, ihren Kindern eine höhere und gründliche Bildung zu verschaffen, erweit: so ist Dies im Elsass nicht der Fall. Hier zum Beispiel in Mühlhausen, wird das Collège (Gymnasium) von 156 Schülern besucht, von denen 120 evangelisch, 33 katholisch und nur 3 jüdisch sind; dagegen die Gewerbeschule von 259 Schülern, von denen 123 evangelisch, 87 katholisch und 49 jüdisch sind. Während also auf dem Gymnasium erst der 52. Schüler Jude ist, ist auf der Gewerbeschule schon der fünfte Schüler ein solcher. Offenbar ist Dies die Folge des Gesamtbildungsstandes unserer hierländischen Glaubensgenossen, und darf als charakteristisches Zeichen nicht übergangen werden. Nur die Bemerkung wollen wir hinzufügen, dass, im Ganzen genommen, eine Bevölkerung, welche nach industrieller Ausbildung strebt, ohne die Entwicklung der Intelligenz und Wissenschaft in ihrem Schoße nachdrücklich zu fördern, mit der Zeit auch in industrieller Beziehung zurückgeht. Es ist Dies ein Erfahrungssatz, den bedeutende Teile unserer Stammesgenossenschaft im Osten in traurigster Weise bestätigt haben."       

  
Bericht über die israelitische Gewerbeschule (1891)
     

Mulhouse Israelit 28051891.jpg (44955 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Mai 1891: "Die israelitische Gewerbeschule des Ober-Elsaß in Mühlhausen zählte im verflossenen Jahre 38 Schüler. Der Jahresbericht konstatiert, dass die Anstalt sich in erwünschter Fortentwicklung befindet und die Resultate derselben sich in dem Ergebnisse, vielen Schülern eine sorgenfreie und ehrenhafte Existenz gesichert zu haben, dokumentieren. Die Einnahmen beliefen sich auf Mark 19.661,30, die Ausgaben auf Mark 14.982,56 und da dieses Jahr 10.829 Verpflegungstage enthielt, so kamen die Kosten eines einzelnen Schülers auf Mark 1.38 per Tag. Der Bezirkrat gab einen Beitrag von Mark 8700, die Stadt Mühlhausen einen solchen von Mark 2.000."   

   
Bericht über die Israelitische Gewerbeschule (1901)    

Mulhouse Israelit 25041901.jpg (51743 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. April 1901: Mülhausen im Elsass. Die 'Israelitische Gewerbeschule des Ober-Elsass' hier versendet soeben ihren Bericht über das Rechnungsjahr 1900. Nach demselben beherbergte das Institut während des verflossenen Jahres 41 Zöglinge, und wieder sind daraus elf junge Arbeiter hinaus ins Leben getreten. Sie haben ihre Lehrzeit beendet und besitzen jene Kenntnisse, die zum Unterhalt des Lebens notwendig sind. In ihre Stelle ist eine gleich Anzahl von Lehrlingen getreten. 
Die Jahreseinnahmen beliefen sich auf 19.314,84 Mark, die Total-Ausgaben auf Mark 14.194,76."     

      
      
Das Israelitische Krankenhaus in Mulhouse
  
Bericht über das israelitische Krankenhaus (1867)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Oktober 1867: "Mülhausen (Frankreich), den 1. September. Vor einigen Tagen erschien der Rechenschaftsbericht des hiesigen israelitischen Krankenhauses, der die Zeit vom 30. Juni 1865 bis dahin 1867 umfasst. Während dieser Zeit wurden 42 Personen in dem Hospital verpflegt, von denen 32 geheilt entlassen worden; in Behandlung befinden sich gegenwärtig 22 Kranke. Die Einnahmen beliefen sich in dem angegebenen Zeitraume auf Frs. 30.104,25 Cts., wohingegen die Ausgaben die Höhe von Frs. 35.320,19 Cts. erreichten, sodass sich ein Defizit von Frs. 5.215,85 Cts. zeigt. 
An Geschenken flossen in den letzten beiden Jahren dem Krankenhause Frs. 19.949,90 Cts. zu, dann Frs. 12.000 allein von den Gebrüdern Lantz, und Frs. 1449 von Herrn Lazarus Lantz, dem gegenwärtigen Präsidenten des so wohltätig wirkenden Hospitals, das sich der geringfügigen Subvention von Frs. 500 Seiten der Stadt zu erfreuen hat. Wir wünschen der Anstalt fernerhin das beste Gedeihen."         


Bericht über das Israelitische Krankenhaus (1891)     

Mulhouse Israelit 21041891.jpg (52491 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. April 1891: "Mülhausen im Elsass. Im Laufe seines 25-jährigen Bestehens hat das hiesige israelitische Krankenhaus sich stets der Vermehrung seiner Gönner und ihres fortwährenden Wohlwollens zu erfreuen gehabt.  
Die Stadt Mülhausen bewilligte, wie früher, auch im vergangenen Jahre ihren jährlichen Beitrag von 1.600 Mark.  
Die Anstalt beherbergt 26 Zöglinge, und zwar 9 Männer und 17 Frauen. Deren Durchschnittsalter ist 80 Jahre. Es wurden im Jahre 1890 12 Kranke gepflegt. 
Im Laufe des Jahres starben 6 Zöglinge (4 Männer und 2 Frauen). Der Grund dieser dem vorigen Jahre überlegenen Zahl der Sterbefülle ist größtenteils den Folgen der Influenza zuzuschreiben".     

    
Der Gemeinderat stellt Zuschüsse an das israelitische Krankenhaus und die israelitische Gewerbeschule in Frage (1903)     

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 7. August 1903: "Mülhausen im Elsass. Eine sonderbare Prinzipienfestigkeit legte der Gemeinderat von Mülhausen in einer seiner letzten Sitzungen an den Tag. Derselbe hatte infolge seiner sozialistischen Mehrheit beschlossen, nciht, wie der vorige Gemeinderat, verschiedenen konfessionellen Wohltätigkeitsanstalten gewohnheitsmäßige Zuschüsse zukommen zu lassen, sondern hatte 50.000 Mark ausgesetzt, aus welcher Summe 'auf Ersuchen und nach Prüfung der Bedürfnisfrage' von Jahr zu Jahr Zuschüsse bewilligt werden sollten. Aus diesem Fonds waren nun viele konfessionelle Anstalten unterstützt worden, das katholische und evangelische Waisenhaus, das Spital der Schwestern, das protestantische Institut Stricken u.a.m. So baten auch das israelitische Spital und die israelitische Gewerbeschule um je 4.000 Mark Zuschuss. (Die beiden Anstalten hatten auch früher jährlich diese Summe erhalten). Diese Eingaben waren nicht, wie die übrigen, einzeln auf die Tagesordnung gesetzt, sondern unter 'Verschiedenes' untergebracht worden. Infolgedessen waren dieselben den Gemeinderatsmitgliedern, welche nicht zu der betreffenden Kommission gehörten, unbekannt. Als Herr Dr. Elias (Dem.) sie verlesen hatte, teilte der Parteiführer der Sozialisten mit, dass seine Fraktion die Bewilligung aus prinzipiellen Gründen, wie er näher ausführte, ablehne. vergebens wies Herr Dr. Elias darauf hin, wie notwendig die jüdische Handwerkerschule sei usw. Es halt nichts. Die Petitionen fielen, wobei übrigens der Sozialist Haas für, der Sozialist Dreyfuß dagegen stimmte. Von den Demokraten stimmte nur der Führer Herr Simonet dagegen. Die Folge dieser Ablehnung war, dass die jüdischen Gemeinderäte Herren Wallach und Dr. Elias ihre Demission gaben. Letzterer hat dieselbe auf Ersuchen der demokratischen Partei zurückgezogen; der Gegenstand wird noch einmal zur Verhandlung kommen."      

 
  
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde   
Eine Zeitschrift 'Das israelitische Elsaß-Lothringen' soll von J. Wurmser herausgegeben werden (1877)   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Oktober 1877: "In Mühlhausen (Elsaß) soll eine Zeitschrift 'Das israelitische Elsaß-Lothringen' in deutscher und französischer Sprache erscheinen. Als Redakteur nennt sich J. Wurmser."          


Zum Tod von A. Meyer, Frau von Jacques Mayer (1885)       

Mulhouse Israelit 09081885.jpg (78303 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1885: "Mülhausen, Elsass. Es ist eine höchst traurige Pflicht, die ich hiermit erfülle, indem ich Ihnen von dem Hinscheiden einer edlen und frommen Tochter Israels berichte, deren Hintritt eine tiefgehende Lücke zurücklässt, die namentlich in unserer gegen alles Religiöse so gleichgültigen Zeit nicht so leicht ausgefüllt werden dürfte. - Freitag, den 17. Ellul, verschied nach mehrmonatlichem Leiden im 61. Lebensjahre Frau  A. Meyer, Gattin des durch seine aufrichtige Frömmigkeit und sein eifriges Wirken für die Armen des heiligen Landes bekannten Herrn Jacques Meyer - Gabbai des Vereins für das Heilige Land für Elsass-Lothringen. In der Verewigten verliert die Familie eine treue, hingebungsvolle Gattin und Mutter, und die ganze Gemeinde ein leuchtendes Vorbild echt weiblicher Tugend und Frömmigkeit. Jede ihrer Handlungen zeugte von aufrichtiger Religiosität, von dem tiefen, echt jüdischen Sinn, der ihr ganzes Wesen erfüllte. Für Gottesfurcht und Menschenliebe zu wirken galt ihr als das höchste Ziel und eben deshalb stand sie ihrem edlen Gatten stets kräftig zur Seite in seinem Streben, die drei jüdischen Hauptpflichten: Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit im häuslichen Kreise heimisch zu machen. In der ihr eigenen    
Mulhouse Israelit 09081885a.jpg (204672 Byte)freundlichen Weise suchte sie selbst Andersdenkende für das wahre religiöse Leben zu gewinnen und zu begeistern, was ihr nicht selten auch gelang. Ihre angelegentlichste Sorge war die Heilighaltung und pünktliche Erfüllung der religiösen Vorschriften bei ihren Kindern zu erwirken. Wahrhaft rührend ist der letzte Wille, den sie bereits vom schweren Leiden geplagt mit zitternder Hand niederschrieb, in welchem sie ihre Söhne beschwor, stets gewissenhaft unsere heilige Religion zu beobachten; wohl wissen, dass die Heilighaltung der göttlichen Ruhetage gleichsam zu den Fundamenten des Judentums gehört, legte sie ihren Kindern unter den ergreifendsten Worten ans Herz, sich niemals zur Verletzung des Gottgebotenen Ruhetages verleiten zu lassen. - Dass die Hingeschiedene aber auch an die Werke tätiger Menschenliebe nicht vergessen, bezeugt schon der Umstand, dass sie ihren Gatten in seinen philanthropischen Bestrebungen stets lebhaft unterstützte, spendete sie doch selbst alljährlich namhafte Summen für die Notleidenden des heiligen Landes. Sie vernachlässigte aber auch nicht in inländischen Armen; gar manche Not wurde von ihr gelindert, manche Träne durch ihre milde Hand getrocknet. Eingedenk des Prophetenwortes 'demütig wandeln' (Micha 6,8) übte sie all diese schönen Pflichten im Stillen, nicht strebend nach Beifall und Lobeserhebung. 
Dass der leider nur zu frühe eingetretene Abschluss eines solch tugendreichen Lebens allgemeine Teilnahme und innige Trauer hervorgerufen, lässt sich leicht begreifen; die hohe Verehrung, die man der Edlen allseitig entgegenbrachte, kam bei dem Leichenbegängnisse zum lebhaftesten Ausdruck. Von Nah und Fern waren zahlreiche Verwandte und Freunde herbeigeeilt, um der Entschlafenen die letzte Ehre zu erweisen. Im Trauerhause sprach Herr Rabbiner Bamberger aus Niederhagenthal, die zahlreichen Verdienste der Seligen in trefflichen Worten schildernd und zu treuer Nachahmung auffordernd. Auf dem Friedhofe angelangt, ergriff der Rabbiner der hiesigen Gemeinde, Herr Mook, das Wort und entwarf ein wahrhaft treues Bild von dem Leben und Wirken der Verblichenen; er knüpfte daran tief ins Herz dringende Ermahnungen an die Hinterbliebenen, dem schölnen Vorbilde der Verewigten treu nachzuleben.   
Zum Schluss drückte Herr Rabbiner Schüler aus Bollweiler den schmerzlichen, unersetzlichen Verlust aus, der die Familie betroffen, und wies darauf hin, wie betrübend der Heimgang einer solch wahrhaft Frommen auf jeden Jehudi wirken muss, namentlich in unserer Zeit und hier zu Lande, so die Ehrfurcht vor dem göttlichen Gesetze immer mehr schwindet, das jüngere Geschlecht sich immer mehr über die heiligsten Gesetze hinwegsetzt und die Unwissenheit in religiösen Dingen in erschreckender Weise zunimmt.   
Möchte der Allgütige der tiefgebeugten Familie den Balsam des Trostes ins wunde Herz gießen! das gottgefällige Wirken der Verklärten, die sich nunmehr emporgeschwungen in die Regionen des ewigen Friedens, möchte aber sorgfältigste Nachahmung unter uns finden und ihr Andenken stets ein gesegnetes bleiben. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."      

   
Über die Vermächtnisse von Jean Dollfus (1887)        

Mulhouse Israelit 09061887.jpg (63309 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juni 1887: "Mülhausen (Oberelsass), 5. Juni (1887). Eine längere Liste der von Herrn Jean Dollfus gemachten Vermächtnisse ist dieser Tage zur öffentlichen Kenntnis gelangt. Danach erhalten die sieben Patronate der Stadt und dasjenige von Dornach jedes 3.200 Mark, das hiesige Hospital 4.000 Mark, ebenso viel das Haus der Schwestern in der Burggasse und die Blindenanstalt in Illzach: die hiesige Kinderbewahranstalt 3.200 Mark und das hiesige israelitische Hospital 2.400 Mark."      

  
Zum Tod des Gemeindevorstehers Isaac Lanz (1903)     

Mulhouse Israelit 06081903.jpg (76279 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. August 1903: "Mülhausen (Elsass), 4. August (1903). Am Tischobe-Av (= 2. August 1903), vormittags 10 Uhr, fand die Beerdigung unseres langjährigen ersten Vorstehers der hiesigen israelitischen Kultusgemeinde, Herrn Isaac Lanz statt. 
Da der Gottesdienst in der Orgelsynagoge an diesem Tage immer nach 9 Uhr beendigt ist, so wurde derselbe in Folge dessen noch um eine Stunde früher abgebrochen. Wäre da der Nachmittag nicht geeigneter zu der Beerdigung gewesen?
Seit einiger Zeit weilen in der hiesigen israelitischen Gewerbeschule dahier zwei Waisenknaben von 13 und 16 Jahren aus Kischinew, welche zur Erlernung eines Handwerks, auf Veranlassung des Herrn Dr. Elias hierher befördert wurden."     


Bankier Alexandre Haas wird "Ritter der Ehrenlegion" (1906)      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 21. Dezember 1906: "Mülhausen im Elsass. Herr Alexandre Haas, Direktor der Banque de Mulhouse, wurde zum Ritter der Ehrenlegion ernannt."    

 
Zum Tod von Jacques Meyer (1910)      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. August 1910: "Mülhausen im Elsass. Vorigen Freitag starb hier der in weitesten Kreisen bekannte Gabboi d'Erez Jisroel Herr Jacques Meyer im Alter von 84 Jahren. Die Beerdigung fand am Sonntag statt. Im Trauerhause hatte zunächst sein langjähriger Freund Herr Rabbiner Schüler - Bollweiler den großen Verlust geschildert, den die Schar der Frommen in Mülhausen erlitten, deren Mittelpunkt der Verewigte gewesen war, und gezeigt, wie dessen ganzes Leben gewidmet war der Tauroh, Awaudoh und Gemiloth Chassodim. Dann setzte sich der Leichenzug - eine schier unübersehbare Menge, wie man sie hier noch selten gesehen - in Bewegung. Auf dem Friedhofe angekommen, sprachen Herr Rabbiner Dr. Cohn - Basel als Vertreter des Vereins zur Förderung des gesetzestreuen Judentums in der Schweiz und die Herren Rabbiner Blum - Mülhausen und Bloch - Dornach. Aus allen Reihen klang der Schmerz wieder, den das alte, wahre Judentum mit dem Tode des Herrn Meyer erlitten, und der Wunsch, es möge ein würdiger ERsatz auf dem Gebite der Wohltätigkeit gefunden werden."      

     
   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
Anzeige der Bäckerei von Abraham Bigard (1903)     

Mulhouse Israelit 09041903.jpg (42199 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. April 1903: 
"Für meine an Samstags und Freiertage streng geschlossene Brot- und Feinbäckerei wird ein 
Lehrling
 
gesucht. 
Abraham Bigard, Bäckerei, Mülhausen im Elsass, Gerechtigkeitsstraße 33."  

  
Verlobungsanzeige von Minni Nussbaum und Nathi Samuel (1934)      

Mulhouse Israelit 29111934.jpg (29521 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. November 1934: "Statt Karten! 
Minni Nussbaum - Nathi Samuel. Verlobte. 
Vesoul, 11 Rue des Jlottes - Mulhouse, 6 Rue des Cordiers."     

  
Trauungsanzeige für Minni Nussbaum und Nathi Samuel (1935)    

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1935: "Statt Karten. 
Wir beehren uns, unsere - so Gott will - am 14. April, 1 1/4 Uhr, in Basel, Synagoge Ahornstraße, stattfindende Trauung anzuzeigen. 
Minni Nussbaum - Nathi Samuel. 
Basel, Salmenstraße 25 - Mulhouse, 6, Rue des Cordiers".            

    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge        
   
Die Hauptsynagoge    
   
Im 18. und bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts gab es mehrere Beträume in der Stadt, da der Bau einer Synagoge der jüdischen Gemeinde nicht erlaubt war.  
  
Eine erste Synagoge konnte 1822 in der Rue Sainte-Claire gebaut werden. Nach wenigen Jahren war sie bereits zu klein. 
  
1846 konnte mit dem Bau einer neuen Synagoge auf dem Grundstück eines früheren Klarissen-Klosters begonnen werden. Die Pläne hatte Stadtbaumeister Architekt Jean-Baptiste Schacre gezeichnet. Am 13. Dezember 1849 wurde sie eingeweiht. Sie kostete die Gemeinde 150.000 Fr., wozu die Stadt 15.000 Fr. beisteuerte. Der Anteil der Gemeinde wurde durch den Verkauf der Synagogenplätze erbracht. Durch diesen Verkauf wurde sogar ein wesentlich höherer Betrag als die Kosten der Synagoge erzielt. 1867 beschloss die Gemeinde die Aufstellung einer Orgel in der Synagoge. Doch wurde offenbar erst 1892 die Orgel eingebaut.      
     
Eine neue Synagoge wird gebaut (1847)  
Anmerkung: die liberale "Allgemeine Zeitung des Judentums" berichtet über Neuerungen der Reform wie Orgel und Veränderungen im Frauenbereich in der Synagoge. Tatsächlich wurden diese nicht umgesetzt, was angesichts des nachfolgenden Berichtes über die orthodox geprägte jüdische Gemeinde auch überraschend gewesen wäre. Erst 1867 wurde die Aufstellung einer Orgel in der Synagoge beschlossen (siehe Bericht unten).     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Februar 1847: "Zu Mühlhausen im Elsass wird eine neue Synagoge für 150.000 Fr. (40.000 Thlr.) gebaut; die Stadt hat 15.000 Fr. (4.000 Thlr.) als Beitrag votiert. Sie wird eine Orgel erhalten, und die Frauensitze werden an den Seiten, aber nicht getrennt, von den Männersitzen sein."        
 
Artikel in der Zeitschrift "Der Orient" vom 1. Januar 1847: "Mühlhausen (im Elsass). Der Munizipalrat dieser Stadt hat die Summe von 15.000 Fr. für die Errichtung einer Synagoge votiert. Ein schöner Beweis von Fortschritt und Humanität. Die Synagoge wird, dem Vernehmen nach, ausgezeichnet werden, die Vorzüge der zu Straßburg, Nancy und Colmar in sich vereinigend. (L.P.)."    

 
Zuschüsse der Stadt zum Synagogenbau (1847)       

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 13. April 1847: "Mühlhausen. Zum Baue einer neuen Synagoge hat der hiesige Stadtrat eine Beisteuer von 15.000 Frs. aus der Kommunalkasse bewilligt. Solches Geschenk ehrt gewiss den Geber besonders dadurch, dass es beweist, wie sehr der Sinn der Humanität und der Gerechtigkeit sich immer mehr Bahn bricht; aber nicht minder den Empfänger, indem es sichere Bürgschaft dafür ablegt, dass dieser durch sein Betragen nicht nur zu Klagen keinen Anlass gegeben, vielmehr sich solchen Entgegenkommens und solcher Beweise der Achtung und Wertschätzung in jeder Beziehung würdig gemacht. Rechnet man nun noch den Umstand dazu, dass, wie im Elsass im Allgemeinen, so sich vorzüglich die hiesige jüdische Gemeinde besonders durch strenge Religiosität, durch Festhalten an den Grundsätzen des orthodoxen Judentums auszeichnet; so ist dadurch vom Neuen die Wahrheit bekräftigt, wie Verharren beim orthodoxen Judentum sich wohl mit Emanzipation verträgt, wie der strenggläubigste Jude der nicht einen Schritt weit von seinen Religionsvorschriften abweicht, dennoch sich der vollkommensten Achtung und des Entgegenkommens seiner christlichen Mitbrüder zu erfreuen hat, eine Achtung, die es nicht bei Worten allein bewenden lässt, sondern durch die Tat seligen erst die wahrhafte Bedeutung verleiht, sie ins Leben praktisch hinüber führt. In diesem Sinne hat uns das mitgeteilte Faktum einen doppelten Triumph verschafft, den der Humanität und zugleich den der strengen Religiosität."       


Die Einweihung der neuen Synagoge rückt näher (1849)       

Mulhouse Orient 27101849.jpg (42226 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Orient" vom 27. Oktober 1849: "Die jüdische Gemeinde zu Mühlhausen (im Elsass) ist im Begriffe, eine großartige Synagoge, die 150.000 Fr. kostete, einzuweihen, wozu auch die Stadt 15.000 Fr. gesteuert. Das Übrige und noch viel mehr, hat die Gemeinde, teils durch den Verkauf der Stände, teils durch Gaben zusammengebracht. Diese Synagoge wird das schönste Monument der Stadt sein."         
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Oktober 1849: "Mehrere Journale haben von der prächtigen Synagoge gesprochen, welche die Gemeinde zu Mühlhausen nächstens einweihen wird. Die Stadt hat zu den Kosten, welche 150.000 Frks. (40.000 Thlr.) betragen, 15.000 Frks. (4000 Thlr.) beigetragen. Der Verkauf von 128 Stellen hat 170.000 Frks. (45,333 1/3 Thlr.) eingebracht. Es bleibt nun noch der fünfte Teil der Stellen, deren Preis die Totaleinnahme auf 200.000 Frks. (53.333 1/3 Thlr.) bringen wird. Den Käufern ist mitgeteilt, dass der Überschuss unter ihnen wieder verteilt werden wird."     

    
Die Einweihung der Synagoge (1849)   

Mulhouse AZJ 01011850.jpg (282319 Byte) Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar 1850: "Mühlhausen, 16. Dezember (1849). Wir entnehmen aus dem uns übersandt 'Industriel Alsacien' eine Beschreibung der Einweihung der neuen Synagoge, die in ihren Hauptsätzen so lautet:   
Das Fest fand am 13. Dezember statt, in der Mitte eines großen Zusammenflusses von Zuschauern.  Der Tempel, der 2000 Personen fassen kann, was ganz gefüllt, und eine zahlreiche Menge drängte sich außen, angezogen durch die Neuheit der Feierlichkeiten, die vor sich gehen sollten. Außer den Mitgliedern der Gemeinde, waren viele Personen aus und außerhalb der Stadt eingeladen und erschienen. Reservierte Plätze waren den Behörden und Körperschaften der Stadt, den Offizieren der Nationalgarde und Garnison und Anderen vorbehalten. Ein Detaschement der Nationalgarde und eine Kompanie der Linie waren befehligt, um die Ordnung aufrecht zu erhalten. Sie bildeten ein Spalier von der alten zu neuen Synagoge, wohin sich die Rabbiner und Delegierten der Gemeinde begaben, um einen letzten Gottesdienst zu feiern und die Gesetzesrollen abzuholen, welche von jetzt ab in einem kostbareren Tabernakel ruhen sollten.  
Die Übertragung der Torarollen geschah in Prozession, unter Absagung eines hebräischen Gebetes, welches der Rabbiner von Mühlhausen rezitierte. Jeder der eingeladenen Rabbiner trug im rechten Arm eine Rolle, eingehüllt in eine Bekleidung, die bei mehreren durch den Reichtum der Stoffe und Stickereien sich auszeichnete. Es folgte ein religiöser Gesang, Musik von Halevy, die durch den Vorsänger und ein Männer- und Kinderchor ausgeführt wurde. Dieser Gesang, von bemerkenswerter Harmonie, machte einen tiefen Eindruck, und zeigte die klare und biegsame Stimme des neuen Vorsängers. Die Weihe des Tempels geschah durch eine Prozession aller Rabbiner des Departements, von denen jeder eine Rolle trug, rings um die Estrade in der Mitte des Schiffes mehrere Male, unter Begleitung des Gesanges. Nachdem alle Rollen in das Tabernakel gestellt waren, hielt der Rabbiner von Mühlhausen eine Rede, in welcher er von dem Einfluss, welchen die Erbauung des neuen Tempels auf den israelitischen Kultus über würde, von der moralischen Zukunft der Gemeinde, und von den Banden der Brüderlichkeit sprach, welche in dieser Stadt zwischen den Israeliten und ihren Mitbürgern bestehen. Nach abermaligen herrlichen Gesängen wurde eine Sammlung für die Armen durch sechs israelitische Mädchen, eine jede von einem Kommissär begleitet, veranstaltet, die reichlich ausfiel. Hierauf sprach der Rabbiner ein Gebet für die Republik, ein Dankgebet wurde vom Vorsänger und Chor vollführt, dann erteilte der Rabbiner den Segen, und eine Militärmusik beendete die Feierlichkeit, welche 4 Stunden gewährt und die Zuschauer aller Religionsparteien tief ergriffen hatte.   
Der Tempel ist von orientalischem Stile, mit den Emblemen des mosaischen Kultus innen und außen verziert. Das Innere, voll Lichtes, enthält ein großes Schiff und zwei Seitenhallen in Form von Galerien. Im Grunde des Schiffes gen Osten ist das Tabernakel gestellt, dessen Proportionen mit dem Gebäude vollkommen harmonieren. Das Gesims des Tabernakels ist durch zwei Säulen, jede aus einem Stein von 5 Metern Höhe getragen. Die Türen des Tabernakels sind von einem weiten Vorgang von Karmosinsammet, reich in Gold gestickt und befranzt, bedeckt. Um die Türen zu öffnen hebt man den Vorhang auf, der in einem Doppelfache verschwindet. Über dem Gesimse befindet sich eine Rose von farbigem Glase, die Sonnenstrahlen nachahmend, was von schönem Effekt ist. In der Mitte des Schiffes befindet sich die Estrade, gegenüber eine Kanzel von schön skulpiertem Eichenholz. Das Schliff ist für die Männer auf festen Bänken bestimmt, an den Seiten und über dem Eingange sind Tribünen für die Damen. Erleuchtet wird der Tempel durch 300 Gasflammen, die, namentlich durch den Kronleuchter über der Estrade von 60 Flammen, ein feenhaftes Licht verbreiten."     


Die Einführung einer Orgel in der Synagoge wurde beschlossen (1867)   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Juli 1867: "Mülhausen (Frankreich), im Juni. Dem Beispiele Straßburgs folgend hat unsere Gemeinde mit großer Majorität die Einführung einer Orgel beschlossen. Dieselbe wurde nämlich in der Synagoge aufgestellt und sollte am Schewuoth zum ersten Mal gespielt werden. Dass unser Herr Rabbiner Dreyfus, Herausgeber des weiland Lien d'Israel, seine Einwilligung verweigerte, wird Sie und jeden überraschen, der ihn von früher kennt! Seine Renitenz wird jedoch die harmonischen Klänge unserer Orgel nicht lange hemmen."        

  
Eine Scheibe der Synagoge wurde eingeschlagen (1901)      

Mulhouse Israelit 01081901.jpg (28091 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August 1901:   


Zum Kol Nidre-Gottesdienst wurde in die Synagoge geschossen (1908)                

Mulhouse Israelit 16011908.jpg (32874 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Januar 1908:   

 

Die Synagoge wurde während der Zeit der deutschen Besatzung zwischen 1940 und 1945 demoliert und ausgeplündert (selbst der Parkettboden wurde gestohlen), überstand jedoch als Bauwerk die NS-Zeit.     
  
1950 wurde die Synagoge umfassend restauriert. 1984 wurde sie in die Liste der historischen Gebäude der Stadt eingetragen.    
  
Die Synagoge ist bis zur Gegenwart Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens in Mulhouse. Am 10. April 2010 kam es zu einem Brand in der Synagoge durch einen Kurzschluss im Windkanal an der Orgel, wodurch der Dachstuhl und die Emporen zerstört wurden. Die Synagoge musste umfangreich renoviert werden. Sie wurde am 2. September 2012 in Anwesenheit des Oberrabbiners von Frankreich Gilles Bernheim wieder feierlich eingeweiht. 
  
Pressebericht zur Einweihung:    http://www.lalsace.fr/haut-rhin/2012/09/03/du-beau-monde-pour-la-synagogue-renovee  
   
    
  
Die orthodoxen Beträume 
 
Die Einführung der Orgel in der Synagoge 1890 beziehungsweise 1892 (neue Orgel) führte auch in Mühlhausen dazu, dass eine Gruppe orthodox Gesinnter nicht mehr die Gottesdienste in der "Orgelsynagoge" besuchen wollte, sondern fortan ihren eigenen Gottesdienst abhielt. In Mühlhausen war es Jacques Meyer - genannt Jekel Meyer, der die orthodox Gesinnten sammelte und zunächst in seinem Privathaus einen Betraum einrichtete. Nachdem er 1910 gestorben war und der Betsaal in seinem Haus nicht mehr zur Verfügung stand, konnte die orthodoxe Gruppe 1912 einen Betsaal im Hinterhaus der Metzgerei Bloch in der Gerberstraße einrichten. Gut 20 Jahre später war dieser Betraum zu klein geworden, worauf die orthodoxe Gemeinde, die sich inzwischen "Societé israélite de stricte observance" nannte, 1933 eine neue Synagoge in der rue des Bonnes Gens 10 einweihte. Der orthodoxe Betraum wurde - nach dem Namen des Gründers - auch "Beth Jacob" genannt.  
       
 
Eine orthodoxe Gruppe hält ihren eigenen Gottesdienst im Haus von Jacques Meyer ab (1892)                 

Mulhouse Israelit 07031892.jpg (67563 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1892: "Mühlhausen im Elsass. Seit der Einführung der Orgel in die hiesige Synagoge hat Herr Jacques Meyer sich veranlasst gesehen, einen Gottesdienst nach althergebrachter Weise für Schabbat und Feiertag in seinem Hause einzurichten. Genannter Herr hat sich auch als Gabbai des Vereins des Heiligen Landes um die Armen des hl. Landes, für die er eine unermüdliche Tätigkeit entfaltet, sehr verdient gemacht. In seinem Hause werden alle Anordnungen unserer heiligen Religion aufs strengste gehandhabt; dies zu beobachten hatte ich am 15. Schewat besonders Gelegenheit, an welchem Tage (Schabbat Schira) Herr Meyer seine Freunde und Gesinnungsgenossen nach dem Mincha-Gebete mit allen Sorgen Früchten bewirtete. Isch Jehudi (frommer jüdischer Mann).  

    
Eine neue Torarolle aus Jerusalem wird von Jacques Meyer eingeweiht (1899)
      

Mulhouse Israelit 13041899a.jpg (82057 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. April 1899: "Mülhausen (Elsass). Sie brachten bereits wiederholt Berichte über die Einweihung der neuen Torarolle des rühmlich in weiten Kreisen bekannten Herrn Jacques Meyer. Eine Hauptsache blieb dabei unerwähnt, dass nämlich die Rolle in Jerusalem hergestellt ist, und dadurch einen ganz besonderen Wert hat. Die selten schöne Schrift, die vorzügliche Ausstattung, die vollendete Vereinigung aller Eigentümlichkeiten, haben den alten Ruf der heiligen Stadt gerade nach dieser Seite hin, wieder voll und ganz gerechtfertigt. Die Torarolle, die zwei Jahre für ihre Herstellung erforderte, erregt das Entzücken aller Beschauer und der billige Preis, sowie die Vereinigung aller oben erwähnten Vorzüge haben bereits die Nachbestellung von zwei Torarollen zur Folge gehabt. Hoffentlich bewährt sich auch hier das Wort: eine Mizwe zieht eine andere Mizwe nach sich, dass eine gute Tat die andere nach sich zieht und dass hierdurch noch recht viele veranlasst werden, Torarollen auf der heiligen Stadt zu beziehen."       

 
Einweihung des neuen Betsaales der orthodoxen Gemeinde (1912)     

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 2. August 1912: "Letzten Samstag wurde der neue Betsaal der hiesigen orthodoxen Gemeinde nach einer kurzen Ansprache seitens des Konsistorialmitgliedes Meyer seiner Bestimmung übergeben. Der Betsaal befindet sich im Hinterhause der Metzgerei Bloch (Gerberstraße)."     


Einweihung des Betlokals der orthodoxen "Societé israélite de stricte oberservance" (1933)        

Mulhouse Israelit 16031933.jpg (150690 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März 1933: "Mühlhausen (Elsass). 5. März (1933). Die 'Societé israélite de stricte observance' hat am Rosch Chaudesch Adar (= 1. Adar) ihr neues Betlokal, rue des Bonnes Gens 10, eingeweiht. Das Consistoire du Haut-Rhin war vertreten durrch seinen Präsidenten, Herrn Paul Wurmser, aus Colmar, durch seinen -Vizepräsidenten Herrn Oberrabbiner Ernest Weil, Colmar, und die Mitglieder des Consistoire Herrn Dr. med. Ernest Meyer, Mühlhausen und Herrn Emanuel Schwab, Mühlhausen. Weiter waren vertreten die Gemeinde Mühlhausen und viele andere Organisationen und Ehrengäste. Das Minjan, welches sich zum 'Beth Jacob' entwickelt hat, wurde vor ca. 50 Jahren durch Jacques Meyer - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - genannt Jekel Meyer gegründet, als die Orgel in der Synagoge in Mühlhausen eingeführt wurde. Das bisherige Lokal war längst zu eng und man musste sich nach neuen Räumen umsehen, die in Zukunft nach dem Namen des Gründers des Minjan 'Beth Jacob' genannt werden. Herr Mathieu Meyer, Bruxelles, ein Sohn von Jacques Meyer - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -, und Herr Sam Meyer, Paris, ein Enkel, haben als Vertreter der Familie Meyer der Einweihung beigewohnt.  
Die Feier begann mit der Ankunft der Torarollen, die von den Rabbinen und Ehrengästen getragen wurden.  
Nachdem Herr Nathan Rein, der Präsident der 'Societe de la stricte observance', die Mitglieder des 'Beth Jacob' sowie die zur Feier anwesenden Gäste und Delegierten aus Mühlhausen, Colmar, Straßburg, Zürich und Basel begrüßt hatte, ergriff Rabbiner Camille Bloch, Mühlhausen-Dornach, das Wort zur Einweihungsrede. Es ergriffen noch das Wort Herr Dr. Meyer, Mühlhausen, Herr Baruch Kahn, der Vizepräsident von Beth Jacob', Herr Rabbiner Deutsch, Bischheim und Herr Oberrabbiner Weil, Colmar, die alle mit ihren schönen Ausführungen der Feier die würdige Stimmung gaben. Für die gesanglichen Leistungen zur Verschönerung der Feier gebührt aller Dank den Kantoren Weiß, Straßburg und Rowinsky, Colmar.  
Zum Schluss ergriff Herr Mathieu Meyer, Bruxelles, das Wort, um ihm Namen seiner Familie zu danken und seiner Freude Ausdruck zu geben, dass das Werk seines Vaters Jacques Meyer - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - im 'Beth Jacob' weiter lebt."       

  
  
Adressen/Standorte der Synagogen:   
  
Synagoge von 1822: Rue Sainte-Claire    
Synagoge von 1849: 19, rue de la Synagogue  
   
  
Fotos  

Historische Ansichten  Mulhouse Synagoge 143.jpg (49400 Byte) Mulhouse Synagoge 142.jpg (46241 Byte)
     
      
Außenansichten 
der Synagoge
 
Mulhouse Synagoge 520.jpg (82514 Byte) Mulhouse Synagoge 521.jpg (79226 Byte) Mulhouse Synagoge 140.jpg (56902 Byte)
    Fotos aus Rothé / Warschawski s.Lit. S. 170-171; rechts: Wikipedia-Artikel   
      
Innenansicht    Mulhouse Synagoge 522.jpg (84020 Byte) Mulhouse Synagoge 141.jpg (141310 Byte) 
   Foto aus Rothé / Warschawski S. 171.  
     
     

           
            

Links und Literatur  

Links: 

bulletWebsite der Stadt Mulhouse      
bulletFranzösische Informationsseiten jüdischen Geschichte und zur Synagoge in Mülhausen, u.a.  
Francis Weill: Histoire de la Synagogue de Mulhouse    
 - Rabbin Claude Gensburger: Les Rabbins de Mulhouse á l'heure industrielle (1798-1940)   
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof in Mülhausen (interner Link) 
bulletWikipedia-Artikel "Synagogue de Mulhouse"   Wikipedia-Artikel Synagoge (Mulhouse)      

Literatur:  

bulletSimon Adler: Geschichte der Juden in Mülhausen im Elsass. Inaugural-Disseration Universität Basel. Mülhausen 1914. 
bulletRené Hirschler: Les Juifs à Mulhouse. Èdité par la Communauté Israélite de Mulhouse. 1938. 
bulletMichel Rothé/Max Warschawski: Les synagogues d'Alsace et leuir historie. Herusalem 1992. S. 170-173. 

    
      


 
   
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Mulhouse (Muelhausen) Haut-Rhin dist.  The earliest reference to Jews in Mulhouse dates from 1290. There was a massacre of Jews in 1337 and persecution during the Black Death disturbances of 1348-49. According to official documents from 1385, the Jews had to pay the treasury a sum equal to a third of their assets. In 1418, nine Jewish families were living in Mulhouse. Though not expelled, there were no Jews in Mulhouse between 1512 and 1655. At the beginning of the 18th century, the few Jewish families residing in Mulhouse engaged in commerce, which aroused the ire of Christian competitors. By 1784, 23 families (94 personens) resided in the town. Following riots in Alsace in 1789, the number of Jews in Mulhouse grew. The first small synagogue built in 1822 was replaced by a new one in 1849. The community founded a school in 1842 and an almshouse-hospital in 1863. Alfred Dreyfus (1859-1935) was born here. By 1885, the Jewish population was 3.839, decreasing to 3.506 in 1905 and 1.710 in 1926. From 1930, the Kadima bulletin provided information about the social activities of the local mutual aid societies. The Zionists were active, establishing a society with 60 members in 1935, as well as committees representing Keren Hayesod, Heren Kayemet (nine members), and Maccabi (30 members). On the eve of Worldwar II, the community decreased to 2.240 members. Under the German occupation, Mulhouse was the site of a regional camp, mainly for female internees. On 15 July 1940, the Jews of Mulhouse were expelled by the Germans to the south of France, along with the other Jews of Alsace-Lorraine. The synagogue, partially damaged, was saved from total destruction. In 1964, the community numbered 1.920 members.  
    
      

                   
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Stand: 30. Juni 2020