Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 


zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"  
zur Übersicht "Synagogen im Elsass"      
            

Sierentz (Sierenz, Dep. Haut-Rhin / Alsace / Oberelsass) 
Jüdische Geschichte  /  Synagogue / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen
bulletLinks und Literatur   

     

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde                  
   
In Sierentz bestand eine jüdische Gemeinde bis 1940. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. 1689 wurden drei jüdische Familien am Ort gezählt. Im 18. Jahrhundert nahm die Zahl zu von zehn jüdischen Familien (1716( auf 41 Familien (1766) bzw. 43 Familien (1784) mit zusammen 217 Personen
 
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1808 256 jüdische Einwohner, 1849 312, 1861 248, 1900 95.    
 
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule, zeitweise (noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts) eine bedeutende Jeschiwa und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Hegenheim beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schochet tätig war. Die Gemeinde hatte bis 1909 einen eigenen Rabbiner. Unter den Rabbinern des 19./20. Jahrhunderts sind zu nennen:  Rabbiner Marcel Meyer Nathan Hirsch (Rabbiner von 1849 bis 1889), Rabbiner Henri Levy (Rabbiner von 1900 bis 1909). Die Toten der Gemeinde wurde auf dem jüdischen Friedhof in Hegenheim beigesetzt. 
  
Bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder stark zurückgegangen. Dieser Prozess setzte sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts fort. 1936 wurden noch 33 jüdische Einwohner gezählt.
   
Die letzten jüdischen Einwohner von Sierentz, die die Stadt bis 1940 nicht verlassen konnten, wurden in diesem Jahr unter der deutschen Besatzung nach Südfrankreich deportiert.      

Uffheim Gedenken 080.jpg (56086 Byte)Von den in Sierentz geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem): Léon Ginsburger (1876), Benoit Goldschmidt (1868), Berthe Grumbach (1878), Marcel (Marx) Levy (1872), Rosa Lion (1883), Heinrich Rein (1908), Salomon Rein (1884), Berthe Ullmann (), Georgette Ulmann (1899).
Das Foto links zeigt das Denkmal im jüdischen Friedhof in Hegenheim.    
  
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
    
Aus der Geschichte des Rabbinates  
Zum Tod von Rabbiner Nathan Hirsch (1889)     
Anmerkung: Rabbiner Marcel Meyer Nathan Hirsch (geb. 1797 in Haguenau, gest. 1889 in Sierentz) studierte in Frankfurt am Main und wurde 1828 als Rabbiner nach Dieuze berufen; anschließend war er von 1849 bis 1889 40 Jahre lang als Rabbiner in Sierentz tätig. Er wurde im Friedhof in Hegenheim beigesetzt.   

Sierenz Israelit 28111889.jpg (209834 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. November 1889: "Mühlhausen (Ober-Elsass), 20. November (1889). Heute haben wir den ältesten Rabbiner des Elsass zu Grabe getragen. Herr Rabbiner Nathan Hirsch in Sierenz ist am Dienstag, den 19. November in dem hohen Alter von 92 Jahren aus diesem Leben geschieden. Nachdem er früher in Frankreich amtiert hatte, kam er vor nunmehr 50 Jahren (sc. 40) nach Sierenz, wo damals eine ansehnliche Gemeinde bestand mit einer Jeschiwa, die von weit und breit Schüler herbeizog. Zu jener Zeit war das Elsass ein Land voller Frömmigkeit, wo das Torastudium in höchster Blüte stand. Mit Schmerz musste er der Verstorbene, der stets als orthodoxer Rabbiner gewirkt hat, erleben, wie allmählich das Judentum das Elsass in Verfall geriet und unter anderem auch die Jeschiwa, die seiner Gemeinde zu höchster Zierde gereicht hatte, aufhörte. So viel an ihm lag, tat er um dem Verderben lindernd in den Weg zu treten. Bis zuletzt bewahrte er sich Frische des Geistes, und ein gütiges Geschick erhielt ihm auch die Rüstigkeit des Körpers. Noch wenige Tage vor seinem Tode vollzog er in einem benachbarten Dorfe, welches zu seinem Sprengel gehörte, eine Trauung. Er hatte letzthin verfügt, dass alle Rabbiner des Ober-Elsass zu seiner Beerdigung eingeladen werden sollten. Neun von ihnen waren dem an sie ergangenen Rufe gefolgt, der grand rabbin von Colmar, Weil, die Herren Moock – Mühlhausen, Schüler – Bollweiler, Wormser – Tann, Weil – Rappoltsweiler, Spiegel – Blotzheim, Levy – Altkirch, Dr. Lerner – Winzenheim, Aschkenaze – Niedersept. Außerdem hatte einer Einladung des Vorstandes Herr Dr. Cohn, Rabbiner von Basel, Folge geleistet. Um 10 Uhr begann die Trauerfeier. Von der allgemeinen Beliebtheit des Verstorbenen zeugte die außerordentlich große Teilnahme bei der Beerdigung. Alle Einwohner des Dorfes, Juden wie Christen, unter ihnen sogar die beiden christlichen Geistlichen folgten der Bahre, welche in die dichtgefüllte Synagoge getragen wurde. Hier sprachen die Rabbiner von Colmar, Mühlhausen und Tann Worte der Klage um den Dahingegangenen und der Ermahnung an die Gemeinde. Inzwischen war die Mittagsstunde herangerückt und nach nichtjüdischer Art war in dem jüdischen Wirtshause des Dorfes eine große Mahlzeit für die Fremden hergerichtet, die meisten hierdurch von der Begleitung des Leichenzuges sich abhalten ließen; ohne an das alte Wort des Weisen zu denken: ‚Besser als zum Gastmahl, ist es, zum Trauernden zu gehen’. Nur die Rabbiner von Bollweiler, Basel und Winzenheim begleiteten den Toten bis zum Friedhof in Hegenheim und erwiesen so die letzte Ehre einem der ganz Wenigen, die in unserem Lande die Krone der Tora getragen haben. Die drei Rabbiner hielten auf dem Friedhofe ergreifende Ansprachen, die ihre Wirkung auf die zahlreiche Zuhörerschaft nicht verfehlten."
  
Weiterer Bericht von der Beerdigung für Rabbiner Hirsch (1889)    
Sierenz Israelit 09121889.jpg (246129 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Dezember 1889: "Uffheim, 1. Dezember (1889). Bezüglich des Artikels Mülhausen in Nr. 93 Ihres geschätzten Blattes sei mir gestattet einiges beizufügen beziehungsweise zu berichtigen. Da ich an der Trauerfeier des hochseligen Rabbiners – er ruhe in Frieden – von Anfang bis zu Ende teilgenommen und nebst diesem mit ihm selbst während der Dauer seiner Amtsverwaltung in Sierenz (zu dessen Sprengel auch die beiden Gemeinden Uffheim und Kembs gehörten), sehr oft in freundschaftlichen Beziehungen gestanden, halte ich dieses für eine Pflicht. Nicht nur die Gemeinde Sierentz, sondern auch die ganze israelitische Gemeinde Uffheim, sowie der Vorstand von Kembs waren gegenwärtig. Die Trauerreden der drei genannten Rabbinen währten bis Mittag, wo alsdann die Trauerfeier bis zu Ende des Ortes statthatte, worauf die Leiche nach dem 2 ½ Stunden entfernten Friedhof der heiligen Gemeinde Hegenheim geführt wurde. Fast sämtliche israelitischen Sierenzer Gemeindemitglieder, sowie die Mitglieder des israelitischen Vorstandes von Uffheim begleiteten den teuren Verblichenen nach seiner letzten Ruhestätte. Von seinen beiden Söhnen war es nur dem Erstgeborenen vergönnt, seinem geliebten Vater die letzte Ehre erweisen zu können, da der jüngere zur Zeit in dem weit entfernten heiligen Lande weilt. So wie Ihr Berichterstatter schreibt, hielten die drei Rabbiner von Bollweiler, Basel und Winzenheim ergreifende Ansprachen, wobei jedoch anzumerken, dass auch der Rabbiner Dr. Aschkenasi daselbst auf dem Friedhof gesprochen. Besonders hervorgehoben zu werden verdienen die Worte des Rabbiners Dr. Cohn, Basel, der die traurigen Zustände des religiösen Verfalls im Allgemeinen berührte, besonders aber versuchte er den tief ergreifenden Kontrast von früher und jetzt zu schildern, als in unserem Elsass ehemals noch viele Jeschiwot (Talmudhochschulen) und speziell in Sierenz eine bestanden, wo Tag und Nacht gelernt und gelehrt worden, welches jetzt leider Alles aufgehört hat. Schließlich rief der der Gemeinde Sierenz zu, ihr Mögliches anzuwenden, dass der dortige Rabbinatssitz baldigst wieder würdig besetzt werde, nicht aber den vielen Gemeinden nachzuahmen, die im Elsass einer bedauernswürdigen Lässigkeit in dieser Hinsicht sich schuldig machen. Möchten die Worte dieses würdigen Seelsorgers nicht in unfruchtbarem Boden gesät worden sein. – Die Beerdigung war erst um 4 Uhr nachmittags beendigt. Der verewigte Rabbiner Marcel Hirsch – das Andenken an den Gerechten ist zum Segen – geboren im Januar 1797, machte sein talmudisches Studium in Frankfurt am Main. Er wurde zuerst in Dieuze in Lothringen als Rabbiner aufgenommen. Als 1849 der Rabbinatssitz in Sierenz mit den Gemeinden Uffheim und Kembs vakant geworden, wurde er als Nachfolger des am 6. Nissan 5607 (= 23. März 1847) daselbst verewigten Rabbiners Josua Sohn des Rabbiners Borech Wahl (Wohl ?) zum Lehrer erwählt. Geboren war er zu Hagenau (Unter-Elsass), 40 Jahre also versah er das Rabbineramt in Sierenz. Er war ein Tiefgelehrter Talmudist, der sich auch profane Kenntnisse anzueignen gewusst; bei einer vom Gesetz gebotenen Versammlung war er stets ein sehr angenehmer Gesellschafter, welches Talent er sich bis zum spätesten Greisenalter bewahrte; sein Gang war niemals der eines Hochbetagten, man glaubte immer einen jungen Mann vor sich zu sehen. Er hinterließ zwei Söhne. Beide sind wissenschaftlich gebildete Männer; Emil, der ältere hatte das Seminar Israelite in Paris frequentiert, und der jüngere Samuel, verwaltet das Amt des Direktors der israelitischen Ackerbauschule zu Jaffa (Palästina). Auch hinterließ er vier verheiratete Töchter, von welchen zwei leider sein einigen Jahren Witwen sind; seine Frau ist ihm vor 18 Jahren schon ins Jenseits voraus gegangen. Möge der Allgütige dieser trauernden Familie in ihrer tiefen Betrübnis seinen heiligen Trost nicht versagen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."   

  
Zum Tod von Rabbiner Henry (Naphtali) Levy (1909)   
Anmerkung: Rabbiner Henri Lévy (auch Naphtali Lévy) stammte ais Sierentz: war um 1895 als Rabbiner in Blotzheim tätig, 1900 bis 1909 als Rabbiner in Sierentz, von wo aus der auch das Rabbinat von Blotzheim verwaltete. Er wurde nach seinem Tod am 13. Oktober 1909 im Friedhof in Hegenheim beigesetzt.       

Sierenz Alsace Israelit 21101909.jpg (261818 Byte)Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Oktober 1909: "Basel, 15. Oktober (1909). Am 13. Oktober starb im hiesigen jüdischen Spital nach langem und schwerem, mit unendlicher Geduld ertragenen leiden, Rabbiner H. Levy von Sierenz. Wehmut ergreift den Schreiber dieser Zeilen bei der Abfassung der Berichts, dass soviel geistige, moralische und sittliche Schönheit so früh von der Welt genommen wurde, dass dieser mit seltenen Gaben des Verstandes und Charakters ausgezeichnete Mann, nur 33 Jahre alt geworden ist. Der Verstorbene, von seinem in Oberehnheim lebenden Vater frühzeitig dem Lernen zugeführt, verband mit großer Begabung Fleiß und Regsamkeit, sodass er unter seinen Mitschülern stets einer der ersten war. Er wäre groß geworden in der Wissenschaft. Da überfiel ihn im Jünglingsalter eine tückische Lungenkrankheit, die langsam das Mark seines Lebens aufzehrte und den Flug seines Geistes lähmte. Seiner unermüdlichen Zähigkeit ist es zuzuschreiben, dass er, das Liebling aller seiner Lehrer, seine Studien vollenden und seine Examina absolvieren konnte. Vom Konsistorium von Oberelsass wurde er auf den lange verwaisten Rabbinatssitz in Sierenz berufen. Für den Rabbinatsberuf brachte er außer den Kenntnissen in der heiligen Tora, seiner umfassenden allgemeinen wissenschaftlichen Bildung, seiner feurigen Liebe und Begeisterung für die heilige Religion der Väter, seiner aufrichtigen und wahren in Leiden erprobten Herzensfrömmigkeit, eine Liebenswürdigkeit des Wesens mit, einen Chen, der ihm die Herzen aller Menschen zuwandte, und alle, die ihn kannten, zwang, ihn zu lieben. Obwohl durch seine Krankheit geschwächt, widmete er alle seine Kräfte seinem Rabbinatsbezirk. Am Sabbatnachmittag hielt er Vorträge für die reifere Jugend, für die Chasonim (Vorbeter) und Schochtim (Schächter) des Bezirkes hielt er Fortbildungskurse ab. Doch immer schwerer wurde sein Leiden und immer näher senkten sich die Schatten des Todes auf ihn herab. Die letzten sechs Monate seines Lebens verbrachte er im jüdischen Spital in Basel, wo er sich aufmerksamster und liebevollster Pflege und Abwartung erfreute. Er nannte diesen Aufenthalt selbst den letzten Sonnenblick in seinem Dasein. Über seinen Zustand machte er sich keine Illusionen, und mit einer Resignation, die dem Zuhörenden ins Herz schnitt, konnte er selbst über sein nahes Ende scherzen. Nur eines bedauerte er, dass er nicht mehr für das Judentum, für die Tora und die Gebote habe wirken können. Dabei blieb er geistig rege bis in seine letzten Lebenstage hinein und nahm an allen jüdisch-wissenschaftlichen Fragen lebhaften Anteil. Noch den ersten Abend des Suckaus-Festes (Laubhüttenfest) saß er in der Sucko (Laubhütte) des israelitischen Waisenhauses. Am nächsten Tage warf ihn die Krankheit auf das Lager, von dem er sich nicht mehr erheben sollte.
Seine Beerdigung am Freitag, gestaltete sich zu einem überwältigenden Zeugnis der Liebe und Verehrung, welche der Verstorbene genossen. Das Konsistorium des Oberelsass war durch die Herren Bloch und Armand Bernheim vertreten, aus den Gemeinden Sierenz, Uffheim, Blotzheim und Kembs war gekommen, was kommen konnte, und wenn es nicht Freitag gewesen wäre, hätten von den Rabbinern des Elsass wohl nur wenige gefehlt. In der Halle des jüdischen Friedhofs in Basel sprach zuerst Herr Rabbiner Dr. Cohn, selbst tief ergriffen, Worte des Abschieds und stimmte die Klage an ‚um den bescheidenen, den Frommen, der ein Schüler Abrahams gewesen.’ Dann hielt Herr Rabbiner Dr. Staripolsky von Zabern, welcher der Lehrer des Verstorbenen gewesen, seinem Schüler, den er wie ein Vater geliebt hatte, einen erschütternden Nachruf. Zuletzt sprach Herr Rabbiner Dr. A Bloch von Oberehnheim als Präsident des elsässischen Rabbinerverbandes Worte der Trauer um den verstorbenen Freund. Dann setzte sich der Leichenzug nach Hegenheim in Bewegung, wo der Verstorbene in der Reihe der Rabbiner seine letzte Ruhestätte fand.   
Hier hielt zunächst Herr Rabbiner Dr. S. Schüler von St. Ludwig, ein Freund und Studiengenosse des Verstorbenen, einen tief empfundenen und ergreifenden Nachruf. Dann sprach Herr Rabbiner Dr. Marx aus Westhofen als Freund herzliche Worte des Abschieds. Am offenen Grab sprach noch Herr Rabbiner Dr. Mayer von
Thann. Dem Leichenbegängnisse wohnten außerdem noch bei die Rabbiner Dr. Dreyfuß – Dürmenach, Dr. Auscher – Altkirch, Dr. Guggenheim – Quatzenheim, Dr. Bloch – Sulz u.W. und Dr. Ury – Schlettstadt.  Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." 

  
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben  

Streit in der jüdischen Gemeinde (1876)   

Sierenz Israelit 26071876.jpg (120994 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Juli 1876: "Uffheim (Elsass), 13. Juli (1876). In Ihrem geschätzten Blatte war schön öfters die Rede von Trennungen, welche aus religiösen Gründen in einigen jüdischen Gemeinden Deutschlands stattgefunden. Uns elsässischen Juden schien dieses etwas ganz Unbegreifliches. Doch jetzt ist zu unserem allgemeinen Erstaunen dergleichen in unserer Nähe zustande gekommen. In dem benachbarten Sierenz ist nämlich schon seit einigen Wochen in der Gemeinde Zwietracht ausgebrochen; zwar nicht aus religiösen Gründen, denn keine der beiden Parteien verlangt Reformen, als 3jährigen Zyklus bei Vorlesung der Tora, deutsche Gebeteinführung oder dergleichen. Hier handelt es sich um nichts anderes als um materielle persönliche Beweggründe, um eine nicht zu entschuldigende Rechthaberei. Dieser Tage nun hat die eine Partei die Synagoge verlassen und hat sich ein besonderes Bethaus errichtet, während die andere fortfährt, in der Synagoge ihre Andacht zu verrichten. Bereits haben gegenseitige Denunziationen bei den juristischen Behörden als auch bei dem Konsistorium ihre Wirkung getan, jedoch nur in dem Sinne, dass es bei den ersteren Geld gekostet, welches zu etwas Besserem hätte verwendet werden können und dass sie bei dem letzteren, das es an Ermahnungen zur Eintracht nicht fehlen ließ, zu keinem Resultat führten. Wohin also diese skandalöse Geschichte noch führen wird, ist unmöglich jetzt vorauszusehen. Zu wünschen wäre, dass beide Parteien jede ihr eigenes Unrecht, nicht das der Gegenpartei einsehen möchten. Mögen sie bedenken, dass auf Grund des sinnlosen Hasses der zweite Tempel zerstört wurde, wodurch leider diese unabsehbar lange Diasporazeit entstand. Möge jeder ernst stark werden, da würden sie beiderseits zur Einsicht gelangen dass: Friede ernährt, Unfriede verzehrt."   

  
Vereinsgründung der Kantoren der Rabbinate Hegenheim und Sierenz 1902  

Sierenz Alsace Israelit 13021902.jpg (135290 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Februar 1902: "Aus dem Ober-Elsass. Gelegentlich der im letzten Sommer stattgefundenen Synagogeneinweihung in Sierenz beschlossen, einer Anregung des Herrn Rabbiner Dr. Schüler, Hegenheim, folgend, die dort versammelten Kantoren der Rabbinate Hegenheim und Sierenz zu einem Vereine zusammenzutreten. Zwei ebenfalls anwesende Kollegen aus dem Rabbinate Rixheim erklärten sich mit unserem Vorhaben einverstanden und versprachen, sofort nach Gründung desselben beizutreten. Der Verein trat im August des letzten Jahres ins Leben. Alle 14 Tage, an den freien Sonntag-Nachmittagen, fanden regelmäßige Zusammenkünfte statt. Auf Vertiefung und Erweiterung der im Beruf erforderlichen Kenntnisse wird darin das Hauptgewicht verlegt. Darum widmen wir der Wiederholung der Bestimmungen zur Schechita und der Durchnahme des Schulchan Aruch den größten Teil der uns zur Verfügung stehenden Zeit. Daneben wird auch der gesanglichen Weiterbildung einige Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn dann noch weiterhin, was wir beabsichtigen, die Ausarbeitung und Abhaltung von Lehrproben auf dem Gebiete des Religionsunterrichts hinzutreten wird, so werden die segensreichen Erfolge unseres Vereins nicht nur an seinen Mitgliedern sichtbar sein, die in den Sitzungen ausgestreute Saat wird auch im Gemeindeleben Blüten und Früchte tragen. Nicht versäumen wollen wir aber, den Herren Rabbinern Dr. Schüler, Hegenheim und Levy, Sierenz, unter deren Leitung unsere Sitzungen stattfanden, an dieser Stelle unseren wärmsten Dank auszusprechen. Leider ist Herr Rabbiner Levy durch seinen Gesundheitszustand gezwungen, den Winter im Süden zu verbringen. Möge er dort die ersehnte Heilung finden. E.S."    

      
Der Krieg bedroht auch viele Orte mit jüdischen Gemeinden im Oberelsass (1914)  
Anmerkung: die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder bezieht sich auf ca.1890.    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. September 1914: "Hagenau, 10. September (1914). Die schweren Kämpfe im Oberelsaß, die in letzter Zeit zwischen den Franzosen und Deutschen ausgefochten wurden, erinnern uns daran, dass die dortige Gegend ziemlich stark von Juden bewohnt ist, die jetzt nicht nur zum großen Teil gezwungen waren, Heim und Herd zu verlassen, sondern neben der schweren seelischen Not auch viel durch die Zerstörung von Hab und Gut zu dulden haben. Es wohnen in dem vielgenannten Altkirch 289 jüdische Seelen, Hirsingen 74, Dammerkirch (Dannemarie) 15, Hagenbach 26, Bergheim 110, Grussenheim 314, Neubreisach 102, Blotzheim 62, Bollweiler 120, Ensisheim 27, Regisheim 154, Dürmenach 205, Hegenheim 169, Hüningen 50, Kolmar 1105, Dornach 202, Mülhausen 2271, Niederhagental 145, Niedersept 124, Pfastatt 73, Markirch 147, Rappoltsweiler 134, Habsheim 73, Rixheim 69, Sennheim 151, Wattweiler (Wattwiller) 37, St. Ludwig 60, Kembs 50, Sierenz 113, Uffheim 120, Gebweiler 305, Sulz 182, Thann 163, Winzenheim 421 Juden. Die meisten Familien, besonders in der Mülhauser Gegend, haben sich flüchten müssen, viele davon haben sich während dieser schweren Zeit in der Schweiz niedergelassen.".      

     
     
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde      
Antijüdischer Richter (1872)   

Sierenz Israelit 24071872.jpg (50259 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Juli 1872: "Mühlhausen. Die ‚Frankfurter Zeitung’ bringt unter ‚Mitteilungen aus dem Publikum’ Folgendes: ‚Ich bitte Sie, von Nachstehendem Notiz zu nehmen: Am 18. Juni dieses Jahres stand vor dem Landgerichte zu Mühlhausen (Elsass) ein Israelit, namens Ullmann aus Sierenz. So oft er aufgerufen wurde, tat dies der Vorsitzende, Herr Hoffinger, immer unter Beifügung des Prädikates: ‚Jude’, wie denn besagter Richter, wenn er Ruhe gebieten will, dies gewöhnlich mit dem Zusatze zu tun pflegt: ‚Stille, wir sind in keiner Judenschule!’ – In ganz Mühlhausen ist diese eigentümliche Ausdrucksweise des Herrn Richters bekannt."

   
Zum Tod des aus Sierenz stammenden Benoit Lang (in Baden, Schweiz, 1921)
     

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. März 1921: "Zürich. Mit Benoit Lang verschied in Baden der letzte der drei Brüder, die unverfälschtes Judentum nach der Schweiz verpflanzten. sie stammten aus Sierenz im Elsass. In der Überzeugung, dass nur die Tora die Judenheit erhalten könne, errichteten sie Lehrstätten der Tora und förderten überall ihre Erhaltung. Die Liebe zur Gotteslehre war der Herzpunkt, wo die drei Brüder zusammentrafen. Der eine steuerte feurig und kämpfend, der andere ruhiger und gemessen, aber unentwegt auf dieses Ziel los. Wer Gelegenheit hatte, den seligen Benoit Lang beten zu sehen, wer ihn Mizwas Lulow erfüllen sah, der bewunderte die titanenhafte jüdische Seele in diesem schwachen Körper. Der Begriff Leben umspannte aber auch bei ihm wie bei den andern Brüdern die aufrichtigste Liebe zu den Mitmenschen. Jeder Bedürftige fand klingende und tröstende freundlich-ermutigende Aufnahme. Drei Brüder waren es, und drei Dinge, die Lebensadern des Judentums haben sie gehütet: Tora, Awoda (Gottesdienst) und Gemilus Chasodum (Wohltätigkeit). (Israelitisches Wochenblatt für die Schweiz)."      

  
  
  
Zur Geschichte der Synagoge           
   
Eine erste Synagoge wurde 1757 erbaut. Sie wurde 1870 restauriert. 

30 Jahre später wurde eine neue Synagoge erstellt. Ihre Einweihung war am 31. Juli 1901.  
  
Einweihung der Synagoge in Sierentz (1901)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. August 1901: "Hegenheim, 5. August (1901). In Sierenz (Ober-Elsass), fand Mittwoch, den 31. Juli, die Einweihung der neu erbauten Synagoge statt. Zahlreiche Israeliten aus der ganzen Umgegend waren aus diesem Anlass erschienen. Die Feier begann nachmittags in der alten Synagoge, wo Herr Rabbiner Dr. Schüler, Hegenheim, den Gefühlen der sich von ihrem Gotteshause verabschiedenden Gemeinde in beredten Worten Ausdruck verlieh. In langem Zuge bewegten sich hierauf die Festgenossen dem neuen Gotteshause zu, wo Herr Oberrabbiner Weill - Colmar und Herr Gemeinderabbiner Levy in ihren Festreden Wesen und Bedeutung der Synagogen schilderten. Den gesanglichen Teil hatten die Kantoren der benachbarten Orte übernommen. Auch der christliche Ortsgesangverein ließ es sich nicht nehmen, durch Vortrag von Liedern das Fest zu verschönern. Wohltuend wirkte ebenfalls die Rede eines christlichen Gemeinderatsmitgliedes, der seiner Freude über das friedliche Einvernehmen zwischen den beiden Konfessionen ausdrückte. Ein Festbankett gab der Feier einen schönen Abschluss."     

Die Synagoge blieb Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens bis zur Deportation der letzten jüdischen Einwohner im Jahr 1940.   
  
   
Adresse/Standort der Synagoge:   alte Synagoge stand an der Ecke Bach Gass und Haasen Gass                 
   
   
Fotos   

Die Synagoge in Sierentz
(Quelle: Rothé / Warschawsky S. 180)  
Sierentz Synagogue 110.jpg (23794 Byte)  
     
     
Grabsteine im jüdischen Friedhof
 in Hegenheim  
Sierentz Heg Fr 03.jpg (52495 Byte) Sierentz Heg Fr 02.jpg (68920 Byte)
  Grabstein für Teodor Levy 
von Sierenz (gest. 1907) 
   
Grabstein für die Ehefrau 
von Jacob Ullmann in Sierenz 
(gest. 1900)  
     
Gedenken an Opfer der Shoa   Sierentz Heg Fr 01.jpg (29715 Byte)   
       

   
   

Links und Literatur

Links:

bulletWebsite der politischen Gemeinde Sierentz   
bulletFranzösische Informationsseite zur Synagoge in Sierentz   

Literatur:  

bullet

Michel Rothé / Max Warschawski: Les synagogues d'Alsace et leur histoire. Jerusalem 1992. S. 180.

  
n.e.   

                   
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge nächste Synagoge   

             

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020